Es tut sich was in den Importmärkten: China ist nicht mehr länger alleinige „Werkbank der Welt“ und möchte es auch gar nicht mehr sein. Das stellt die Importeure vor Herausforderungen, birgt jedoch gleichzeitig Chancen – insbesondere für neue Produktionsstandorte.

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Es ist sechs Jahre her, da hatte der damalige US-Präsident Barack Obama den mittlerweile verstorbenen Steve Jobs zum Abendessen geladen. Auf die Frage, was es kosten würde, die iPhone-Produktion zurück in die USA zu holen, antwortete der Apple-Gründer unmissverständlich: „Diese Jobs kommen nicht zurück.“ Ein Satz, der weiterhin gilt, auch wenn Obamas Nachfolger Donald Trump im Wahlkampf vollmundig versprochen hat, „Apple dazu zu bringen, ihre verdammten Computer und so“ wieder in den USA zu bauen.

Die Gründe sind ebenso einleuchtend wie exemplarisch für viele Produktionszweige in der globalisierten Weltwirtschaft und sind bei weitem nicht nur finanzieller Natur: China nimmt inzwischen eine herausragende Position ein, was Know-how und Infrastruktur angeht. Das Land verfügt über mehr als 800 Mio. Arbeiter – Hunderttausende sind allein für die diversen Apple-Zulieferer tätig –, darunter ungelernte Arbeitskräfte ebenso wie gut ausgebildete Spezialisten. Von alldem gibt es in den USA viel zu wenig. „Enorme Mengen quasi über Nacht produzieren lassen – das geht nur in China“, so Thorsten Köhler, Geschäftsführer des Hamburger Importunternehmens Carstensen, zu dem auch die Werbeartikelsparte reeko design gehört. „In puncto Flexibilität, Geschwindigkeit und Kosten ist das Land bei großen Projekten immer noch beinahe unschlagbar.“ Eine Vormachtstellung allerdings hat China nicht mehr, und das Bild der „Werkbank der Welt“ beginnt zu bröckeln. Rasant wachsende Lohnkosten – seit 2004 ist das Durchschnittseinkommen jährlich um rund 12% gestiegen – haben schon vor Jahren das Ende von „Billig-China“ eingeläutet. Die Lebenshaltungskosten sind in vielen Teilen des Landes in die Höhe geschossen, vielerorts finden sich keine Arbeiter mehr, die bereit sind, für Niedriglöhne zu schuften, zumal es inzwischen etliche besser bezahlte Alternativen gibt – erst recht, wenn man über einen Abschluss verfügt, was die Mehrheit der jungen Chinesen nicht nur anstrebt, sondern auch erreicht. „Alternativen zu China sind sehr viel wichtiger als noch vor fünf Jahren“, so Köhler. „Der Dollar ist extrem teuer, die Arbeitskräfte werden durch verbesserte Sozialstandards in China jedes Jahr deutlich teurer, und auch die Transportkosten werden weiterhin ansteigen.“ Den Scheitelpunkt erreicht hat indessen das enorme Wachstum, das die chinesische Wirtschaft in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten hingelegt hat: 2015 legte das Bruttoinlandsprodukt um 6,9% zu – das ist die schwächste Wachstumsrate seit 25 Jahren. Mit 6,5% Wachstum in 2016 und 6% in 2017 – so die Prognose des International Monetary Fund – geht die Kurve weiter nach unten. Zahlen, die im Zielrahmen der Regierung in Peking liegen, die nach jahrzehntelangem Boom mit z.T. zweistelligen Zuwachsraten das exportlastige Wirtschaftsmodell stärker auf die Binnenkonjunktur ausrichten und den privaten Konsum ankurbeln will. Tatsächlich haben die globalen Exporte aus dem Reich der Mitte stark abgenommen: Nach einem Einbruch von 15% im März 2015 ging es in den folgenden Monaten mit wenigen Ausnahmen weiterhin bergab, zuletzt um 6% im Dezember 2016.

Hightech-Labor statt Nähmaschine

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Mantis World-Fabrik in Tansania: Der Standort bietet eine Reihe von Vorteilen.

Im Zuge dieser geplanten Kurskorrekturen verändern sich die Strukturen in den Produktionszentren radikal. „China wird – politisch gesteuert – die Produktion von Billigstprodukten und die damit verbundene Belastung der Umwelt weiter reduzieren und sich auf die Entwicklung des Landes zu einem anspruchsvollen Produktionsstandort für innovative Produkte konzentrieren“, so Köhler. „Dafür wird es auch weitere Akquisitionen in vielen Industrien im Westen geben, denn dahinter steckt ein strategischer Plan, den die Regierung in Peking im Wettstreit mit z.B. Japan und Korea einfach verfolgen muss. Nach meiner Auffassung wird es Verschiebungen in Richtung Vietnam, Myanmar, Indonesien und später vielleicht sogar Nordkorea geben.“ In ähnlichem Maße, wie Niedriglohnländer der älteren Generation – also Japan, Korea oder Taiwan – ihre Produktion ab den 1990er Jahren nach China verlegt haben, suchen chinesische Unternehmen nun ihrerseits nach neuen Standorten. Besonders davon betroffen sind Low-Budget-Produkte mit geringem technischem Komplikationsgrad, die viel Handarbeit erfordern. „China hat die Tendenz entwickelt, die sogenannten Sunset Industries mit einem großen Anteil an Handarbeit aus dem Speckgürtel nach Westchina oder in andere Staaten zu verlagern“, so Rolf Daiber, Geschäftsführer des deutschen Textilspezialisten Gustav Daiber. „China selbst möchte sich auf die lukrativeren Industriezweige, den Abbau und die Weiterverarbeitung von Rohstoffen, Stromerzeugung und Maschinenbau sowie High-tech-Branchen wie Autobau oder Elektronik konzentrieren.“

Weil China jedoch seine Produkte, Rohstoffe und Energien nicht nur an westliche Industriestaaten, sondern nach Möglichkeit insbesondere auch in Entwicklungsund Schwellenländern sowie in der Region veräußern will, dient das Outsourcing von Produktionskapazitäten auch dem Aufbau neuer Absatzmärkte, wie Daiber erläutert: „Durch die Verlagerung vieler Produktionsstätten nach Bangladesch, Myanmar oder Afrika stärkt China die dortige Wirtschaft und baut sich so mittelfristig Exportmärkte für die eigenen Produkte und Dienstleistungen wie den Bau von Kraftwerken auf.“ So entstehen gleichzeitig neue Produktionszentren, die in den Fokus des Weltmarktes rücken – als Alternativen oder als strategisch günstige Ergänzung zu China. „China steigert mit voller Absicht das Niveau und den Vollkommenheitsgrad seiner Produktion – das führt zwangsläufig zu Preiserhöhungen. Damit verliert das Land einige seiner Vorteile für Niedrigpreis- bzw. Standardartikel, bietet jedoch neue Vorteile im High-End-Bereich. Insgesamt behält China also eine Schlüsselposition, es gibt jedoch in unserer Branche definitiv einen Trend zum Sourcing außerhalb Chinas, der zukünftig noch zunehmen wird“, so Mike Oxley, CEO der britischen Werbeartikelagentur Lesmar. Das Unternehmen ist das britische Mitglied der internationalen Händlergruppierung Ippag (International Partnership for Premiums and Gifts). 1965 ins Leben gerufen, zählte die Ippag zahlreiche Import-Pioniere zu ihren Gründungsvätern. Nach Anfängen in Taiwan oder Hong Kong haben die Mitgliedsunternehmen der Gruppe über Jahrzehnte ein weitreichendes Netzwerk in China aufgebaut, orientieren sich jedoch seit geraumer Zeit auch andernorts. „Elektronikartikel kommen noch überwiegend aus China, aber für andere Produktgruppen sind Osteuropa, Vietnam, Bangladesch und die Türkei gute Alternativen – die letzteren drei v.a. für Textilien“, so Oxley. „Wir recherchieren auch in Lateinamerika und sehen dort Potenzial.“

Boomland Bangladesch

Im Textilbereich ist China schon seit langem nicht mehr die unangefochtene Spitze, bildete sich doch bereits seit den 1980er Jahren ein bedeutendes Produktionszentrum in Bangladesch. Im Zuge eines Booms in der 2000er Jahren wurde das kleine Land zum zweitgrößten Textilproduzenten nach China, mehr als 80% der Exporte aus Bangladesch sind heute Readymade Garments (RMG). Wie die Unternehmensberatung McKinsey 2011 im Rahmen einer Studie prognostizierte, wird Bangladesch noch in diesem Jahr zur Nr. 1 im RMG-Sektor werden. Nach Angaben der Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association (BGMEA) gibt es derzeit 4.328 Textilfabriken in Bangladesch, mehr als 4 Mio. Bangladeschis arbeiten im RMG-Sektor – das sind rund 2,5% der Gesamtbevölkerung. Zudem ist die Textilindustrie in Bangladesch inzwischen hoch entwickelt, was Infrastruktur und Ausstattung angeht – das gilt trotz vieler Negativ-Schlagzeilen und Rückschläge auch für die Arbeitsbedingungen: „Manche Textilfabriken in Bangladesch sind auch nach westlichen Maßstäben hochmodern, verfügen etwa über Kindergärten und Schulen für die Mitarbeiter“, so Daiber. „Insbesondere der Workflow ist oft beeindruckend: Die Arbeitsschritte bei der Jackenproduktion z.B. sind so aufeinander abgestimmt, dass das Zwischenlagern halbfertiger Ware wegfällt.“

Gleichwohl: Die Fabriken in Bangladesch sind stark ausgelastet, und neue Kapazitäten aufzubauen ist schwierig in einem Land, das zu den am dichtesten besiedelten Regionen der Welt gehört. Hinzu kommt, dass seit Katastrophen wie dem Einsturz des Rana Plaza-Buildings im Jahr 2013 die baulichen Auflagen bei der Errichtung neuer Fabriken beträchtlich verschärft wurden. Nicht zuletzt aus diesen Gründen outsourcen viele chinesische Textilunternehmen ihre Produktion vermehrt in alternative südostasiatische Länder, wie Daiber erklärt: „Die Textilindustrie aus China hat sich zu großen Teilen nach Südostasien, z.B. nach Kambodscha oder Myanmar, verlagert. Regenjacken, Sicherheitswesten oder Basics werden bereits jetzt oft dort gefertigt, Funktionskleidung oder Kappen sind allerdings nach wie vor in China beheimatet.“ Auch für „kleinere“ Importeure und Abnehmer, die sich mehr auf Sonderanfertigungen denn auf Lagerware spezialisiert haben, ist Bangladesch nur bedingt attraktiv. „Bangladesch kommt als Produktions-Standort erst ab höheren Stückzahlen in Frage, weil sich der überwiegende Teil der Produzenten nicht für kleinere Volumina interessiert, die bei Sonderanfertigungen im Promo- und Corporate Wear-Bereich mittlerweile durchaus üblich sind“, erklärt Steven Baumgärtner, Geschäftsführer von cyber-Wear. „Hinzu kommt eine nach wie vor große Unwägbarkeit, was ethisch vertretbare Produktionsbedingungen angeht. Wir sind nie den Weg nach Bangladesch gegangen, ebenso wenig wie den ‚klassischen‘ Weg nach China. Dort produzieren wir nur Artikel, die wir auch im chinesischen Markt verkaufen, sowie hochfunktionelle Produkte für den Sport- und Outdoorbereich, die unsere türkischen und vietnamesischen Partner nicht realisieren können.“

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Textilproduktion in der Türkei (l) und in Vietnam (r).
Qualität gesucht

Abgesehen von Hightech-Kleidung, für deren Produktion in China ein großes Knowhow vorhanden ist, gibt es gute Gründe, seine Textilien woanders produzieren zu lassen, wie zumindest Baumgärtner meint: „Das Verständnis für Qualität war in China schon immer ein eigenes. Es ist extrem schwierig, gute Textilqualität aus China zu bekommen, erst recht, wenn die Produktion rein chinesisch und kein europäischer Partner beteiligt ist. Viele chinesische Produzenten haben auch keine Lust mehr auf die komplizierten Anforderungen westlicher Auftraggeber und konzentrieren sich lieber auf den Binnenmarkt.“ Für den Großteil seiner Projekte im Textilbereich setzt cyber-Wear deshalb auf seine Standorte in der Türkei und in Vietnam. „Beide Niederlassungen waren ursprünglich Produktionspartner und sind heute Tochtergesellschaften der Cybergroup, an denen wir Beteiligungen halten“, so Baumgärtner. Auf diese Weise sichert die Unternehmensgruppe, die namhafte internationale Kunden mit Merchandising-Konzepten, Corporate Wear und haptischer Werbung versorgt und zu den größten Werbeartikelagenturen in Deutschland gehört, einen hohen und gleichbleibenden Qualitätsstandard. „Textilien sind ein hochsensibles Thema, und die Formel ist ganz einfach: Qualität hat ihren Preis“, so Baumgärtner weiter. „Weil uns Qualität schon immer wichtig war, produzieren wir seit unserer Gründung 1994 in der Türkei. Unser Standort in Camdibi bei Izmir bietet auch über den Qualitätsstandard hinaus viele Vorteile, allen voran die Schnelligkeit: Statt fünf Wochen auf See braucht die Ware nur fünf bis sieben Tage mit dem LKW oder ist, wenn es ganz schnell gehen muss, per Luftfracht binnen 24 Stunden verfügbar.“ Seit 2000 unterhält cyber-Wear auch einen Produktionsstandort in Ho Chi Minh-Stadt. Mehr als ein Drittel aller produzierenden Betriebe des Landes sind in der Region um die vietnamesische Hauptstadt angesiedelt. Insgesamt verfügt das Land nach Angaben des staatlichen Auslandshörfunksenders Voice of Vietnam inzwischen über mehr als 2.000 Textilfabriken, in den vergangenen Jahren sind die Textil-Exporte aus Vietnam exponentiell angestiegen. „Vietnam bietet gegenüber China ein ungleich höheres Qualitätsverständnis“, so Baumgärtner. „Auch das Geschmacksempfinden ist bedingt durch die Geschichte Vietnams als ehemalige französische Kolonie näher an unserem. Zudem ist der Bildungsstand gut, die Kommunikation ist unkompliziert, weil viele ein sehr gutes Englisch sprechen, und man findet junge, motivierte Mitarbeiter – anders als in China, wo inzwischen viele aus der jungen Generation lieber im Dienstleistungssektor arbeiten.“

Ob Mittlerer bzw. Ferner Osten, Europa oder Afrika: Es gibt im Textilsektor eine Vielzahl von Alternativen zu den „Big Playern“. cyber-Wear etwa bezieht auch Ware aus Portugal, der Tschechischen Republik und Polen. Und in Afrika entstehen nicht nur im Maghreb und in Ägypten Textilien für den europäischen Markt, sondern auch in Teilen des Kontinents, die bislang kaum auf dem Radar auftauchten: Das britische Unternehmen Mantis World z.B. produziert in einer eigenen Fabrik in Tansania und dürfte damit eine Sonderrolle im Promotionmarkt einnehmen. Für Geschäftsführerin Prama Bhardwaj bietet der Standort jedoch eine ganze Reihe von Vorteilen, die die Herausforderungen bei weitem kompensieren: „Es gibt in Tansania keine Rohstoff-Engpässe, weil dort Baumwolle wächst, zudem ist eine Vielzahl von Arbeitskräften verfügbar. Des Weiteren sind die Arbeiterrechte in Tansania strenger als in vielen asiatischen Ländern. Auf der anderen Seite gibt es z.T. massive infrastrukturelle Probleme – Container stecken mitunter einen Monat lang im Hafen fest –, die seitens der Regierung nur ungenügend angegangen werden. Die Zutaten sind da, um aus Tansania einen attraktiven Produktionsstandort zu machen, aber es braucht noch Entwicklung.“

Heimvorteile

Es gibt jedoch nicht nur im Textilbereich eine Vielzahl von Ausweichmöglichkeiten, sondern auch bei vielen anderen Produktgruppen. „Wir bemühen uns, alternative europäische und auch – wo möglich – nordafrikanische Lieferanten zu qualifizieren“, so Köhler. „Insbesondere bei den von uns immer wieder stringent geprüften Kinderprodukten ist dies häufiger eine Alternative zu China, wo gleichbleibende Produktqualität und Spezifikationstreue insbesondere bei chemisch hergestellten Produkten eine dauerhafte Herausforderung sein können. So beziehen wir neben ausgewählten Produkten aus Südamerika u.a. Produkte aus der Türkei, Tunesien, Bulgarien sowie Italien. Automatisierte Prozesse kosten in Europa selten mehr als in China, man ist aber ‚näher dran‘, was im Troubleshooting und auch bei den im Vergleich geringeren Finanzierungskosten durch kürzere Laufzeit von großem Vorteil sein kann.“ „Die Preise in China sind in vielen Produktbereichen gestiegen, und Osteuropa sowie die Türkei werden immer wettbewerbsfähiger, v.a. bei Papier- und Kunststoffartikeln. Hinzu kommt, dass osteuropäische und türkische Produzenten schneller und flexibler sind und in geringeren Stückzahlen liefern können als Hersteller in anderen Märkten“, so Oxley. Sogar EU-Länder mit einem hohen Lohnniveau werden wieder interessant, wie Baumgärtner berichtet: „Leder- und Seidenartikel beziehen wir aus Frankreich und Italien, dort gibt es in der Tat noch Produktionsstätten für diese Produktgruppen, die wettbewerbsfähig sind und ein hohes Qualitätsniveau bieten. Insbesondere in Italien hat man sich infolge der Krise auf alte Kompetenzen und Wettbewerbsvorteile besonnen, inzwischen ist das Land auch im Textilbereich wieder im Kommen.“

Die Frage nach dem wie

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Indischer Länderpavillon auf der Mega Show in Hong Kong: Neue Produktionszentren rücken in den Fokus des Weltmarktes.

Wohin auch immer Importeure ihre Fühler ausstrecken – es gelten die gleichen Anforderungen an das Produkt und die Bedingungen, unter denen es produziert wurde. „Viele Märkte liegen in Sachen CSR weit hinter China zurück. Deshalb ist es vor dem Hintergrund der CSR-Standards, die wir einfordern, eine große Herausforderung, Produktionsstandorte zu verlagern“, so Oxley. „Das bedeutet natürlich nicht, dass China ‚sicher‘ ist. Dort wurde mit Blick auf die Arbeitsbedingungen viel erreicht, aber es gibt immer noch viel zu tun, v.a. in Elektronikfabriken.“ Köhler ergänzt: „Es gibt sicherlich auch in anderen Ländern Nachholbedarf, was CSR angeht, allerdings ist aufgrund der schieren Größe Chinas noch auf Jahre hinaus gefordert, sauber darauf zu achten, dass die Vorgaben eingehalten werden.“ „Ob es soziale Probleme gibt, ist immer vom Inhaber einer Fabrik abhängig – weniger von der Region, in der sich diese Fabrik befindet“, so Baumgärtner. „Auch in der Türkei können katastrophale Zustände herrschen. Deshalb ist es unerlässlich, Produzenten genau zu prüfen, bevor man mit ihnen zusammenarbeitet.“

Eins steht fest: Wer aus den klassischen Fernost-Regionen abwandert, um noch billigere Preise zu erzielen, wird früher oder später nicht nur in Sachen Qualität, sondern auch in Sachen Ethik massive Probleme bekommen. „CSR und die Forderung nach immer besseren, dabei aber billigeren Produkten stehen in einem krassen Widerspruch“, bringt Köhler es auf den Punkt.

Das bleibt in China

Doch hat das Outsourcing ohnehin Grenzen. „Wo immer man zu produzieren gedenkt, muss man erst einmal einen Zuliefererstamm aufbauen“, so Baumgärtner. „Das ist in vielen Ländern nur in einem wesentlich bescheideneren Rahmen möglich, als China ihn bietet. Mit der Masse an schnell verfügbaren Ressourcen, an Know-how, Infrastruktur und Manpower, die China hat, kann kein anderes Land wuchern – Indien z.B. bietet nur in seinen drei großen Ballungszonen vergleichbare Bedingungen.“ Weil China für etliche Produktgruppen gigantische Produktionszentren aufgebaut hat, die ein kompliziertes Netz aus Experten, Spezialisten, Zulieferern und Herstellern an einem Ort bündeln und weltweit ihresgleichen suchen, bleibt chinesische Produktion für manche Produktgruppen vorerst alternativlos. Dazu gehören etwa IT- und Elektronikartikel: „Mittel- und langfristig bleibt aus meiner Sicht die Produktion in China“, so Jörg Herzog vom Elektronikspezialisten Herzog Products. „Die Region um Shenzhen ist gegenwärtig das Produktions-Äquivalent zum Silicon Valley der elektronischen Consumer-Artikel. Die internationale Branchen-Elite konzentriert sich an diesem Standort und befruchtet sich permanent gegenseitig. Dies zu durchbrechen ist vorerst eher unwahrscheinlich.“

Und so werden auch in naher Zukunft weder Smartphones noch Powerbanks, Bluetooth-Lautsprecher oder USB-Sticks in Mitteleuropa oder den USA gefertigt werden. Daran ändert auch ein Donald Trump nichts.

// Till Barth

Bildquelle: flickr.com/Travel Aficionado; ILO/Aaron Santos; Mantis World; Comasia; Illustration: Jens C. Friedrich, © WA Media

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