WerbeWiesn 29 - „Das Dirndl wird vom Mundschutz nicht verdrängt“

Interview mit Thomas Gottschall, WerbeWiesn

Herr Gottschall, am 9. September soll die WerbeWiesn an ihrem traditionellen Termin wie geplant in München stattfinden. Hat es bei Ihnen oder Ihren Kollegen von den andere Trägeragenturen Überlegungen gegeben, die Veranstaltung aufgrund der COVID-19-Pandemie zu verschieben?

Thomas Gottschall: Als im März in allen Bundesländern Veranstaltungsverbote ausgesprochen wurden, haben wir das zunächst noch sehr gelassen gesehen – unser September-Termin schien weit weg, und niemand hatte eine Vorstellung, wie tiefgreifend und langanhaltend die Einschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie werden würden. Je näher der September rückte, desto mehr haben wir uns dann aber doch die Frage gestellt, ob die WerbeWiesn stattfinden kann. Im Mai schon und wiederholt am 15. Juni haben wir vom Kreisverwaltungsreferat der Stadt München, das für die Genehmigung von Veranstaltungen zuständig ist, das mündliche Vorab-Signal erhalten, dass, aufgrund der Struktur der WerbeWiesn als geschlossene Veranstaltung mit geladenen Gästen, verbunden mit dem üblichen Hygienekonzept, am 9. September die Tore wohl wie geplant geöffnet werden können.

Welche Auflagen müssen Sie erfüllen?

Thomas Gottschall: Wie ein Hygieneschutzkonzept ganz konkret aussieht, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht definieren, da sich die behördlichen Anforderungen hierzu immer wieder ändern und bis September noch weiter ändern werden. Da geht es uns in Bayern nicht anders als in den anderen Bundesländern. Im Detail können wir ein solches Konzept wohl erst im August verbindlich festlegen. Einige grundsätzliche Maßnahmen allerdings sind schon jetzt klar: Wir werden alles dafür tun, um die Einhaltung des Abstandsgebots zu gewährleisten, sowie ausreichend Desinfektionsspender vorhalten. Zur Reinigung und Desinfektion der Toilettenräume in der Messelocation – der Zenith-Halle in München – wird ganztägig Personal abgestellt, zudem ist die Halle sehr hoch, was eine gute Durchlüftung möglich macht. Für alle Teilnehmer der WerbeWiesn wird ein Mund-Nasen-Schutz Pflicht sein – anders als etwa in Thüringen ist dieser in Bayern auch im öffentlichen Leben weiterhin vorgeschrieben, was ich für sehr sinnvoll erachte, solange es keinen Impfstoff gegen das Coronavirus gibt. Wir werden unseren Mitarbeitern, Ausstellern und Besuchern nicht nur Mundschutz, sondern auch Einmal-Handschuhe zur Verfügung stellen, sodass das Anfassen von Mustern gefahrlos möglich wird. Die meisten Maßnahmen sind uns allen inzwischen aus dem Besuch von Supermärkten, Baumärkten oder Restaurants vertraut. Der Besuch der WerbeWiesn wird diesbezüglich also in etwa mit dem Einkaufen vergleichbar sein.

Logo WW blau auf weiß - „Das Dirndl wird vom Mundschutz nicht verdrängt“Die WerbeWiesn findet jedes Jahr im September im Vorfeld des München Oktoberfestes statt und wird von fünf Werbeartikelagenturen gemeinsam organisiert: Admixx, Amedea, CD Werbemittel, Eidex und Hagemanngruppe. Veranstaltungstermin ist dieses jahr der 9. September, Veranstaltungsort die Zenith-Halle in München. Erwartet werden rund 130 Aussteller, als Besucher eingeladen sind die Kunden der fünf Trägeragenturen. Im Rahmen der Messe werden außerdem die Best of Bestseller-Awards verliehen.

www.werbe-wiesn.de

In normalen Jahren haben Sie etwa 800 Besucher auf der WerbeWiesn zu Gast, die der Einladung der fünf Trägeragenturen folgen. In vielen Unternehmen herrschen aber z. B. zurzeit noch Dienstreiseverbote. Wie schätzen Sie das Besucherverhalten für September ein?

Thomas Gottschall: Wir gehen davon aus, dass wir dieses Jahr weniger Besucher haben werden als sonst. Allerdings gelten die angesprochenen Dienstreisebestimmungen in vielen Unternehmen erst einmal nur bis zum 31. August. Seit den Pfingstferien kehren zudem in Bayern mehr und mehr Mitarbeiter aus dem Homeoffice zurück in die Büros, sodass sich der Arbeitsalltag an vielen Stellen langsam normalisiert. Wir als Veranstalter schauen hier besonders nach Österreich, dort ist man in der Entwicklung immer ein paar Wochen voraus. Corona- Einschränkungen treten dort zusehends in den Hintergrund im Wirtschaftsleben, das nehmen wir als positives Signal. Zudem denken wir, dass die Besucher, die im September zu uns kommen, besonders interessiert und motiviert sind, also ein intensives Beraten und Präsentieren an den Ständen stattfinden kann.

Welche Maßnahmen planen Sie, um die Besucherströme zu steuern und dafür zu sorgen, dass genug Abstand im Gebäude vorhanden ist?

Thomas Gottschall: Wir gehen derzeit davon aus, dass zusätzlich zu den Ausstellern an ihren Ständen 300 Besucher zeitgleich in der Location sein dürften. Bei den 130 Ausstellern, die für dieses Jahr bei uns gebucht haben, wären das rechnerisch zwei Besucher zeitgleich pro Stand – eine nahezu ideale Zahl. Unsere Gänge sind ca. drei Meter breit, was die Besucherströme auch in normalen Jahren entzerrt. Zudem sind die Stände durch Wände voneinander getrennt, was zusätzlichen Schutz bzw. Abstandsmöglichkeiten zwischen den Standflächen bietet. Wir erarbeiten gerade einen Leitfaden für die Aussteller, um sie zu briefen, damit z. B. keine größeren Ansammlungen vor oder auf den Ständen entstehen. Zudem werden wir möglicherweise Ordner einsetzen müssen, die auf das Abstandsgebot hinweisen und so die Aussteller unterstützen. Über unser Einlasssystem dMas können wir zu jedem Zeitpunkt sehen, wie viele Besucher sich gerade in der Halle aufhalten. Neu ist für uns, dass wir dafür die Besucher dann auch beim Verlassen der WerbeWiesn scannen müssen. Da wir aber mit insgesamt weniger Besuchern rechnen als in regulären Jahren, legen wir keine Zeitfenster für den Besuch fest oder steuern die Anwesenheit auf andere Weise. Vielleicht wird der eine oder andere ein paar Minuten warten müssen, bevor er eingelassen werden kann, aber wir rechnen nicht mit Traubenbildung. Um die Gesamtsituation auch mit Blick auf Corona-bedingte Beschränkungen wirklich gut einschätzen zu können, warten wir mit dem Verschicken der Einladungen an die Besucher dieses Jahr bis ca. Mitte Juli: Normalerweise laden wir bereits im Mai oder Juni zur WerbeWiesn ein. Wir wollten aber sichergehen, dass wir nicht zu etwas einladen, das dann doch nicht stattfinden darf. Im Mai hätte zudem noch niemand ernsthaft einschätzen können, ob er im September eine Messe besuchen kann oder will – im Juli sieht das sicherlich anders aus.

Nach vielen Monaten ohne Werbeartikelmessen: Scharren Aussteller und Besucher mit den Hufen, endlich wieder in persönlichen Kontakt zu kommen?

tgottschall - „Das Dirndl wird vom Mundschutz nicht verdrängt“

Thomas Gottschall, CEO von Eidex

Thomas Gottschall: Sehr viele unserer Aussteller haben uns signalisiert, dass sie sich wahnsinnig freuen, dass wir die Messe stattfinden lassen. Sie finden es wichtig, endlich wieder in Kontakt zu kommen, ihre Produkte präsentieren und Projekte besprechen zu können. Die starken Marken im Werbeartikelmarkt stehen hinter dem Tool „Messe“ als Begegnungs- und Businessplattform. Das Jahresendgeschäft ist traditionell sehr wichtig in unserer Branche – dieses Jahr vielleicht noch wichtiger als sonst. Und auf die WerbeWiesn kommen auch viele Kunden, die dort bereits fürs erste Quartal des kommenden Jahres einkaufen: Für die Automobilbranche findet da z.B. eine wichtige Messe statt, für die bereits im Herbst die Marketingaktionen geplant werden. Gestrichene Werbebudgets sind für uns natürlich verloren – aber viele Unternehmen haben ihre Budgets mit dem Beginn der COVID19-Pandemie nur eingefroren oder aus Mangel an Werbeanlässen nicht ausgegeben. Diese Kunden wollen jetzt wieder einkaufen, denn sie wissen, dass es gerade in Zeiten, in denen das Geschäft kein Selbstläufer ist, umso wichtiger ist, zu werben.

Die WerbeWiesn ist von der Ausgestaltung eng an das Münchner Oktoberfest angelehnt: Die Halle ist wie ein Festzelt geschmückt, Aussteller und Besucher tragen Tracht, es gibt einen traditionellen Fassanstich zur Mittagszeit, die Gäste werden mit bayrischen Speisen vom Buffet verköstigt. Hat die Absage des Oktoberfests einen Einfluss auf diese Umsetzung?

Thomas Gottschall: Nein, absolut nicht. Das Dirndl wird vom Mundschutz nicht verdrängt! Im Gegenteil: Wenn die Leute schon nicht zum Oktoberfest Tracht tragen können, dann freuen sie sich vielleicht, dass sie sie zumindest bei uns anlegen können. Auch auf den Fassanstich müssen wir wahrscheinlich nicht verzichten, es ist kein Problem, dort den notwendigen Abstand einzuhalten. Was die Speisen angeht, planen wir gerade mit unserem Caterer die Umsetzung. Ein offenes Buffet dürfen wir nicht aufbauen, ebenso wenig Biertische und -bänke zum Sitzen während des Essens. Wir werden voraussichtlich bayrische Schmankerl „to go“ an kleinen Essensständen ausgeben, die die Leute dann im Gehen verspeisen können. Kein Besucher hat übrigens je den Besuch der WerbeWiesn an den Besuch des Oktoberfests geknüpft: Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz in München, dass man eine Messe nicht während der Wiesn veranstaltet. Daher liegt unsere Veranstaltung immer drei oder vier Tage vor dem offiziellen „Anstich“ des Münchner Oktoberfests.

Die Umsetzung der WerbeWiesn muss mit fünf Agenturen gemeinsam abgestimmt werden. Erschwert das unter so außergewöhnlichen Umständen die Entscheidung, ob es sinnvoll ist, die Veranstaltung durchzuführen oder nicht?

Thomas Gottschall: Alle fünf Trägeragenturen sind sich derzeit einig, die Organisation der WerbeWiesn mit dem Ziel weiter zu führen, diese auch stattfinden zu lassen. Vor dem Versand der Einladungen sprechen wir aber alle noch einmal miteinander über die aktuelle Situation und hoffen darauf, dass es inzwischen keine Rückschläge in der Bekämpfung der Pandemie geben wird. Als Veranstalter der WerbeWiesn möchten wir vor allem auch ein Zeichen setzen: Es geht wieder los, wir verstecken uns nicht, traut Euch raus! Als Unternehmer bin ich vorsichtig optimistisch, dass diese Haltung sich auszahlt: Wir bereiten uns optimal auf die Veranstaltung vor, setzen alle erforderlichen Maßnahmen um und geben alles, um unseren Kunden eine attraktive und gefahrlose Veranstaltung zu bieten. Wenn alle Aussteller und Mitarbeiter mitziehen und sich an die „Regeln zur neuen Normalität“ halten, sollte das auch klappen.

printfriendly pdf email button md - „Das Dirndl wird vom Mundschutz nicht verdrängt“