Nachhaltigkeit vs. Preisoptimierung. Automatisierung der Prozesse vs. Wunsch nach mehr Individualisierung. Schnelle Lieferungen vs. Qualitätskontrolle. Digitalisierung der Kommunikation vs. direkter persönlicher Kontakt. Mit vielen konträren Aufgabenstellungen sieht sich derzeit die europäische Werbeartikelbranche konfrontiert, und das alles in einem politisch hochbrisanten und fragilen Umfeld. Dennoch war 2018 für die Branche ein gutes Jahr, wie die Umfrage der WA Nachrichten unter den Lieferanten und Händlern in ganz Europa zeigt.

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Jahresrückblicke sind immer auch ein Anlass, derjenigen zu gedenken, die im Laufe des Jahres gestorben sind. 2018 trauerte die Weltöffentlichkeit über den Verlust solch einflussreicher Persönlichkeiten wie US-Senator John McCain, Microsoft-Gründer Paul Allen, Spider-Man-Schöpfer Stan Lee oder die Musik-Legenden Charles Aznavour und Montserrat Caballé. Zu den Menschen, die viele besonders schmerzlich vermissen werden, gehört auch Stephen Hawking. Der berühmte Wissenschaftler hat nicht nur das Denken über Physik und das Universum populär gemacht und mit seinem Auftreten in der Öffentlichkeit das Bild über behinderte Menschen maßgeblich beeinflusst, sondern auch viele geistreiche Sentenzen und Zitate hinterlassen. Sätze wie „Intelligenz ist die Fähigkeit, sich dem Wandel anzupassen“, „Wie schwer auch immer das Leben scheinen mag, so gibt es doch immer etwas, das ihr tun und worin ihr erfolgreich sein könnt. Es kommt darauf an, nicht aufzugeben“ oder „Versucht, den Dingen, die ihr seht, einen Sinn zu geben“ könnten auch Einzug in die Motivationsreden vieler Unternehmer erhalten und dienen der vorliegenden Marktanalyse als Strukturierungshilfen in Form von (Zwischen-)Überschriften.

„Es ist eine verrückte Welt da draußen”

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Weiterhin hoch im Kurs: Gadgets wie Ladekabel und Wireless-Charger.

Politisch erleben Deutschland und Europa derzeit alles andere als ruhige Zeiten. Zwar ist die Migrationswelle abgeebbt, aber das Thema beherrscht noch immer die öffentliche Agenda und offenbart die Gräben, die zwischen den verschiedenen Lagern bestehen. Europa steht vor der Zerreißprobe, auch 2018 war keine Entspannung in Sicht, im Gegenteil: Großbritannien lotet aus, wie die Beziehungen zur Europäischen Gemeinschaft nach dem Brexit sein könnten – ein Thema, dass das Land spaltet. Das hochverschuldete Italien streitet mit der EU über seine Haushaltsentwürfe. Die jahrelang als vorbildlich gepriesene Stabilität Deutschlands wird angesichts zahlreicher Streitigkeiten in der großen Koalition häufig als Lähmung empfunden – auch, was die Lobbyarbeit für die Branche in Berlin betrifft. „Die derzeitige politische Lage ist alles andere als geeignet, Reformen auch wirklich mit stabilen Mehrheiten durchzusetzen. Diskussionen und Kolloquien haben deutlich Zustimmung für unsere Belange gebracht, nur passiert, da die Koalition vorwiegend mit sich selbst beschäftigt ist, gerade wenig für uns“ (Ronald Eckert, Döbler).

Die Türkei kämpft mit der höchsten Inflationsrate seit 15 Jahren, in Spanien ist die Katalonien-Frage noch immer nicht ansatzweise gelöst. Hinzu kommen globale Konflikte, diplomatische Verwerfungen – man denke an die Fälle Skripal oder Khashoggi –, die Syrien-Krise oder die von US-Präsident Trump angezettelten Handelskriege. Angesichts dieser Gemengelage wäre es nicht verwunderlich, wenn auch die Weltwirtschaft Schaden nehmen würde – aber weit gefehlt: Das globale Wirtschaftswachstum ist unverändert stark und wird von der OECD (Organisation for Economic Corporation and Development) für 2018 auf 3,7% taxiert, in Europa auf 1,9%. In Deutschland rechnet die Bundesregierung mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 1,8%. Die Wirtschaft befindet sich in einem Dauerhoch, so wie in diesem Frühjahr und Sommer weite Teile Nord- und Mitteleuropas von einem meteorologischen Hoch beherrscht wurden. Weit und breit keine Eintrübung in Sicht. Dieser Jahrhundertsommer mit extrem langen Regenpausen war schon außergewöhnlich und führte u.a. dazu, dass im kühlen Norwegen während der Sommermonate die T-Shirts knapp wurden – das will was heißen. „Durch das Ausbleiben des Regens in diesem extremen Sommer haben wir gemerkt, dass die Abrufzahlen unserer Schirme in den Fullservice-Lagern unserer Kunden zurückgegangen und einige Nachfolgeaufträge ausgeblieben sind“ (Volker Griesel, Fare).

„Der Ausnahme-Sommer und der milde Herbst machen sich bemerkbar“ (Andre Bachmann, New Wave). Ein langer Sommer, dazu noch eine Fußball-WM mit sich daran anschließenden Sommerferien – für die Werbeartikelbranche ist eine solche Konstellation eher unglücklich, da viele Entscheider über einen langen Zeitraum nicht erreichbar waren. Doch der dreimonatige Sommerblues, den manch ein Marktplayer wahrgenommen hat, hatte offenbar keine gravierenden Auswirkungen auf die Jahresergebnisse. Quer durch Europa und auch in Deutschland schrieb die Branche gute Zahlen. „Die Umsätze haben sich positiv entwickelt, insbesondere durch den Zugewinn neuer großer Accounts“ (Klaus Ritzer, Verticas). „Zum 1. November sind wir im Vergleich zum Vorjahr um 34,9% gewachsen“ (Andre Noordwijk, BeGlobal). „Wir werden 2018 mit zweistelligem Wachstum abschließen“ (Tobias Bartenbach, Bartenbach Werbemittel).

GWW Meffert Lienenkämper Wolfersdorff Dangmann - Das Werbeartikeljahr 2018: „Die Fähigkeit, sich dem Wandel anzupassen”

Lobbyarbeit im NRW-Finanzministerium (v.l.): Daniel Meffert, S&P, NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper, Steuerberaterin Janine v. Wolfersdorff und der GWW-Vorsitzende Frank Dangmann.

„Ohne Arbeit ist das Leben leer“

Hohe Umsatzzuwächse sind in der Regel gern gesehen, aber auch nicht ganz unproblematisch. „Es ist ein harter Job, unser starkes Wachstum zu handeln, denn wir wollen unsere Beweglichkeit nicht einbüßen“ (Serge Birecki, Pixika). Wachstum fordert neue Strukturen, die oftmals zu Lasten der Flexibilität gehen. Hinzu kommt: Mehr Aufträge bedeuten mehr Arbeit, und jeder einzelne Auftrag macht bedeutend mehr Arbeit, als das früher der Fall war. „Druckaufträge werden immer kleiner, Lieferzeiten immer kürzer“ (Ricardo Palma, R3D). Umsatzwachstum ist daher nur durch Personalwachstum adäquat aufzufangen, doch der Arbeitsmarkt ist wie leergefegt – es ist nicht nur schwer, „gutes“ Personal zu bekommen, sondern überhaupt Personal. „Es wird immer schwieriger, geeignete Mitarbeiter für unsere Branche zu begeistern. Arbeitnehmer können sich inzwischen aussuchen, wo sie arbeiten möchten“ (Mario Siebig, Magna sweets). Gleichzeitig wachsen die administrativen Aufgaben vielen Unternehmern über den Kopf. Jüngstes Beispiel: Die Ende Mai in Kraft getretene DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) entpuppte sich als wahres Bürokratiemonster. „Die DSGVO hat eine große Arbeitslast für kleine und mittelständische Unternehmen gebracht. Schulungen und Kundeninformationen haben zusätzlich viel Zeit und Geld gekostet“ (Finn Gerlach, Freimann Werbung).

Noch etwas macht den Firmenchefs zu schaffen: die gestiegenen Ansprüche auf Seiten der Kunden hinsichtlich Qualität, Produktsicherheit und CSR. Werbeartikelanwender schauen genauer hin, welche Produkte sie einkaufen und für ihre Kunden einsetzen. Letztlich ist es der kritische Konsument, der nicht mehr nach dem Motto „einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“ agiert und hinterfragt, ob die Produkte, die er geschenkt bekommt, zum Unternehmensimage und zu seinen eigenen Werten passen. „Es wird vermehrt nach BSCI-zertifizierten Lieferanten gefragt. Soziale und ethische Standards bei der Produktion spielen für Kunden heute eine größere Rolle“ (Beat Suter, Eckert Werbeartikel). Um sich abzusichern, erstellen viele Anwender lange Anforderungskataloge. „Wir bringen mehr und mehr Zeit dafür auf, die Unbedenklichkeit unserer Produkte nachzuweisen und uns um Zertifikate und Siegel zu kümmern“ (Erik Jul Nielsen, Langhoff). Oft füllt die Dokumentation einzelner Aufträge ganze Ordner. Trotz des Mehraufwands ist das jedoch im Prinzip eine positive Entwicklung. Denn die Qualität und damit auch die Reputation haptischer Werbung sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. 

„Der Klimawandel ist eine der größten Gefahren, denen wir ausgesetzt sind“

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Im Zuge fortschreitender Plastik-Verbote profitieren Mehrweg-Artikel aus nachhaltigen Rohstoffen.

Zu den signifikantesten Trends gehört der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit. Aufgrund von Debatten um mehr Nachhaltigkeit wie der Feinstaub-Diskussion oder dem Gerangel um den Hambacher Forst war das Thema Umweltschutz auch 2018 in den Medien und dem öffentlichen Diskurs dauerpräsent, und die Nachfrage nach Produkten, die aus umweltfreundlichen Materialien und unter ressourcenschonenden und fairen Bedingungen produziert wurden, ist in allen Märkten spürbar. „Nahezu alle Trends waren direkt oder indirekt mit dem Thema Nachhaltigkeit verbunden. Der Werbeartikel von heute muss neben Design und Funktionalität auch immer mehr dem gesellschaftlichen Anspruch einer nachhaltigen und möglichst ökologischen Produktionskette entsprechen” (Marcus Sperber, elasto). „Es gibt eine Gegenbewegung gegen Plastikprodukte, die sich definitiv positiv auf unsere Geschäfte auswirkt“ (Evan Lewis, eco-promo). Die Sorge um die Zukunft des Planeten treibt VERBÄNDE immer mehr Menschen um und fordert ein Umdenken in den Produktionszyklen und Transportwegen. Allein: Die Umstellung auf tatsächlich nachhaltige Materialien und Herstellungsverfahren kostet viel Geld, die höheren Preise ist aber kaum jemand bereit zu zahlen. „Vor allem das Interesse an nachhaltigen Produkten steigt spürbar. Leider ist es nicht gleichbedeutend mit deutlich besseren Umsätzen, man könnte auch sagen ‚Ökologie rentiert nicht‘“ (Manfred Janek, KW open). „Nicht viele Unternehmen sind bereit, den Preis zu zahlen, den die nachhaltige Produktion mit sich bringt“ (Laura Chicco, Stilolinea). „Wir hoffen, dass sich das Preisgefüge mehr ausgleicht, wenn sich nachhaltige Produktionsmethoden weiter verbreiten” (Volkan Bars, Vog Tekstil). 

Die Hoffnung, das Verlangen nach nachhaltigen Werbeartikeln habe auch zu einer Entspannung bei den Preisverhandlungen geführt, hat sich bislang nicht erfüllt – im Gegenteil. Viele Marktteilnehmer berichten davon, dass die Margen immer mehr unter Druck geraten, die Preiskämpfe in ungeheurer Wucht toben. „Der Preiskampf nimmt z.T. irrwitzige Formen an und artet extrem aus“ (Steven Baumgärtner, cyber-Wear). „Es gibt eine ganze Anzahl großer Player mit riesigen Lagerbeständen, die Produkte zu nie zuvor dagewesenen Tiefpreisen anbieten. Das macht es für die mittelgroßen Unternehmen schwierig, sich im Markt zu positionieren“ (Emilio Estellés-Zanón, encender y excribir). Angesichts des Preisdrucks wird trotz steigender Nachfrage nach „Made in Europe“-Artikeln ein Großteil der in Europa verkauften Werbeartikel immer noch aus Fernost importiert. Hauptimportmarkt bleibt dabei weiterhin China, deren Lieferanten sich auch in Sachen Qualitätsbewusstsein nicht mehr hinter den europäischen Herstellern verstecken müssen. „Der weltweite Rohstoffmarkt und die damit einhergehenden Preise in Kombination mit sozialen Aspekten haben in China in den letzten Jahren zu einem Preisanstieg geführt“ (Michael Puchtler, InterPro Brands). Die Zeiten, da China vor allem für billig produzierte Artikel stand, sind lang vorbei. Branchen aus dem Niedriglohnsektor, deren Produkte mit viel Handarbeit hergestellt werden müssen, werden von der Regierung zunehmend weniger unterstützt – das Interesse gilt dem heimischen Markt, der Elektroniksparte und dem Hightech-Sektor. Der Einkauf aus China wird teurer. Die Löhne steigen, der Streit zwischen China und den USA wirkt sich zudem negativ aufs europäische Importbusiness aus. „Der Handelskrieg zwischen den USA und China beeinflusst die Rohstoffpreise und den Währungskurs“ (Birecki). „Die Entwicklung des Yuans gegenüber dem Dollar führt zu höheren Produktionskosten in China“ (Paul Keser, The China Office). Wer auf der Suche nach günstigen Einkaufsmöglichkeiten ist, nimmt verstärkt auch andere Importmärkte ins Auge – allerdings sind häufig die vorhandene Infrastruktur, die Zuverlässigkeit und auch die Anpassung an europäische (rechtliche) Standards Gründe, bis auf weiteres an den chinesischen Partnern festzuhalten. 

„Wenn man versteht, wie das Universum funktioniert, kontrolliert man es auf eine Art“

Da beim Einkauf derzeit wenig Gewinn zu machen ist, suchen Lieferanten und Händler nach weiteren Möglichkeiten, um Kosten zu verringern. Der Blick richtet sich verstärkt auf die internen Abläufe. Den eigenen Betrieb besser kennenzulernen, um die Prozesse besser zu verstehen und optimieren zu können, haben sich viele Geschäftsführer auf die Fahnen geschrieben und Change Management-Phasen eingeläutet: Es gilt, die Strukturen zu verschlanken, Redundanzen in den Abläufen zu vermeiden und die Fehlerzahl zu verringern. Chancen ergeben sich dabei durch die Digitalisierung. Viele Lieferanten bauen an ERP-Lösungen, die es ihnen ermöglichen, Bestellprozesse vom Auftragseingang bis zum Pick-up im Lager komplett digital abzuwickeln. Zumindest für neutrale Ware werden auch Online-Shops immer interessanter, die sich im Look & Feel an den Benchmarks der großen Online-Trader wie Amazon, Alibaba & Co. orientieren. „Sämtliche Informationen müssen zukünftig in digitalen Formaten bereitgestellt und alles zusammen auf Kunden- und Lieferantenseite integriert werden. Denn natürlich verlangen auch unsere Kunden nach den gleichen komfortablen Lösungen, die sie schon von ihren privaten Einkäufen gewohnt sind“ (Marcus Schulz, Giffits).

Viele Lieferanten berichten, dass der Anteil online verkaufter Ware in den letzten Jahren beträchtlich zugenommen hat, noch relativ selten betrifft das auch veredelte Ware, aber die Nachfrage danach steigt. Vorbild sind hier die Online-Druckereien, über die mittlerweile nicht nur klassische Printobjekte, sondern vielfach auch bedruckte Tassen, Powerbanks oder T-Shirts gekauft werden können und die mancher als echte Bedrohung wahrnimmt, während andere den Erfolg von Flyeralarm & Co. lediglich als symptomatisch für ein verändertes Einkaufsverhalten deuten. „Die reinen Online-Player treten lautlos, aber mit einem massiven finanziellen Background in unseren Markt ein und übernehmen langsam, aber sicher Marktanteile – mit Schleuderpreisen, hervorragendem Service, kaltblütigem Geschäftsgebaren und keinerlei Gefühl. Sie interessieren sich nicht für die Marktstrukturen und die traditionellen Akteure und verkaufen an jeden“ (Birecki). „Online boomt. Aber Disruption? Das Modewort verschleiert in meinen Augen den einzigen und recht banalen Grund für die wachsenden Erfolge der Online- Druckereien im Werbeartikelmarkt: Immer mehr Kunden wollen online kaufen“ (Jürgen Geiger, Geiger-Notes AG).

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Bewährtes Konzept: Die marke[ding] war in Zürich erneut erfolgreich …

Markeding Linz IMG 7094 - Das Werbeartikeljahr 2018: „Die Fähigkeit, sich dem Wandel anzupassen”

… und feierte im oberösterreichischen Linz eine bemerkenswerte Premiere.

„Die größten menschlichen Errungenschaften sind durch Kommunikation zustande gekommen“  

Der Online-Verkauf bietet Möglichkeiten, eine Klientel zu erreichen, die es gewohnt ist, Angebote im Internet zu vergleichen sowie Waren im Internet zu kaufen und am nächsten Tag zu Hause zu erhalten. Allerdings bedeutet eine zunehmende Verlagerung des Business ins Internet auch eine weitere Preistransparenz und auf Dauer weitere Einbußen bei der ohnehin schon auf Niedrigniveau befindlichen Gewinnspanne. Es deutet sich eine Zweiteilung an: Kurzfristig verfügbare Standardartikel mit einfachen Aufdrucken werden in Zukunft verstärkt online bestellt werden, für individuelle Aufträge wird es aber weiterhin die persönliche Beratung vor Ort und am Telefon brauchen. „Für mich steht der persönliche Kontakt an erster Stelle. Ich führe lieber Gespräche, in denen ich Menschen mit meiner Begeisterung inspirieren kann“ (Kathrin Schneider, The five elements). Das Berufsbild des klassischen Werbeartikelberaters hat daher noch lange nicht ausgedient, denn der Markt verlangt offenbar nach immer mehr Individualität. „Eine typische Anfrage ist verbunden mit Adjektiven wie ‚individuell‘, ‚maßgeschneidert‘, ‚originell‘ oder ‚einzigartig‘“ (Olaf Dabrowski, Goldenberry). Solche Anforderungen lassen sich nur schwerlich in Form von Algorithmen abbilden. Auch die Tendenz, den Kontakt zum Kunden auf standardisierte Chats im Internet zu verlagern, ist wenig hilfreich. Für individuelle Lösungen braucht es persönliche Gespräche zwischen allen Beteiligten: Auftraggeber, Händler und Lieferant.

Wie einige Branchenplayer bemängeln, lassen jedoch gerade diese im Zuge der Digitalisierung nach. „Die Tendenz, die für uns außerordentlich wichtige Beratungsleistung der Zulieferer auf Informationsangebote im Internet zu verlagern, hat dramatisch zugenommen. Darüber hinaus wird die Bitte um eine persönliche Kontaktaufnahme zunehmend erst einmal abgelehnt. Dabei ist eine hochwertige Beratungsqualität innerhalb der gesamten Lieferkette ein wesentlicher Bestandteil konstruktiver Zusammenarbeit“ (Holger Kapanski, DIE6). Mehr miteinander geredet wird dafür im noch jungen Einheitsverband GWW, der in diesem Jahr einige neue Mitglieder verbuchen konnte, und der offenbar inzwischen verstärkt als gemeinsame Interessensplattform akzeptiert und angenommen wird. „Die emotionalen Wogen, die noch zur Jahreshauptversammlung am Jahresanfang hochschlugen, sind einem ausgesprochen positiven GWW-Spirit gewichen. Das macht die Arbeit für Vorstand, Beirat und Geschäftsstelle angenehmer, vor allem aber für den GWW und seine Mitglieder ergiebiger. Schließlich ist es vorrangige Verbandsaufgabe, den Werbeartikel im Wettbewerb mit den anderen Werbeformen zu stärken“ (Geiger). 

„Schaut in die Sterne, nicht auf eure Füße”

In Zeiten der ersten Ermüdungserscheinungen mit den Tücken der Digitalisierung gewinnen analoge und sinnlich erfahrbare Medien an Bedeutung, erst recht im übersättigten Werbemarkt. Es sind die individuellen Kreationen, die die Glanzlichter setzen und die Stärken haptischer Werbung – große Reichweite bei geringen Streuverlusten, starke Kundenbindung, hohe Recall-Werte, Bestnoten als Sympathieträger und Imagebooster – besonders unterstreichen. Das bietet der Branche außerordentliche Chancen, wenn es gelingt, haptische Werbung stärker als Marketingtool zu positionieren. Auch Werbeartikellieferanten und -händler sollten sich nicht in erster Linie als Produktbeschaffer verstehen, sondern als Mitwirkende im Werbezirkus. „Die gesamte Branche, Zulieferer und Händler, konkurriert jedoch um operative Exzellenz – einfacher, billiger, schneller –, als ob wir auf einem Rohstoffmarkt wären. Stattdessen müssen wir eine neue Denkweise etablieren: Wir sind Teil der Werbebranche. Unser Business besteht darin, Werbeeffekte und Promotion-Erfolge zu erzielen. Werbetreibende müssen dazu gebracht werden, bei der Verteilung ihrer Marketingbudgets ernsthaft über haptische Werbung nachzudenken” (Wolf Creemers, Giving Europe). Teilweise gelingt das bereits besser als vor einigen Jahren: „Haptische Werbung findet in den Marketing- und Kommunikationsabteilungen immer mehr Beachtung, weil sie berührt und die Sinne weckt“ (Marcel Spiess, Cadolino®). Aber es bleibt viel zu tun: „Es ist wichtig, dass das Potenzial haptischer Werbung potenziellen Kunden nähergebracht wird, denn nur steter Tropfen höhlt den Stein“ (Spiess).

Gattungsmarketing für den Werbeartikel zu betreiben bleibt eine der vordringlichsten Aufgaben der Branche. Ob die seit 2017 vollzogene Öffnung der PSI in Düsseldorf am letzten Messetag für eingeladene Industriekunden dafür eine sinnvolle Maßnahme darstellt, darüber scheiden sich die Geister. „Viele Industriekunden waren mit der angebotenen Vielfalt auf der Messe überfordert. Daher ist der dritte Tag für uns, auch aufgrund der Besucherzahlen, ein entbehrlicher“ (Martin Würflingsdobler, doppler). Ebenso uneinheitlich ist das Meinungsbild bzgl. des Zusammenschlusses der PSIMesse mit der Viscom und der neuen Promotex Expo, der erstmals im Januar 2019 gemeinsam in Düsseldorf über die Bühne gehen wird. „Die Schaffung einer speziellen Halle für Textilien halte ich für absolut nicht förderlich“ (Kirsten Dreyer, Aber textil + design). „Die Integration der Promo-Tex ist aus unserer Sicht positiv“ (Peter Leseberg, Halfar). Viele Händler fürchten eine weitere Verwässerung der europäischen Leitmesse für Werbeartikel, andere sehen darin große Chancen: „Die ‚Verwässerung‘ einer Leitmesse halte ich nicht für zukunftsfähig – viele unserer Gesellschafter sind aus diesem Grund aus der PSI ausgetreten“ (Kapanski). „Die Grenzen zwischen qualifizierten Werbeartikelhändlern und Trittbrettfahrern werden weiter aufgeweicht” (Gerlach). „Der neue Messeverbund ist eine positive Entwicklung für die PSI-Messe, aber auch für die gesamte Branche“ (Baumgärtner). 

PSF Promoswiss Newsweek 2018 19 - Das Werbeartikeljahr 2018: „Die Fähigkeit, sich dem Wandel anzupassen”

Erstmals fand in Kooperation mit dem Promoswiss in Spreitenbach die Newsweek Schweiz statt …

Newsweek 2018 21 - Das Werbeartikeljahr 2018: „Die Fähigkeit, sich dem Wandel anzupassen”

… zuvor tourte die Roadshow sehr erfolgreich durch Deutschland.

„Die Zukunft ist unvorhersehbar“

Die Neuausrichtung der PSI bleibt ein Experiment, dessen Resultate man erst wird abwarten müssen, bevor man ein Urteil fällen kann. „Die Zukunft ist unvorhersehbar“, konstatierte Stephen Hawking, sie steht halt nicht mal in den von ihm so gründlich erforschten Sternen. Was 2019 ansonsten bringen wird, wissen wir daher nicht. Viele befürchten, dass sich die Wirtschaft irgendwann auch einmal abschwächen könnte: „Es geht der Wirtschaft gut, aber ich habe das Gefühl, dass die positive Wirtschaftslage fragil und gefühlsgetrieben ist. Ich möchte nicht pessimistisch klingen, aber irgendwann gibt es wieder eine Krise, denn in der Wirtschaft hat sich seit 2008 nicht wirklich etwas geändert“ (Noordwijk). In Deutschland geht das Tauziehen innerhalb der Großen Koalition und der einzelnen Parteien weiter, auf europäischer Ebene wird viel davon abhängen, wie sich der Ausstieg Großbritanniens aus der EU denn nun gestaltet – unsicher ist die wirtschaftliche und politische Lage bereits jetzt, siehe die jüngsten Eskalationen der „Gelbwesten“-Proteste in Paris. Und doch: Die Stimmung ist gut, derzeit hat die Branche wenig Anlass zu übertriebenem Pessimismus. Gelingt es ihr, die Herausforderungen, die in Themenfeldern wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung liegen, zu bewältigen und sich wie in der Vergangenheit dem Wandel anzupassen, so ist das nicht nur ein Zeichen von Intelligenz, sondern auch die Basis für den künftigen Erfolg.

// Mischa Delbrouck
// Till Barth 

Bildquelle: Archiv WA Media, © WA Media GmbH

 

 

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