Die niederländische, gemeinnützige Organisation Join the Pipe hat ein großes Ziel vor Augen: die weltweite Versorgung von Menschen mit sauberem Trinkwasser. Zu diesem Zweck organisiert Join the Pipe Projekte in Europa, Afrika und Asien, entwirft und verkauft wiederverwendbare Flaschen und Wasserstationen. Mitgründer Geraldo Vallen über Dandies in Müllbergen, aufmerksamkeitsstarke Werbeplatzierungen bei Festivals und Fußballclubs sowie positive Auswirkungen aufs Unternehmensimage.

pipe slider - Geraldo Vallen, Join the Pipe: Wasser für Alle!

Herr Vallen, Sie haben Join the Pipe 2009 gegründet und sich auf die Fahne geschrieben, die „längste Wasserpipeline der Welt“ zu bauen und ein Netzwerk aus Leitungswassertrinkern zu schaffen. Was hat Sie auf diese Idee gebracht?

Geraldo Vallen: Als Filmemacher habe ich die Welt bereist und Länder erlebt, in denen Menschen unter sehr harten Bedingungen ohne Zugang zu frischem Trinkwasser leben. Im ländlichen Afrika müssen Kinder ein bis zwei Stunden zur Schule laufen, werden dort nicht mit Wasser versorgt und müssen anschließend den langen Heimweg antreten. So vergehen täglich etwa acht Stunden, in denen sie nichts trinken können. Sollte doch eine Wasserpumpe vor Ort sein, trinken die Kinder aus ihren ungewaschenen Händen und riskieren eine Ansteckung mit schweren Krankheiten. Im 21. Jahrhundert muss es möglich sein, dass jedes Kind auf der Welt sauberes Wasser aus seiner eigenen Flasche trinken kann. Mit Join the Pipe versuchen wir außerdem, so viele Menschen wie möglich zu motivieren, Leitungswasser als umweltfreundliche Alternative zu abgefülltem Wasser in Einwegflaschen zu nutzen.

Dabei agieren Sie global, sind in Europa ebenso aktiv wie in Afrika oder Asien. Können Sie das Konzept näher erläutern?

Geraldo Vallen: Wir haben wiederverwendbare Kunststoffflaschen sowie Wasserstationen – robuste, wetterfeste „Wasserzapfsäulen“ – entworfen und unterstützen in Kooperation mit Wasserversorgern, Vereinen und Unternehmen die Verteilung der Flaschen und Installation der Stationen. In westlichen Ländern steht die Installation der Stationen in Parks, an Bahnhöfen und Sportplätzen oder vor Stadien im Vordergrund, um für das Trinken von Leitungswasser zu werben.

Im ländlichen Afrika wie z.B. im Kongo oder in Burkina Faso müssen die Menschen anstelle unseres sauberen, günstigen Leitungswassers gesammeltes Regenwasser oder hochgepumptes Grundwasser verwenden. Hier arbeiten wir mit lokalen Experten zusammen, die von uns entworfene Wasserpumpen fachmännisch installieren. Anschließend werden unsere Wasserflaschen zur hygienischen Nutzung der Pumpen verteilt. Die Situation in den Städten ist auf den Kontinenten relativ vergleichbar: Leitungswasser ist verfügbar, häufig wird aber abgefülltes Wasser in Einwegflaschen der einfachen, einwandfreien und umweltfreundlicheren Alternative vorgezogen – dadurch entstehen riesige Müllberge. In den Randregionen afrikanischer Großstädte, in den Slums, die nicht von Müllfahrzeugen befahren werden, besteht die einzige „Abfallentsorgung“ aus einem Regenguss, der die Plastikwelle aus der Stadt und letztendlich ins Meer schwemmt – ein gewaltiges Problem für Mensch und Umwelt. Unsere Aufgabe in diesen Regionen besteht also darin, die Menschen und besonders die junge Generation zu schulen, sie auf die Müllvermeidung durch wiederverwendbare Flaschen hinzuweisen und ihnen diese zur Verfügung zu stellen.

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Haben sich um die neue Wasserstation von Join the Pipe versammelt und präsentieren stolz
das Ergebnis des „City Clean Up“: Schulkinder, Vertreter der Stadt und die Dandies von Nairobi.

Können Sie Ihr jüngstes Projekt in diesem Bereich genauer beschreiben?

Geraldo Vallen: Zuletzt haben wir ein „City Clean Up“ in Nairobi organisiert: Gemeinsam mit der Regierung und der Stadtverwaltung haben wir Müllbeutel u.a. an Schulen verteilt, mit denen die Kinder in der Umgebung des Schulgeländes Müll gesammelt haben, der anschließend von der Regierung abtransportiert wurde. Jedes der Kinder erhielt als Belohnung eine unserer Wasserflaschen, die es zu Hause befüllen und mit in die Schule nehmen kann. Unterstützt wurden sie dabei außerdem von den sogenannten „Sapeurs“, den Dandies der Stadt – eine Gruppe der bestgekleideten Männer Afrikas, die sich in ihren farbenfrohen modischen Anzügen von den grauen Slums abheben und die symbolisch für ein schöneres, sauberes Afrika stehen.

Und wie finanzieren Sie diese Aktionen?

Geraldo Vallen: Unter anderem mit dem Verkaufserlös unserer Flaschen in Europa: Wir entwerfen für jedes Jahr und jedes neue Projekt ein neues Flaschenmodell, das Unternehmen und Privatpersonen käuflich erwerben können. Für den letzten „City Clean Up“ haben wir ein Modell mit attraktivem Diamantmuster, die Nairobi Bottle, designt. Mit jedem Flaschenmodell verbindet der Käufer direkt ein bestimmtes Projekt, das er durch den Kauf unterstützt – hinter jeder Flasche und jedem Design steckt eine eigene Geschichte.

 

Bieten Sie die Modelle auch gebrandet an?

Geraldo Vallen: Selbstverständlich – eine Veredelung der Flaschen erfolgt per Druck oder Prägung, die Modelle können außerdem mit einem Label versehen werden. Etwa 50% der verkauften Flaschen sind geprägt, also in der Produktion mit einem Logo im Kunststoff versehen. Außerdem werden etwa 50% unserer Flaschen mit Wasser befüllt, in Sixpacks konfektioniert und zum Kunden transportiert. Diese Flaschen sind quasi ein Hybrid: Sie sind wiederverwendbar, bereits befüllt und können wie Softdrinkflaschen an Kühlautomaten oder in Supermärkten verkauft werden. So erreicht man gleichzeitig zwei Dinge: Man überzeugt eine weitere Person vom Wert des Leitungswassers und kann zugleich damit werben, kein Wasser in Einwegflaschen zu verkaufen, tut also etwas fürs eigene Nachhaltigkeitsimage.

Als Non-Profit-Organisation brauchen Sie für die Produktion, Veredelung und Befüllung Partnerunternehmen – mit wem arbeiten Sie zusammen?

Geraldo Vallen: Join the Pipe ist zunächst einmal ein kleines Team von fünf Personen mit Sitz im Herzen von Amsterdam, das für die Pressearbeit und PR zuständig ist. Wir konzentrieren uns auf das Design der Flaschen sowie auf die visuelle und inhaltliche Aufbereitung der Projekte, um Interesse zu generieren und den Erlös für die Umsetzung der Projekte zu sichern. Darüber hinaus sind wir die Schaltzentrale des Netzwerkes aus Herstellern, Wasserversorgungsunternehmen und Händlern. Die Flaschen werden zu 100% in den Niederlanden hergestellt und gelagert – wir arbeiten nur mit heimischen Unternehmen. Finanziell macht es keinen großen Unterschied, ob wir hier oder in Asien produzieren, aber da wir die Modelle hier entwerfen und häufig Logos einprägen lassen, wäre der Transport aus Asien zu aufwendig. Wir kooperieren außerdem mit regionalen Wasserversorgern, die Wasserstationen in Europa bauen und die wohltätigen Projekte in Afrika und Asien verwalten. Die Unternehmen arbeiten unentgeltlich für uns, arbeiten aber gleichzeitig an ihrem eigenen Image.

Welche Werbemöglichkeiten bieten Sie außerhalb der karitativen Projekte in Entwicklungsländern?

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Überzeugt in edler 3D-Optik: die Nairobi Bottle.

Geraldo Vallen: Ein Anwendungsbereich für unsere Produkte, der immer beliebter wird, sind Events wie Musikfestivals. In den Niederlanden gibt es immer mehr Festivals, die Wasser nicht mehr in Einwegflaschen verkaufen, sondern unser System nutzen. Wir verkaufen unsere selbstentwickelten, automatischen Wasserbars und spezielle Flaschen mit eingebautem RFID-Chip, auf dem die Anzahl der Befüllungen gespeichert ist. Festivalbesucher können Flaschen z.B. mit einer, drei, fünf oder unbegrenzten Befüllungen an den Bars kaufen – beim Nachfüllen wird automatisch der Chip gescannt und die Station erkennt, wie oft die Flasche bereits befüllt wurde. Wenn das erworbene Guthaben aufgebraucht ist, können Besucher einen neuen Chip kaufen und müssen keine weitere Flasche erwerben. Nach dem Event ist das gebrandete Modell zudem ein gern gesehenes Souvenir und wird nicht einfach auf dem Gelände entsorgt.

Meist werden die Flaschen bisher von Festivalveranstaltern gebrandet, aber zukünftig könnten sich auch Unternehmen z.B. im Bereich Automobil oder Telekommunikation mit ihrem Logo auf den Flaschen positionieren. Durch das Sponsoring könnte das Wasser für Besucher günstiger werden, und gleichzeitig sprechen Firmen eine interessante, designorientierte und dementsprechend schwer zu erreichende Zielgruppe an.

Und über den Eventbereich hinaus?

Geraldo Vallen: Für Wasserversorger sind auch die Bereiche Schulen und Vereine interessant: Entweder kaufen sie die Wasserstationen selbst bei uns, um sie an Schulen und Sportplätzen zu installieren, oder sie wenden sich z.B. an den örtlichen Fußballverein als Sponsor. Neben den Versorgern nutzen die sponsernden Unternehmen und Vereine die Gelegenheit, sich auf den Wasserstationen und den Flaschen mit Logo zu präsentieren. Ein Beispiel aus den Niederlanden sind die Cruyff Courts – über 100 öffentliche Fußballplätze, die mit den Wasserstationen ausgestattet sind. Diese Stationen werden von einer Lotterie gestiftet, die das Geld an die Cruyff Foundation spendet, und werden per Druck mit dem Logo der Lotterie versehen. Oft gehören auch Banken oder Versicherungen zu den Sponsoren, die Leute kommen z.B. mit einer ING Diba-Flasche, einem Modell von der Rabobank oder der Deutschen Bank vom Fußballspiel nach Hause. Für die Unternehmen ist das Sponsoring von Wasserstationen und Flaschen für Fußballvereine gleich doppelt positiv besetzt: Sie zeigen, dass sie den örtlichen Verein und den Jugendsport unterstützen und werden gleichzeitig mit Join the Pipe und den wohltätigen Projekten in Afrika und Asien in Verbindung gebracht. Die Vereine profitieren ebenfalls von den Wasserstationen, da weniger Plastikmüll in der Umgebung der Plätze anfällt.

Zudem werden uns bei den gesponserten Vereinen die Namen und Adressen der Spieler aus Entwicklungsländern übermittelt z.B. bei Spielern aus Ghana, Syrien oder Surinam. Jedes Mal, wenn der Fußballverein 250 Flaschen bestellt, bringen wir 250 Flaschen zum Heimatverein bzw. zum Dorf des Spielers. So bleiben auch wir direkt am Ball und können sicherstellen, dass die vom Verein gespendeten Flaschen da ankommen, wo sie benötigt werden. Die Spieler sind persönlich motiviert, und die Spender wissen, dass ihr Geld nicht an eine große, gesichtslose Organisation geht, sondern direkt Gutes tut und auf jeden Fall ankommt. Den Menschen zeigen und versichern zu können, dass die schwer benötigte Hilfe auch tatsächlich ankommt, ist entscheidend – Transparenz ist alles.

www.join-the-pipe.org

// Mit Geraldo Vallen sprach Claudia Pfeifer.

Bildquelle: Join the Pipe

 

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