Der Vertrieb von Imitaten und Piraterieware über das Internet ist lukrativ. Dies gilt nicht nur für Luxusuhren und Parfums, auch alltägliche Produkte werden in großem Stil gefälscht und über das Internet verkauft. Schwierig ist die Verfolgung, wenn sich die Identität des Anbieters bei eBay oder Amazon Marketplace nicht ermitteln lässt. Eine neue Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 16. Juli 2015 erleichtert die effektive Durchsetzung von Schutzrechten.

Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Verletzers

Die Durchsetzung von Ansprüchen wegen Verletzung eines Designs oder einer Marke setzt voraus, dass der Inhaber des verletzten Schutzrechts Kenntnis von der Person des Verletzers hat. Gerade im Internet ist dies jedoch nicht selbstverständlich. Denn in der Regel tritt der Anbieter hier nicht unter seinem Klarnamen, sondern unter einem Pseudonym auf. Um dem Anbieter schutzrechtsverletzender Ware nicht den Schutz der Anonymität zu gewähren, sehen die Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums umfangreiche Auskunftsansprüche gegen den Verletzer und gegen Dritte vor. Die Betreiber von Handelsplattformen im Internet sind daher verpflichtet, im Falle einer Schutzrechtsverletzung den Namen und die Anschrift des Inhabers des Nutzerkontos mitzuteilen, das für den Vertrieb der schutzrechtsverletzenden Ware verwendet wurde. In der Praxis helfen die seitens der Plattformbetreiber erteilten Auskünfte jedoch häufig nicht weiter. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Anbieter bei der Eröffnung des Nutzerkontos falsche Angaben gemacht hat oder sich hinter einer Briefkastenfirma versteckt. Für die Inhaber verletzter Schutzrechte ist es in diesen Fällen effektiver, der „Spur des Geldes“ zu folgen und bei der Bank, die das für die Zahlungsabwicklung verwendete Konto führt, Auskünfte über die Identität des Kontoinhabers einzuholen. Die deutschen Gerichte gingen bislang jedoch davon aus, dass diese Angaben unter das Zeugnisverweigerungsrecht des § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (das sogenannte „Bankgeheimnis“) fallen und billigten den verletzten Schutzrechtsinhabern keinen Auskunftsanspruch gegen Banken auf Preisgabe des Namens und der Anschrift des Kontoinhabers zu.

 

Neue Entscheidung des EuGH

Auf Vorlage des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte sich nun der EuGH mit der Frage auseinanderzusetzen, ob diese Ansicht, die für Schutzrechtsinhaber sehr nachteilig ist, mit den Vorgaben des Rechts der Europäischen Union vereinbar ist. Der EuGH entschied nun sehr deutlich, dass dies nicht der Fall ist. Das deutsche Recht zum Bankgeheimnis darf nicht so ausgelegt und angewandt werden, dass eine Bank die Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das Bankgeheimnis verweigern darf, wenn das Konto zur Abwicklung von Geschäften mit Kopien verwendet wurde. Die bisherige deutsche Auffassung ist nicht mit den Vorgaben der europäischen Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vereinbar.

Praxisfolgen

Auch wenn noch Details zu klären sind, steht nach der Entscheidung des EuGH bereits jetzt fest, dass sich die Position der Schutzrechtsinhaber im Falle der Verletzung ihrer Rechte des geistigen Eigentums spürbar verbessern wird. Schutzrechtsinhabern wird es möglich sein, im Falle von Schutzrechtsverletzungen die erforderlichen Auskünfte über die Identität des Verletzers zu erlangen. Bereits der BGH hatte in seinem Vorlagebeschluss die Auffassung vertreten, dass die Interessen der Schutzrechtsinhaber am Schutz ihres geistigen Eigentums und an einem effektiven Rechtsbehelf bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche die Interessen der Banken und ihrer Kunden am Schutz der in Rede stehenden Kontostammdaten überwiegen. Vor diesem Hintergrund ist damit zu rechnen, dass Banken zukünftig zur Auskunftserteilung unmittelbar an Schutzrechtsinhaber verpflichtet werden. Wenn die Bank sich weigert, kann sie im Weg der einstweiligen Verfügung schnell und effektiv zur Erteilung der Auskunft gezwungen werden.

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