Elektronische Produkte sind in vielen Situationen unentbehrlich und erleben einen anhaltenden Boom als haptische Werbeträger. Bis ein Produkt angeschaltet werden darf, sind jedoch umfangreiche Checks fällig – denn dort, wo Strom fließen soll, ist die Gesetzgebung streng.

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Sie sind überall: elektronische Geräte von Smartphones, Computern und Fernsehern über Mikrowellen, Wasserkocher und Toaster bis hin zu Haarfönen, Lampen und Staubsaugern. Bei so viel Alltäglichkeit vergisst man nicht nur allzu schnell, dass viele Geräte wahre Wunder der Ingenieurskunst sind, sondern auch, dass dort, wo elektrische Spannung herrscht, auch Gefahren lauern können. Wer denkt schon daran, dass er mit seiner Powerbank einen Energiespeicher mit sich herumträgt, dessen Lithium-Ionen-Akku unter ungünstigen Bedingungen in Flammen aufgehen kann? Wer nimmt einen genüsslichen Zug aus seinem Vaporizer und rechnet damit, dass der Nikotin-Verdampfer explodiert? Wer schaltet seine Bohrmaschine ein und hat Angst vor lebensgefährlichen Stromstößen? Nun hat diese Sorglosigkeit in den meisten Fällen ihre Berechtigung: „Die Gesetzgebung der Europäischen Union ist streng und garantiert dort, wo sie eingehalten wird, ein hohes Sicherheitsniveau“, meint Artur Smolarek, Produkt- und Qualitätsmanager beim Elektronikspezialisten Zogi. „Man kann davon ausgehen, dass die großen Consumermarken die geltenden Gesetze und Richtlinien gewissenhaft einhalten. Das Gleiche gilt für die Qualitätsanbieter im Werbeartikelmarkt. Es gibt jedoch immer wieder schwarze Schafe, v.a. im Online-Handel, die es mit Produktsicherheit und -kennzeichnung nicht allzu genau nehmen.“ Lorne Spranz, Geschäftsführer von Spranz, ergänzt: „Die Rechtslage ist – inklusive aller Konsequenzen – eindeutig geregelt, wird aber von verschiedenen Marktteilnehmern unterschiedlich ausgelegt und regional durch Marktaufsicht und Zoll unterschiedlich streng nachgehalten. Insbesondere beim Import in die EU ist es daher zwingend notwendig, sich zu 100% zu versichern, das alle Regularien tatsächlich eingehalten werden.“ 

Wer als Importeur sicherstellen will, dass die von ihm verkauften Produkte den in der Europäischen Union gültigen Gesetzen und Richtlinien Genüge tun und damit zurecht das CE-Zeichen tragen, muss ein sogenanntes Konformitätsbewertungsverfahren durchführen, und zwar z.T. bereits dort, wo produziert wird. „Natürlich wollen wir, bevor unsere Produkte verschifft werden, sichergehen, dass sie allen Anforderungen entsprechen“, so Smolarek. „Deshalb verfügen wir in Fernost über einen Qualitätsmanager, der in Zusammenarbeit mit Bureau Veritas darüber wacht, dass alle relevanten Vorgaben eingehalten werden. In Deutschland erfolgt dann noch einmal eine Nachprüfung durch unsere Qualitätssicherung, wobei wir uns hierbei auf die einfacheren technischen Tests beschränken, um direkt nach Wareneingang lieferfähig zu sein. Komplexere Untersuchungen lassen wir, wenn nötig, durch Hermes Hansecontrol und den TÜV Süd durchführen.“ Spranz verfolgt eine ähnliche Strategie, wie Verkaufsleiter Kevin Frantz erklärt: „Wir testen alle Produkte ausnahmslos nach den notwenigen Richtlinien direkt vor Ort durch renommierte Testinstitute, verifizieren diese Test aber auch noch einmal durch deutsche Prüfinstitute und arbeiten mit der Dekra, dem TÜV, SGS und Bureau Veritas zusammen. Bei vielen Produkten und Produktgruppen testen wir spezifische Problembereiche bei jeder einzelnen Verschiffung, was leider mitunter auch zu Verspätungen führen kann, wenn die Grenzwerte überschritten wurden und eine Nachproduktion notwendig ist.“

Umfangreiche Tests

Für Inverkehrbringer elektronischer Artikel ist gleich eine ganze Handvoll verschiedener Regelwerke relevant: Für alle elektronischen Produkte gilt die Direktive RoHS (Restriction of Hazardous Substances), die der Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe dient, darunter Blei, Quecksilber, Chrom, Cadmium und eine Vielzahl weiterer Substanzen. „Die RoHS-Richtlinie benennt rund 170 Gefahrenstoffe, die für uns relevant sind“, erklärt Smolarek. Die physikalisch-chemischen Prüfverfahren, mit denen die Konzentration bestimmter bedenklicher Stoffe in elektrotechnischen Produkten festgestellt werden kann, stellt die Internationale Normenreihe IEC 62321 (in Deutschland harmonisiert als DIN EN 62321) auf einer weltweit einheitlichen Grundlage zur Verfügung. Verpflichtend für „elektrische Betriebsmittel zur Verwendung bei einer Nennspannung zwischen 50 und 1000 V für Wechselstrom und zwischen 75 und 1500 V für Gleichstrom“ ist die Niederspannungsrichtlinie (oder LVD = Low Voltage Directive) 2014/35 EU, die durch die Verordnung über elektrische Betriebsmittel als Teil des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) in deutsches Recht übersetzt wurde. Diese schreibt u.a. vor, dass elektronische Produkte so beschaffen sein müssen, dass sie ordnungsgemäß angeschlossen werden können sowie bestimmten Belastungen standhalten, angemessen isoliert und vor Überlastungen geschützt sein müssen. Zudem dürfen „keine Temperaturen, Lichtbogen oder Strahlungen entstehen, aus denen sich Gefahren ergeben können“, und Menschen, Haus- und Nutztiere müssen angemessen vor Gefahren durch Berührung geschützt werden.

Umfangreiche Prüfungen sind zudem zur Sicherstellung der elektromagnetischen Verträglichkeit erforderlich: Fast jedes elektrische oder elektronische Gerät erzeugt elektromagnetische Felder und sendet bzw. empfängt elektromagnetische Signale. Dabei können die Geräte u.U. ein Sicherheitsrisiko darstellen, etwa wenn sie sich auf die Bord-Elektronik von Fahrzeugen oder medizinische Produkte wie Herzschrittmacher auswirken. Um derlei Risiken auszuschließen, stellt die EU gesetzliche Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit durch die EMV-Richtlinie 2014/30/EU. „Bei EMV-Prüfungen werden die Produkte in definierten Umgebungen – darunter sogenannte Absorber- und Modenverwirbelungskammern – verschiedenen Simulationen und Messungen unterzogen“, so Smolarek. Radios sowie Geräte, die über eine Bluetooth- oder Wireless-Funktion verfügen, unterliegen zusätzlich der RED (Radio Equipment Directive) 2014/53/EU. Hier sind ein eigenes Konformitätsbewertungsverfahren sowie ggf. eigene Tests erforderlich. 

„Besondere Maßnahmen schließlich muss jeder treffen, der Geräte mit Lithium-Ionen-Akkus – in der Branche sind das v.a. Powerbanks – importieren und weiterverkaufen will“, so Smolarek weiter. „Hierfür muss der UN Transport-Test UN/DOT 38.3 vorliegen.“ Dieser beinhaltet insgesamt acht Einzeltests: Höhensimulation, thermische Prüfung, Vibration, Schlag, äußerer Kurzschluss, Aufprall-/Quetschtest, Überladung und erzwungene Entladung. „Gute Powerbanks sind mit einem Unterund einem Überladungsschutz sowie einer Überspannungssicherung ausgestattet“, erklärt Smolarek. „Der Unterladungsschutz verhindert die vollständige Entladung des Akkus, der Überladungsschutz garantiert, dass nicht mehr Energie in den Akku geleitet wird, als dieser speichern kann, und die Überspannungssicherung sorgt für gleichbleibende Ausgangspannung, damit das angeschlossene Gerät konstant mit Strom versorgt wird und keinen Schaden nimmt.“ Wer die Konformität seiner Produkte einmal sichergestellt hat, kann sich nicht unbegrenzt auf das Testergebnis verlassen, sondern muss kontinuierlich am Ball bleiben. „Produktsicherheit ist ein andauernder Prozess“, so Smolarek. „Wir checken die gesetzlichen Vorgaben regelmäßig auf Weiterentwicklungen und Gesetzesänderungen und geben diese an Prüfgesellschaften und Fabriken weiter. Wenn wir ein neues Produkt einführen, prüfen wir es vorher auf Herz und Nieren, jede neue Charge wird untersucht, und auch bei Auffälligkeiten testen wir nach.“ Frantz bestätigt: „Der Aufwand ist extrem hoch, sowohl finanziell als auch personell und sowohl vor Ort als auch im Backoffice, denn Richtlinien und Normen unterliegen ständigen Verschärfungen und Modifikationen.“

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Brennende Akkus, Gefahr für Leib und Leben: Unsichere oder mangelhaft getestete Elektronikprodukte können schwerwiegende Folgen haben.

Dokumentation ist alles

Ist das Konformitätsbewertungsverfahren abgeschlossen und hat ein Produkt sämtliche erforderliche Testprozeduren durchlaufen, ist eine EU-Konformitätserklärung zu erstellen, die den Namen und eine Beschreibung des Produkts sowie den Namen und die Anschrift des Inverkehrbringers enthält und die Konformität mit den jeweils relevanten Rechtsvorschriften belegt. Dabei müssen auch die für die jeweiligen Testverfahren geltenden Normen aufgeführt werden. „Neben der Konformitätserklärung müssen zu jedem Produkt technische Unterlagen bzw. eine Gebrauchsanweisung erstellt werden“, so Smolarek. „Beide Dokumente sind an den nächsten Akteur in der Lieferkette – das ist in unserem Fall der Werbeartikelhandel – weiterzugeben. Wir hinterlegen technische Unterlagen, Konformitätserklärungen und Zertifikate außerdem auf unserer Homepage, wo sie jederzeit eingesehen werden können.“ Sowohl Konformitätserklärung als auch technische Unterlagen müssen ab dem Inverkehrbringen zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Ebenso wichtig wie die korrekte Dokumentation ist die anschließende Kennzeichnung des Produkts: „Schon das Angebot von nicht verkehrsfähigen Artikeln stellt einen Verstoß gegen die geltende Rechtsprechung dar. Das CE-Zeichen ist deutlich erkennbar und fest auf dem Produkt anzubringen. Nur, wenn dies technisch nicht möglich ist, darf das Zeichen aufgeklebt oder dem Produkt beigelegt werden“, so Spranz. „Ebenfalls unerlässlich sind die Identifikationskennzeichnung in Form von Marke, Modell und/oder Typ direkt auf dem Produkt sowie die Herstellerkennzeichnung mit Namen und postalischer Anschrift des Inverkehrbringers – und nicht Postfach, Webseite oder nur Marke, wie es häufig praktiziert wird, aber nicht verkehrsfähig ist und durch die Marktaufsicht jederzeit beanstandet werden kann.“

Smolarek rät sowohl Wiederverkäufern als auch den nachgeschalteten Anwendern, beim Einkauf wachsam zu sein und genau hinzuschauen, ob die gesetzlichen Vorgaben eingehalten und vorschriftsmäßig dokumentiert wurden: „Natürlich ist der Preis ein wichtiges Kriterium – zu billig ist immer verdächtig –, aber man sollte auch prüfen, ob eine Konformitätserklärung einsehbar ist und ob Zertifikate oder Belege für Qualitätssicherung vorliegen.“ „Die Folgen“, ergänzt Spranz, „können dramatisch sein – von Bescheiden über Nichtkonformität der Ware und deren zwangsweiser Wiederausfuhr oder Vernichtung bis hin zu persönlicher Strafverfolgung bei Sach- und insbesondere Personenschäden. Wer als Händler selbst importiert, stellt den Inverkehrbringer mit allen Verantwortlichkeiten dar. Selbst bei Importen aus dem europäischen Ausland und Inverkehrbringer-Kennzeichnung des europäischen Lieferanten mit dessen ausländischer Adresse ist der Händler gegenüber den deutschen Behörden straf- und zivilrechtlich voll verantwortlich und muss im Ernstfall den beschwerlichen Weg über das internationale Recht gehen, um sich mit dem europäischen Importeur zivilrechtlich zu einigen bzw. diesen belangen zu können.“ Konsequenzen, die niemand erleben möchte. Denn schließlich sollen Bluetooth-Speaker, Powerbank, Taschenlampe und Co. vor allem Spaß machen, das Alltagsleben erleichtern und wirkungsvoll Werbebotschaften verbreiten.

// Till Barth 

Bildquelle: Shutterstock

 

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