CSR, Compliance, Zertifikate – schön und gut. Aber wer kontrolliert das eigentlich alles? Bei der Absicherung globaler Lieferketten spielen Audits eine tragende Rolle. Ein Blick auf die Funktion der Konformitätsprüfungen und die Arbeitsweise der Auditspezialisten, die heute einen globalen Industriezweig bilden.

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„Woher stammt mein Produkt, und wie wurde es hergestellt?“ Diese Frage stellen sich in unserer globalisierten Welt Konsumenten wie professionelle Einkäufer. Während sich jedoch Verbraucher fragen, ob dort überhaupt mal jemand nachsieht, ist man im B2B-Segment meist besser informiert. Procurement-Abteilungen und Kaufleute wollen ihre Lieferkette möglichst genau kennen und wissen, dass viele der Fabriken durchaus Besuch bekommen – und zwar häufig so regelmäßig, dass sie nicht selten in ihrem Tagesgeschäft aufgehalten werden, weil mal wieder ein Audit ansteht. Für jeden, der global als Beschaffer tätig ist, sind die Prüfprozeduren Pflicht und gehören zum Alltagsgeschäft – das gilt für Retailmarken ebenso wie für Großhändler und Importeure. „Audits sind für uns sehr wichtig – im Zuge der Erfüllung von EUGesetzen und Kundenanforderungen sowie mit Blick auf die Produktionsbedingungen in Drittländern“, so Bernd Brunssen, Leiter der Abteilung Qualitätssicherung beim norddeutschen Unternehmen Carstensen Import-Export. „Z.T. werden Audits von Kunden beauftragt – sogenannte Second Party-Audits – und von akkreditierten Prüfhäusern durchgeführt. Teilweise sind auch die Lieferanten selbst die Auftraggeber. Wir als Importeur führen Factory Audits – First Party-Audits – sowie Pre-Shipment-Inspektionen über unser Büroteam in Shanghai durch. Einige Kunden im Discountbereich fordern zudem ein Qualitätsaudit für jede Produktion – in diesem Fall spricht man von Third Party-Audits.“

Annika Beyersdorff, beim Schirmspezialisten Fare zuständig für Qualitätsmanagement, Sozialanforderungen und Datenschutz, bestätigt: „Audits in unseren Produktionsstätten spielen eine tragende Rolle in unserem Supply-Chain-Management. Bei einem potenziellen neuen Produzenten führen wir mit unserer Quality Control-Abteilung in China zunächst ein eigenes ‚Fare-Audit‘ durch. Dabei klären wir grundsätzliche Rahmenbedingungen und finden heraus, ob dieser Produzent überhaupt für uns in Frage kommt. Falls ja, folgt ein ‚offizielles‘ Audit durch ein anerkanntes Prüfinstitut. Das gilt grundsätzlich für alle Fabriken, mit denen wir zusammenarbeiten.“ Weil ein Fabrikant i.d.R. für eine Vielzahl von Unternehmen produziert, kommen so schnell Dutzende Besuche im Monat zusammen – und jedes Mal werden sehr ähnliche Punkte abgefragt, aber z.T. unterschiedliche Standards verlangt. Das ist gut für die Unternehmen, die sich auf Konformitätsbewertungsprozesse spezialisiert haben, nicht umsonst existiert rund um das Auditwesen eine milliardenschwere globale Industrie. Aufseiten der Produzenten hingegen ist eine regelrechte „Audit Fatigue“ entstanden.

Synergien schaffen

Die Einführung eines gemeinsamen, harmonisierten Prüfverfahrens und die Eindämmung der unzähligen Audits waren die Motivation zur Gründung der BSCI (Business Social Compliance Initiative) im Jahr 2003. Heute hat die von der Organisation amfori (ehemals Foreign Trade Association) gesteuerte BSCI rund 2.300 Mitglieder, in der Datenbank der Initiative sind mehr als 60.000 Produzenten gelistet. „Im Schnitt kommen fünf amfori-Mitglieder auf einen Non Food-Produzenten – es reicht also, ein Audit auszuführen, um die Anforderungen von fünf Unternehmen zu decken, das führt zu enormen Einsparungen“, rechnet Lorenz Berzau, Network Representative Germany bei amfori, vor. Das amfori BSCI-Audit wird nach festgelegten Richtlinien durchgeführt, die sich an den Konventionen der ILO (International Labour Organisation) orientieren, seine Bedeutung als zentrales Messinstrument für die Steuerung von Lieferketten und die Bewertung von Produktionsstandorten bleibt unbestritten. „Auch für amfori BSCI, das sich ausdrücklich nicht als Zertifizierungs-, sondern als Verbesserungssystem versteht, sind Audits ein Dreh- und Angelpunkt und dienen neben der Bestandsaufnahme und Messung insbesondere dem Dialog“, so Berzau. „Unser Ziel ist es, Prozesse anzustoßen, die Arbeitsbedingungen langfristig und dauerhaft verbessern. In diesem Sinne sind Audits eines von mehreren Werkzeugen in einem Werkzeugkasten.“

„Beim Audit selbst werden keine Änderungen vorgenommen. Wenn der Standort jedoch die aufgezeigten Problemstellungen weiterverfolgt, kann dies zu erheblichen Verbesserungen führen und dazu, dass die gesetzlichen Mindeststandards nicht nur erreicht, sondern übertroffen werden“, erklärt Bernd Rosing, Geschäftsführer Sales, Key Account Management & Marketing bei Bureau Veritas Consumer Products Services Germany. Mit rund 69.000 Mitarbeitern – rund 12.000 davon im Bereich Consumer Products Services – und 1.400 Büros weltweit gehört Bureau Veritas zu den global führenden Konformitätsbewertungsdiensten in den Bereichen Qualität, Gesundheit, Sicherheit, Umwelt und soziale Verantwortung – und zu den amfori-Partnerunternehmen, die das BSCI-Audit durchführen. Sowohl Carstensen als auch Fare setzen auf amfori BSCI, „ein federführender und weithin anerkannter und akzeptierter Standard“, so Beyersdorff. „Alle unsere Produktionsstätten verfügen über ein BSCI-Audit, und unsere Mitgliedschaft in der BSCI ist von zentraler Bedeutung, wenn es darum geht, unsere Lieferketten abzusichern und die Zusammenarbeit mit unseren Produzenten zu gestalten.“

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Gebäudesicherheit, Arbeitsschutz, Beleuchtung, Sauberkeit und Arbeitsbedingungen sind relevante Faktoren bei der Auditierung von Produktionsstätten.

Angestoßen werden die BSCI-Audits sowie die darauffolgenden Prozesse über eine zentrale, von amfori unterhaltene ITPlattform. „Über diese werden sämtliche Auditabläufe und Daten gesteuert und dokumentiert“, erklärt Berzau. „Die Mitglieder können neue Produzenten hinzufügen, und sowohl Mitglieder als auch die Produzenten selbst können Informationen hinterlegen und laufend aktualisieren. Auf diese Weise können wir alle Akteure miteinander vernetzen und Lieferketten für unsere Mitglieder transparent abbilden. Wer ein Audit durchführen möchte, meldet es über die Plattform an und bekommt von uns dann eine Reihe von zugelassenen Prüfunternehmen vorgeschlagen.“ Der Pool von amfori umfasst derzeit 13 Auditfirmen, darunter große, global aufgestellte Anbieter wie Bureau Veritas, TÜV, SGS oder Intertek sowie kleinere, lokal operierende Unternehmen. „Insgesamt führen weltweit rund 900 Auditoren amfori BSCI-Audits durch“, so Berzau. „Alle müssen die Anforderungen unseres Audit Integrity Programs erfüllen, sich regelmäßigen Pflichtschulungen, Weiterbildungen und Prüfungen unterziehen. Darüber hinaus nehmen wir unsere Audit-Partner regelmäßig unter die Lupe – entweder selbst oder über Drittdienstleister.“

Berufswunsch Auditor

Wer Auditor werden möchte, hat die Qual der Wahl – Tätigkeitsfelder, um nur einige zu nennen, sind z.B. Finanzwesen, Technik und Sicherheit, Qualitäts- und Umweltmanagement, Qualitätskontrolle oder -sicherung oder eben CSR- und Sozialthemen. Innerhalb der einzelnen Bereiche wiederum existiert eine Vielzahl von Prüfsystemen mit jeweils eigenem Regelwerk. Für alle Bereiche gilt: Auditor wird man nicht einfach so nebenbei. „Auditoren sind qualifizierte Spezialisten mit einer guten und fundierten Ausbildung, und für viele junge Leute in fernöstlichen Industriestaaten ist Auditor ein attraktives Berufsziel“, so Berzau. „Ein Sozialauditor von Bureau Veritas wird sorgfältig ausgewählt, da er eine gute Sachkenntnis und einschlägige Erfahrung benötigt“, erläutert Rosing. „I.d.R. verfügen Auditoren über ein Universitätsstudium in einem technischen Feld oder im Bereich der Herstellung bzw. Verarbeitung von Kleidung, Lebensmitteln, Elektronik oder anderen Produkten. Weitere Voraussetzungen sind exzellente Ausdrucksfähigkeit, ein hervorragendes Zeitmanagement sowie ein ausgezeichnetes Englischniveau, da viele Unterrichtsmaterialien und Schulungen auf Englisch vorliegen bzw. gehalten und die meisten Prüfungsberichte in englischer Sprache verfasst werden. Viele Auditoren sprechen zudem eine oder mehrere lokale Sprachen. Wichtige Soft Skills sind Ehrlichkeit, Einfühlungsvermögen und gute Kommunikationsfähigkeiten, da Auditoren sowohl mit Top-Managern als auch mit allen Arten von Arbeitnehmern sprechen.“

Essenziell ist zudem das Verständnis für kulturelle Besonderheiten und Zusammenhänge, die sich je nach Standort massiv unterscheiden können. „Kulturelle Faktoren sind extrem relevant – es ist ein himmelweiter Unterschied, ob ein Audit in einer chinesischen Fabrik stattfindet, in der z.B. überwiegend männliche Wanderarbeiter tätig sind, oder in einer Textilmanufaktur im muslimisch geprägten Bangladesch, in der 90% der Arbeitskräfte Frauen sind“, so Berzau. „Deshalb ist es auch bei vielen Audits so wichtig, dass sie von Einheimischen oder zumindest von Auditoren mit exzellenter Orts- und Sprachkenntnis durchgeführt werden.“ AMFORI Der 1977 in Brüssel als Foreign Trade Association (FTA) gegründete und 2018 in amfori umbenannte globale Wirtschaftsverband für offenen und nachhaltigen Handel vereint mehr als 2.000 Einzelhändler, Importeure, Marken und Verbände aus mehr als 40 Ländern mit einem Gesamtumsatz von mehr als einer Billion Euro. 2003 gründete die FTA die Business Social Compliance Initiative (BSCI) als praktisches und effizientes System zur Verbesserung der sozialen Nachhaltigkeit in globalen Lieferketten. Die amfori BSCI-Plattform bietet eine zentrale Anlaufstelle für alle relevanten Informationen. Indem sie Testergebnisse über die Plattform teilen, reduzieren die Mitglieder ihren Aufwand, sparen Geld und erhöhen die Konsistenz für Käufer und Lieferanten. Das Auditing Integrity-Programm der BSCI zielt darauf ab, Transparenz und Zuverlässigkeit im Überwachungsprozess zu gewährleisten. Es bietet einen umfassenden, belastbaren und unabhängigen Aufnahmeprozess für Prüfungsgesellschaften, die mit amfori BSCI zusammenarbeiten wollen, und sichert die Qualität der Audits. 2014 entwickelte die FTA die Business Environmental Performance Initiative (BEPI), um Unternehmen zu unterstützen, die die Umweltleistung in ihrer Lieferkette verbessern wollen. Eine klassische Auditorenausbildung gibt es nicht, vielmehr eine große Zahl von Anbietern für entsprechende Schulungen. Diese beinhalten sowohl die jeweiligen Regelwerke und Normsysteme als auch Kurse für Interviewtechniken, psychologische Kenntnisse und Dokumentation. Im Anschluss folgt eine gewisse Zeit als Junior Auditor, der Audits als Assistent begleitet. Wer genügend Praxiserfahrung gesammelt hat, kann nach einer erneuten Schulung und Prüfung schließlich Lead Auditor werden und fortan selbstständig Audits durchführen. Rosing: „Wir bilden unsere Auditoren intern mit einem globalen Team regionaler Trainer aus. Die Ausbildung besteht aus mehrwöchigen Schulungen und Vor-Ort-Training, gefolgt von einer Zeit als ‚Associate Auditor‘ und weiteren Prüfungen – auch praktischer Art. Wer diese besteht, darf selbst ausbilden und eigenständig Audits leiten. Alle Sozialauditoren von Bureau Veritas sind im APSCA (Association of Professional Social Compliance Auditors) registriert.“

Hätt’ ich dich heute erwartet…

Welches Auditunternehmen letztendlich beauftragt wird, entscheidet der Auftraggeber. Dieser bestimmt zudem, inwieweit der zu prüfende Betrieb im Vorfeld informiert wird. „Es gibt drei Möglichkeiten“, so Berzau. „Angekündigt – in diesem Fall wird ein fester Termin vereinbart –, halb angekündigt – es wird ein Zeitfenster festgelegt – oder gar nicht angekündigt. Wir empfehlen die zweite Variante, weil sie die Glaubwürdigkeit erhöht, und tatsächlich entscheiden sich immer mehr unserer Mitglieder für halb angekündigte Audits.“ Rosing ergänzt: „Angekündigte Audits werden normalerweise für eine erste Prüfung verwendet, wenn der Standort nur über begrenzte Erfahrung mit Audits verfügt, was in etablierten Lieferketten recht selten ist. Bei einem halb angekündigten Audit – der derzeit am häufigsten verwendeten Variante für Retail- und Markenhersteller – können Probleme entdeckt werden, die man bei einem angekündigten Audit nicht sehen würde, für die geprüfte Fabrik ist dies jedoch schwieriger zu managen. Unangekündigte Audits sind seltener und werden z.B. dann durchgeführt, wenn ein schwerwiegendes Problem oder ein Verstoß vermutet wird.“ Im Normalfall jedoch geht es nicht um Kontrolle, wie Beyersdorff erklärt: „Wir wollen unsere Produzenten nicht überwachen, sondern in einen offenen, vertrauensvollen Dialog treten. Schließlich möchten wir eine Geschäftsbeziehung entwickeln und gemeinsam wachsen. Deshalb vereinbaren wir im Vorfeld ein Zeitfenster für den Besuch.“

Zuhören, hinschauen, dokumentieren

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Interviews mit Mitarbeitern sind für den Auditierungsprozess von entscheidender Bedeutung, wobei kulturelle Faktoren mit einbezogen werden müssen.

Das eigentliche Audit dauert im Durchschnitt ein bis zwei Tage und ist fast immer eine Mischung aus Standortbegehung, dem Sichten von Dokumenten und Interviews mit Führungskräften und Arbeitnehmern. Letztere sind ein elementarer Bestandteil, der bereits im Namen steckt, kommt „Audit“ doch vom lateinischen „audire“ für „zuhören“. „Meist findet zunächst ein Gespräch mit der Fabrikleitung statt, gefolgt von einer Tour, bei der Themen wie Gebäudesicherung, Arbeitsschutz, Sauberkeit und Arbeitsbedingungen im Fokus stehen“, so Rosing. „Geprüft werden zudem Arbeitnehmerunterlagen wie Verträge, Stundenzettel und Gehaltsabrechnungen sowie relevante Standortprozesse und -aufzeichnungen.“ „Ganz wichtig sind die Gespräche mit Arbeitnehmern, meist in Gruppen von acht bis zehn Leuten, um ein entspanntes Klima zu schaffen, schließlich sollen die Gesprächspartner etwas von sich preisgeben und nicht zu schüchtern sein“, erklärt Berzau. „Unser einheitlicher Fragenkatalog wird jeweils um die lokale Gesetzgebung ergänzt – so beträgt z.B. die Regelarbeitszeit in China maximal 40 Stunden pro Woche, andernorts ist sie höher.“

Die so zusammengetragenen Ergebnisse werden schließlich gegeneinander abgewogen und beurteilt. Rosing: „Wichtig ist das Triangulieren, d.h., aus verschiedenen Quellen objektive Beweise zu suchen, um sicherzustellen, dass faire und klare Möglichkeiten zur Verbesserung aufgezeigt werden können.“ Nach einem kurzen Feedback für den Produzenten folgt kurze Zeit später der Auditbericht. Bei der Dokumentation, Gliederung und Evaluierung helfen in Zeiten der Digitalisierung IT-Tools und Datenanalyse: „Ein typisches Social Audit kann Hunderte von Datenpunkten umfassen“, erläutert Rosing. „Bei der Auswertung hilft die Bureau Veritas OneSource IT-Plattform. Unsere Kunden erhalten eine klare Übersicht, in welchen Bereichen angesetzt werden sollte und was es mit den verschiedenen Stakeholdern zu diskutieren gibt.“ Auch amfori pflegt die Erkenntnisse aus dem Audit in seine IT-Plattform ein, wie Berzau erklärt: „Dort ist der Auditbericht inklusive einer Bewertung für den Produzenten sowie für die Mitglieder, die mit ihm zusammenarbeiten bzw. mit ihm verbunden sind, einsehbar. So entsteht Transparenz, zudem wird die Motivation des Produzenten, etwas zu verändern, erhöht. Dieser hat dann die Aufgabe, einen Remediation Plan zu entwerfen und Vorschläge für konkrete Änderungsmaßnahmen zu machen.“ Soweit der Regelfall – leider gibt es Fabrikmanager, die zu unlauteren Maßnahmen greifen. „Manchmal entscheidet ein Betrieb, dass es einfacher ist, Transparenz zu vermeiden als den lokalen Gesetzen und den relevanten Codes of Practice zu folgen“, so Rosing. „Wir haben deshalb Maßnahmen entwickelt, die Ehrlichkeit fördern, sowie Methoden, mit denen sich Betrugsversuche identifizieren lassen.“

„Auch Korruption kommt vor“, ergänzt Berzau, „es ist schwer zu sagen, wie oft, weil wir sie nur mitbekommen, wenn der Auditor sie meldet. Tritt ein solcher Fall ein, verfolgen wir eine Zero Tolerance-Politik: Innerhalb von 72 Stunden muss der Fall protokolliert werden, und es findet eine Telefonkonferenz zwischen dem amfori-Sekretariat und den betroffenen Mitgliedern statt. Diese müssen entscheiden, welche Maßnahmen eingeleitet werden. Ein Abbruch der Geschäftsbeziehung ist hier die Ultima Ratio, aber er setzt Zeichen.“ Auch das Verhältnis des Auditors zum Auftraggeber und zum „Prüfling“ unterliegt Überwachungsmechanismen, wie Beyersdorff anführt: „Weder wir noch das zu prüfende Unternehmen haben Einfluss darauf, welcher Auditor den Auftrag übernimmt“, erklärt Beyersdorff. „Es wird zudem vermieden, dass ein Auditor für verschiedene Audits in derselben Fabrik zum Einsatz kommt, damit keine Beziehungen entstehen, die das Ergebnis beeinflussen könnten.“ Die Arbeit des Auditors an einem Projekt endet außerdem mit dem Abschlussbericht – wer prüft, darf nicht gleichzeitig coachen und beraten, das erledigen andere Mitarbeiter.

Nach dem Audit

Für diese – und für den Produzenten und Auftraggeber – geht die Arbeit dann allerdings erst richtig los. „Ein Auditbericht allein ist keine Garantie dafür, dass eine Produktionsstätte den geforderten Richtlinien entspricht“, so Beyersdorff. „Wer es ernst meint, belässt es deshalb nicht bei einem Audit, sondern entwickelt gemeinsam mit der Produktionsstätte einen Plan, wie sich kritische Punkte optimieren lassen. Dieser Prozess muss dann weiterverfolgt und nachgehalten werden.“ Meist schließt dieser Optimierungsprozess auch einen Finanzierungsplan mit ein: „Die Kosten für ein BSCI-Audit, das i.d.R. einmal pro Jahr stattfindet, trägt meist das zu auditierende Unternehmen“, so Berzau. „Die Auditkosten fallen jedoch kaum ins Gewicht im Vergleich zu dem, was die Produzenten in eventuelle Verbesserungsmaßnahmen investieren müssen – etwa, wenn eine neue Sprinkleranlage fällig ist. Das sind jedoch Investitionen ins Unternehmen. Abläufe werden effizienter, die Produktivität wird erhöht, und die Arbeitsbedingungen verbessern sich. Besonders effektiv ist es, wenn mehrere amfori-Mitglieder an solchen Prozessen mitwirken – auch finanziell. Hier sollte die Nachhaltigkeit vor dem Wettbewerb stehen.“ Wie Beyersdorff berichtet, ist der Wille, sich zu verbessern, bei vielen Herstellern erfreulicherweise hoch: „Man muss sich bewusst machen: Auch in China herrscht Fachkräftemangel, weil es in den traditionellen Produktionsregionen inzwischen eine Vielzahl von Arbeitsmöglichkeiten gibt, die attraktiver sind als die Fabrik. Wenn ein Produzent also nicht ein gewisses qualitatives Niveau erfüllt, bekommt er keine Arbeitskräfte.“

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Nach dem Audit fängt die Arbeit erst richtig an: Idealerweise arbeiten Produzent und Auftraggeber bei der Optimierung kritischer Punkte zusammen.

Die Grenzen des Auditwesens

Das gilt freilich nicht für alle Produktionsregionen, und ohnehin ersetzen Audits und die im Anschluss angestoßenen Prozesse niemals die Notwendigkeit, sich persönlich ein Bild von seinen Lieferstätten zu machen. „Es lässt sich im Rahmen eines zweitägigen Besuchs kaum glaubwürdig nachweisen, ob ein Betriebsrat effektiv ist oder ob diskrimierende Praktiken tatsächlich nicht stattfinden“, so Berzau. „Das gilt übrigens nicht nur für Fernost: Es ist ein Klischee, dass in Europa alles ‚sauber‘ ist – da gibt es genug Gegenbeispiele. Natürlich stellt das Importeure vor große Herausforderungen, gleichzeitig haben sie jedoch auch weniger Stress, je besser sie ihre Lieferkette kennen.“ Einstweilen jedoch endet der bekannte Teil der Lieferkette beim direkten Zulieferer – wenig verwunderlich bei einer Branche wie der haptischen Werbung, in der Tausende verschiedener, z.T. technisch hochkomplexer Produkte gehandelt werden. Beyersdorff: „Alle Fabriken, mit denen wir direkt zusammenarbeiten, haben ein BSCI-Audit – das ist eine Quote, die kaum jemand in der Werbeartikelbranche aufweisen kann. Unsere Schirme bestehen jedoch z.T. aus mehr als 100 Einzelteilen, und unsere Produktionspartner arbeiten mit sehr vielen Vorlieferanten zusammen. Wir fordern zwar bei den von uns geprüften Fabriken Erklärungen ein, dass ihre Lieferanten den von uns geforderten Standards entsprechen, aber es ist eine große Herausforderung, Konformität entlang der gesamten Lieferkette auch wirklich zu garantieren. Diese Herausforderung nehmen wir jedoch gerne an.“ „Zuständig sind wir zunächst nur für den direkten Lieferanten bzw. Hersteller“, bestätigt Brunssen. „Diese werden aber dazu angehalten, Nachweise zur Qualitätssicherung und Einhaltung der Mindestsozialstandards bei ihren Vorlieferanten zu erbringen.“ Ein Kompromiss ist zudem, bestimmte Rohmateriallieferanten zu benennen und prüfen zu lassen, wie Rosing erklärt: „Z.B. könnte ein Lieferant für Reißverschlüsse oder Knöpfe geprüft und die Bekleidungsfabrik daraufhin aufgefordert werden, Ware von diesem Vorlieferanten zu verwenden. Im Rahmen solcher Audits prüfen wir u.a. Abfüllanlagen, Agrarbetriebe, Callcenter, Konfektionierungswerke für die Bekleidungsindustrie, Entsorgungsbetriebe oder Vertriebszentren.“

Auch die BSCI fördert Initiativen, die tiefer in die Lieferkette vordringen. „Selbst simple Produkte haben viele Vorlieferanten, und dort liegen z.T. weitaus höhere Risiken als in der letzten Fertigungsstufe“, so Berzau. „Das amfori BSCI-Audit fordert, dass ein Produzent seine Zulieferer transparent macht, aber wer auf Nummer sicher gehen will, muss auch dort auditieren und schulen. Das bieten wir unseren Mitgliedern natürlich an, aber die Herausforderung ist enorm.“ Es gibt also weiterhin viel zu tun – sowohl für die Importeure als auch für die Produzenten, die wieder und wieder Besuch bekommen.

// Till Barth

Bildquelle: Shutterstock: humphery, kan_chana, Kzenon, Odua Images, Syda Productions 

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