Taschen, Textilien und andere Produkte aus recyceltem PET sind angesagt. Sie verkörpern das Kreislaufdenken und scheinen daher prädestiniert für den Einsatz als Botschafter eines umweltfreundlichen Lifestyles.

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Billerbeck hat sich etwas vorgenommen. Das kleine Städtchen im Münsterland will die erste plastiktütenfreie Stadt Nordrhein- Westfalens werden. Um das Umdenken zu forcieren, sind nicht nur mehrere unterhaltsame Aktionen geplant, sondern es wird auch eine umweltfreundliche Alternative angeboten: Für je einen Euro, der wieder zurück in das Modellprojekt fließt, können die Billerbecker Bürger in den Geschäften ihrer Stadt zwei braune Tragetaschen mit dem Aufdruck „unplastic Billerbeck“ und „Stadttüte“ erwerben. Das Besondere: Die Taschen waren einmal Flaschen – sie sind aus recycliertem Polyethylenterephthalat (PET) hergestellt.

Funktionierender Kreislauf

An dieser Stelle mag man einwenden, dass PET ja auch ein erdölbasierter Kunststoff ist (s. Kasten unten) und die Herstellung dementsprechend ähnlich schädlich für die Umwelt sein müsste wie die der Polyethylen- oder Polypropylenverbindungen, aus denen die Folien herkömmlicher Plastiktüten bestehen. Der ökologische Vorteil jedoch liegt im Recycling: Auch Plastiktüten könnten wiederverwendet werden. Allerdings landen sie allzu oft im Restmüll und gelangen durch Verwehungen unbeabsichtigt in die Umwelt oder in die Weltmeere – sie sind dadurch zum Symbol für die Umweltverschmutzung geworden. Taschen aus recycliertem PET stehen für das Gegenteil: Sie sind das Endprodukt eines funktionierenden Wertstoffkreislaufs und sind daher ein gutes Beispiel für die Vermeidung von überflüssigen Plastikabfällen. Möglich macht das nicht zuletzt das Pflichtpfand auf Einwegflaschen, das in einigen europäischen Ländern, wie den skandinavischen Staaten, Estland, Kroatien, der Schweiz und Deutschland, existiert. Der Materialgewinn durch das PET-Recycling ist enorm: In Deutschland z.B. konnten 2012 allein aus bepfandeten Einwegflaschen 495.000 t Kunststoff verwertet werden. Mehr als drei Viertel dieser Menge (386.000 t) wurden dem werkstofflichen Gebrauch zugeführt – wurden also zu neuen Flaschen, Verpackungen, Tragetaschen etc. weiterverarbeitet. Die Mengen, die aus Mehrweg-PET-Flaschen oder den gelben Säcken und Tonnen wiederverwertet werden, sind in dieser Statistik nicht einmal enthalten.

Die Flaschen werden gesammelt, sortiert, gereinigt und zunächst zu PET-Flakes verarbeitet, bevor sie dann gemahlen und eingeschmolzen und als Granulat oder Textilfasern weiterverarbeitet werden. Klingt aufwendig, ist aber deutlich weniger umweltbelastend als die Produktion von Primär-PET. Eine Studie der Schweizer Carbotech AG hat ergeben, dass pro Kilogramm recycliertem PET rund 3 kg Treibhausgasemissionen eingespart werden können, und dass das PET-Recycling um 50% weniger energieaufwendig ist als die Neuproduktion von PET. Zudem – kein gering zu achtender Aspekt – reduziert das Recycling den Verbrauch nicht-erneuerbarer Energien, sprich: den Abbau von Erdöl und Erdgas.

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B2P – from Bottle to Pen: Der innovative Gelschreiber von Pilot Pen hat einen Schaft aus PET-Recyclat. Insgesamt werden aus einer PET-Flasche drei B2P-Gehäuse gewonnen. Das Design greift die Herkunftsgeschichte auf. Der Recyclingwert liegt bei 90%.

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Die XD Apparel Kollektion von Xindao bietet die nach Unternehmensangaben „nachhaltigsten Jacken und Bodywärmer, die es jemals im Werbemittelmarkt gegeben hat“. Die Jacken bestehen aus recyceltem PET und sind nach Bluesign zertifiziert.

Im Trend

Angesichts der vielen positiven Eigenschaften ist es wenig verwunderlich, dass Produkte aus PET-Recyclat im gegenwärtigen auf mehr Nachhaltigkeit ausgerichteten Lifestyle en vogue sind. Hatten bis vor einigen Jahren viele Hersteller noch verschwiegen, wenn ihre Produkte PET-Recyclate enthielten, da das Material im Ruch stand, minderwertig zu sein, hat mittlerweile ein Umdenken eingesetzt: Immer mehr Lieferanten werben mit der Umweltfreundlichkeit ihrer PET-Artikel. Folien und Flaschen, Verpackungsbänder und Zelte, Sofafüllungen und Smartphonehüllen – all das und noch viel mehr kann aus recycliertem PET hergestellt werden. Besonders beliebt ist das Material im Textilbereich, da es atmungsaktiv und wasserresistent ist und somit für Outdoor- und Sportbekleidung wichtige Funktionen erfüllt. Auch im Taschenbereich stellt es eine immer häufiger verwendete Alternative zu Nylon dar. Der 2011 für den deutschen Nachhaltigkeitpreis nominierte Outdoor-Hersteller Vaude etwa hat eine ganze Palette von Rucksäcken aus PET-Recyclat im Programm. Das sehr erfolgreiche Kölner Start-up Ergobag produziert seine Jugendtaschen und Schulranzen ausschließlich aus recycliertem PET – rund 6 Mio. alte Flaschen erhalten so jedes Jahr eine neue Bestimmung.

Dass PET-Recycling durchaus einen gewissen Sex-Appeal hat, beweist das Label Summerlove Swimwear, das Bikinis aus einem Garn produziert, das aus Plastikabfällen gewonnen wird. Und selbst im aktuellen IKEA-Sortiment finden sich mehr als 70 Artikel – vom Trinkbecher bis zur Klobürste –, die Bestandteile aus wiederaufbereiteten PET-Getränkeflaschen enthalten. Auch in der Werbeartikelbranche sind Produkte aus PET-Recyclat längst angekommen: Einkaufstaschen und Rucksäcke waren vor einigen Jahren die ersten Produkte, die auf den Markt kamen. Die Ausweitung der Textilsortimente hat dazu geführt, dass mittlerweile auch T-Shirts oder gefütterte Jacken mit mehr oder minder hohen Anteilen an PET-Recyclaten angeboten werden. Regenschirme oder Kugelschreiber zeigen, dass die Verwendung nicht auf Textilfasern beschränkt ist. Noch stellen die Produkte nur eine kleine Nische dar, zumal sie preislich meist höher angesiedelt sind als die Konkurrenzprodukte aus herkömmlichem Kunststoff. Doch die Nachfrage steigt, denn die Produkte zeugen vom Umweltbewusstsein des werbenden Unternehmens und scheinen sich so nahtlos in jegliche Nachhaltigkeitsstrategie einzufügen.

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Nicht nur der Griff des umweltfreundlichen Ökobrella® von Fare besteht aus wiederverwendetem Kunststoff-Material, auch der Polyester- Pongee-Bezug des Taschenschirms wird aus ausgedienten PET-Flaschen gefertigt. Für die Herstellung eines Bezuges werden insgesamt viereinhalb Flaschen (550 ml) benötigt.

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Mit wiederverwendbaren Taschen aus recycelten Materialien sagt ChicoBag Plastiktüten den Kampf an. Die aus recycelten PET-Flaschen, Netz und Hanf-Baumwolle hergestellten und waschmaschinengeeigneten VeggieBags sind speziell für den Einkauf von losem Obst und Gemüse konzipiert.

Genauer Hinschauen

Allerdings: Ganz so einfach ist es dann doch wieder nicht. Wer wirklich sichergehen will, ein umwelt- und sozialverträgliches Produkt einzusetzen, muss schon genauer hinschauen – z.B. auf den Anteil des verwendeten PET-Recyclats. Die meisten Produkte, in denen auch PET-Recyclate verwendet werden, bestehen aus einem Materialmix, um die Eigenschaften des Produktes zu verbessern. So ist die Beifügung von Polyester bei Sport- und Outdoortaschen wichtig, um die Abriebfestigkeit zu erhöhen. Da die Hersteller nicht verpflichtet sind, den Recyclat-Anteil ihrer Produkte auszuweisen, sollten Werbeartikelhändler diesen bei ihren Produzenten nachfragen, um herauszufinden, ob es sich um ein echtes Recyclingprodukt handelt oder nur um einen Marketing-Gag. Auch die langen Transportwege – das Material wird in Europa gesammelt und recycelt, dann aber in Fernost zu Produkten verarbeitet, die in Europa verkauft werden – wirken sich nicht gerade positiv auf die Ökobilanz der PET-Produkte aus. Die Industrie in Fernost ist zudem noch jung und wächst unkoordiniert – umso dringlicher sind Kontrollen, die die Sozialverträglichkeit der Produktion sicherstellen.

Ein weiteres Problem zumindest bei den Textilprodukten wie Fleece ist der Abrieb von Mikroplastikpartikeln beim Waschen. Einer Untersuchung des Alfred Wegener Instituts zufolge können die Kläranlagen auf herkömmlichem Weg zwar große Teile der Mikroplastikpartikel herausfiltern, aber nicht alle. Welche Folgen das Vorkommen der Mikroplastikartikel für das Leben in den Ozeanen hat, ist derzeit noch vollkommen unklar. Last, not least: Die Produkte aus PET-Recyclat könnten zwar theoretisch erneut durch rohstoffliche Verfahren verwertet werden, wobei die langen Polymerketten wieder in Monomere aufgespalten und diese dann zur Produktion neuer Kunststoffe eingesetzt werden. Allerdings setzt dies eine getrennte Erfassung und Rückführung dieser Produkte voraus, was selten geschieht. Viele landen im Restmüll, wo sie verbrannt werden. Ob PET-Produkte daher tatsächlich immer die „bessere“, weil umweltfreundlichere Alternative sind, ist schwierig zu beurteilen. Man muss den Einzelfall betrachten, und selbst da fällt der Vergleich schwer, da er von vielen Parametern (wie der Nutzungshäufigkeit, der Wege im Land etc.) abhängig ist, deren Werte oft nur auf Annahmen beruhen. Dennoch sind PET-Produkte sicherlich eine Bereicherung für den Markt, schärfen sie doch das Bewusstsein für den Sinn und die Notwendigkeit geschlossener Wertstoffkreisläufe. Genau das will man derzeit auch in Billerbeck erreichen.

// Till Barth

Bildquelle: ChicoBag (1), Fare (1), Pilot Pen (1), Shutterstock (1), Xindao (1)

Info: der Rohstoff PET

Polyethylenterephthalat – auch PET genannt – wird zu 100% aus Erdöl oder Erdgas produziert. Aus rund 1,9 kg Rohöl entsteht etwa 1 kg PET. Die Moleküle von PET bestehen aus Sauerstoff, Wasserstoff und Kohlenstoff. Dank seiner chemischen Struktur werden beim vollständigen Verbrennen nur Wasser, Sauerstoff und Kohlendioxid freigesetzt. Bei der Aufbereitung von PET können gegenüber der Neuproduktion 50% Energie gespart werden. PET ist ein umweltfreundlicher und hochwertiger Wertstoff, der sich gut recyceln und zu hochwertigen Produkten weiterverarbeiten lässt. Er verliert grundsätzlich seine Eigenschaften nicht und lässt sich deshalb immer wieder verwerten.

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