Ursula Will gehört zweifellos zu den schillerndsten Persönlichkeiten im Markt der haptischen Werbung. Beim Porträttermin entpuppt sich die Lediberg-Repräsentantin nicht nur als hochengagierte Verkäuferin und exzellente Kennerin der deutschen Werbeartikellandschaft, sondern auch als brillante Geschichtenerzählerin aus einem Leben für die, Zitat Will, „interessanteste Branche der Welt“.

u will slider2 - Ursula A.T. Will: „Verkaufen ist meine Leidenschaft“

Es ist Juli, und Juli ist Sommer, das heißt: Ursula Will empfängt ihre Gäste ganz in strahlendem Weiß. „Im Sommer nur in Weiß“ gehört zu ihren eisernen Grundsätzen. Dass sie sich solche Extravaganzen leistet – und auch von ehemaligen Kolleginnen eingefordert hat, es ihr gleichzutun –, mag dazu beigetragen haben, ihren Ruf in Branchenkreisen als Diva zu festigen. Das ist nicht despektierlich gemeint. Eher schwingt darin Bewunderung mit, wie in der Äußerung eines Kunden, der befand, Ursula Will sei „ein bisschen wie Sternenstaub“, etwas an ihr „leuchte und glitzere immer“. Man könnte meinen, es sei eine Anspielung auf die Coco Chanel-Broschen und -Ketten, die längst Markenzeichen ihres Outfits geworden sind, aber es ist vielmehr eine treffende Charakterisierung ihres Wesens: Auch mit nunmehr 69 Jahren versprüht Ursula Anna Theresia Will oder „die Frau Will“, wie sie selbst sich oft nennt, eine Begeisterungsfähigkeit wie kaum eine andere. Sie ist Verkäuferin mit Herz und Seele, leidenschaftliche Verfechterin der Werbeartikelbranche und – um eines ihrer Lieblingswörter zu benutzen – „mega“-kommunikative Gesprächspartnerin, die ihre Zuhörer in den Bann zu ziehen vermag. Seit mehr als 30 Jahren ist Will im Markt für haptische Werbung zu Hause und drückt ihm ihren Stempel auf wie er ihr. Seit acht Jahren stärkt sie den Verkauf und Außendienst des italienischen Kalender- und Notizbuchspezialisten Lediberg – man darf davon ausgehen, dass es ihre letzte berufliche Station sein wird. Noch immer reist sie mit ungebremstem Elan durch die gesamte Republik, um Werbeartikelhändlern das umfangreiche Terminkalenderprogramm von Lediberg zu präsentieren und die vielfältigen Individualisierungsmöglichkeiten des Lanybooks vorzustellen, um ihnen das neue App-Format („Original by Lediberg“) anzupreisen oder ihnen anhand der aus Apfelpapier hergestellten Appeel-Kollektion eine Geschichte über Nachhaltigkeit und die Natur zu erzählen. In einem klassischen Bürohaus in der Hagenauer Straße führt sie das Lediberg-Vertriebsbüro Wiesbaden. Hier ist von Extravaganz nichts zu spüren, es herrscht Arbeitsatmosphäre. Auf dem Boden stehen Dutzende gepackter Mustertaschen, zahlreiche beispielhafte Umsetzungen von Notizbüchern sorgen für Farbtupfer und geben einen ersten Überblick über die Vielfalt der Möglichkeiten. Arbeitsmaterialien bevölkern den Schreibtisch. Der Aufdruck auf einer Bürotasse „Für ein Burnout fehlt mir einfach die Zeit“ könnte fast so etwas wie das Will‘sche Lebensmotto sein.

Frau Will, Sie haben Ihre Karriere in der Werbeartikelbranche beim Kalenderspezialisten Geiger angefangen, nun sind Sie für den Kalenderspezialisten Lediberg tätig. Schließt sich da für Sie der Kreis?

Ursula Will: Ich bin wieder bei „meinem Papier“. Papier verfolgt mich in meinem Lebenslauf, schon als kleines Kind hatte ich immer das Gefühl, irgendetwas mit Papier machen zu müssen, und einst wird auf meinem Grabstein stehen: „Sie lebte für ihr Papier“. Ich habe es wirklich geliebt, diese wunderbar designten Porzellanprodukte von Mahlwerck zu verkaufen, aber ich liebe das Papier noch mehr. Ich liebe den italienischen Style, die Eleganz unserer Artikel, die unglaublichen Individualisierungsmöglichkeiten. Ich stehe uneingeschränkt zu dem, was ich verkaufe, insofern bin ich sehr glücklich, für Lediberg zu arbeiten. Umso mehr, da ich die Zusammenarbeit als Harmonie pur empfinde. Es gab in den acht Jahren, die ich hier arbeite, nicht ein böses Wort. Ich bin auch dankbar dafür, dass ich nahe meinem Lebensmittelpunkt in Wiesbaden arbeiten kann – das empfinde ich schon als Vertrauensbeweis meines Arbeitgebers und gibt mir ein wohltuendes Gefühl.

Man hat den Eindruck, dass es derzeit mitten in der Ära der zunehmenden Digitalisierung eine Renaissance von Papierprodukten wie Notizbüchern oder Terminplanern gibt. Spüren Sie das auch?

Ursula Will: Absolut. Der Mensch hat Spaß an schönen Dingen, an Design, an der Haptik von Produkten. Das können Apps nicht ersetzen. Notizbücher sind einerseits unentbehrliche Alltagshelfer, andererseits aber auch hochkommunikative, sehr individuelle Lifestyleprodukte. Ich sage immer, ein Werbeartikel ist nur so gut, wie er Begehrlichkeiten weckt. Um das zu zeigen, bringe ich jedem Kunden, den ich besuche, auch immer eine prall gefüllte Mustertasche mit. Das ist vielleicht Teil der Will’schen, fast schon zwanghaften, Perfektion. Aber unsere Produkte überzeugen nun mal am meisten durch sich selbst. Ich kann einem Kunden am Telefon hundertmal erzählen, dass ich die schönsten Bücher auf der Welt verkaufe – es hat nicht dieselbe Wirkung, wie wenn ich zu ihm hinfahre und ihm verschiedene Beispiele vorstelle, die er ausprobieren kann. Außendienst habe ich ja erst bei Mahlwerck so richtig gelernt. Als mich Tobias Köckert (Geschäftsführer von Mahlwerck, Anm. d. Red.) nach meiner Zeit bei Geiger beschäftigt hat, wollte er mich unbedingt für den Außendienst einsetzen, dabei hatte ich darin gar keine Erfahrung. Doch Köckert, den ich für seine unglaubliche Kreativität sehr bewundere, meinte, er bräuchte mich genau an dieser Position, da ich im Gegensatz zu ihm und dem damaligen Mahlwerck-Team über die entsprechenden Kontakte in die Branche verfügte. Nach Tobias Köckert war es dann Thomas Hertranft, der meine berufliche Laufbahn maßgeblich beeinflusst hat. Mit Thomas Hertranft verbindet mich seit vielen Jahren ein freundschaftliches und vertrauensvolles Verhältnis und ich bin ihm sehr dankbar, dass er nicht locker gelassen und mich schließlich zu Lediberg – zurück zu meinem Papier – gelotst hat.

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Notizbücher boomen, das Segment ist aber auch hart umkämpft, immer mehr Anbieter drängen auf den Markt. Wie empfinden Sie das?

Ursula Will: Es wird härter. Wenn man älter wird und sich immer noch so sehr mit der Sache, die man vertritt, identifiziert wie ich, wird man auch einfach sensibler gegenüber Ungerechtigkeiten. Wir sind gezwungen, durch permanente Innovationen immer voranzugehen, während andere Anbieter unsere Ideen klauen und dann billig in Osteuropa oder Fernost nachproduzieren lassen. Wenn ich z.B. sehe, wie unser App-Format – nicht nur in der Form, sondern auch in der Namensgebung und der Kommunikation zum Produkt – nachgeahmt wird, werde ich fuchsteufelswild. Das Lanybook oder unsere Appeel-Kollektion aus Apfelpapier sind marken- und patentrechtlich abgesichert, aber man kann nicht jedes Design schützen lassen.

Ob sie sich für die Wirkung ihrer Produkte begeistert oder über unlautere Wettbewerber schimpft, ob sie das Miteinander der Branche lobt oder sich kritisch über Modetrends äußert – stets spricht Ursula Will mit einer Emphase, die Ausdruck ist für die Leidenschaft, mit der sie ihren Job erledigt. Von Abnutzungserscheinungen nach drei Jahrzehnten Werbeartikelbranche ist nichts zu spüren, es glimmt in ihr noch dasselbe Feuer wie in den 1960er Jahren, als sie ihre berufliche Karriere mit einer Ausbildung zur Verlagskauffrau beim Wiesbadener Tagblatt begann: eine Siebzehnjährige von der Schwäbischen Alb, die von ihrem Großvater, einem Schneider in New York, die kommunikative Art geerbt hat, mit der sie es bis in Spitzenpositionen in Vertrieb und Marketing schaffen sollte. Die auch in den Nachkriegsjahren nie Hunger leiden musste, weil die Eltern Felder bestellten, aber selten etwas Neues zum Anziehen hatte, sodass sie bei ihren Mitschülerinnen als Landpomeranze verschrien war. Die in einem von Nonnen geleiteten Mädcheninternat ihren Abschluss an der höheren Handelsschule machte und lernte, weiße Blusen zu bügeln.

Wie war Ihr Start ins Berufsleben?

Ursula Will: Meine Vermieterin hatte erfahren, dass das Wiesbadener Tagblatt Auszubildende suchte. Dann habe ich mir von meinem letzten Geld eine Kombination von Courages – das war damals der letzte Schrei – und ein neues Paar Stiefel gekauft, bin zum Friseur gegangen und in dem runderneuerten Outfit dann erst ins Fotostudio und anschließend zum Wiesbadener Tagblatt marschiert, ohne vorher eine Bewerbung abgegeben zu haben. Ich durfte mich vorstellen und der damalige Chef, Gerhard Schmidt, fragte mich nach meinen Fähigkeiten. Wahrheitsgetreu habe ich geantwortet, dass Rechnen nicht so meins sei, ich aber baden-württembergische Jugendmeisterin im Schreibmaschineschnellschreiben sei, und dann durfte ich anfangen. „Wenn Sie das machen, was ich von Ihnen verlange, und ein bisschen normaler rumlaufen, dann mache ich etwas aus Ihnen“, versprach mir Schmidt am Ende des Vorstellungsgesprächs.

Hat er Wort gehalten?

Ursula Will: Auf jeden Fall. Neben Jürgen Geiger war Schmidt ganz sicher derjenige meiner Chefs, der mich am meisten geprägt hat. Er hat mir viel gezeigt, und ich wollte etwas lernen, ich wollte etwas bewegen. Ich hatte immer den Plan, etwas aus mir zu machen, das in Erinnerung bleibt – und wenn es nur der Schmuck ist, den die Frau Will trägt.

Was waren Ihre Aufgaben?

Ursula Will: Ich sollte Anzeigen am Telefon aufnehmen und hab damals schon ein gewisses Kommunikations- und Verkaufstalent an den Tag gelegt. Wenn mich jemand anrief und eine zweispaltige Anzeige aufgeben wollte, habe ich ihn so lange bequatscht, bis er eine vierspaltige geschaltet hat. Das ganze Anzeigengeschäft fand ich unglaublich aufregend, und die Arbeit in der Zeitung war megainteressant. Auch das Miteinander war sehr schön – ich habe heute noch Freunde, die ich damals kennengelernt habe.

Aber Sie sind dann trotzdem zu neuen Ufern aufgebrochen …

Ursula Will: Ich habe dann – wir kannten uns aus dem Stadtbild – Olaf Leu kennengelernt, Designer und nicht nur für mich der „Papst der Typografie“. Leu wurde später Professor für Corporate Identity und Corporate Design an der FH Mainz und war, 13 Jahre älter als ich, immer so etwas wie mein Mentor. Er hat mich an die Hand genommen und dazu getrieben, mehr aus mir zu machen. „Du musst mehr raus, du musst dich zeigen“, sagte er zu mir, aber auch „Du musst schneller sein, durch Fleiß bestechen, durch Zuverlässigkeit.“ All diese Dinge habe ich in mich aufgesogen. Ich habe dann eine Zeit lang als Medialeiterin bei einer Agentur gearbeitet, bevor mich Olaf Leu als Werbeassistentin zu dem Druckmaschinenhersteller Miller-Johannisberg vermittelt hat. Und das war der erste Job, wo ich wirklich rauskonnte, auf Messen wie die drupa. Da habe ich gespürt: Messen sind mein Lebenselixier.

Konnten Sie diese Leidenschaft bei Ihrer nächsten Station als PR- und Marketingleiterin von VG Instruments, einem Hersteller von wissenschaftlichen Analysesystemen, ebenfalls ausleben?

Ursula Will: Das war eine unheimlich tolle Zeit. Wir hatten unfassbare Möglichkeiten in der Kommunikation. Auf den Fachmessen waren wir teilweise mit 5.000 qm-Ständen präsent, und ich war für die Konzeption und Durchführung allein verantwortlich. Budget spielte keine Rolle: Wenn ich der Meinung war, dass wir Aquarien mit lebendigen Fischen brauchten, haben wir die bekommen. Das Einzige, was für mich problematisch war, war die Verständigung. Wir waren ein international ausgerichtetes Unternehmen, aber ich habe in der Schule nie Englisch gehabt. Ich habe das dann in der Sprachschule nachgeholt, aber das war immer ein Makel, den ich mit mir rumgeschleppt habe. Ohnehin habe ich Zeit meines Lebens darunter gelitten, nie eine höhere Schulbildung genossen zu haben, und oft gehört, ich solle mich nicht aufspielen, ich hätte ja nur einen Volksschulabschluss. Ich glaube ein Teil meines unbedingten Willens, etwas zu erreichen, meines Zwangs nach Perfektion, rührt genau daher.

Ursula Will mag wie Sternenstaub scheinen, eine Märchenprinzessin ist sie deswegen noch lange nicht. Sie redet schonungslos, verklärt nichts, gesteht freimütig ihre Schwächen ein. Ehrlich und gerade heraus, wie sie ist, eckt sie oft an: „Ich bin unbequem“, weiß Will, aber das scheint sie auch sich selbst gegenüber zu sein. Fleiß, Disziplin, Einsatzwillen und Zähigkeit – alles Eigenschaften, die sie nach eigener Aussage bei den Schwestern im Internat gelernt habe – hat sie auf all ihren beruflichen Stationen eingebracht und dabei sich selbst am wenigsten geschont. Eine Woche Urlaub im Jahr hat sie sich gegönnt, den Rest ihrer Zeit überwiegend in den Dienst ihres Arbeitgebers gestellt. So wurde sie in den 1990er Jahren u.a. zum Gesicht der Geiger AG.

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Ursula Will wird von ihren Lediberg-Kollegen beim Cybergroup BeachCup auf Händen getragen.

Wie haben Sie Jürgen Geiger kennengelernt?

Ursula Will: Auch hier hatte Olaf Leu seine Finger im Spiel: Er kannte Jürgen Geiger, war später auch im Aufsichtsrat der Geiger AG; und hat ein Treffen arrangiert. Der erste Firmensitz von Geiger befand sich in einer alten Strumpffabrik, das Büro war ein Ausbund an Hässlichkeit. Überall stapelten sich Berge von Papier, die vom Boden bis zur Decke reichten. Es war ein Schock, und ich habe gedacht, dass ich niemals dort anfangen würde. Aber Jürgen Geiger hat nicht lockergelassen: Ich sollte ihm helfen, seinen Laden hochzuziehen. Schließlich, an einem Rosenmontag, haben wir uns dann geeinigt.

Was waren Ihre ersten Eindrücke von der Werbeartikelbranche?

Ursula Will: Als wir das erste Mal auf der PSI ausgestellt haben, kam mir das wie eine Puppenstube vor. Ich war ja die Riesenauftritte von VG Instruments gewohnt, in Düsseldorf war dagegen alles klein-klein. Aber auf der anderen Seite hat mich diese neue Welt, in die ich eingetaucht bin, vom ersten Augenblick an fasziniert. Die Werbeartikelbranche ist unheimlich interessant mit all ihren vielfältigen Produkten. Und die Zeit bei Geiger war megaaufregend. Wir mussten ja Aufbauarbeit vom ersten Augenblick an leisten. Immer ging es darum, das Unternehmen zu platzieren, uns in der Branche bekannt zu machen, Kreativität bei der Produktentwicklung zu beweisen, eine hohe Servicequalität an den Tag zu legen und das alles entsprechend zu vermarkten. Das waren die tollsten Jahre.

Wer Sie bei Geiger oder in einer ihrer darauf folgenden Funktionen erlebt hat, der hat immer den Eindruck, dass Sie für die Werbeartikelbranche „brennen“. Was ist so faszinierend an diesem Markt?

Ursula Will: Ich könnte mir heute nicht vorstellen, mich in einer anderen Branche so wohlzufühlen wie in der Werbeartikelbranche. Die Branche ist wie eine Heimat, wie eine große Familie, die niemanden fallen lässt, solange er sich an die Regeln des Anstands hält. Unter den Lieferanten ist es ein einziges großes Miteinander – jeder hilft jedem. Aber auch zu vielen Kunden ist ein ganz intensiver Kontakt entstanden, der von meinen ersten Verkaufsgesprächen bei Geiger bis zum heutigen Tag reicht. Darüber hinaus ist es vom ersten Augenblick an nie langweilig oder routiniert gewesen, sondern immer spannend und aufregend. Jeder Tag ist anders. Der Markt ist in ständiger Bewegung. Es gibt jede Menge wirklich coole Artikel, die man nicht nur gerne verkauft, sondern die den Verkäufern auch selbst gefallen. Ein weiterer wesentlicher Aspekt: Man verkauft zwar immer das gleiche Produkt, aber die Anforderungen des Gesprächspartners sind immer andere. Dadurch kann und muss man ganz anders kreativ sein. Jedes Verkaufsgespräch ist eine neue kreative Herausforderung.

Was macht einen guten Verkäufer aus?

Ursula Will: Man kann einen Artikel nur dann gut präsentieren, wenn man selbst von ihm überzeugt ist. Das spürt der Kunde. Und natürlich ist es auch wichtig, gut zuzuhören und auf das Gegenüber und dessen Bedürfnisse einzugehen. Aber ich habe mir nie so viele Gedanken über erfolgreiche Verkaufsstrategien gemacht. Für mich war das Verkaufen immer eine Leidenschaft und die Zuneigung meiner Kunden der Lohn für meine Arbeit. Man kann sagen, dass es traurig ist, wenn man sich ausschließlich über den Beruf definiert, aber wenn man so wie ich die gesamte Woche unterwegs ist, immer auf Achse, und alles für das Unternehmen gibt, wird es auch schwer, eine Beziehung aufrechtzuerhalten oder eine Familie zu gründen. Für mich war bislang der Job immer unangefochten die Nummer eins. Vielleicht wäre das noch ein Ziel für die Zukunft, es irgendwann einmal zu schaffen, eine Balance zwischen Beruf und Privatleben zu finden.

Es ist nicht so, als hätte es Ursula Will nicht versucht mit den Männern. Ihr Nachname rührt von der kurzen Ehe mit einem ehemaligen Kollegen vom Wiesbadener Tagblatt her. Später führte sie eine langjährige Beziehung zu einem Designer. Heute sind die beiden freundschaftlich verbunden. Ein gutes Gespräch mit Freunden zu genießen gehöre zu den größten Glücksmomenten in ihrem Leben, so Will, die stolz ist, in einer so schnelllebigen Zeit Freundschaften zu pflegen, die mittlerweile mehr als 50 Jahre halten. So klingt niemand, der verbittert ist, weil er einen Großteil seines Privatlebens der Karriere geopfert hat.

Frau Will, die neue Serie der Werbeartikel Nachrichten heißt Frauen bewegen. Kommt es einem nur so vor, oder sind Frauen in Führungspositionen innerhalb der Werbeartikelbranche eher unterrepräsentiert?

Ursula Will: Das ist schon so. Es gibt viele Frauen, die sehr wertvolle Dienste als Repräsentantinnen ihres Unternehmens im Vertrieb oder Ursula Will wird von ihren Lediberg-Kollegen beim Cybergroup BeachCup auf Händen getragen. als wertvolle Servicekräfte im Innendienst leisten, aber nur sehr wenige Geschäftsführerinnen und Inhaberinnen. Auch bei den Verbänden spielen Frauen eher eine untergeordnete Rolle. Das ist traurig.

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Ursula Will als 17-Jährige im neuen Courages-Outfit vor ihrem ersten Vorstellungsgespräch.

Sie sind in den 1960er Jahren ins Berufsleben eingestiegen. Hatten Sie damals das Gefühl, es als Frau schwerer zu haben als ihre männlichen Kollegen?

Ursula Will: Auf jeden Fall. Ich hatte immer den Eindruck, ich müsse mir durch unbändigen Fleiß und unbändige Disziplin immer noch mehr Kompetenz aneignen und weitere Erfolge erzielen, um voranzukommen. Manchmal habe ich auch den Eindruck, jüngeren Menschen fällt es schwer, im gleichen Maße Verantwortung zu übernehmen – vielleicht ist das auch ein Grund, warum so wenige Frauen in Spitzenpositionen nachrücken.

Sie kennen die Werbeartikelbranche nun schon seit drei Jahrzehnten: Was hat sich aus Ihrer Sicht verändert?

Ursula Will: Neben dem natürlichen Generationswechsel in vielen Unternehmen, der z.T. auch eine Änderung der Unternehmenskultur – z.B. Richtung Digitalisierung der Dienstleistungen – nach sich zieht, ist die zunehmende Geschwindigkeit der spürbarste Wandel für mich. Alles geht rasend schnell, für wirkliche Verkaufsgespräche bleibt immer weniger Zeit. In kürzester Zeit müssen Anfragen bearbeitet, Angebote erstellt und Auftragsbestätigungen verschickt werden. Ich würde mir wünschen, dass alle wieder etwas mehr Geduld aufbringen.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Ursula Will: Ich werde das oft gefragt, aber ich habe gar keine konkreten Ziele. Ich möchte zumindest noch eine Zeit lang für Lediberg arbeiten und sollte natürlich langsam mal einen Plan B entwickeln. Was mich berührt und worunter ich fürchterlich leide, ist das Schicksal mancher Kinder, die um ihr Leben kämpfen, während wir uns mit schönen Dingen und Luxus umgeben. Es gibt in Wiesbaden ein Kinderhospiz namens Bärenherz. Ich könnte mir gut vorstellen, mich für diese Institution zu engagieren, indem ich Stofftiere verkaufe und Spenden sammle, aber auch, indem ich mich vor Ort mit den Kindern beschäftige. Da habe ich keine Berührungsängste. Ansonsten aber habe ich keine Wünsche: Ich bin froh über meine 51 Berufsjahre. Dass ich diese so erleben durfte, empfinde ich als ganz großes Glück.

// Mit Ursula A. T. Will sprachen Andrea Bothe und Dr. Mischa Delbrouck

Fotos: Andrea Bothe (3), © WA Media GmbH, Cybergroup (1), Foto Besier (1)

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