Nachhaltigkeit ist auch beim Einsatz haptischer Werbung ein Gebot der Stunde. Doch können Giveaways aus China nachhaltig sein? Und ist alles „grün“, wo „grün“ draufsteht? Manfred Janek, Nachhaltigkeitsbeauftragter bei der auf Ökologie spezialisierten Werbeartikelagentur KW Open, über Begriffshülsen, das Bombardement mit Billigartikeln sowie die Öko-Offensive aus Fernost.

Unbenannt - Manfred Janek, KW Open: „Qualität und Funktionalität sind Teil der Nachhaltigkeitsphilosophie“

Herr Janek, was sind die Aufgaben eines Nachhaltigkeitsbeauftragten in einer Werbeartikelagentur?

Manfred Janek: Als Nachhaltigkeitsbeauftragter ist es mein Ziel, werbenden Unternehmen ein breites Spektrum an nachhaltigen Lösungen anzubieten. Daher ist das Scouting nach guten und ökologischen Produkten und Services ein wichtiger Part meines Aufgabengebiets. Mittlerweile haben wir uns einen gewissen Bekanntheitsgrad erarbeitet, sodass Hersteller uns oft schon in der Frühphase eines Produktlaunches kontaktieren. Zudem bin ich in mehreren Gremien und Foren, um meinen Ausbildungsstand aktuell zu halten. Das dort erworbene Wissen gebe ich an unsere Mitarbeiter weiter und informiere unsere Kunden in Form von Präsentationen und Vorträgen. Wir bieten darüber hinaus Nachhaltigkeitsschulungen für alle Werbeartikelinteressierten an, auch für Mitbewerber.

Berauben Sie sich damit nicht Ihres Alleinstellungsmerkmals?

Manfred Janek: Wir haben früh festgestellt, dass es uns nichts nutzt, wenn wir super sauber dastehen, aber nur einen sehr kleinen Markt haben. Je mehr Werbeartikelagenturen sich mit diesem Thema auskennen und ihre Kunden entsprechend beraten können, desto größer wird das Interesse an nachhaltigen Produkten. Dahinter steht die Vision, das System ändern zu wollen und das Thema tiefer im Werbeartikelbereich zu verankern, als es bisher der Fall ist. Das Schulungsprogramm zielt u.a. darauf ab, dass die Teilnehmer anschließend in der Lage sind, die schlimmsten Umweltsünden der Branche zu erkennen und Alternativen anbieten zu können, über Materialien wie Textilfasern, Kunststoffe, Holz oder Metall besser Bescheid zu wissen, Recyclingprozesse zu verstehen, die wichtigsten Zertifizierungen und Auditierungen zu interpretieren und den Nutzen nachhaltiger Werbeartikel zu erkennen und zu kommunizieren.

Wie gewinnt das Marketing, wenn beim Einsatz von haptischer Werbung auf Nachhaltigkeit geachtet wird?

Manfred Janek: Haptische Werbung soll Freude machen. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass sich das Verhalten der Konsumenten geändert hat. Sie agieren viel bewusster und werden schnell sauer, wenn sie mit billigen Wegwerfartikeln bombardiert werden. Bestes – oder vielmehr schlechtestes – Beispiel ist der Weltspartag, bei dem Tausende Tonnen Sondermüll anfallen. In so einem Fall kehrt sich der erhoffte Werbeeffekt schnell ins Gegenteil um, denn die Zielgruppe ist sehr sensibel beim Thema Abfallvermeidung. Die heutigen CRMSysteme erlauben es, haptische Werbung punktgenau einzusetzen, statt sie wahllos zu streuen. Das sollten Unternehmen beherzigen und dabei auch auf die Wiederverwendbarkeit der Produkte achten. Auf der anderen Seite kann haptische Werbung auf nonverbale, aber fühlbare Weise ein nachhaltiges Image sehr wirkungsvoll unterstützen. Allerdings können Werbeartikel zwar einen positiven Beitrag innerhalb einer Nachhaltigkeitsstrategie leisten, aber diese nicht ersetzen. Es braucht ein Gesamtkonzept, eine Durchgängigkeit – vom internen Verhalten über die Kommunikation, die Produktentwicklung, Produktions- und Serviceabläufe bis hin zur Verantwortung für das, was in der Post Consumer-Phase passiert.

Sie sagen, der Konsument hat seine Einstellung zum Thema Nachhaltigkeit geändert. Gilt das auch im gleichen Maße für den Werbeartikelmarkt?

Manfred Janek: Nachdem wir uns bereits 2003 mit dem ersten „Outing“ als ökologisch orientierte Werbeartikelagentur eine blutige Nase geholt hatten, haben wir es 2007 einfach nochmal versucht und sind seither sicherlich eine Institution für Nachhaltigkeit im Werbeartikelmarkt. Daran sieht man schon, dass sich die Einstellung verändert hat. Zu Beginn haben viele gedacht, wir hätten nur Produkte für Müsli-Esser und Birkenstockträger. Mittlerweile weiß man, dass Ökologie nicht zu Lasten des Designs geht und Nachhaltigkeit durchaus schick sein kann. Letztlich verhält sich der Werbeartikelmarkt sehr ähnlich zum klassischen Konsumgütermarkt. Es gibt gute Produktansätze, und auch, wenn die EU es geschafft hat, z.B. das Thema Reach unheimlich kompliziert darzustellen, hat die Gesetzgebung dazu beigetragen, dass schlimmste Umweltsünden weniger werden. Insgesamt sind wir aber sowohl im Retail- als auch im Werbeartikelmarkt noch stark in der Symptombekämpfung. Bei Werbeartikeln, speziell bei Streuartikeln, ist der Preisdruck ein weiterer Hinderungsgrund für nachhaltige Entwicklungen. Auch ist die Branche mit Cradle-to-Cradle-Konzepten, bei denen sortenreine Produkte verwendet werden, deren Werkstoffe komplett wieder dem Produktionskreislauf zugeführt werden können, noch ziemlich am Anfang.

In welchen Produktgruppen gibt es nachhaltige Alternativen? Welche haben den meisten Nachholbedarf?

Manfred Janek: Es gibt praktisch in allen Bereichen nachhaltige Alternativen. Noch am wenigsten weit sind die Electronics, hier scheint es einfach keine Nachfrage zu geben. Smartphones z.B. sind nicht einmal fürs Recycling vorgesehen, von Cradle-to-Cradle- Prozessen ganz zu schweigen. Das setzt sich in der haptischen Werbung fort. Viele der vermeintlich nachhaltigeren Produkte sind dann auch Augenwischerei: Ein USBStick wird seinen ökologischen Fußabdruck nicht entscheidend verändern, nur weil er in einer Bambushülle angeboten wird.

Gibt es weitere Beispiele für Produkte, die Umweltfreundlichkeit versprechen, aber nicht halten?

Manfred Janek: Man muss wirklich aufpassen, dass der Begriff Nachhaltigkeit nicht zu einer Begriffshülse verkommt. Das erleben wir oft. „Recycelbar“ ist z.B. ein Modewort, das relativ wenig aussagt. Es beinhaltet lediglich das Versprechen, dass ein Produkt recycelt werden könnte: Oft gibt es aber für die jeweils verwendeten Materialien keine flächendeckend funktionierenden Systeme zur Wiederverwertung. Ein anderes Beispiel ist die Baumwolltasche: Sie ist wiederverwendbar und damit besser als eine Plastiktüte. Aber sie ist kein ökologisches Produkt, wenn sie nicht aus Bio-Baumwolle hergestellt wird. Ähnlich verhält es sich mit Non Woven-Bags, auch die bestehen letztlich aus Kunststoff, also aus fossilen Rohstoffen. Die nachhaltigere Alternative sind da Taschen aus recyceltem PET. Oder Textilien: Das gängige Oeko-Tex Standard 100-Label gibt nur Auskunft darüber, dass im fertigen Kleidungsstück keine giftigen Chemikalien enthalten sind, der Produktionsprozess wird dabei gar nicht beleuchtet. Es gibt von Oeko-Tex selbst strengere Zertifikate wie Oeko-Tex 100 Plus oder Standard 1000 und daneben eine ganze Reihe von Prüfsystemen wie Fairwear, Bluesign oder GOTS, die viel wirkungsvoller sind, weil dabei auch geschaut wird, was auf dem Feld tatsächlich passiert. Wir versuchen, unsere Kunden immer dahingehend zu motivieren, die jeweils nächste Stufe zu erklimmen und so nach und nach ein ökologisches Werbeartikelsortiment aufzubauen. Oft starten wir auch zunächst nur mit einem echten ökologischen Produkt, um den Unternehmen zu zeigen, dass sie damit in der Unternehmenskommunikation richtige Erfolge vorweisen können und damit eine Initialzündung auslösen.

Kann haptische Werbung angesichts des bestehenden Preisdrucks und der Bedeutung, die Verpackungen für die Verbreitung von Botschaften haben, überhaupt nachhaltig sein? Ganz zu schweigen von den langen Transportwegen aus Fernost.

Manfred Janek: Da haben wir wirklich noch einen langen Weg vor uns, und es ist eine „Politik der kleinen Schritte“, es geht darum, laufend einzelne Details zu verbessern. Wir versuchen seit Jahren, die Produktionen mehr und mehr nach Europa zu verlagern, was uns teilweise gelingt. Hier ergeben sich meist insgesamt bessere ökologische Fußabdrücke. Aber es ist halt schon so, dass die Verpackung einen großen Teil des Erfolgs ausmacht. Hier kann man über recycelbare bzw. sortenreine Materialien einiges verbessern. Fernostfertigung muss aus ökologischer Sicht übrigens kein Nachteil sein. Luftfracht versuchen wir zu vermeiden, aber See- oder Zugfracht aus China ist nicht unbedingt schlimmer als ein LKWTransport aus Bulgarien. Und was vielleicht überrascht: Die ökologischen Innovationen finden heute sehr stark in Fernost statt. Nachdem sich die chinesische Regierung nicht ganz uneigennützig klare Ziele im Nachhaltigkeitsbereich gesetzt hat, kommen nun viele neue Produkte u.a. aus dem Recycling-Bereich auf den Markt, aber auch solche, die mit Bio-Kunststoffen oder wasserlöslichen Kunststoffen experimentieren.

Keine andere Werbeform hat einen solchen Langzeiteffekt wie haptische Werbung, einfach weil Werbeartikel besonders lange bei ihrem Empfänger sind. Ist das nicht allein schon Nachweis einer besonders nachhaltigen Form des Marketings?

Manfred Janek: Ich würde eher sagen, dass die Verweildauer beim Kunden oft viel zu kurz ist, weil die Produkte nicht gut oder praktisch genug sind. Aber im Prinzip ist es schon richtig: Höhere Qualität und bessere Funktionalität sind ein wesentlicher Ansatz in der Nachhaltigkeitsphilosophie. Entscheidend ist, dass ein Artikel über einen möglichst langen Zeitraum genutzt wird und nicht direkt im Papierkorb landet. Ein hochwertiger Büroartikel ist deswegen schon einmal nachhaltiger als ein Billigprodukt, das nicht funktioniert.

Kann man Nachhaltigkeit messen?

Manfred Janek: Da gehen die Expertenmeinungen auseinander. Der „Carbon Footprint“ als relativ neutrale Messung ist nur teilweise verfügbar, und auch wir haben keine Patentlösung. Wir bewerten eine europäische Lösung grundsätzlich besser als dieselbe aus Fernost. Zertifizierungen sind wirklich eine Hilfe, aber man benötigt zusätzlich Fachwissen über Produktions- und Lieferprozesse. Hersteller wie Victorinox oder Lamy z.B. haben wenig Zertifizierungen, setzen aber intern schon seit Jahren viele Maßnahmen um, die der Umwelt zugutekommen. Daneben gibt es tolle Hersteller in Fernost mit Zertifizierungen und guten Systemen. Wir versuchen, dem Kunden unser Wissen weiterzugeben und so die Entscheidungen zu erleichtern. Sehr wichtig ist die Transparenz und die Stimmigkeit des kompletten Unternehmensauftritts. Ich sage immer: „Ein bisschen Öko geht nicht“, es braucht ein Gesamtkonzept, ausreichend Fachwissen und Interesse an den Prozessen.

Sie haben die textile Ausstattung für die Volunteers beim Eurovision Song Contest 2015 in Wien übernommen, der explizit als „Green Event“ angekündigt worden ist. Wie kam es dazu?

Manfred Janek: Die Veranstalter hatten mitbekommen, dass es im Vorjahr Lieferschwierigkeiten bei Fernostware gab, und wollten daher ausschließlich in Europa hergestellte Produkte. Darüber hinaus gibt es klare Auflagen, wie das „Green Event“ bzgl. Abfallvermeidung, Energieeinsatz und Wiederverwendbarkeit der Materialien gestaltet werden soll. Der Begriff ist geschützt und wird vom österreichischen Umweltministerium kontrolliert. Wir konnten ein schlüssiges Nachhaltigkeitskonzept vorlegen, das die Herstellung der Produkte in Europa zum großen Teil aus wirklich nachhaltigen Materialien mit zertifizierten Herstellern und Stoffen beinhaltet. Darüber hinaus haben wir durchgesetzt, dass wir keine Polybeutel benötigten – die Produkte wurden bereits in Zuziehbeuteln aus Baumwolle vorkonfektioniert. Damit konnten wir viel Abfall vermeiden, und die wiederverwendbaren Baumwollbeutel wurden gleich personalisiert und für jeden Volunteer von einer beschützenden Werkstätte zusammengestellt.

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Der Eurovision Song Contest 2015 in Wien wurde als „Green Event“ konzipiert. KW Open lieferte die textile Ausstattung für die Volunteers, made in Europe, aus nachhaltigen Materialien, von zertifizierten Herstellern und ohne Verwendung von Polybeuteln.
Sind solche Ausschreibungen häufiger als früher? Und steigt allgemein die Nachfrage werbender Unternehmen nach nachhaltigen Produkten?

Manfred Janek: Die Anzahl an „Green Events“ steigt, zumal mittlerweile in Österreich manche Events nur dann Fördergelder erhalten, wenn sie als „Green Event“ ausgeführt werden. Ein gutes Beispiel ist der „Urban Future“-Kongress in Graz, der komplett plastikfrei abgewickelt wurde und für den wir die Retap-Glasflaschen geliefert haben. Allgemein spüren wir noch keinen Boom für umweltfreundliche Werbeartikel, die effektive Nachfrage steigt nur langsam, und wir müssen immer noch enorm viel Zeit darauf verwenden, mit Kunden über die Vorteile ökologischer Werbeartikel zu sprechen. Immerhin verfügen die meisten größeren Industriebetriebe mittlerweile über Nachhaltigkeitsbeauftrage, die auch zunehmend Kompetenz erhalten, enger mit dem Marketing zusammenarbeiten und an internem Standing gewinnen. Aber je größer ein Unternehmen ist, desto wichtiger wird der Einkauf, für den am Ende der Preis die entscheidende Rolle spielt. Greenwashing ist daher ein großes Thema. Der Kunde hätte gerne ein Produkt, das den Anschein erweckt, nachhaltig zu sein, aber nicht mehr kostet als ein „normales“. Das funktioniert aber nicht.

Wie viel teurer sind denn Produkte, wenn sie nachhaltig herstellt sind?

Manfred Janek: Das ist sehr unterschiedlich. Bei T-Shirts aus Biobaumwolle ist der doppelte Preis realistisch, zumindest aber 50% mehr. Wer bei Kunststoffen auf recycelte Materialien setzt, muss mit einem Preisanstieg von 30% rechnen, Biokunststoffe wiederum sind noch deutlich teurer.

Und werbende Unternehmen sind nicht bereit, die höheren Preise zu zahlen?

Manfred Janek: Große Betriebe in der Regel nicht. Unser Unternehmen lebt von kleinen und mittelgroßen Firmen, meist inhabergeführt, die sich klar zur Nachhaltigkeit bekennen, die sich oft auch regional engagieren und daher z.B. auch bereit sind, für Produkte aus der Region mehr Geld auszugeben. Es ist, wie eingangs gesagt, eine Frage des Gesamtkonzepts, aber auch der Glaubwürdigkeit: Wem Nachhaltigkeit wichtig ist, der muss auch entsprechend mehr im Marketing für haptische Werbung investieren.

// Mit Manfred Janek sprach Dr. Mischa Delbrouck.

Bildquelle: Sabine Klüser, © WA Media (1); KW Open (1); ORF (2); Sprout (1)

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