Drei Jahrzehnte lang stand Wirtschaftswachstum an erster Stelle chinesischer Politik. Doch seit ein paar Jahren, angetrieben von gravierenden Umweltproblemen und einer zunehmenden Sensibilisierung der Bevölkerung, findet in der Volksrepublik ein Umdenken hin zu mehr Nachhaltigkeit statt. Ein Blick in das Land, das bei der Produktion von Werbeartikeln unangefochten an erster Stelle steht.

wn363 china slider - Umweltpolitik in China

Während die USA unter Donald Trump jüngst den Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen verkündet und damit weltweit viel Unverständnis ausgelöst haben, entwickelt sich ein Land zum neuen Hoffnungsträger im Sinne verantwortungsbewusster Politik: China hat sich angesichts seiner eklatanten Probleme in den letzten Jahren verstärkt dem Thema Umweltschutz gewidmet. Auch im aktuellen Fünfjahresplan (2016 bis 2020) sind entsprechende Leitlinien formuliert. So will die Volksrepublik die Qualität von Grund- und Oberflächenwasser verbessern sowie den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen drosseln. Dass dies nicht bloße Lippenbekenntnisse sind, mit denen Peking der sich immer häufiger zu lokalen Umweltprotesten zusammenschließenden Bevölkerung buchstäblich das Blaue vom Himmel verspricht, zeigt die Konkretisierung der Ziele in einer Gesetzesänderung: Zum 1. Januar 2015 trat eine neue Fassung des chinesischen Umweltschutzgesetzes von 1989 in Kraft, das der Bevölkerung mehr Möglichkeiten einräumt, sich gegen Umweltsünder zur Wehr zu setzen. Außerdem hat das neue Gesetz Art und Umfang der Sanktionen erheblich verschärft: Die Bandbreite möglicher Maßnahmen umfasst Beschlagnahmungen von Anlagen, Betriebsstilllegungen und -schließungen, Inhaftierungen verantwortlicher Personen bis zu einer Dauer von 15 Tagen sowie fortlaufende Geldbußen von umgerechnet maximal 13.500 Euro pro Tag – so lange, bis der Umweltverstoß behoben ist.

Die politische Kehrtwende ist überfällig, wie Cora Jungbluth von der Bertelsmann Stiftung in einem Gastbeitrag für die von der German Industry and Commerce Greater China im Januar 2016 herausgegebenen Publikation econet monitor konstatiert: „Etwa ein Drittel der Wasserreservoire gilt als hochgradig verschmutzt, über ein Drittel der Bodenflächen sind von Erosion und Desertifikation betroffen, und einige chinesische Städte könnten aufgrund der massiven Luftverschmutzung sogar als nicht bewohnbar eingestuft werden.“

Hohe Smogbelastung

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Besonders im Winter, wenn zusätzlich noch viele Haushalte mit Kohle heizen, ist die Luftverschmutzung wie hier in Peking extrem hoch. Ein Mundschutz gehört für viele Großstädter deshalb zum Alltagsbegleiter.

Atemschutzmasken gehören angesichts von Smogwerten, die in Städten wie Peking und Schanghai immer wieder über einem Vielfachen der Grenze liegen, bei der nach Ansicht der WHO die Gefährdung der Gesundheit beginnt, zum Alltagsbegleiter der Großstädter. Lange Zeit hatte man dies in China so hingenommen, doch spätestens seit Millionen Chinesen die Smog- Dokumentation „Unter der Glocke“ der Journalistin Chai Jing im Internet gesehen haben, sind viele alarmiert. Dass die chinesische Regierung den Film bereits wenige Tage nach seinem Erscheinen im Jahr 2015 aus dem Verkehr ziehen ließ, ändert daran nur wenig. Der Film lässt sich aus den Medien löschen; die Probleme jedoch bleiben. Eine der größten Quellen der Luftverschmutzung ist die Kohleverbrennung als Hauptenergielieferant und zum Heizen chinesischer Privathaushalte.

Die Zielvorgaben des aktuellen Fünfjahresplans rücken Themen wie den Ausbau erneuerbarer Energien, die Förderung von Elektromobilität, Recycling und Kreislaufwirtschaft sowie Wasserbehandlung stärker in den Vordergrund. Auch die Reform des Umweltschutzgesetzes mit den deutlich strengeren Sanktionen ist ein Versuch, die Umweltprobleme in den Griff zu bekommen. Bernhard Felizeter, Leiter der Umweltabteilung der Deutschen Auslandshandelskammer in Peking: „In der Vergangenheit verschafften die weit verbreitete Nichteinhaltung der geltenden Bestimmungen des Umweltschutzgesetzes und die unzureichende Ahndung von Verstößen vielen Unternehmen in China zum Teil deutliche Vorteile gegenüber Konkurrenten. Durch die neue Fassung werden die Wettbewerbsvoraussetzungen weiter angeglichen.“

Auswirkung für die Branche

Dass das neue Gesetz kein Papiertiger ist, sondern auch durchgesetzt wird, hat Christof Achhammer, Manager für Deutschland, Österreich und die Schweiz bei Mid Ocean Brands, festgestellt: „Die Gesetzesvorgaben werden sehr streng überwacht und die Strafen bei Missachtung sind sehr drastisch.“ Keine Frage, die neuen politischen Vorgaben bringen frischen Wind in die chinesischen Produktionsstätten, die nach wie vor der Hauptlieferant für die europäische Werbeartikelbranche sind. Doch während man hierzulande für Umweltbelange weitgehend sensibilisiert ist und sich gerne mit nachhaltigem Engagement schmückt, ist es mit dem Verantwortungsbewusstsein des Westens sprichwörtlich nicht weit her, wenn es um Ostasien geht. Michael Diekmann, CEO der Werbemittel- und Merchandisingagentur Die UKW: „In Deutschland wird zwar viel gesprochen über die Umwelt und über Kinderarbeit. Aber am Ende ist China weit weg. Und dann ist letztlich doch der Preis für viele häufig ausschlaggebend. Ich schätze, dass 80 bis 90 % der Ausschreibungen über den Preis entschieden werden.“

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Regelmäßige Besuche vor Ort und die Implementierung eines Qualitäts-Management-Tools haben dafür gesorgt, dass die chinesischen Lieferantenpartner von Die UKW auch das Thema Umweltschutz ernstnehmen.

Doppelmoral des Westens

Ähnliches hat man auch bei The China Office, einer Tochterfirma der belgischen Van Bavel Group mit Sitz im chinesischen Ningbo, die sich als Mittelsmann zwischen dem europäischen Werbeartikelhandel und chinesischen Fertigungsbetrieben versteht, beobachtet. Paul Keser: „Zu Beginn der Gespräche sind unsere großen Kunden sehr interessiert an CSR und Produktsicherheit. Allerdings sind sie häufig nicht bereit, den Extrapreis zu zahlen. Ein solches Verhalten hilft den Fabriken insgesamt nicht wirklich. Der Westen will günstige Produkte, also muss China sehr günstig produzieren. Das heißt aber auch, dass wenig Geld da ist, das man in den Umweltschutz investieren kann.“ The China Office hat darauf eine eigene Antwort parat: Das Unternehmen arbeitet mit Produktionsstätten zusammen, die bereits mit Blick auf Umweltaspekte ausgesucht wurden. Keser: „Wir prüfen jede Fabrik, sei es durch Besuche vor Ort und/oder externe Prüfungen oder durch die Kontrolle der Auditierungsdokumente. Auf diese Weise haben wir eine große Datenbank mit Untersuchungsergebnissen von über 3.500 Fabriken angelegt.“ Auch mit Rat und Tat steht The China Office Fabriken zur Seite, indem das Unternehmen Hilfestellungen bei der Vorbereitung von Kontrollen gibt und Verbesserungsvorschläge macht.

Dass man mit entsprechendem Engagement viel bewirken kann, hat auch Diekmann festgestellt, denn schließlich entscheide angesichts eines hohen Wettbewerbs unter chinesischen Herstellern die Nachfrage: „Wir sind seit 34 Jahren in China tätig. Damals hat noch keiner groß z.B. nach Emissionen gefragt. Aber dann haben wir vor rund 20 Jahren eigene Importrichtlinien durch unser QMT (Qualitäts- Management-Tool) für Die UKW entwickelt und haben immer wieder den Finger in die Wunde gelegt. Das hat die Lieferantenpartner diszipliniert. Unsere Betriebe in China sind sensibler geworden. Mittlerweile geht nichts mehr ohne Qualitätssicherung und Zertifizierung.“ Rund 180 Stammlieferanten hat Die UKW. Alle erfüllen das Qualitäts-Management-Tool und haben sich vertraglich festgelegt, dass externe Prüfinstitute Zugang zu den Produktionsstätten haben dürfen. Diekmann: „Das hat natürlich seinen Preis und macht die Produkte insgesamt fünf bis zehn Prozent teurer. Aber ich stehe dahinter. In China liegen die Umweltprobleme direkt vor der Haustür: Man muss nur z.B. während der Zugfahrt aufmerksam aus dem Fenster schauen, dann sieht man direkt, dass es höchste Eisenbahn ist, etwas zu ändern. Wenn wir also einen Auftrag aus Preisgründen nicht bekommen, dann ist das eben so.“ Doch über einen Kamm scheren und für eine Doppelmoral anprangern lassen sich nicht alle großen Unternehmen in Deutschland: „Es gibt auf der anderen Seite auch Kunden, die mit uns seit unserer ISO 9001-Zertifizierung mehr zusammenarbeiten, und andere, die selber prüfen wollen und den TÜV zu unseren Herstellern nach China schicken.“

Angesichts der seit dem 1. Januar 2017 in Deutschland für große Unternehmen geltenden CSR-Berichtspflicht, bei der vermutlich jetzt auch die Werbeartikelbranche als Teil der Lieferkette stärker in den Fokus rückt, wird die Sensibilisierung für Umweltbelange insgesamt wohl weiter zunehmen. Auch in China tut sich diesbezüglich derzeit sehr viel. Achhammer hofft auf das Verständnis der Kunden, wenn es momentan zu Lieferverzögerungen kommen sollte: „Fabriken im ganzen Land wurden wegen energieunwirtschaftlicher Beschaffung von Rohstoffen geschlossen, z.B. in der Papierindustrie. Das hat zum einen die Kosten für Rohstoffe steigen lassen. Zum anderen wird die Energieleistung zu Spitzenzeiten erhöhter Umweltverschmutzung manchmal spontan gedrosselt, was Auswirkungen auf die Produktion hat.“ Dass dies eine Verschiebung zu anderen Märkten zur Folge haben wird, glaubt Diekmann nicht. „Südkorea ist viel weiter, aber auch teurer. Man darf die Chinesen nicht unterschätzen. Das Umdenken findet in einer Schnelligkeit statt, die mich z.T. überrascht. China wird weiterhin der wichtigste Markt der Werbeartikelbranche sein. Wir haben sehr langjährige Verbindungen hierhin und werden auch daran festhalten. Es ist ein vertrauensvolles und verantwortungsbewusstes Miteinander. Es macht Spaß, mit den Chinesen zusammenzuarbeiten.“ Gute Aussichten also für China – und das im doppelten Sinne.

// Rebecca Klug

Bildquelle: Die UKW (2); iStockphoto (1); Thinkstock (1)

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