Müllstrudel im Pazifik, neue Verbote seitens der EU, Riesenprobleme beim Recycling: Kunststoff ist in der Kritik. Längst hat die Diskussion um den onmipräsenten Werkstoff die Werbeartikelbranche erreicht, inklusive der Suche nach alternativen, weniger schädlichen Rohstoffen. Was dabei häufig vergessen wird: Das Problem liegt nicht im Werkstoff selbst, sondern in der Entsorgung.
Wenn es ein Material gibt, das den menschlichen Fortschritt seit der Mitte des 20. Jahrhunderts versinnbildlicht hat, dann ist es Kunststoff. Zwar gab es schon Jahrzehnte zuvor erste Synthetikmaterialien – darunter Bakelit, Zelluloid, Schellack oder Kautschuk. Doch erst Anfang der 1950er Jahre erlebten synthetische Polymere ihren Durchbruch – und revolutionierten damit Wissenschaft, Industrie, Ingenieurwesen und Produktdesign. Ungezählte Erzeugnisse waren plötzlich schnell und v.a. preiswert herstellbar und wurden damit für eine ungleich breitere Bevölkerungsgruppe als zuvor erschwinglich. Im Bereich der Gebrauchsgüter ermöglichte Kunststoff einen höheren Lebensstandard, in der Wissenschaft trieb er den Fortschritt voran, in der Medizin half er, Leben zu retten. Rund 8,3 Mrd. t Kunststoff hat die Weltwirtschaft seit den 1950er Jahren spritzgegossen, tiefgezogen, geschleudert, extrudiert oder anderweitig in Form gebracht, haben Wissenschaftler der University of California errechnet. Und beschäftigt man sich genauer damit, was Laien so lapidar als „Plastik“ pauschalisieren, haben die Hightech-Lösungen der modernen Kunststoffindustrie durchaus etwas Faszinierendes. Doch wächst der weltweite Plastikausstoß nicht gleichmäßig, sondern explosiv. Lag die weltweite Jahresproduktion laut Plastics Europe, dem europäischen Verband der Kunststoffproduzenten, Anfang der 1950er bei 1,5 Mio., belief sie sich im Jahr 2017 auf 348 Mio. t. Wie die soeben erwähnte kalifornische Studie errechnet hat, wurden 44% aller jemals hergestellten Kunststoffartikel zudem nach 2000 produziert.
Das Image des einstigen „Wundermaterials“ hat sich um 180 Grad gedreht – aus dem Baustoff von Fortschritt und Wohlstand ist in der öffentlichen Wahrnehmung vielerorts ein Symbol für die Zerstörung der Umwelt geworden. Allein in Europa entstehen laut Plastics Europe jährlich Kunststoffabfälle in Höhe von rund 27,1 Mio. t. Beim Wort „Plastik“ denken viele heute nicht mehr an tolles und gleichzeitig erschwingliches Design, an selbstreinigende Oberflächen oder Verpackungslösungen, die Lebensmittel über Wochen frisch oder medizinisches Zubehör keimfrei halten, sondern an Delfine, die in herrenlosen Schleppnetzen krepieren, an Meeresschildkröten, die durch Wälder von Plastiktüten schwimmen, oder an Wasservögel und andere marine Arten, die sich an Kunststoffteilen zu Tode gefressen haben. Plastik hat ein Image-, und die Welt hat ein Plastikproblem.
Sinn und Unsinn
Man schätzt, dass inzwischen mehr als 5,25 Billionen Kunststoffteile in den Ozeanen schwimmen. Rund 50 Jahre braucht eine Styroporbox, bis sie sich im Wasser zersetzt hat, rund 450 Jahre eine Plastikflasche – und es ist längst nicht erwiesen, dass die Rückstände überhaupt jemals verschwinden. Ganz zu schweigen von der kaum schätzbaren Menge an Mikroplastik, dass z.B. durch Reifenabrieb oder aus Kosmetikerzeugnissen in die Umwelt und damit irgendwann ins Wasser gelangt. Was bei all den erschütternden Zahlen und Bildern häufig vergessen wird: All das Plastik im Boden, in den Flüssen und Meeren hatte irgendwann einmal eine Funktion: Plastiktüten verbinden eine günstige Herstellung mit hoher Tragkraft bei gleichzeitig extrem dünnen Wänden, PET-Flaschen sind leicht und hygienisch, Tetrapack ist irgendwie clever, und ohne die so häufig von Verbrauchern kritisierte Folie um die Salatgurke würden 30% des Gemüses schon beim Transport verderben, wodurch die Ökobilanz um einiges negativer wäre.
Ganz zu schweigen von der Energiebilanz, mit der Kunststoff wuchern kann: „Gegen einen Mehrwegbecher aus unserem Material verliert ein Bambus-Melaminbecher in Sachen Energieeffizienz haushoch, außerdem sind Verbundstoffe wie Melamin nicht recyclingfähig“, so Stephan Koziol, Geschäftsführer von koziol, „im Gegensatz zu unseren Bechern, die am Ende ihrer Laufbahn recycelt werden können“. „In puncto Ressourceneffizienz und CO2-Fußabdruck schneiden Kunststoffprodukte vielfach besser ab als andere Materialien“, heißt es in einer Stellungnahme von Plastics Europe. „Dies betrifft auch und gerade die aktuell viel kritisierten Kunststoffverpackungen, die u.a. Lebensmittel vor Verderb schützen. Laut GVM-Studie aus dem Jahr 2015 sind Kunststoffverpackungen seit 1991 im Schnitt um gut 25% leichter geworden, ohne an Funktion einzubüßen. Dadurch wurde allein im Jahr 2013 fast eine Mio. t Kunststoff weniger für Verpackungen verbraucht.“ Solche Einsparungen und Optimierungen reichen jedoch längst nicht aus, um das Müllproblem in den Griff zu bekommen. Deshalb fordern Politiker, Umweltorganisationen und Wissenschaftler seit vielen Jahren strengere Regularien, die in jüngerer Zeit tatsächlich verstärkt verabschiedet wurden. So will Indien, eines der Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Kunststoff weltweit, bis 2022 sämtliche Einweg-Produkte aus Kunststoff, darunter auch Flaschen, verbieten. Nicht ganz so weit geht das Kunststoffverbot der Europäischen Kommission, das im Oktober 2018 verabschiedet wurde: Ab 2021 werden Teller und Besteck, Wattestäbchen, Strohhalme, Getränkerührstäbchen und weitere Wegwerfprodukte aus Kunststoffin der EU verboten. Zudem sollen ab 2030 alle Kunststoffverpackungen auf dem EU-Markt recyclingfähig sein.
Während einige Umweltverbände das Verbot als wenig konsequenten „Wohlfühl-Kompromiss“ kritisieren, lehnen viele Kunststoffproduzenten und -Vereinigungen solche Eingriff des Gesetzgebers entschieden ab. „Was unserer Ansicht nach nicht zielführend ist, sind Verbote von Kunststoffprodukten, da sie kein wirkliches Verständnis für nachhaltigen Konsum und umweltbewusstes Verhalten schaffen“, so Dr. Rüdiger Baunemann, Hauptgeschäftsführer PlasticsEurope Deutschland. „Schlimmstenfalls führen sie sogar zu einem Ausweichen auf andere, ökologisch womöglich nachteiligere Materialien.“ Ziel, so Baunemann, müsse es vielmehr sein, europaweit nachhaltige Sammel- und Verwertungslösungen für Kunststoffabfälle zu etablieren und beim Verbraucher ein Bewusstsein für den schonenden Umgang mit Ressourcen aller Art zu schaffen. Denn nicht der Werkstoff sei das Problem, sondern die „unsachgemäße Behandlung von Kunststoffmüll sowie ein mangelhaftes Abfallmanagement in vielen Teilen der Welt“.
Das Recycling-Problem
Es stimmt: Recycelt wird viel zu wenig, selbst dort, wo etablierte Rücknahmeund Verarbeitungssysteme existieren – so auch in Deutschland: Von 5,2 Mio. t, die dort 2017 als Endverbraucherabfälle anfielen, wurden laut Conversio nur 0,81 Mio. t als Rezyklat einer erneuten Verarbeitung in der Kunststoffproduktion zugeführt. Zwar schreibt das seit Anfang 2019 gültige neue deutsche Verpackungsgesetz vor, dass 58,5% der Kunststoffverpackungen ab diesem Jahr recycelt werden sollen. Der Kunststoff gelangt jedoch aus Sortieranlagen nicht etwa komplett in den lokalen Kreislauf, sondern wird exportiert – und zwar zum großen Teil in diejenigen Regionen, denen man mangelhaftes Engagement in Sachen Plastikmüll vorwirft. Nach Informationen des Magazins Der Spiegel exportierte allein Deutschland im ersten Quartal 2018 84.000 t Kunststoffabfälle nach Malaysia. Der häufig geäußerte Vorwurf, dass v.a. Asien Schuld am Müll in den Weltmeeren sei, ist also zu einfach – was aus Jangtse, Mekong oder Ganges an Plastikteilen in den Pazifik gelangt, stammt nicht selten aus Europa.
Nun liegt es meist nicht in der Macht der Verbraucher, die Schwachstellen der Verwertungssysteme maßgeblich zu verändern. Handeln kann jedoch sehr wohl jeder Einzelne – und auch jedes einzelne Unternehmen. Was den Umgang mit Verpackungen angeht, besteht auch in der Werbeartikelindustrie enormer Handlungsbedarf. „Bei der Masse an verschiedenen Produkten, die in unserer Branche im Umlauf sind, gibt es sehr viele Möglichkeiten, unnötige oder redundante Umverpackungen, Polybeutel usw. zu eliminieren“, meint Charlene Webb, Prominate UK. „Hier arbeiten wir eng mit unseren Lieferantenpartnern zusammen und sprechen auch bei jeder Gelegenheit Empfehlungen an Kunden aus, wenn diese z.B. einen ‚Extra-Wrap‘ wünschen.“ Evan Lewis, CEO von eco-promo, Spezialist für nachhaltige Werbeartikel, verweist in diesem Zusammenhang auch auf das Pfandsystem auf Mehrweg- und Einwegflaschen aus Plastik, wie es in manchen EU-Ländern existiert: „Es gibt den Verpackungen, die zuvor achtlos weggeworfen wurden, einen Wert, der ihre Bedeutung als Rohstoff unterstreicht.“
Was heißt „Bio“?
Umso besser wäre es, wenn sich die ökologischen Nachteile von Kunststoff – wie die Synthese aus Rohöl – weiter minimieren ließen. Durch den für die Kunststoffherstellung notwendigen Ölabbau gelangen jährlich Millionen von Tonnen CO2 in die Atmosphäre. Die sogenannten „Biokunststoffe“ gelten hingegen als nahezu klimaneutral. Dieser streng genommen unscharfe Sammelbegriff bezeichnet einerseits Kunststoffe, deren Polymere aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen wurden, andererseits alle biologisch abbaubaren und kompostierbaren Kunststoffe. Bei Produkten auf Maisstärkeoder Zellulose-Basis wird der Rohstoff aus nachwachsenden pflanzlichen Ressourcen gewonnen. PLA (Polymilchsäure) entsteht aus der Fermentation von Zucker und Stärke durch Milchsäurebakterien sowie der Polymerisation von Milchsäure. Kunststoff auf Stärke-, Zellulose- oder PLA-Basis ist inzwischen in der Branche weit verbreitet – kaum ein Schreibgeräte-, Drinkware- oder sonstiger Kunststoffproduzent, der nicht eine entsprechende Serie bietet.
Der Schreibgeräteproduzent Ritter-Pen z.B. bietet unter seiner Marke „Ritter Cares“ u.a. Schreibgeräte aus Celluloseacetat, die in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut entwickelt wurden. „Wir haben vor der Serienherstellung eine ganze Reihe von Versuchen durchführen lassen, in deren Zusammenhang das Material für unsere Zwecke optimiert wurde. Es hat in der Verarbeitung die gleichen Eigenschaften wie konventioneller Kunststoff. Allerdings ist der Bio-Kunststoff, den wir verwenden, nur in seiner transparenten Variante individuell einfärbbar. Probleme, die andere Biokunststoffe mit sich bringen – PLA z.B. ist recht hitzeempfindlich – hat unser Werkstoff nicht“, so Jürgen Riedel, Ritter-Pen. „Wenn der Recyclingdurchlauf stimmt, sind Biokunststoffe ein super Material.“ Leider ist dem meist nicht so. Bei der Sortierung kann oft nicht zuverlässig zwischen verrottbarem und unverrottbarem Plastik unterschieden werden, sodass der Biokunststoff in den meisten Fällen ganz konventionell verbrannt wird. Und wer glaubt, er könne seine Bio-Plastikwaren nach Gebrauch einfach dem häuslichen Kompost zuführen, irrt: Die meisten Biokunststoffe sind auf Langlebigkeit ausgerichtet, sonst wären sie viel zu anfällig für Umwelteinflüsse und damit qualitativ nicht geeignet für die meisten Einsatzzwecke. Meist sind zur Zersetzung definierte industrielle Bedingungen erforderlich. Zudem bietet Biokunststoff nach seiner Zersetzung keinerlei Nutzen für die Umwelt. Strittig ist schließlich auch, wie stark sich der exzessive Anbau von Feldfrüchten zur Herstellung von Bioplastik auf Klima und Ökosystem auswirken würde.
Eine runde Sache
Viele Umweltwissenschaftler präferieren deshalb den Recycling-Ansatz, weil er nach dem Kreislaufprinzip keinen neuen Müll erzeugt, sondern den Abfall in den Verwertungsprozess zurückführt. Würde dies tatsächlich gelingen, wäre Plastik ein ausgesprochen ökologisches Material. Doch natürlich verfügen die Kunststoffproduzenten in der Werbeartikelbranche über kein geschlossenes System, sondern greifen bei Rezyklaten auf das Ausgangsmaterial der einschlägigen Vorlieferanten zurück – und das ist in seinen Möglichkeiten beschränkt. Man unterscheidet grob zwischen „Post Consumer“-Rezyklat – also Material, das aus Haushaltsabfällen hergestellt wurde – und Kunststoffabfällen, die bereits während der Herstellung oder Produktion entstehen („Post Industrial“). Während letztere relativ einfach sortenrein gesammelt und aufbereitet werden können, stellt das Verbraucherplastik die Recyclingbetriebe vor große Herausforderungen: Die meisten Verpackungsmaterialien bestehen aus Verbundstoffen, weil der Materialmix sie robuster, preiswerter, elastischer oder optisch attraktiver macht. „Viele Verpackungsmaterialien ließen sich recyclingfreundlicher gestalten“, so Wolfgang Schmidt, Promowolsch, „dies scheitert aber bislang am Widerstand der Hersteller“.
Hinzu kommt, dass im Kunststoffmüll ohnehin viele verschiedene Plastiksorten landen – von der Frischhaltefolie aus LDPE über den Joghurtbecher aus PP über das Label aus PVC oder den Abziehdeckel aus Polystyrol. Jeder dieser Kunststoffe hat spezifische Eigenschaften und Schmelzpunkte, weshalb sie nicht einfach gemeinsam eingeschmolzen werden können. Einzig PET-Flaschen können relativ einfach sortenrein gesammelt werden. „Es gibt inzwischen Technologien, mit deren Hilfe sich verschiedene Kunststoffsorten vor dem Recycling besser trennen lassen“, so Koziol. „Dennoch bleibt es eine große Herausforderung, ein funktionierendes Recyclingsystem für Kunststoffe zu etablieren, wie es das für Glas oder Papier seit vielen Jahren bereits gibt.“ So ist es kein Wunder, dass die Nachfrage nach recycelten Kunststoffen laut Europäischer Kommission derzeit nur rund 6% der Kunststoffnachfrage in Europa ausmacht. „Ein grundsätzlicher Nachteil, den viele Recyclingplastik-Mischungen mit sich bringen, ist die Farbe“, erklärt Lewis. „Viele Produkte aus Recyclingkunststoff sind nur in dunklen Farbtönen erhältlich, weil viele verschiedene Farben zusammen gesammelt und eingeschmolzen wurden. Dieses Problem tritt besonders bei Post-Consumer- Plastik auf. Post-Industrial-Rezyklate sind in einem größeren Farbspektrum erhältlich, weil das Ausgangsmaterial besser getrennt wurde.“
In der „Ritter Cares“-Serie findet sich der Crest Recycled, ein Werbekugelschreiber aus sortenreinem ABS-Kunststoff, der aus kunststoffreichen Abfallströmen – z.B. Staubsaugern, Küchengeräten und Werkzeugmaschinen – gewonnen wird. In einem speziellen Verfahren werden alle Kunststoffteile separiert, geschreddert und mit moderner Technik zum „Second Life“-Produktionsgranulat aufbereitet. Positiver Nebeneffekt: 80% Energieeinsparung bei der Herstellung im Vergleich zu konventionell aus Rohöl hergestelltem Kunststoff. „Grau ist aktuell das Hellste, was geht, deshalb bieten wir den Drücker aus konventionellem Plastik und damit in jeder Wunschfarbe an.“
„Gutes“ Plastik hat seinen Preis
Sowohl für Bio- als auch für Recyclingkunststoffe zahlt der Kunde am Ende einen Aufpreis, wie Riedel erläutert: „Alternative Kunststoffe sind z.T. teurer als konventionelle. Deshalb kauft die Masse der Kunden nach wie vor die ‚normale‘ Variante. Die Zahl derjenigen Unternehmen, die sich stärker in Richtung Nachhaltigkeit positionieren möchten, wächst jedoch stetig. Und über Biokunststoff- oder Recyclingprodukte lassen sich gut interessante Fakten vermitteln.“ Natalia Chudoba, Marketing Manager von Prominate, der global operierenden Werbeartikelagentur, deren britisches Mitglied Prominate UK ist, gibt in diesem Zusammenhang ein Beispiel für eine Promotion, die Prominate für die Getränkemarke Britvic umgesetzt hat: „Während eines Turniers in Wimbledon konnten sich Gäste am Britvic-Stand eine Wasserflasche personalisieren lassen. Die Aktion war sehr erfolgreich, wie wir aus anschließenden Befragungen wissen, v.a. deshalb, weil die Flaschen aus Recycling-Kunststoff bestanden.“ Diese Information allerdings muss schon mitgeliefert werden, um den Mehrwert des Produkts gebührend herauszustreichen. Es braucht spezielles Marketing, um alternative Kunststoffe verkaufen zu können. Koziol: „Bei unserer aktuellen Organic Collection erkennt man bereits über die Optik, dass das Material recyclingfähig ist.“
Eine verstärkte Nachfrage auf Anwenderseite und ein Umdenken gegen Einweg- und Wegwerfprodukte auf breiter Ebene findet indessen statt – auch, wenn man Einkäufer bisweilen noch aufklären muss. Chudoba: „Es gibt einen Paradigmenwechsel. Angesichts einer Käuferschar, die zusehends Wert auf Nachhaltigkeit legt und Single use-Plastik sehr kritisch gegenübersteht, erkennen Marken, dass sie ohne eine nachhaltige Haltung nicht bestehen können.“ „Der Preis ist das Haupthindernis, aber diesem kann man durch Aufklärung gezielt entgegenwirken. Wir haben eigens zu diesem Zweck eine Präsentation entwickelt, die beispielhaft aufzeigt, in welchen Bereichen Alternativen zu Einwegplastik verfügbar sind. Wenn man einem konventionellen Artikel die Recyclingvariante gegenüberstellt und deren Marken-Benefits aufzählt, entscheiden sich viele Kunden ganz schnell um“, ergänzt Webb.
Wie viel ist zuviel?
Wer erst einmal die Plastikfrage stellt, ist ganz schnell bei einer weitaus globaleren Fragestellung: Dem Sinn und Unsinn haptischer Werbemaßnahmen. Denn immer gibt es auch im Werbeartikelmarkt enorme Mengen von Wegwerfprodukten in minderwertiger Qualität und ohne Funktionalität. Ein Umdenken ist nötig, und das bedeutet in diesem Fall auch: klüger investieren, anstatt nach der Gießkannen-Methode vorzugehen. „Bei der Planung vom Werbeartikelkampagnen kommen Streuartikel häufig ganz zum Schluss auf die Agenda oder werden kurz vor Beginn des Events, bei dem sie eingesetzt werden sollen, geordert“, so Webb. „Dabei sollten auch Giveaways gut durchdacht werden. Wir planen deshalb mit viel Vorlauf gemeinsam mit dem Kunden seinen Eventkalender durch und empfehlen z.B., wenn möglich kein Datum oder den Namen der Veranstaltung, sondern nur einen Markennamen aufzudrucken. Das reduziert das Müllaufkommen, weil Artikel bei weiteren Gelegenheiten eingesetzt werden, und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Artikel behalten wird.” Lewis: „Man sollte darüber nachdenken, wie viele Artikel man tatsächlich braucht, anstatt so viel wie möglich für das vorhandene Budget einzukaufen – Klasse statt Masse.”
Aufklärungsarbeit
Ein solches Umdenken freilich findet nicht über Nacht statt – wie so häufig heißt es für Lieferanten und v.a. für Werbeartikelagenturen, ihre Kunden stets aufs neue zu beraten und aufzuklären. „Wir müssen beweisen, dass es einen Markt für alternative Produkte gibt, und die alternativen Modelle so einfach zugänglich wie die konventionellen machen“, meint Alexis Krycève, der solche alternativem Modelle zu seinem Business gemacht hat: Sein junges Unternehmen Gifts for Change verbindet Präsente und Giveaways „made in France“ aus nachhaltigen Materialien – darunter Holz und Leinen aus heimischem, zertifiziertem Anbau – mit der Möglichkeit, über den Kauf der Produkte nachhaltige Projekte zu finanzieren. Der nicht zu unterschätzende Vorteil: In einer Branche, die nach wie vor stark preisgetrieben ist und gleichzeitig permanent nach Innovation ruft, entstehen Riesenchancen für Wettbewerbsvorteile, wie Krycève erklärt: „Wenn ich mit Kollegen aus der Werbeartikelbranche über das Business spreche, höre ich fast immer Sätze wie: ‚Wir brauchen Innovation‘, ‚Wir müssen Inhalte vermitteln‘ oder ‚Wir müssen unsere Ausrichtung definieren‘. Die Möglichkeiten, sich über wirklich nachhaltige Konzepte abzuheben, liegen auf der Hand.“ Es lohnt sich also, den bequemen, konventionellen Weg zu verlassen und in neue Ansätze zu investieren – für mehr ökologische, aber auch wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Auf die vielen Segnungen der synthetischen Polymere braucht einstweilen niemand zu verzichten, und Kunststoff hat auch in der haptischen Werbung seinen festen Platz – ins Meer und die Umwelt jedoch gehört er sicher nicht.
// Till Barth
Illustration: Jens C. Friedrich, Thomas Gebhard, © WA Media, Bildquelle: Shutterstock/ImagineStock (1), Larina Marina (1), Stoyan Yotov (1)
Kleines Kunststoff-Dossier
Synthetische Kunststoffe werden grob in zwei Familien unterschieden: Duroplaste – dazu zählen Plexiglas, Melamin und Silikon – können nach ihrer Aushärtung durch Erwärmung oder andere Maßnahmen nicht mehr verformt werden. Thermoplaste lassen sich in einem bestimmten Temperaturbereich verformen, und zwar beliebig oft, und stellen den Großteil der Kunststoffe, die in der haptischen Werbung zum Einsatz kommen. Hier ein Überblick über die wichtigsten Sorten:
Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS)
hohe Schlagfestigkeit und Beständigkeit gegen Temperatur, Witterungseinflüsse und Alterung, häufig für Haushaltsgeräte verwendet
Polyamid (PA)
sehr robust, weist eine hohe Wärmeformbeständigkeit auf, wird v.a. für Haushaltsgeräte eingesetzt
Polyethylen (PE)
wachsartig weiche und antiadhäsive (nicht haftende) Oberfläche, sehr gute Zähigkeit und Reißdehnung
Polyethylenterephthalat (PET)
aus der Familie der Polyester, wird unter anderem zur Herstellung von Kunststoffflaschen (PET-Flaschen), Folien und Textilfasern verwendet
Polypropylen (PP)
teilkristalliner Kunststoff mit durchschnittlicher Festigkeit, Steifigkeit und Schlagzähigkeit, spezieller Dauerbiegefestigkeit und sehr guter Chemikalienfestigkeit
Polystyrol (PS)
hart, farblos, spröde und glänzend, kommt für Joghurtbecher, CD-Hüllen oder Nummernschild-Halter zum Einsatz
Polyvinylchlorid (PVC)
nach PP und PE das drittwichtigste Polymer für Kunststoffe, unterteilt in Hart- und Weich-PVC, wird mit Additiven, in erster Linie Stabilisatoren und Schlagzäh-Modifier, an ganz verschiedene Einsatzgebiete angepasst. Weich-PVC enthält bis zu 40% Weichmacher