Ob geringe Streuverluste oder eine lange Nutzungsdauer: Gegenständliche Werbung hat gegenüber digitaler Werbung enorme Vorteile. Doch die beiden Marketingdisziplinen müssen einander nicht ausschließen: Werbetreibende, die sich von ihrer innovativen Seite zeigen wollen, können haptische Botschafter mit Augmented bzw. Virtual Reality-Technologie kombinieren.

wn380 digi slider - Analog trifft Digital: Virtueller Ausflug mit haptischem Anker

Fallschirmspringer der US-Navy üben im geschlossenen Raum, wie sie durch die Lüfte gleiten. Piloten simulieren am Boden die Flugzeugbedienung, und Schüler machen sich mit dem Smartphone bewaffnet in den Straßen auf die Jagd nach den Fantasiewesen Taubsi, Rattfratz, Zubat & Co. Keine Frage, auch wenn zumindest der Hype um die Pokémon-Figuren vorbei ist, die generelle Nutzung virtueller Technologie ist es in keinem Fall: Längst ist sie nicht mehr nur ein Phänomen der Gamerbranche, und Experten sagen ihr gesamtgesellschaftlich eine große Zukunft voraus: Der Digitalverband Bitkom und das Wirschaftsprüfungsunternehmen Deloitte z.B. prognostizierten schon 2016, dass z.B. VRTechnologien den Alltag in Zukunft so stark prägen werden wie heute das Smartphone.

In einer Zeit, in der über selbstfahrende Züge diskutiert wird, ist die weitere Ausbreitung der Digitalisierung Fakt. Das hat auch Auswirkungen auf das Marketing: Auch wenn digitale Werbung für viele Unternehmen mittlerweile eine wichtige Rolle spielt, die Vorteile, die haptische Botschafter mit sich bringen, können digital nicht aufgewogen werden. Wenn Digitales in der Erinnerung nämlich schon längst verpixelt ist, sind Werbeartikel z.B. noch immer greifbar. Sie vermögen außerdem, digitale Techniken spielerisch einzubinden und so einen Bogen zwischen Realem und Virtuellem zu spannen. Immer mehr werbende Unternehmen haben dieses Potenzial erkannt und überraschen ihre Zielgruppe damit, dass sie Virtual Reality (VR) bzw. Augmented Reality (AR) in ihre haptische Kommunikation integrieren. Bei VR deckt ein augennaher Bildschirm das gesamte Sichtfeld des Trägers ab. Die Ansicht im Display ist auf die Kopfbewegungen des Trägers abgestimmt, sodass er ganz in die virtuelle Welt eintaucht und sich dort scheinbar bewegen kann. Bei AR dagegen werden über einen Marker digitale Inhalte wie Videos, Bilder oder animierte Objekte in die reale Umgebung projiziert. 

Erhöhte Interaktion und Kontakttiefe

Olaf Hartmann, Geschäftsführer von Touchmore, bestätigt den Mehrwert, wenn gegenständliche Werbeträger mit digitalen Features ausgestattet werden: „Der Imageeffekt für die werbenden Unternehmen ist sehr hoch. Auf diese Weise können sie sich als innovativ präsentieren und zusätzliche Aufmerksamkeit generieren.“ Seit Kurzem bietet seine „Agentur für haptische Markenkommunikation“ deshalb die bekannte Endlosfaltkarte logoloop® auch mit einer eigenen AR-App an. Welchen Nutzen diese digitale Erweiterung hat, beschreibt Hartmann so: „Dank des raffinierten Faltmechanismus wirkt logoloop® ohnehin nicht bloß wie ein Prospekt, sondern wie ein Zaubertrick. Denn die flache Karte weckt beim Aufklappen, Umklappen und Weiterklappen immer wieder den Spieltrieb. Da mit logoloop® AR jetzt auch noch eine Slideshow, 3D-Produkte oder Videos zur Verfügung stehen, wird durch die zusätzliche Interaktion die Kontakttiefe noch weiter gesteigert.“

Umgesetzt wurde logoloop® AR u.a. zur Bewerbung des Porsche 911 in den USA. Während die Karte auf ihren verschiedenen Klappseiten unterschiedliche Abbildungen des Kultsportwagens zeigt, ermöglichen die AR-Inhalte zusätzlich einen emotionalen Zugang zu dem Fahrzeug. Notwendig ist nur die kostenlos herunterladbare App und ein mobiles Endgerät, mit dem die auf der Karte hinterlegten Marker gescannt werden, und schon kann der Empfänger im wahrsten Sinne des Wortes seine eigene Erfahrung machen: Ein Video, das auf dem Display des Smartphones bzw. Tablets erscheint, nimmt den Betrachter mit auf eine Autoreise entlang einer Küste, und eine Slideshow gibt u.a. Einblicke ins Cockpit – und das alles, ohne dass die Umgebung des Betrachters ausgeblendet wird. Laut Hartmann ist es gerade die Kombination aus Haptik und Digitalem, die den „Wow-Effekt“ ausmacht: „Die Karte als physischer Schlüssel ist wichtig, denn dadurch hat der Empfänger ein stärkeres Besitzgefühl. Diese Stärke der Haptik lässt sich via Augmented Reality mit der Magie der digitalen Welt verbinden“, so Hartmann.

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Da ist Interaktion gefragt: Bevor die Empfänger des Mailings von Burg Reichenstein auf virtuelle Besichtigung gehen konnten, mussten sie die VR-Brille zusammenbauen.

Bewusstseinserweiterung ohne Rausch

Dass sich der Trend zur Digitalisierung geschickt aufgreifen lässt, indem man einen haptischen Anker auswirft, hat auch die Privatbrauerei Gaffel im letzten Jahr unter Beweis gestellt: In Zusammenarbeit mit Rastal servierte sie den Besuchern des Kölner Brauhauses „Gaffel am Dom“ insgesamt 1.000 AR-Kölschstangen, die für eine Bewusstseinserweiterung ganz ohne Rausch sorgten. Wer das Signet auf dem Glas mit der entsprechenden App scannte, konnte auf seinem Smartphone einen Festival-Film über „Jeck im Sunnesching“, einer von Gaffel initiierten spätsommerlichen Open-Air-Karnevalsveranstaltung, sehen. Dabei verschmolz das Video virtuell mit dem realen Trinkglas. „‚Jeck im Sunnesching‘ ist eine Veranstaltung besonders für ein junges, digitalaffines Publikum. Wir haben für die Bewerbung nach einer Idee gesucht, mit der wir neue Medien und die Gastronomie miteinander verbinden können“, erzählt Sebastian Lenninghausen, Senior Produktmanager bei Gaffel. „Heute hat sowieso fast jeder das Handy ständig in der Hand. Das haben wir genutzt und mit unserer Marke verknüpft. Ein Film vermittelt Emotionen ganz anders als ein Text. Die Faszination der Veranstaltung wird dadurch sofort erlebbar“, so Lenninghausen.

Der Erfolg war enorm: Das Erklärvideo wurde im Aktionszeitraum 6.000 Mal angeklickt, während der „Jeck im Sunnesching“-Clip über das Glas mehr als 2.500 Mal abgerufen wurde. Der haptische Botschafter fand offenbar so viel Anklang bei den Gästen, dass sämtliche ARTrinkgläser mit nach Hause genommen wurden. Lenninghausen freut das: „Wenn wir es schaffen, in den Küchenvitrinen unserer Gäste zu landen, ist das toll. Das ist ein Beweis, dass die Marketingaktion gelungen ist.“ Auch die Zahlen zeigen dies: Über jedes Glas ist der Film durchschnittlich 2,5 Mal abgerufen worden – ein Zeichen für die hohe Reichweite des Werbeträgers. Für Hartmann ist diese Messbarkeit der Marketingmaßnahmen dank AR „eine Riesenchance für haptische Werbung. Denn das erste Mal gibt es so etwas wie eine Live-Messung, wie Werbeartikel genutzt werden.“

Emotionalisierte Kommunikation

Eine unmittelbare Reaktion ihrer Kunden erlebten dagegen die Versicherungsvertreter der Allianz Deutsche Lebensversicherungs AG (DLVAG): Zur Unterstützung im Kundengespräch war eine App entwickelt worden, mit der die individuellen Tarife für die Risikoabsicherung berechnet werden können. Um diese digitale Möglichkeit in der Gesprächssituation besser zu verankern, fungierte ein Notizbuch mit der Allianz Arena auf dem Cover als interaktives, haptisches Tool: Wer das Buch mit der Kamera des Smartphones scannt, startet damit auf seinem Display einen Film mit Zusatzinformationen zur Risikolebensversicherung, während die Umgebung des Buches unverändert bleibt. „Für die Kunden war das fast durchgehend ein Wow-Effekt, viele waren überrascht. Besonders Bayern-Fans reagierten emotional, wenn sie die Allianz Arena im Video sahen“, erzählt Christoph Lautenbach, verantwortlich für den Bereich Vertrieb und Marketing bei der Allianz. „Bei unseren Kunden bleibt durch diese Marketingmaßnahme vor allem hängen, dass wir innovativ sind“, sagt er. Um diesen Eindruck zu unterstreichen, sollen die für das AR-Feature hinterlegten Inhalte künftig aktualisiert werden. Anstelle des Films sollen dann Produktinnovationen vorgestellt werden. Darüber informieren können sich die Kunden auch von zu Hause aus, denn im Anschluss an das Gespräch und zur Erinnerung daran überreichten die Versicherungsvertreter ein ebenfalls mit dem Bild der Allianz Arena veredeltes iPad-Microfasertuch, mit dem sich das AR-Feature via App genauso starten lässt.

Dass Fußballfans offen für die Möglichkeiten der neuen Technologien sind, zeigt das Beispiel des 1. FC Köln, der seine Fankurve mit VR-Unterstützung über das Stadion hinaus verlängerte. Damit FCAnhänger ihren Spieleridolen ganz nahe kommen können und sich das „Erlebnis FC“ nicht nur auf dem Rasen abspielt, verschickten die Geißböcke zum 69. Geburtstag des Bundesligavereins im letzten Jahr an rund 2.000 ausgewählte, digital-affine FC-Fans ein Video inklusive VR-Brille zum Testen. Mithilfe der Brille im FC-Design konnten die Empfänger des Mailings Jonas Hector, Timo Horn & Co. virtuell in die Spielerkabine folgen und beim Torschusstraining auf dem Fußballplatz dabei sein – ganz so, als wären sie Teil der Mannschaft: Der 360-Grad-Winkel bewirkt, dass sich das Bild entsprechend der Kopfbewegung verändert. Das Mailing, das mit einem Aufruf zum Testen verbunden war, war ein Erfolg. 1.498 Personen öffneten es, davon füllten 431 den mitgelieferten Feedbackbogen aus, mit dem sie das haptische Gimmick kommentieren konnten. Die Reaktionen waren positiv: „Das war echt der Hammer, als wäre man live dabei gewesen!“ oder „Sehr gut. Besonders das Lattenschießen war beeindruckend.“ Aber auch konstruktive Kritik äußerten die Fans: „Natürlich ist das Bild noch nicht ganz scharf, aber sonst hat es mir sehr gut gefallen.“ FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle erklärt dazu: „Man muss schnell agieren, und man sollte seine Zielgruppe kennen. Der Fan, der das Ganze später nutzen will, sollte das Produkt mitgestalten.“ Angeboten wurde die VR-Brille im FC-Design später auch als Prämie für neue Mitglieder.

Virtueller Burgbesuch

Mit der Kombination aus haptischem Werbeartikel und Virtual Reality-Technologie hat sich auch Burg Reichenstein bei ihrer Zielgruppe ins Spiel gebracht. Die Burg nahe Bingen am Rhein ist eine exklusive Konferenz- und Tagungslocation mit Restaurant, Hotel und Museum. Um ihr Angebot besser zu verdeutlichen, öffnete die mittelalterliche Höhenburg für potenzielle Besucher kurzerhand ganz exklusiv ihre Tore: 300 ausgewählte Empfänger erhielten unter dem Motto „Wagen Sie einen Blick“ eine VR-Brille, in die die Benutzer ihr Smartphone mit dem entsprechenden You- Tube-Video einlegen und damit auf eigene Faust einen virtuellen Rundgang durch die historischen Gemäuer starten konnten. Dabei ermöglicht die 360-Grad-Perspektive einen umfassenden Einblick: Bewegt der Träger der VR-Brille seinen Kopf, schwenkt der Blick z.B. entweder über das Mittelrheintal, Richtung Ritterrüstung oder auf die moderne Tagungstechnik. Eine Woche nach Mailing-Versand konnten bereits 300 Views auf YouTube verzeichnet werden. Katrin Kleemann, Gastgeberin auf Burg Reichenstein, erläutert, warum sie sich für die Kombination aus Haptik und Digitalem entschieden hat: „Wir sind ein junges Team und sehr offen gegenüber neuesten Marketingcoups. Wir haben uns in die Rolle der Zielperson versetzt, und uns war direkt klar: Wenn wir so ein Mailing erhielten, dann würden wir uns umgehend für diese Location interessieren. Dass wir uns für die VR-Brille entschieden haben, liegt im wahrsten Sinne des Wortes auf der Hand: Sie ist aufmerksamkeitsstark, man hat etwas zum Anfassen und Zusammenbauen. Außerdem erhält der Gast einen wirklich umfassenden Eindruck von unserer Burg.“ Einen merklichen Buchungsanstieg habe man zwar noch nicht feststellen können, aber „erfahrungsgemäß dauert es einige Zeit, bis eine passende Veranstaltung ansteht. Ins Gespräch gebracht haben wir uns mit dem außergewöhnlichen Mailing in jedem Falle“, so Kleemann. 

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Messbare Zugriffszahlen mit Knalleffekt: Wer die Endlosfaltkarte von Touchmore mit der logoloop®-AR-App scannt, kann mittels Augmented Reality z.B. sein ganz persönliches Feuerwerk erleben.

Auch wenn AR und VR unter den digitalen Möglichkeiten eine Art Vorreiterrolle einnehmen (z.B. sagt das Marktforschungsunternehmen IDC bis zum Jahr 2022 einen weltweiten Absatz von VRund AR-Brillen in Höhe von 68,9 Mio. Stück voraus (für 2018 12,4 Mio.) –, erschöpft sind die digitalen Möglichkeiten damit nicht. Das hat z.B. ein Mailing der SHL AG, einem Unternehmen für automatisierte Oberflächenbearbeitung, gezeigt: Dem Einladungsschreiben zum Inhouse-Technologietag Mitte September 2018 lag das flache Hologrammkino HoloCine bei, das Kunden und Lieferanten mit wenigen Handgriffen zusammenbauen und über ihrem Smartphone aufstellen konnten. Aktivierten sie den angegebenen Link mit dem Unternehmensvideo, erschien zunächst das Logo des Technologietags als Hologramm. „Diese technische Spielerei passte sehr gut, um mehr Aufmerksamkeit für den Technologietag zu generieren. Unseren Kunden SHL hat überzeugt, dass sich die Empfänger des Mailings mit dem Hologrammkino beschäftigen und es beim Zusammenbauen in die Hand nehmen müssen“, sagt Loreine Acs von der betreuenden V-ART Agentur für Digital- und Printmedien. „Um Haptisches geht es schließlich auch bei dem Technologietag, nämlich um die perfekte Oberfläche. Mit dem Mailingverstärker konnten wir den technischen Aspekt herausstreichen, aber nur das Video ohne haptischen Anker hätte die Botschaft nicht so gut transportiert.“

Die Beispiele zeigen: Haptischer Werbung gelingt der Brückenschlag zwischen Virtuellem und Handfestem. Gegenständliche Werbung kann den digitalen Spielball nämlich aufnehmen und ihn perfekt verwandeln, ohne sich selbst abzuschaffen: In der Verhaltensökonomie spricht man von Endowment – der wahrgenommene Wert eines Gutes ist höher, sobald man dieses besitzt. Und hier hat gegenständliche Werbung eben alle Trümpfe in der Hand.

// Rebecca Klug

Fotos: Jens C. Friedrich, © WA Media (1); Burg Reichenstein (2); Shutterstock.com (2)

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