„Fairrückte Geschenkideen“ lautet der Untertitel von Claudia Dürrs Unternehmen, das sich auf Re- und Upcyclingartikel mit hohem Designanspruch spezialisiert hat. Darunter auch allerlei haptische Verstärker, die zeigen, dass man Wert auf Wiederverwertung anstatt auf Wegwerfware legt.

Claudia Duerr - Reciclage: Kreativ und ökologisch

Reciclage-Geschäftsführerin Claudia Dürr verknüpft traditionelles Kunsthandwerk, sozial verantwortliche Produktion und fairen Handel mit modernen Designs

Wie bei vielen Schwellenländern wachsen auch in Brasilien die Städte so rasch, dass Infrastruktur und Abfallentsorgung nicht nachkommen. Besonders gravierend fällt dies in Großstädten wie São Paulo auf, wo private Müllsammler die Beseitigung von Unrat und Schutt übernommen haben. Während die sogenannten Catadores dieser Tätigkeit zunächst aus purer Not heraus und in der Hoffnung, sich mit dem Verkauf der gefundenen Ware über Wasser halten zu können, nachgegangen sind, haben sich mittlerweile viele von ihnen in Kooperativen zusammengeschlossen und werden zumindest nach Mindestlohn bezahlt. Die Catadores tragen jedoch nicht nur zur Abfallentsorgung bei, sie beeinflussen auch die brasilianischen Recyclingquoten. Denn vieles, was achtlos weggeworfen wird, kann wiederaufbereitet und als Rohstoff für neue Produkte und Verpackungen verwendet werden.

Flaggy bag Shopper 477 FBRB 2 - Reciclage: Kreativ und ökologisch

Storytelling: Jedes Produkt erzählt seine Geschichte. Anhänger wie hier bei der Flappy Bag informieren über den Werdegang des jeweiligen Artikels.

Noch einen Schritt weiter geht Claudia Dürr, die nicht nur Accessoires aus recycelten Materialien vertreibt, sondern scheinbar nutzlos gewordene Gegenstände auch in völlig neuwertige Produkte transferiert und ihnen so ein zweites Leben schenkt. Die gebürtige Brasilianerin ist in São Paulo aufgewachsen, hat dort Industriedesign studiert und eine Kleiderfabrik geleitet. „Der gedankenlose Umgang mit Müll – egal ob in Brasilien, Deutschland oder sonst irgendwo auf der Welt – hat mich schon immer gestört. Gleichzeitig machte es mir Spaß, eigene Designs zu kreieren. Nach meinem Umzug nach Deutschland habe ich einfach beides kombiniert und Reciclage gegründet“, erzählt Dürr. Der Firmenname setzt sich aus den beiden Wörtern „Recycling“ und „agieren“ zusammen. Dürr: „Ich will mit meiner Firma etwas bewegen. Einerseits möchte ich selbst aktiv die Produktion von Müll vermeiden, und andererseits möchte ich bei meinen Mitmenschen das Bewusstsein für einen nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen schärfen. Ich bin großer Anhänger der Cradle-to-Cradle-Vision – der Vorstellung einer abfallfreien Wirtschaft, in der Firmen keine gesundheits- und umweltschädlichen Materialien mehr verwenden und sämtliche Stoffe dauerhaft Teil geschlossener Produktionskreisläufe sind. Als ich 2008 in der Aschaffenburger Innenstadt ein Ladengeschäft eröffnete, waren die Einkaufsgewohnheiten durch die ‚Geiz ist geil‘-Mentalität geprägt. Dieser Trend legte sich dann aber in den folgenden Jahren und schlägt heute in das Gegenteil um: Viele Menschen überdenken ihren Konsum und legen Wert auf Fertigung nach umweltfreundlichen und ethisch korrekten Richtlinien.“

Von regional bis weltweit

Heute führt die Unternehmerin kein Ladenlokal mehr, sondern hat sich auf den Onlineversand und ausgewählte Märkte spezialisiert. Ihren Hauptumsatz erwirtschaftet die Brasilianerin jedoch seit einiger Zeit mit Sonderanfertigungen für werbende Unternehmen. „Mein erster Kunde war Brot für die Welt. Aus alten Fahnen und Planen, die die Hilfsorganisation bei Events und Infoveranstaltungen einsetzt, fertigten wir Sattel- und Hosenbeinschoner für Fahrradfahrer. Seitdem zählt Brot für die Welt zu unseren Stammkunden, und wir produzieren regelmäßig Etuis, Taschen oder Lunchbags aus ausrangiertem Werbematerial für das Hilfswerk. Mit der Stadt Mannheim haben wir ebenfalls schon wiederholt zusammengearbeitet. Werden Banner nach Ablauf städtischer Aktionstage nicht mehr benötigt, fertigen wir daraus Präsente, die die Stadt als Dankeschön an die jeweiligen Sponsoren verteilt. Das Mannheimer Nationaltheater bot Etuis aus recycelten Werbeplanen in seinem Merchandising-Shop an. Um auch bei Werbeartikelhändlern bekannter zu werden, habe ich schließlich 2017 auf der PSI-Messe ausgestellt. Wir konnten viele interessante Gespräche führen, bekamen erste Aufträge und haben jetzt schon Nachbestellungen.“ Das verwundert kaum, schließlich ist jedes Produkt ein Unikat und erzählt schon allein durch sein Material eine eigene Geschichte. Die Herstellung ist z.T. mit großem Aufwand verbunden: Zunächst müssen Planen und Co. gereinigt und auf mögliche Schäden hin untersucht werden. Nachdem unbrauchbares Material aussortiert wurde, erfolgt der Zuschnitt, wobei Dürr besonders viel Wert darauf legt, dass der gewählte Ausschnitt dem Endprodukt nicht nur ein schönes Design, sondern auch eine CI-gerechte Optik verleiht. Die Fertigung der Artikel – von Taschen und Geldbeuteln über Smartphonehüllen und Schlüsselanhänger bis hin zu Kosmetik- und Brillenetuis – erfolgt in Zusammenarbeit mit regionalen Behindertenwerkstätten.

Etui Groß 477 WPEG - Reciclage: Kreativ und ökologisch

Das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt ist Stammkunde bei Reciclage und gibt ausgedienten Fahnen und Planen regelmäßig eine neue Bestimmung.

Andere Produkte aus dem Portfolio der diplomierten Industriedesignerin haben einen weiteren Weg hinter sich. Dürr arbeitet mit Kooperativen in Brasilien, Nepal und Indien zusammen, darunter auch Futuarte Partner aus Belo Horizonte. Die 32 in der brasilianischen Kooperative zusammengeschlossenen Frauen fertigen aus Zeitungen, Zementsäcken und Stoffresten Schachteln, Körbe und Taschen. Hingegen werden in Katmandu oft alte Reissäcke als Rohstoffquelle genutzt, und der Produktionspartner in Indien verwendet aus wasserabweisendem Material hergestellte Teesäcke, die üblicherweise nach einmaliger Verwendung entsorgt werden. Vielfältigkeit demonstriert Reciclage aber nicht nur beim Sortiment, sondern auch bei der Logoanbringung. Ob Fähnchen, Anhänger, Metall- oder Holzplakette – Werbebotschaften lassen sich je nach Artikel auf ganz unterschiedliche Weise platzieren. Dürr: „Viele Unternehmen haben erkannt, dass sie umdenken müssen, da ihre Kunden verstärkt auf Nachhaltigkeit achten. Mit meinen Werbepräsenten aus recycelten Materialien stärken Unternehmen ihre Marketingaktivitäten in diesem Segment. Gleichzeitig regen die Artikel dazu an, auch in anderen Bereichen auf Umweltfreundlichkeit und soziale Verantwortung zu achten.“ Die stylishen Werbeartikel mit Mehrwert sind im Idealfall also erst der Anfang.

// Jasmin Oberdorfer

www.reciclage.de

Bildquelle: Reciclage

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