Weltweit leiden Menschen an Hunger – und das, obwohl täglich große Mengen an Lebensmitteln weggeworfen werden. Unverschwendet gebietet der Ressourcenvergeudung mit Feinkost aus „gerettetem“ Obst und Gemüse Einhalt.

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Zu groß oder zu klein, zu krumm, zu dünn, zu rot, zu blass – es gibt viele Gründe, warum Obst und Gemüse den strengen Qualitätsvorgaben des Einzelhandels und der Gastronomie nicht genügen. Ist der Spargel nicht kerzengerade, der Apfel nicht kugelrund oder die Marille nicht völlig frei von Hageldellen, würde der ästhetisch anspruchsvolle Konsument nicht zugreifen, so der Tenor. Folglich sind die für B-Ware erzielbaren Preise so gering, dass es für den Landwirt wirtschaftlicher ist, wenn er die zu kleinen Kartoffeln und die zu krummen Gurken einfach entsorgt. Ein weiteres Problem: die schlechte Planbarkeit von Erträgen. Bestellt der Supermarkt 50 t, baut der Landwirt vorsichtshalber so viel an, dass er bei normal verlaufender Witterung 70 t ernten kann. Aber wohin mit den Überschüssen? Laut der WWF-Studie Das große Wegschmeißen landen pro Jahr allein in Deutschland über 18 Mio. t genusstauglicher Nahrungsmittel irgendwo entlang der Wertschöpfungskette oder beim Endverbraucher im Müll. Europaweit werden Schätzungen der EU-Kommission zufolge jährlich sogar 88 Mio. t Lebensmittel verschwendet. Das entspricht einer Menge von 173 kg pro Person. 20% der in der EU produzierten Lebensmittel gehen so „verloren“, obwohl sie unter hohem Arbeits- und Ressourcenaufwand angebaut und z.T. geerntet, transportiert, gekühlt oder sogar komplett verarbeitet wurden. Cornelia und Andreas Diesenreiter brachte das vor Wut derart zum Kochen, dass sie sich kurzerhand zum Einkochen entschlossen. Seither dämmt das Geschwisterpaar aus Wien mit Feinkost aus Obst und Gemüse, das im regulären Handel keine Chance hat, die Verluste lebensmitteltauglicher Produkte ein.

Nachhaltigkeit mit Genuss

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Haben eine kulinarische Lösung gegen Lebensmittelverschwendung gefunden: Cornelia und Andreas Diesenreiter

Mit ausschlaggebend für die Gründung des Start-ups Unverschwendet war ein Londoner Studienprojekt. Im Rahmen einer Restmüllanalyse ermittelte Cornelia Diesenreiter gemeinsam mit ihren Mitstudenten, dass in 1,4 t Abfall rund 400 kg entsorgte Lebensmittel stecken. Zurück in Wien, besann sich die Umwelt- und Bioressourcenmanagerin sowie gelernte Köchin auf die Zeit ihrer Großeltern, in der man große Mengen Obst und Gemüse im Sommer verarbeitete, um sie für den Winter haltbar zu machen. Gemeinsam mit ihrem Bruder begann sie, Landwirten frische, aber überschüssige oder für den Handel ungeeignete Ware abzunehmen. Andreas Diesenreiter: „Mittlerweile haben wir ein Netzwerk von rund 100 Betrieben im Großraum Wien aufgebaut. Viele Bauern sind froh, dass sie das Ergebnis ihrer harten Arbeit nicht entsorgen müssen.“ Eineinhalb Jahre nach Gründung wurde das Geschwisterpaar im Oktober 2017 am Schwendermarkt heimisch, wo in liebevoller Handarbeit an Eingekochtem und Eingelegtem, an Säften, Sirupen und Aufstrichen getüftelt wird. Während bei manchen Obst- und Gemüsesorten ausreichend Überschüsse garantiert sind, variiert bei anderen Sorten die Verfügbarkeit, und die Gründer agieren spontan, planen um und kalkulieren neu. 2018 laufend im Sortiment sind u.a. der beliebte Fruchtaufstrich Marille & Vanille, ein Holunderbeerensenf und ein Sirup mit Wassermelone und Pfeffer. Die durchgehende Verfügbarkeit von Spitzpaprika-Pesto, pikantem Ketchup oder dem exotischen Fruchtaufstrich Hokkaido & Tonic ist hingegen von den aktuellen Überschussmengen abhängig. 

Die ersten Früchte harter Arbeit

Das Start-up wächst schnell. „2016 haben wir 5.000 unserer 140 g-Gläschen verkauft, 2017 waren es bereits 30.000“, so Diesenreiter, dessen Team aktuell aus fünf Mitarbeitern besteht. „Wir möchten die Produktion kontinuierlich steigern, denn die Überschüsse sind enorm. Allein in den letzten Monaten haben wir im Großraum Wien über 1 Mio. kg Lebensmittel gerettet. Und dennoch müssen wir immer noch viele Anfragen ablehnen, da wir nicht genug Kapazitäten haben.“ Um weiter expandieren zu können und mehr Menschen vom Unverschwendet-Konzept zu überzeugen, kooperiert das Unternehmen mit anderen Firmen. Während die Rezeptentwicklung und ein Teil der Verarbeitung weiterhin am Schwendermarkt erfolgen, lagern die Geschwister die Produktion einiger Sorten aus. So entsteht z.B. in Zusammenarbeit mit der traditionsreichen Wiener Senfmanufaktur Ramsa-Wolf ein fruchtig-herber Apfel-Mohn-Senf; leckere Pesto-Variationen entstammen einer Partnerschaft mit Grossauer Edelkonserven. Die Zubereitung einiger Marmeladen und Chutneys hat ein Drei-Haubenkoch übernommen, der über eine eigene kleine Feinkostproduktion verfügt.

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Eingekocht statt weggeworfen – mit dieser nachhaltigen Botschaft warb der europäische Radiologenkongress in Wien. Besonders edel wirk

In den Genuss der kulinarischen Kreationen kommen aber nicht nur Besucher des Schwendermarktes und Kunden des Online-Shops, auch umworbene Zielgruppen auf Messen und Events, Empfänger von Weihnachtspräsenten oder Geschäftspartner und Mitarbeiter, denen man eine kleine Aufmerksamkeit machen möchte, können sich freuen. Unternehmen, die mit Produkten des Start-ups werben, demonstrieren Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln und machen sich für Ressourcen- und Klimaschutz stark. Hübsch designte 2er- und 4er-Präsentboxen liefert Unverschwendet ab zehn Stück. Wer auf einen individuellen Look setzt, erhält ab 50 Stück veredelte Deckeletiketten und ab 200 Stück CI-gerechte Bauchetiketten. Individuelle Inhalte sind ebenfalls möglich, die Entwicklung spezieller Rezepturen ist allerdings an längere Vorlaufzeiten und höhere Abnahmemengen geknüpft. Zudem stehen verschiedene Arrangements in Kartons, Kisten und Körben zur Auswahl. „L’Oreal nutzte gegenüber Vertriebspartnern den Fruchtaufstrich Weingartenpfirsich & Zitronenthymian, um auf eine neue natürliche Kosmetiklinie aufmerksam zu machen. Für den jährlich in Wien stattfindenden europäischen Radiologenkongress mit rund 20.000 Teilnehmern entwickelten wir eine Sonderedition mit 1.000 Gläschen in drei Designs“, zählt Diesenreiter, der einen Abschluss in MultiMediaArt mit den Schwerpunkten Design, Video und Fotografie hat, erste Umsetzungen auf. Auch die Gestaltung persönlicher Grußkarten und Flyer sowie der Versand der Präsente an die Zieladresse werden auf Wunsch übernommen. Das Füllmaterial, mit dem die Gläschen und Fläschchen beim Versand geschützt werden, besteht übrigens aus Papierrollenresten, die beim Druck der Wiener Tageszeitung Der Standard abfallen. Ein weiterer Beweis dafür, dass das Nachhaltigkeitskonzept des Start-ups alles andere als Standard ist. Unverschwendet regt ohne moralischen Zeigefinder, dafür aber mit cleveren Ideen und viel Genuss, zum Umdenken an.

// Jasmin Oberdorfer

www.unverschwendet.at

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