Das Streben nach einer umweltfreundlicheren, ethischeren und gesünderen Lebens- und Produktionsweise ist zum Megatrend geworden, der Gesellschaft wie Wirtschaft gleichermaßen prägt und längst auch in der Werbeartikelbranche omnipräsent ist. Deshalb startet mit den Werbeartikel Nachrichten, Nr. 341 eine Serie zum Thema Nachhaltigkeit. Eine Einführung in ein komplexes Thema mit vielen Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt.

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Sie sind billig und aus Plastik. Sie werden meist importiert, und niemand weiß so genau, woher. Sie werden in Massen unters Volk gebracht und danach häufig sofort weggeworfen: Solche und ähnliche Klischees hafteten Werbeartikeln lange Zeit an. Werbeartikelbranche und Nachhaltigkeit – das ging deshalb noch vor nicht allzu langer Zeit in den Köpfen vieler in etwa so gut zusammen wie Rüstungsindustrie und Pazifismus. Heute ist die Diskussion differenzierter. „Vor zehn Jahren waren die Themen ‚Werbeartikel‘ und ‚Nachhaltigkeit‘ sicherlich ein Widerspruch. Auch heute noch sagen Wettbewerber im Gespräch: ‚Du und ich, wir werden diese Welt nicht ändern.‘ Dabei hat sich viel getan“, so Manfred Janek, Nachhaltigkeitsbeauftragter von kw open. Die österreichische Werbeartikelagentur hat sich auf nachhaltige Werbeartikel spezialisiert – und davon gibt es im Markt inzwischen eine ganze Menge, wie man bei jedem Rundgang über eine Werbeartikelmesse feststellen kann. Nachhaltigkeit ist seit rund einem Jahrzehnt ein Trendthema in der Branche – weil sie in Wirtschaft und Gesellschaft ein Megatrend ist.

Konsumenten als Triebfeder

Ökologie und Nachhaltigkeit beschäftigen nicht mehr nur Randgruppen, sondern sind im Mainstream angekommen. Aus den „Ökos“ der 1980er Jahre sind die „Lohas“ (Lifestyle of Health and Sustainability) der 2000er Jahre geworden – keine homogene Zielgruppe, sondern Menschen mit sehr unterschiedlichen demographischen Merkmalen, aber einer Gemeinsamkeit: kritischem Konsum. Und der zieht sich durch nahezu sämtliche Lebensbereiche: Bio-Produkte z.B. bietet inzwischen jeder Discounter an, laut Statistischem Bundesamt hat sich der jährliche Umsatz mit Bio-Lebensmitteln in Deutschland von 2000 (2,1 Mrd. Euro) bis 2014 (7,9 Mrd. Euro) fast vervierfacht (weltweit stieg er zwischen 2000 und 2013 von 18 auf 72 Mrd. US-Dollar). Labels für Bio- und Fairtrade-Kleidung boomen – mit Mode, die nicht „öko“, sondern hip ist. In Niedrigenergie-Häusern mit Pellet- Heizung stehen Upcycling-Möbel, Hybridautos und E-Bikes fahren mit Ökostrom, Urban Gardening und sanfter Tourismus spiegeln ein neues Verhältnis zur Natur wider. Trends, die die Wirtschaft weder ignorieren kann noch ignoriert. Bestrebungen und Stategien, die eigene Ökobilanz zu verbessern, die Lieferkette ethisch und ökologisch zu optimieren und das Unternehmen ganz einfach fit für eine Zukunft zu machen, in der es keinen Raubbau mehr geben darf, finden sich beim mittelständischen Familienbetrieb ebenso wie beim börsennotierten Konzern. Denn neben dem offensichtlichen Handlungsbedarf wird Nachhaltigkeit ein immer wichtigerer Wettbewerbsfaktor. So sagten im Rahmen einer kürzlich veröffentlichten Studie der amerikanischen PR- und Marketingagentur Cone Communications 91% der 10.000 weltweit befragten Konsumenten, dass sie bei Unternehmen eine Nachhaltigkeits-Strategie voraussetzen. 72% waren der Ansicht, mit ihrer Kaufentscheidung Einfluss auf ethische und ökologische Faktoren nehmen zu können, und 80% würden zugunsten der Nachhaltigkeit auch eine unbekannte Marke kaufen. „Nachhaltigkeitsstrategien werden zukünftig bei der Produktvermarktung eine elementare Rolle spielen“, urteilt Frank Groß, Geschäftsführer von Schneider Schreibgeräte. „Aufgrund der größer werdenden Umweltprobleme und der einhergehenden Sensibilisierung der Menschen weltweit insbesondere auch für soziale Themen wird die Nachhaltigkeit bei der Bewertung eines Angebotes auf einer Stufe mit der Produktqualität stehen und somit die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen massiv beeinflussen. Gleiches gilt für die Markenführung. Nur mit einer schlüssigen Nachhaltigkeitsstrategie werden Marken zukünftig das Vertrauen der Konsumenten gewinnen bzw. erhalten können.“

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Kritischer Konsum: Immer mehr Verbraucher schauen beim Einkauf genau hin und bevorzugen Bio- und Fairtrade-Erzeugnisse.

 

Paradigmenwechsel

Ein besonders sensibler Bereich: die haptische Werbung. Denn viele Empfänger urteilen über Werbeartikel ebenso kritisch wie über ein Produkt, das sie im Handel erwerben. Und gerade für Unternehmen, die sich ansonsten alle Mühe geben, Nachhaltigkeit zu implementieren und zu kommunizieren, können billig produzierte und somit ethisch fragwürdige Werbeartikel echte Imagekiller sein. Deshalb schauen Anwender beim Werbeartikeleinkauf inzwischen genau hin. „In den Führungsetagen findet ein Generations- und Paradigmenwechsel statt“, so Janek. „Die Lohas sitzen inzwischen in Entscheiderpositionen, haben z.T. selbst Kinder und sind sehr gut informiert.“ „Universitäten oder Unternehmen, die mit Kindern zu tun haben – etwa Babykost- Hersteller –, setzen z.T. nur noch nachhaltige Produkte ein“, berichtet Rolf Janka, Marketing- und Vertriebsleiter der Werbemittelagentur Hagemann. „Auch Finanzdienstleister sind mitunter sehr bewusst im Thema.“

Rasche Adaption

wn341 nach8 238x300 - „Ein bisschen nachhaltig gibt es nicht“Auf diese Entwicklungen reagierte die Werbeartikelbranche in der zweiten Hälfte der Nuller Jahre zunächst einmal mit einer raschen Adaption sogenannter „Grüner Produkte“. Aber natürlich lockte der Trend auch Trittbrettfahrer an. Viele als „nachhaltig“ gelabelte Produkte erwiesen sich daher bei genauem Hinschauen als Marketingkapriolen. „Wir haben vor einigen Jahren eine umfangreiche Recherche zu nachhaltigen Werbeartikeln durchgeführt, rund 50 Lieferanten angeschrieben und z.T. absurde Angebote erhalten. Nur drei oder vier Lieferanten haben uns wirklich ernstzunehmende Produkte präsentiert“, so Janka. „Inzwischen gibt es jedoch mehr Bodenhaftung, und wir haben einen Pool vertrauenswürdiger Lieferanten.“ „Es existieren leider immer noch Anbieter im Markt, die z.T. Standard-Lagerware umlabeln und versuchen, unter dem Label ‚umweltfreundlich‘ zu vermarkten. Das geht so weit, dass Woven- oder Non-Woven- PP-Taschen als ‚nachhaltige‘ Produkte verkauft werden. Auf der anderen Seite nimmt jedoch auch die Zahl der glaubwürdigen Angebote zu“, so Evan Lewis, Gründer und CEO von Eco Promo (Everything Environmental Ltd), einem Spezialisten für Produkte aus umweltfreundlichen und recycelten Materialien, umweltfreundlicher Fertigung und fairem Handel. Janek bestätigt: „Die Diskussion und auch das Angebot im Markt werden ernsthafter. Man geht mehr ins Detail, und Schwindler werden schneller durchschaut.“

Professionalisierung am Markt

wn341 nach7 - „Ein bisschen nachhaltig gibt es nicht“Wer es ernst meint mit der Nachhaltigkeit, der professionalisiert sich. Der niederländische Importeur Xindao etwa präsentierte vor knapp zwei Jahren mit „Vision 2020“ ein umfangreiches Nachhaltigkeitsprogramm. „Unsere Branche braucht einen Systemwechsel“, so CEO Albert van der Veen. „Wir müssen unseren Umgang mit Ressourcen und unseren Modus Operandi grundlegend ändern – weil Nachhaltigkeit uns alle angeht, aber auch, weil der Markt es mit zunehmender Vehemenz einfordert.“ Xindaos Agenda umfasst neben Produktionsprozessen, der Lieferkette und der Logistik auch das Sortiment des Unternehmens – so will Xindao bis 2020 komplett auf Produkte aus PVC verzichten und nur noch Produkte aus recycelten, biologisch abbaubaren, umweltfreundlichen oder zumindest leicht recycelbaren oder wiederverwendbaren Materialien bestehen. „Vision 2020 ist eine Roadmap und ein stetiger Prozess“, erklärt van der Veen. „Wir können nicht garantieren, dass wir alle Ziele in der geplanten Zeit durchsetzen werden. Wichtig ist, anzufangen – das einfachste zuerst, das Schwierigste zum Schluss.“ Zu einer glaubwürdigen Nachhaltigkeitspolitik gehört deshalb auch, die Kirche im Dorf zu lassen: „Wir zielen“, so van der Veen, „gar nicht darauf ab, uns als 100% nachhaltig im Markt positionieren – auch wir müssen wettbewerbsfähig bleiben und verkaufen. Aber wir können dennoch viel verändern, selbst im Low-Budget-Bereich – z.B. unnötige Polybeutel weglassen, Verpackungsmaterialien ändern, die Gebrauchsanweisung auf die Verpackung drucken oder die Verpackungen derart umgestalten, dass sie effektiver transportiert werden können.“ Janek vertritt einen ähnlichen Standpunkt: „Es wird immer internationale Beschaffer geben, schon allein deshalb, weil es in Europa für viele Produktgruppen gar keine Industrie mehr gibt. Es ist nicht möglich, von 0 auf 100 zu gehen. Man muss Sinnhaftigkeit und Verhältnismäßigkeit im Auge behalten, nicht ‚alles bio‘, sondern manchmal auch nur ‚eine Stufe besser‘.“

Weg von der Wegwerf-Mentalität

Dazu gehört auch, den Lebenszyklus von Produkten zu überdenken, und zwar mit Blick auf ihren Einsatz: „Solange unsere Branche billige Sinnlosprodukte anbietet, die keine Funktion haben außer eine Botschaft zu tragen, wird der Werbeartikelsektor niemals als nachhaltig gelten“, so Lewis. „Natürlich gilt es auch, den Anwender zu überzeugen. Weil die Budgets klein sind und Werbeartikel oft in letzter Minute geordert werden, setzen viele Marketeers eben ‚Wegwerfprodukte‘ ein – das ist schade, denn mit intelligenten Produkten könnten sie aus der Masse herausstechen.“ „Es muss ein Umdenken stattfinden – weg vom Giveaway, hin zum ‚Gift‘. Lieber weniger streuen, aber dafür bessere Produkte einsetzen“, meint van der Veen. „Billigprodukte sind letzten Endes Geldverschwendung. Die Menschen lassen sich nicht mehr alles schenken und akzeptieren keinen Schund mehr – hochwertige, funktionale und haltbare Werbeartikel sind deshalb auch mit Blick aufs Budget nachhaltiger.“ Deshalb gilt es für die Branche, das eigene Angebot zu evaluieren – und den Anwender zu beraten, aufzuklären, zu ermutigen und zu überzeugen. Sofern eine Aufklärung überhaupt nötig ist: „Es gibt beim Anwender eine höhere Nachfrage nach nachhaltigen Produkten als man glaubt“, so van der Veen. „Das Problem ist nur, dass viele Händler sie nicht konsequent genug anbieten.“

Nachhaltig – Was heißt das?

Das mag daran liegen, dass das Thema z.T. ein beträchtliches Know-how erfordert. „Man muss sich in die Materie einarbeiten, und das bedeutet einen erheblichen Rechercheaufwand“, so Janek, der auch Schulungen zum Thema Nachhaltigkeit anbietet. „Manche Händlerkollegen haben Angst, sich zu blamieren, weil ihr Kunde besser informiert sein könnte als sie. Ein Problem ist auch, dass es keine verbindliche und allgemeingültige Antwort auf die Frage gibt, was denn eigentlich ein nachhaltiges Produkt ist.“ Genau diese Frage stellte die Werbemittelagentur Hagemann im vergangenen Jahr im Rahmen einer vom Marktforschungsinstitut Agemas durchgeführten Umfrage 848 Kunden – Ergebnis waren so verschiedene Antworten wie „aus nachwachsenden Rohstoffen“, „aus Recyclingmaterialien“, „recycelbar“ oder „längerfristig verwendet“. Janek: „Viele Anwender reduzieren das Thema Nachhaltigkeit auf Schlagworte – nach dem Motto: ‚Hauptsache, es steht bio darauf‘. Dabei können auch als ‚nachhaltig‘ angepriesene Produkte eine negative Ökobilanz haben oder unter fragwürdigen Bedingungen hergestellt worden sein.“ Alle reden von „Nachhaltigkeit“ – dabei ist es schwierig zu definieren, was der Begriff eigentlich genau meint, umso mehr, als er im gesamtgesellschaftlichen Diskurs inzwischen – gelinde gesagt – zu einer Floskel verkommen ist. „‚Nachhaltigkeit‘ ist zum Allerweltswort geworden, das häufig mit der eigentlichen Bedeutung des Begriffes wenig zu tun hat“, so Lewis. „Nachhaltigkeit meint ursprünglich eine Handlungsweise, die sicherstellt, dass ein System sich erhalten kann, weil man ihm nicht mehr entnimmt, als es selbst regenerieren kann. Das Problem ist, dass einzelne Aspekte der Nachhaltigkeit häufig isoliert betrachtet werden.“

Nicht nur Produkte

Wirklich nachhaltig handelt nur, wer ganzheitlich denkt – eigentlich eine Binsenweisheit. „Das Produkt an sich ist nur der Beweisführer“, so Groß. „Eine echte Nachhaltigkeitsstrategie umfasst alle Prozesse und Abläufe im Unternehmen, sämtliche Ressourcen, die Ausrichtung des Sortiments sowie die gesamte Logistikkette. Unsere Bemühungen gelten nicht nur der Umwelt, sondern vor allem auch den Menschen, die in unseren Betrieben arbeiten oder indirekt am Entstehen unserer Produkte mitwirken, sowie den Lebensbedingungen in der Region. Zu guter Letzt gehört auch die wirtschaftliche Solidität des Unternehmens dazu.“ Für ein effizientes internes Umweltmanagement und eine saubere Kommunikation nach außen setzt Schneider Schreibgeräte bereits seit 1998 auf das Umweltmanagement-System EMAS (Eco- Management and Audit Scheme), das kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP) der Umwelt-Leistungen im Unternehmen prüft. „Mittlerweile denken wir über unsere eigenen Produktionsstätten hinaus. Der Corporate Carbon Footprint und die Product Carbon Footprints berücksichtigen auch die von uns bezogenen Rohstoffe und veranlassten Transporte“, erklärt Groß. Bemühungen, die unterm Strich viel wichtiger sind als Produktsiegel. Janek: „Es gibt viele Unternehmen, die auf Produktseite keine nachhaltigen Eigenschaften kommunizieren, aber in ihrer Unternehmensphilosophie und -aufstellung eine hervorragende Nachhaltigkeitsbilanz besitzen – weil sie in Europa produzieren, effektive und ökologisch vorbildliche Produktionsprozesse haben, sich für ihre Mitarbeiter oder regionale Interessen engagieren.“

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Das Produkt ist nur der Beweisführer: Eine konsequente Nachhaltigkeitsstrategie umfasst alle Ressourcen und Prozesse, darunter auch die Logistikkette und die Energiebilanz.

Das Lieferkettenproblem

Wer in Europa produziert, unterliegt den hiesigen gesetzmäßigen Rahmenbedingungen und kann mehr oder weniger garantieren, dass seine Produkte unter fairen und kontrollierten Bedingungen hergestellt wurden. Deshalb steigt auf Anwenderseite die Nachfrage nach Produkten aus europäischer Produktion. „Viele Kunden bestehen inzwischen auf ‚Made in EU‘“, berichtet Janek, und auch Groß bestätigt: „,Made in Germany‘ als Gütesiegel ist in nahezu allen Kundengesprächen präsent.“ Das funktioniert natürlich nur begrenzt. In Fernost jedoch, wo der Löwenanteil des Marktvolumens produziert wird, herrscht hoher Nachholbedarf, was die CSR-Bilanz – die gemeinhin als Teil der Nachhaltigkeitsbilanz verstanden wird – angeht. Initiativen wie BSCI (Business Social Compliance Initiative) oder Sedex (Supplier Ethical Data Exchange) bemühen sich um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, doch gibt auch die Mitgliedschaft der Produzenten in diesen Organisationen keine Garantie, ebensowenig wie Audits durch unabhängige Unternehmen oder Prüfzertifikate – laut European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) war auch die Unglücksfabrik Rana Plaza in Bangladesh, bei deren Einsturz im April 2013 1.127 Menschen ums Leben kamen, wenige Monate zuvor im Rahmen eines Social Audits vom TÜV Rheinland im Auftrag der BSCI geprüft worden. „Viele Anwender sind zufrieden, wenn sie ein Siegel präsentiert bekommen – dabei bedeutet das noch lange nicht, dass alle Richtlinien auch wirklich eingehalten werden“, so van der Veen. „Denn erstens kann man sich Zertifizierungen kaufen, zweitens ist eine 100%ige Kontrolle – zumindest derzeit noch – unmöglich. Bei der großen Vielfalt verschiedener Produkte, die in unserer Branche angeboten werden, ist es sehr schwierig, CSR-Compliance flächendeckend durchzusetzen. Aber selbst große, multinationale Konzerne sind häufig nicht gut organisiert, was ihre CSR-Bilanz angeht.“ Denn gerade Spezialisten mit einem überschaubaren Produktportfolio haben z.T. nur eine Handvoll Zulieferer, zu denen sie relativ einfach engen Kontakt halten können. Persönliche Einflussnahme und Kontrolle ist häufig effektiver und verlässlicher als outgesourcte – nur leider ist sie in den Augen vieler Anwender weniger glaubwürdig und für Lieferanten u.a. aus diesem Grund schwierig zu kommunizieren.

Die Grenzen des Engagements

Ohnehin sind komplizierte Zusammenhänge auch kompliziert in der Vermarktung. „Die Botschaft ‚Dieses Produkt besteht aus 35 recycelten PET-Flaschen‘ funktioniert, ein hochkomplexes Zertifizierungskonzept ist dagegen schwer vermittelbar“, so Janek. „Hinzu kommt: Image comes first. Gerade bei großen Konzernen geht es v.a. darum, was nach vorne hin sichtbar ist. Da gibt es groß angelegte Nachhaltigkeitsstrategien, die aber nur selten bis ins letzte Glied der Kette gelebt werden.“ Denn dort sitzen Controlling und Einkauf, die allzu häufig das letzte Wort haben. Grund Nr. 1 für eine Entscheidung gegen ökologische Werbeartikel war für 68% der Probanden in der Hagemann-Studie der Preis. „Nachhaltigkeit ist schön, darf aber nichts kosten“, fasst Janka zusammen. „Nur wenn nachhaltige Artikel preislich vergleichbar sind, werden sie auch flächendeckend eingesetzt.“ „Wir sind nun mal eine preisgetriebene Branche, und die Märkte sind unterschiedlich weit entwickelt“, so van der Veen. „Wichtig ist, dass wir anfangen, etwas zu tun. Aber niemand kann das alleine leisten.“

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Das Bewusstsein für fairen Handel und ethisch korrekte Produktion steigt,
gleichzeitig herrscht noch hoher Nachholbedarf, was die CSR-Bilanz in den Produktionsländern angeht.

Nachhaltigkeit als Pflicht

Viele setzen daher den Gesetzgeber in die Pflicht, um Umweltschutz und CSR flächendeckend umzusetzen. Van der Veen glaubt, „dass die Gesetze und Regulierungen früher oder später rigoros werden – und dann sollten wir bereit sein. Das gilt übrigens auch mit Blick auf China. Schon jetzt werden die Umweltgesetze dort strenger, und man darf nicht vergessen: Wenn die chinesische Regierung eine Veränderung wünscht, wird sie sehr schnell durchgesetzt.“ Groß ergänzt: „Es wird im Bereich der Nachhaltigkeit schwieriger werden, gesetzliche Rahmenbedingungen zu definieren, als beispielsweise im Bereich der Produktsicherheit. Aber der Gesetzgeber wird reagieren, davon gehe ich aus. Verbraucher, Behörden und Unternehmen sind sensibilisiert, und Gesellschaftsthemen werden über kurz oder lang aufgegriffen.“ Kommt es dazu, werden die Themen CSR und Compliance endgültig verschmelzen – und Nachhaltigkeit wird in der Branche nicht länger Kür, sondern Pflicht sein. „Wer keinerlei nachhaltige Alternativen anbietet, wird über kurz oder lang Probleme bekommen“, ist sich Lewis sicher, und Janka ergänzt: „Wir Werbeartikelagenturen werden in Zukunft Bezugsquellen brauchen, mit denen wir auch komplette Fullservice-Programme entsprechend abdecken können.“ Gleichwohl gilt der Grundsatz: Nachhaltigkeit ist kein Label, sondern ein Handlungsprinzip. „Ein bisschen nachhaltig gibt es nicht“, bringt Janek es auf den Punkt. Es geht im wahrsten Sinne des Wortes ums Ganze – um ein System, das sich erneuern und regenerieren muss, um erhalten zu bleiben. Ein weites Feld mit vielen Fragen und Antworten, vielen Problemen, aber auch vielen Lösungen. Eines ist klar: Der Komplexität des Themas wird man mit Pauschalisierungen und einfachen Handlungsanweisungen nicht gerecht. Das Prinzip der Nachhaltigkeit fordert auch auf, gerade im Einzelfall genauer hinzuschauen und Details zu betrachten. Genau das wollen wir in den folgenden Teilen der neuen Serie tun, um kleine, aber gute Ansätze zu präsentieren, die dazu beitragen, die Branche nachhaltiger werden zu lassen. Und von diesen gibt es tatsächlich eine ganze Menge.

// Till Barth

Bildquelle: gabarage upcycling design (1); obs/TransFair e.V./Miriam Ersch (2); OTS.Bild/Nestlé Nespresso SA (1); Thinkstock (2)

Info zum Begriff der Nachhaltigkeit

Das Wort „Nachhaltigkeit“ stammt aus der Forstwirtschaft: 1713 formulierte der Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz Grundsätze, um dauerhaft ausreichende Mengen an Holz zur Verfügung zu haben. Es sollte gewährleistet werden, dass nicht mehr Bäume geschlagen würden, als auch wieder nachwachsen können. Im 20. Jahrhundert wurde der Begriff ausgedehnt. Im Brundtland-Bericht der Vereinten Nationen von 1987 heißt es: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährt, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, als gegenwärtig lebende.“ Basierend auf dieser Begriffsbestimmung entstand ein Drei-Säulen-Modell, das ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit als drei Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung definiert. Wenngleich die Wissenschaft sich auf einen allgemeingültigen Nachhaltigkeitsbegriff bislang nicht einigen konnte, steht doch fest: Alle Bestandteile der Nachhaltigkeit stehen in Wechselwirkung zueinander.

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