So vielfältig wie Arbeitskleidung ist, so vielfältig sind auch die Anforderungen, denen sie gerecht werden muss. Warnschutzkleidung, Kochjacken und Sicherheitsschuhe haben allerdings eines gemeinsam: Auf Produktsicherheit wird größten Wert gelegt.

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Postzusteller tragen Arbeitskleidung, Krankenpfleger auch, ebenso wie Bauarbeiter oder Techniker. Ärzte haben ihre Kittel, Stahlwerker ihre Gießermäntel. Vom Schutzhelm bis zur Sonnenbrille, vom Gartenhandschuh bis zum Laborkittel: alles Arbeitskleidung. Workwear ist ein Werbeträger mit besonderen Anforderungen. Sie ist auf Funktionalität ausgelegt, aber sie schützt auch. Und so sehr sich die Aufgaben ihrer Träger unterscheiden, so unterschiedlich sind auch die Anforderungen, die an Arbeitskleidung gestellt werden.

Von Kisten und Metern

Daniel Best stellt sehr hohe Anforderungen an Arbeitskleidung, vor allem an Schuhe, aber genau das ist sein Beruf. Beim TÜV Rheinland am Standort Leipzig ist er der Experte für die Zertifizierung von Sicherheits-, Arbeits- und Berufsschuhen. Sicherheitsschuhe etwa schützen die Zehen bei Belastungen bis zu 200 Joule dank einer Zehenschutzkappe. Sie müssen dann noch eine gewisse Resthöhe aufweisen. Die Anforderung für diese Resthöhe ist vorgegeben in der ISO-Norm 20345. Best macht aus der abstrakten Zahl ein greifbares Szenario: „Stellen Sie sich vor, jemand trägt eine 20 kg schwere Kiste in etwa 1 m Höhe. Mit unserer Versuchsanordnung testen wir, ob die Zehenschutzkappe es aushält, wenn ihm die Kiste auf die Schuhe fällt.“ Denn wenn 20 kg aus 1 m Höhe auf einen Punkt fallen, dann sind das genau die geforderten 200 Joule, zumindest im Vakuum. Nun werfen Best und seine Kollegen nicht mit Kisten nach Schuhen; sie arbeiten mit einer speziellen Prüfmaschine, die das geschilderte Szenario simuliert. Die Prüfmaschine könne zwar nicht das Vakuum herstellen, aber sie könne ausrechnen, aus welcher Höhe sie das 20 kg schwere Gewicht mit Keil, das eine Kiste simulieren soll, auch ohne Vakuum auf die zu prüfende Schutzkappe fallen lassen müsse. Die Schutzkappe müsse nach dieser Tortur nicht völlig unversehrt sein, sagt der Prüfer, aber sie müsse durchaus eine bestimmte Resthöhe aufweisen. Bei Schuhgröße 42 sind das 14 mm, bei Größe 39 sind es 13,5 mm. „So sollte mit einem korrekt zertifizierten Sicherheitsschuh nichts Schlimmeres als Zehenquetschungen oder vielleicht Knochenanbrüche passieren“, sagt Best. 100%igen Schutz, das sagt der Fachmann sofort, gebe es allerdings nicht: „Wenn Ihnen 100 kg aus 1 m Höhe auf die Schuhe fallen, dann hilft auch die Zehenschutzkappe nach ISO 20345 leider nicht mehr.“

Das A und O: Hygiene

Dass Sicherheitsschuhe vor allem schützen sollen und deshalb strengen Prüfkriterien unterliegen, dürfte niemanden überraschen, aber auch Kellnerschürzen werden nicht nur zu Promotionzwecken getragen oder um ganz zweifelsfrei eine Servicekraft zu kennzeichnen. Sie sollen vielmehr Kleidung vor Schmutz und die Kellner selbst vor Verbrühungen schützen. Auch die charakteristische Kluft von Köchen dient nicht nur dem Wiedererkennungswert, sondern auch hier vor allem dem Schutz, und zwar dem von Koch und Bekochten gleichzeitig. Der Stoff sollte schwer entflammbar, aber leicht zu tragen sein und darauf ausgelegt, dass die Haut darunter atmen kann; lange Ärmel schützen die Unterarme vor Hitze und Verbrennung. Aber die Kleidung des Kochs schützt auch die Gäste, und zwar vor Keimen, die zu Infektionen führen könnten. Gerade in der Gastronomie ist Hygiene das A und O, da muss die Arbeitskleidung der Küchencrew regelmäßige Wäsche bei 95 °C schon aushalten können, ohne einzulaufen und damit unbrauchbar zu werden. Manchmal schützt Arbeitskleidung eben auch diejenigen, die mit dem Träger in Kontakt kommen, und sei es vermittelt über einen Teller Gulasch.

Beim Gastro-Bekleidungsspezialisten Karlowsky aus dem sachsen-anhaltinischen Wanzleben-Börde weiß man das natürlich und legt deshalb großen Wert auf die hygienische Reinigung der eigenen Produkte, sagt Michaela Benner, Produktmanagerin bei Karlowsky. So teste man Muster vor und nach jeder Produktion nicht nur auf optische Qualitätsmängel. Karlowsky legt den Fokus explizit auch auf die Widerstandsfähigkeit des Materials bei mehreren Wasch- und Trockenvorgängen, und zwar sowohl ganz am Anfang bei der Produktentwicklung als auch am Ende bei der Qualitätskontrolle des fertigen Kleidungsstücks. „Wir schauen uns u.a. das Einlaufverhalten an. Unsere Produkte müssen bei hohen Temperaturen waschbar sein, damit Verschmutzung und Bakterien keine Chance haben“, erläutert Benner. Aber nicht nur das: Auch Industriewäschen mit ihren Wasch-, Trocknungs- und Veredelungsvorgängen müssen die Outfits für Küchenprofis abkönnen.

Geprüft auf Schadstoffe

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Nicht immer weiß: Kochhemden wie dieses sollten 95°-Wäschen aushalten können.

Neben der Waschbarkeit gilt für Arbeitskleidung wie für andere Bekleidung auch, dass sie auf gesundheitsgefährdende Schadstoffe geprüft sein sollte. Bei Karlowsky lässt man die Produkte dahingehend untersuchen und ihre Unbedenklichkeit bestätigen: „Eine hohe Produktsicherheit stellen wir durch die Zertifizierung unserer Produkte nach dem Standard 100 by Oeko- Tex® sicher“, erklärt Benner deshalb. Man wolle damit gewährleisten, dass die Produkte sämtlichen human-ökologischen Anforderungen gerecht werden. Für eine Zertifizierung nach Standard 100 by Oeko-Tex® werden die Produkte – und alle ihre Bestandteile – nach wissenschaftlich festgelegten Standards in unabhängigen Laboren auf verbotene und gesundheitsgefährdende Substanzen geprüft. Besonderes Augenmerk legen die Prüfer dabei auf die Herauslösbarkeit der Schadstoffe. Schließlich geht es dabei um den wichtigsten Aspekt: die Aufnahme von gesundheitsgefährdenden Substanzen. Was sich herauslösen lässt und auf die Haut oder in die Lunge gelangen kann, muss auf Herz, Nieren und Gefährdungspotenzial geprüft werden. Denn Stoffe und Garne können krebsauslösende und Allergien hervorrufende Farbmittel enthalten, Pestizide für Textilien aus Naturfasern, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, zinnorganische Verbindungen, chlorierte Phenole, Weichmacher u.v.m. – eine Liste mit den Substanzen und den geltenden Grenzwerten ist bei Oeko-Tex online einsehbar. Neben der Prüfung im Labor sind auch ein Firmenaudit sowie eine sogenannte Konformitätserklärung nötig, um das Prüfsiegel zu erhalten. In der Konformitätserklärung bestätigt der Hersteller der „Prüflinge“, dass die hergestellten und vertriebenen Produkte während der zwölfmonatigen Laufzeit des Zertifikats in Art und Zusammensetzung genau den geprüften Mustern entsprechen.

Sichtbarkeit als Schutz

Arbeitskleidung muss nicht nur praktisch, funktional, langlebig und möglichst schadstofffrei sein, häufig ist sie sogar als Lebensretter konzipiert. Warnwesten z.B. sind weit mehr als ein grell gefärbtes Stück Funktionskleidung mit angebrachten Reflektoren. Die offizielle Bezeichnung lautet „hochsichtbare Warnkleidung“ oder Warnschutzkleidung, und in diesem Begriff sind auch die entsprechenden Hosen oder Jacken enthalten. Diese Kleidung ist besonders wichtig, wenn die Arbeiten in der Nähe von fließendem Verkehr oder beispielsweise auf Baustellen oder Flughäfen ausgeführt werden; einfach überall dort, wo Sichtbarkeit vor Verletzungen, mitunter auch tödlichen, schützt – und zwar bei jedem Wetter, nachts und bei allen Lichtverhältnissen. Weil Warnschutzkleidung eine derart hohe Bedeutung für das Leben ihrer Träger haben kann, ist sie eine sogenannte „Persönliche Schutzausrüstung“ (PSA). Solche speziellen Arbeitskleidungsstücke sind ausdrücklich dafür gedacht, vor Verletzungen und vor ernsten Gefahren fürs Leben zu schützen. Für diese PSA gibt es Regeln, u.a. festgehalten in der PSA-Verordnung (EU) 2016/425, die unbedingt einzuhalten sind – schließlich geht es um körperliche Unversehrtheit, auch und gerade bei etwas so scheinbar Profanem wie einer Warnweste.

Umfangreiche Tests

Festzustellen, ob Warnschutzkleidung tatsächlich die Vorgaben der Norm erfüllt, ist die Aufgabe von Cornelia Pitschel, Kollegin von TÜV-Schuhexperte Best, seit zwölf Jahren beim TÜV Rheinland und mittlerweile Laborleiterin am Standort Leipzig. Da die Norm, verkürzt gesagt, vorgibt, dass hochsichtbare Warnschutzkleidung in allen irgendwie vorstellbaren Situationen sichtbar ist, orientieren die Tests sich an zwei Faktoren, nämlich am Einsatzalltag und an der Reproduzierbarkeit der Untersuchungen, erläutert Pitschel: „Uns ist wichtig, die Prüfungen normgerecht durchzuführen und somit die Einhaltung der Anforderungen nachzuweisen.“ Deshalb dienen die Tests dazu, so genau wie möglich die Einflussfaktoren zu simulieren, denen die Kleidung ausgesetzt ist. Und da die Einflussfaktoren vielfältig sind, sind es auch die Tests. Wenn die Warnschutzwesten bei Pitschel und ihren Kollegen landen, dann haben sie so einiges vor sich: einen Aufenthalt in der Klimakammer z.B., 20 Stunden bei -30 °C und zwölf Stunden bei +50 °C. Sie werden mit Scheuergewebe traktiert, dauergefaltet – bei stattlichen 7.500 Wiederholungen – sie werden gewaschen, simuliertem Regen ausgesetzt und mit Xenonlicht bestrahlt, das eine künstliche Alterung bewirken soll. Immer wieder messen die Prüfer die farbmetrischen Werte und die Leuchtdichte des fluoreszierenden Materials sowie die Reflexionswerte der Reflektoren mit der einen Frage: Ist das Kleidungsstück auch nach simuliertem Alltag noch sichtbar genug?

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Gebrochene Zehenschutzkappe: Dieser Schuh erfüllt die Norm nicht.

Aber alles beginnt mit dem Maßband: „Zuerst messen wir immer die Flächenverteilung“, erklärt Pitschel. Denn die ist wichtig: Die maßgebliche ISO-Norm für Warnschutzkleidung enthält auch Design- und vor allem Flächenvorschriften. Es gibt Mindestflächen für das fluoreszierende und das reflektierende Material, gemessen wird das an der kleinsten lieferbaren Konfektionsgröße. Ein großes Stück gut sichtbarer Stoff ist eben noch sichtbarer als ein kleines Stück. Zwar ist es möglich, Warnschutzkleidung mit dem Unternehmenslogo zu individualisieren. Die Werbeanbringung darf die in der ISO-Norm festgelegten Mindestflächen an fluoreszierendem Hintergrundmaterial und Reflektoren aber nicht beeinträchtigen. Wenn die Warnschutzkleidung alle Tests überstanden hat, übrigens auch die zu Ergonomie und allgemeinen Anforderungen an Arbeitskleidung nach EN ISO 13688, nehmen die Prüfer sich schlussendlich die Herstellerangaben vor. Denn auch hier sind bestimmte Informationen vorgeschrieben. Stehen die nicht dabei, bekommt das Warnschutzkleidungsstück keine sogenannte Baumusterprüfbescheinigung nach Verordnung (EU) 2016/425.

Verantwortung liegt auch beim Käufer

Es ist also eine ziemlich komplizierte Angelegenheit, Arbeitskleidung und PSA (rechts-)sicher herzustellen und zu vertreiben. Um wirklich absolut sicherzugehen, keine der komplexen rechtlichen und technischen Vorgaben zu verfehlen, bieten Branchenverbände Hilfestellung. So ist z.B. Result Mitglied in der Retroreflective Manufactures Association (REMA) mit Sitz in Winchester, Großbritannien: „Der Verband hält uns immer auf dem Laufenden über Zertifizierungsvoraussetzungen und rechtliche Änderungen in unserem Bereich“, erklärt Sanders-Smith. Sie hält das Qualitätsniveau der Arbeitskleidung, die für Promotion und Werbung genutzt wird, insgesamt für hoch, aber gibt einen entscheidenden Hinweis: „Es liegt auch in der Verantwortung der Kunden selbst, sicherzustellen, dass das Produkt, für das sie sich schlussendlich entscheiden, korrekt zertifiziert und für die beabsichtigte Nutzung geeignet ist.“

// Klara Walk

Bildquelle: Karlowsky Fashion GmbH; TÜV Rheinland LGA Products GmbH, Leipzig; shutterstock.com/Piotr Wytrazek

Info: Rutschhemmung ist nicht gleich Rutschhemmung

Es gibt für alle möglichen Schuhe, die in beruflichem Kontext getragen werden, unterschiedliche Normen. Die für Sicherheitsschuhe relevante Industrienorm ist die EN ISO 20345, und auch in dieser Norm gibt es je nach Ausstattung des Sicherheitsschuhs unterschiedliche Klassen. Das Kürzel SB steht für eine Art Basisversion eines Sicherheitsschuhs: Alle diese Schuhe sind mit einer Zehenschutzkappe ausgerüstet. Die Klassen S1 bis S5 kennzeichnen unterschiedliche Ausstattungen neben der obligatorischen Zehenschutzkappe, die für Arbeiten in unterschiedlichen Umgebungen wichtig sind. Bei den Berufsschuhen nach EN ISO 20347 hingegen beschreiben Kürzel besondere Schutzwirkungen. Die Kürzel SRA und SRB z.B. weisen auf Rutschhemmung hin. SRA-Schuhe sind rutschhemmend auf Fliesenboden, getestet wurde ihr Verhalten auf genormten Fliesen, die mit Natriumlaurylsulfat und Wasser behandelt wurden – das wirkt wie frisch gewischt. SRB-Schuhe sind rutschhemmend auf Stahlböden, die mit Glycerin benetzt sind. Das Kürzel SRC wiederum zeigt an, dass diese Schuhe sowohl auf Fliesen als auch auf Stahlböden auf Rutschhemmung getestet wurden.

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