Zu einem etwas anderen Round Table-Gespräch luden die Werbeartikel Nachrichten erstmals Ende Mai d.J.: Marco Kaldenbach (Geschäftsführer der Kaldenbach Group), Peter Leseberg (Marketingleiter von Reflects), Erwina Styra (Geschäftsführerin von Skarpeta) und Uwe Thielsch (Sales Director Incentives & Promotion bei koziol) diskutierten gemeinsam mit Till Barth und Dr. Mischa Delbrouck von WA Media über das Werbeartikelbusiness in Corona-Zeiten und die Folgen der Krise für die haptische Werbung. Das Ganze fand – natürlich – online statt. Ein Zusammenschnitt des Zoom-Konferenz findet sich im Netz, hier gibt es die Printfassung. In der kommenden Ausgabe der WA Nachrichten, Nr. 400, folgt zudem die Druckversion einer zweiten Online-Konferenz mit Lieferanten und Händlern Ende Juni.

Slider Corona WN399 965x355 - WA Media Talkrunde: „Nerven behalten und weitermachen”

Zwei Monate im Lockdown liegen hinter uns. Wie lautet Ihre Bilanz, und wie ist die aktuelle Lage in Ihren Unternehmen?

Erwina Styra: Als kleiner, fünfköpfiger Betrieb konnten wir schnell reagieren und haben alle Mitarbeiter sofort ins Homeoffice geschickt. Ich bin jetzt allein im Büro, zwei bis drei Stunden täglich, weil ich „nebenbei“ Zwillinge betreuen muss. Diese Zeit reicht aber aus, um die Aufträge, die wir derzeit noch haben, zu bearbeiten. Die Auftragslage vor dem Lockdown war vielversprechend, und so haben wir viel abgearbeitet und konnten die Aufträge ordnungsgemäß abschließen. Insgesamt sind wir der Krise mit Zuversicht begegnet. Wir haben versucht, die Ruhe zu bewahren und die Situation als eine „Entschleunigungspause“ für alle zu sehen – es wusste ohnehin niemand, was kommt und wie lange es dauern würde. Einige Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, z.T. zu 100%, aber die Stimmung ist positiv. Wir sind ein kleines und damit flexibles Unternehmen, das ist eine gute Ausgangssituation.

Herr Leseberg, Reflects ist mit einer neuen Markenstruktur ins Jahr 2020 gestartet und hat dementsprechend zahlreiche Marketing- und Vertriebsaktivitäten geplant. Liegt jetzt alles brach?

Peter Leseberg: Für uns begann die Corona-Krise direkt nach Chinese New Year: Wir haben die Ware nicht erhalten wie gewünscht, die Kunden mussten warten. Das hat uns sehr viel Zeit und Mühe gekostet. Als der Shutdown kam, haben wir nach einem klaren Plan Vertrieb, Produktion, Verwaltung und Lager getrennt, damit immer ein Teil handlungsfähig bleibt. Unsere Befürchtung, ganze Bereiche in Quarantäne schicken zu müssen, ist zum Glück nicht eingetreten. Wir haben bis heute keinen einzigen Corona-Fall, obwohl wir rund 100 Leute in Köln beschäftigen. Wir sind relativ schnell auf Kurzarbeit gegangen, im Außendienst z.T. auf 100%. Die vergangenen Monate waren umsatztechnisch noch von den zum Teil hohen Auftragsbeständen geprägt. Mittlerweile schlägt der reduzierte Auftragseingang verstärkt durch. Jetzt stellen wir eine gewisse Belebung fest und erhalten wieder mehr Anfragen, aber insgesamt ist die Auftragslage total zögerlich und weit vom Niveau des letzten Jahres entfernt. Nachdem wir im Januar mit den neuen Marken aufgetreten waren, wollten wir sie im April und Mai mit aufwendigen Aktionen auf exklusive Weise an die Kunden herantragen. Das klappte nicht, weil viele Mitarbeiter in Kurzarbeit und die Kunden nicht aufnahmefähig waren. Wir werden die geplanten Aktivitäten nun schrittweise, reduziert und kostenoptimiert nachholen.

Wie ist die Situation bei koziol, Herr Thielsch?

Uwe Thielsch: Ich kann sagen, dass wir ein hervorragendes Krisenmanagement hingelegt haben. Wir haben die Teams aufgeteilt, den Vertrieb komplett getrennt und sehr umfangreiche Hygienemaßnahmen mit Spuckschutz, Desinfektionsspendern usw. eingeführt. Und so ist glücklicherweise kein Mitarbeiter vom Virus betroffen. Der Zusammenhalt innerhalb des Unternehmens ist spürbar gewachsen. Auch bei uns herrscht Kurzarbeit, aber es beschwert sich niemand, jeder versteht die Situation, ist total engagiert und arbeitet konzentriert. Auf diese Weise ist es uns auch gelungen, in kurzer Zeit ein für die Zeit wichtiges Produkt buchstäblich „aus dem Stahl zu schnitzen“ – unsere Kunststoff-Maske HI. Diese soll die krisenbedingten Verluste, die wir haben, kompensieren und ist gleichzeitig ein wunderbarer Anker, um den Kontakt zu den Kunden nicht zu verlieren. Wir haben eine sehr hohe Kapazität, um die Maske auszustoßen und nach ganz Europa zu liefern, und sie kommt sehr gut an – sowohl bei den Händlern als auch bei den Anwendern.

Konnten Sie mit den Masken tatsächlich wie erhofft Umsatzverluste auffangen?

Uwe Thielsch: Von den rund 40 Spritzgussmaschinen, die wir haben, fertigen derzeit vier Maschinen unsere Masken, weitere vier sollen folgen. Das kann die Defizite nicht auffangen, die der Lieferstopp in verschiedenen europäischen Regionen sowohl im Fachhandel als auch im Promotionbereich hinterlässt. Dafür sind die Einbrüche einfach zu massiv.

Sind Fach- und Werbeartikelhandel beide gleich stark betroffen oder gibt es Unterschiede?

Uwe Thielsch: Wir sind mit einem interessanten Sortiment in ein tolles erstes Quartal gestartet, und davon leben wir aktuell in den letzten Zügen. Der Mai wird als Ausläufer vom ersten Quartal noch gut werden, danach wird es dann deutlich schwieriger. Zwar stellen wir aktuell eine kleine Belebung fest, aber es ist kein Vergleich zum normalen Geschäft. Jetzt wäre eigentlich die Zeit, in der eine Menge Traffic ist und Projekte angestoßen werden – das fehlt.

Uwe Thielsch,Sales Director Incentives & Promotion bei koziol

„Es gibt wenig Gewinner in dieser Krise.“

Herr Kaldenbach, was gibt es bei Ihnen zu berichten?

Marco Kaldenbach: Ich habe die Situation anfangs falsch eingeschätzt, aber dann die meisten Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Vor Ort sind jetzt nur noch Geschäftsleitung und Auszubildende. Dass wir vor einem Jahr auf ein papierloses Büro umgestellt haben, kam uns jetzt zugute, und die Umstellung verlief reibungsloser als gedacht. Das erste Quartal war besser als der Vorjahreszeitraum. Im März, April und Mai kamen dann so gut wie keine Anfragen mehr, zudem wurden einige Aufträge zurückgenommen. Wir sind dann nach anfänglichem Zögern ins Maskengeschäft eingestiegen und haben einen zuverlässigen Partner in Asien gefunden, der ohne Vorkasse liefert. Auf diese Weise konnten wir den April auch noch retten. Glücklicherweise haben wir auch Kunden mit Abnahmeverpflichtungen, davon werden wir die nächsten Monate noch zehren. Das normale Business jedoch, etwa Produkte für Messen oder Außendienstbesuche, ist gnadenlos weggebrochen. Auch der Bereich Displays – wir produzieren ja mobile Monitorwände – ist komplett tot. Der Automotive-Sektor war sowieso Ende letzten Jahres schon zögerlich unterwegs, aber das hat kaum jemand mitbekommen, und das waren Peanuts im Vergleich zur jetzigen Krise.

Wie sieht es in anderen Branchen aus?

Marco Kaldenbach: Möbel und Kunstgewerbe z.B. sind Bereiche, die nach wie vor laufen – die Verbraucher igeln sich ein und investieren in Ihr Zuhause. Unsere Kunden sitzen jedoch vorrangig in der technischen Industrie, im Automobil- und Zulieferbereich, und da sieht es schlecht aus. Bei vielen Unternehmen, selbst dort, wo wir an die Inhaber direkt verkaufen, herrscht vorerst kompletter Bestellstopp.

Nun gibt es verschiedene Strategien, sich durch die Krise zu navigieren, z.B., dass man auf Produkte umsteigt, die aktuell gefragt sind – allen voran Masken. Wie stehen Sie dazu?

Marco Kaldenbach: Masken waren eine Zeit lang ein tolles Business mit viel Umsatz, wenn man wie wir zuverlässig liefern konnte. Die sogenannten Klinikmasken sind jedoch inzwischen in der Nachfrage gesunken, und der Markt hat sich normalisiert – jetzt werden viele ihre Masken nicht mehr los. Das Problem war auch, dass es wahnsinnig viele unseriöse Anbieter im Markt gibt. Ich hatte deshalb zunächst Bedenken, mich in dieses Feld zu begeben, aber es hat sich als richtig erwiesen, auch, weil es neue Kundenkontakte gebracht hat, z.B. zu Kliniken. Das Geschäft mit den Masken ist jetzt aber vorbei und wird eine Eintagsfliege bleiben, es sei denn, eine zweite Welle kommt. Was wir nach wie vor gut verkaufen, ist unser Multifunktionstuch, wenngleich wir höhere Lieferzeiten und Frachtkosten haben als letztes Jahr.

Peter Leseberg: Wir haben bereits im März Community-Masken angeboten und erfolgreich verkauft. Nachdem wir den Markt sondiert und frühzeitig Gespräche mit Sicherheitsbehörden und Zoll geführt hatten, haben wir beschlossen, keine medizinischen und speziellen Partikelfiltermasken anzubieten. Wir konnten sehr schnell gute Umsätze realisieren, hatten aber sehr stark mit hohen Luftfrachtraten und pünktlichen Lieferungen zu kämpfen. Manche Marktbegleiter haben z.T. noch sehr große Mengen auf Lager liegen. Das ist für den ein oder anderen früher oder später sicher ein Cashflow-Problem. Der Verkaufspreis der Masken hat sich in den letzten Wochen häufig nach unten korrigiert. Das würde sich erst wieder ändern, wenn eine zweite Welle käme, was wir uns natürlich alle nicht wünschen.

Also sehen Sie den Masken-Hype mit Skepsis?

Peter Leseberg: Der Markt ist brutal überschätzt worden. Es ist davon ausgegangen worden, dass sich Verkäufe sehr viel länger realisieren lassen. Das ist augenblicklich nicht so, und das rächt sich jetzt bei vielen, auch bei Anwendern, die sich prophylaktisch eine Charge Mundschutze hingelegt haben, die nun keiner mehr braucht, zumal die Preise wieder auf ein Normalniveau heruntergehen. Masken, die vor einem Jahr 5 Cent kosteten, wurden zeitweise für 1, 49 Euro verkauft – man fühlte sich wie im falschen Film. Doch nicht nur die Preisexplosion war fragwürdig, sondern auch der laxe Umgang mit medizinisch relevanten Produkteigenschaften. Da wurden dreilagige Non Woven-Masken als FFP-2 verkauft und dubiose Zertifikate ausgetauscht. Wer medizinisches Material in Verkehr bringt, muss nach medizinischen Normen zertifiziert sein. Viele Wettbewerber haben das ignoriert, aber ihre Kunden haben dennoch bei ihnen gekauft. Unterm Strich gesehen haben wir mit Masken einen respektablen Umsatz gemacht, der wohl aber in dieser Form nicht wiederholt werden kann.

Peter Leseberg, Marketingleiter von Reflects

„Was das Volumen betrifft, wird der Markt vielleicht nie wieder dahinkommen, wo er einmal war.“

Werden Community-Masken als modisches Statement oder Corporate Wear-Trend erhalten bleiben?

Peter Leseberg: Ich glaube nicht daran. Gefühlt jeder Anbieter verkauft Masken, und das Angebot ist im Vergleich zur Nachfrage viel zu groß. Man hat vor kurzem z.B. noch damit gerechnet, dass in Produktionseinheiten alle Mitarbeiter Masken tragen würden, aber das passiert nicht, stattdessen werden lieber die Arbeitsplätze auseinandergerückt. Wer einmal über Stunden eine Maske getragen hat, weiß, wie unangenehm das ist.

Uwe Thielsch: Ich sehe das anders als Peter. Die Maske wird uns eine längere Zeit begleiten. Wir haben auf eine nachhaltig produzierte Community-Maske gesetzt, die den Träger schützt und Respekt vor den anderen ausdrückt, und sie preislich so positioniert, dass wir außerhalb des Preisdumpings stehen. Ich glaube schon, dass es Unternehmen gibt, die sich über eine Maske in einer entsprechenden Farbe und mit einer Werbeanbringung definieren werden, auch in der Arbeitswelt. Natürlich kostet unsere Maske erst einmal mehr, aber durch den auswechselbaren Filter bieten wir eine lange Nutzungsdauer und damit dem Anwender auf lange Sicht eine Kostenersparnis.

Frau Styra, haben Sie auch über Masken nachgedacht?

Erwina Styra: Ich wollte erst den Socken treu bleiben, aber dann hat es mich auch „erwischt“, es war bei unserem Produkt auch naheliegend. Wir konnten ziemlich schnell Masken umsetzen und anbieten. Die Maskenpflicht wird in einigen Bereichen noch länger bestehen, als wir uns vorstellen können, und aus der Notsituation könnte sich ein Trend entwickeln. Das sehen wir auch in unserem Ulmer Conceptstore: Als wir wieder öffnen durften, waren Socken plötzlich zweitrangig – die Leute wollten Masken. Der Bedarf ist nach wie vor da, nur, dass inzwischen viele nicht mehr über die Schutzfunktion einer Maske nachdenken, sondern überlegen, welche Farbe zu ihrem Kleid passt. Wir als Branche können da nicht nur unsere Kreativität einbringen, sondern auch Optimismus stiften und Zielgruppen ein Lächeln aufs Gesicht zaubern.

Flexibilität und Kreativität haben die Branche schon in der Vergangenheit ausgezeichnet. Leider jedoch reagiert der Werbeartikelsektor sehr sensibel auf wirtschaftliche Einbrüche. Wie werden die Folgen der Corona-Krise für die haptische Werbung aussehen?

Erwina Styra: Es wird eine Marktbereinigung geben. Viele Unternehmen werden die Krise nicht überleben. Was wir jedoch nicht vergessen dürfen: Wir sind alle betroffen, nicht nur die Werbeartikelbranche, sondern auch andere Branchen, und diese z.T. noch mehr als wir, weil sie weniger beweglich sind. Ein positiver Aspekt der Krise ist, dass wir erkennen, wie wichtig das Miteinander ist. Die letzten Wochen und Monate brachten eine Welle der Solidarität – jeder unterstützt den anderen. Die Krise bietet darüber hinaus die Chance, sich zu fokussieren und zu besinnen. Viele werden deshalb gestärkt aus ihr hervorgehen. Natürlich weiß niemand, wie lange es noch so wie jetzt weitergeht. Bis Ende des Jahres steht für viele Marktplayer noch ein Riesenkampf an.

Uwe Thielsch: Ich glaube auch, dass Corona wie ein Katalysator wirken wird. Wer schon vor der Krise angeschlagen war, hat große Probleme, sie zu überstehen. Das ist schade um jedes einzelne Unternehmen. Wir sollten uns deshalb solidarisch verhalten und gemeinsam mit dem Handel versuchen, die Lage zu meistern, kreativ gegen sie anzugehen und dafür zu sorgen, dass es alle in irgendeiner Weise schaffen. Denn ich glaube, es gibt wenig Gewinner in dieser Krise.

Marco Kaldenbach: Das sehe ich genauso. Ich denke, dass uns das Thema noch viel länger beschäftigen wird, als mancher denkt. Ich habe meine Szenarien durchgerechnet bis Ende nächsten Jahres – mit dem Worst Case, dass der Auftragseingang sehr, sehr mau ist. Weil sicherlich viele angeschlagene Unternehmen Kredite in Anspruch nehmen werden, wird die Marktbereinigung mit deutlicher Verzögerung eintreten und sich vielleicht noch über Jahre hinziehen. Problematisch wird es, wenn sich mit einem Wiederaufleben der Konjunktur sehr viele Wettbewerber auf die wenigen Aufträge stürzen. Der Preisdruck, der bei normalen Produkten ohnehin schon da war, wird sich so nochmals verstärken. Um aus dem Preiskampf herauszukommen, setzen wir deshalb ganz stark auf unsere Fulfillment-Kunden sowie auf unsere Eigenmarken, denn es wird ein ziemliches Hauen und Stechen geben.

Das bedeutet doch einen ziemlichen Rückschritt: Die Branche war ja eigentlich schon so weit, dass sich mehr und mehr Unternehmen darüber bewusst geworden sind, dass man keine Preiskämpfe ausfechten kann, wenn man gleichzeitig Nachhaltigkeit, sichere Produkte und Qualität verlangt?

Marco Kaldenbach: Wenn Mittelständler mehrere Tausend Stück irgendeines Produktes anfragen, geht es eigentlich nur um den Preis. Unsere Mitbewerber rufen z.T. wahnsinnige Dumpingpreise auf. Ich fürchte, dass sich das verstärken wird. Mit Nachhaltigkeit ist es wie im Verbrauchermarkt auch: Dem einen ist es wichtig, dem anderen nicht. Wir als Unternehmen setzen auf Nachhaltigkeit und klammern dabei einen großen Kundenbereich aus.

Erwina Styra, Geschäftsführerin von Skarpeta

„Ich kann mir sogar vorstellen, dass die Zeit nach Corona geradezu intensiv wird und dass die Kunden hungrig sein werden.“

Im letzten Jahr war die Branche so nachhaltig wie nie und spiegelte damit eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung wider, die im Zeichen von Fridays for Future stand. Seit einigen Monaten nun ist der Megatrend Nachhaltigkeit in den Hintergrund getreten, und es gibt nur noch ein Thema, nämlich Corona. Was wird nach der Krise, wenn plötzlich nur noch über Preise gesprochen wird, aus der Nachhaltigkeit?

Uwe Thielsch: Für uns als deutscher Hersteller bleibt es eine unserer wichtigsten strategischen Ausrichtungen für die Zukunft, dass wir nachhaltig agieren, nachhaltig denken und nachhaltig mit unseren Kunden umgehen. Es stimmt: In den letzten Monaten wurde das Thema komplett überlagert. Es ist unfassbar, wieviel Müll zurzeit produziert wird, man denke nur an all das Essen in Einwegverpackungen oder die Einwegmasken, die überall auf der Straße liegen. Aber ich glaube, dass nachhaltiges Leben und Handeln wiederkommen und nach der Krise wieder sehr wichtig sein wird.

Immerhin ist das „Kunststoffbashing“, das im Zuge der Nachhaltigkeitsdebatte stellenweise betrieben wurde, ebenfalls in den Hintergrund getreten: Plötzlich ist Kunststoff wieder gut, weil hygienisch. Ist das vielleicht ein kleiner Vorteil für Kunststoffproduzenten wie koziol?

Uwe Thielsch: Uns hat das Bashing eigentlich ganz gut gefallen, denn zum ersten Mal hat man uns zugehört. Und wer zuhört, der erfährt, dass es große Unterschiede zwischen Einweg und Mehrweg gibt und dass Kunststoff eigentlich ein ziemlich nachhaltiges Material sein kann. Durch diese Konfrontation konnten wir viele Menschen zum Umdenken bewegen. Aber es stimmt: Das Bashing ist weg.

Ein für die Branche wichtiger Trend, der aus der Nachhaltigkeitsdebatte geboren wurde, waren To go-Produkte. Wird die Nachfrage nach Mehrwegbechern etc. durch Corona zurückgehen?

Peter Leseberg: Natürlich leiden diese Produkte momentan, aber ich glaube, dass sie nach der Krise besser dastehen werden als vorher – wie überhaupt das gesamte Thema Nachhaltigkeit. Es hängt davon ab, wie die gesellschaftlichen Kräfte wirken. Gehen wir wieder zurück und verschwenden wir wieder, oder kommen wir zur Besinnung und fangen anders an? Ich bin eigentlich guter Dinge, dass ein Besinnungseffekt eingesetzt hat.

Erwina Styra: Viele Gastronomiebetriebe hatten ja auch überhaupt nur eine Chance, weil sie auf To-go umgestellt haben. Ein kleines Beispiel, an dem man sehen kann: Es gibt wenig Negatives, das sich nicht auch zum Positiven wenden lässt.

Wie sehen Sie die Chancen, dass sich im Herbst das Geschäft wieder belebt?

Peter Leseberg: Wir haben verschiedene Szenarien entworfen und befürchten, dass sich das Geschäftsniveau in der Branche insgesamt in den Monaten Juni bis September auf einem Niveau von ca. 30 bis 50% des Vorjahres bewegen wird. Experten gehen bis September von einem Geschäftsniveau von 30% aus, danach von einer Verbesserung, um am Ende des Jahres bei 60 bis 70% zu landen – vorausgesetzt, es kommt keine zweite Infektionswelle, was katastrophal wäre. Wir hoffen, dass das Weihnachtsgeschäft in diesem Jahr wichtig wird, weil die Unternehmen am Ende eines entbehrungsreichen Jahres zur Normalität zurück wollen, aber wir rechnen insgesamt mit einem Niveau von 30 bis 60%.

Marco Kaldenbach: Ja, das halte auch ich für realistisch. Es gibt durchaus Unternehmen, die ihre Kunden jetzt intensiv kontaktieren, um sie bei der Stange halten. Wie so oft steht und fällt vieles mit dem Standing des Werbeartikels im Marketingmix. Dass wir immer noch häufig als „Geschenkeclowns“ hinten anstehen, macht es nicht einfacher.

Peter Leseberg: Wir wissen alle um den haptischen Effekt, der den Werbeartikel den anderen Medien überlegen macht, weil man mit der Übergabe etwas verbindet und dadurch ein langanhaltender Erinnerungseffekt entsteht. Aber genau das fällt uns jetzt gerade auf die Füße: Dass Messen, Events und Seminare nicht stattfinden, dass der Außendienst – wahrscheinlich der größte Überbringer von Werbeartikeln überhaupt – nahezu inaktiv ist, sind Riesenprobleme. Der Hauptnutzen, den der Werbeartikel hat, kann jetzt gerade nicht ausgespielt werden.

Uwe Thielsch: Wobei ja die ein oder andere Messe demnächst in der Tat stattfinden soll. Man hat eine Menge entbehrt, nun will man seinen Kunden und Partnern Wertschätzung entgegenbringen. Ich hoffe, dass das mit Werbeartikeln geschieht, dass die Kunden wieder auf Messen kommen und wir Möglichkeiten haben werden, eine gewisse Belebung einzuleiten.

Peter Leseberg: Andererseits haben viele jetzt gelernt, mit ihren Kunden Videokonferenzen abzuhalten, anstatt dorthin zu fahren. Das wird einen Einfluss haben. Ich glaube durchaus, dass die Leute aus der „Kasernierung“ heraus wollen, aber es wird in Zukunft weniger persönliche Gespräche geben und mehr im Digitalen stattfinden, das wird dem Werbeartikel nicht gut zu Gesicht stehen.

Nun sind Werbeartikel nicht nur Kontaktgeschenke, es gibt noch viele andere Einsatzmöglichkeiten.

Peter Leseberg: Natürlich, aber wir reden ja über einen Markt, und die Frage ist, ob Ausfälle in dem einen durch andere Bereiche kompensiert werden können. Was das Volumen betrifft, wird der Markt vielleicht nie wieder dahinkommen, wo er einmal war.

Marco Kaldenbach, Geschäftsführer der Kaldenbach Group

„Das Geschäft mit den Masken ist jetzt vorbei und wird eine Eintagsfliege bleiben.“

Marco Kaldenbach: Ich denke schon, dass der Markt dieses Volumen wieder erreichen kann, es wird nur dauern. Vielleicht wird es weniger Kundenbesuche geben – was ich persönlich sehr schade finde –, aber natürlich kann man mit Werbeartikeln noch viel mehr machen: Das Thema Zugaben ist z.B. total unterbewertet, auch Mailingverstärker und personalisierte Sendungen sind ein großer Bereich, mit dem man Einiges auffangen kann.

Uwe Thielsch: Das stimmt. Der Werbeartikel als einfaches Werbepräsent – das ist mir zu wenig. Bereiche wie Kundenbindung, Zugaben, Gewinnspiele oder Prämien – sei es am POS oder digital – spielen bei uns in Deutschland noch eine untergeordnete Rolle, werden aber z.B. in Italien riesengroß gespielt. Der haptische Werbeträger hat nach wie vor Luft nach oben. Ich hoffe auch, dass wir irgendwann das alte Niveau wieder erreichen oder vielleicht sogar übertreffen werden, aber es wird lange dauern.

Erwina Styra: Ich kann mir sogar vorstellen, dass die Zeit nach Corona geradezu intensiv wird und dass die Kunden hungrig sein werden. Wir werden vieles anders wahrnehmen, weil wir es eine Zeit lang entbehrt haben. Natürlich wird man bewusster planen, aber das Gespräch, wenn es denn stattfindet, wird vielleicht ein ganz anderes sein. Vielleicht wird Geld bewusster ausgegeben, aber der Wille, zu investieren, wird da sein, auch wenn gerade noch niemand an Werbung denkt.

Zum Schluss: Was kann denn die Branche aus sich selbst heraus jetzt tun, um nach vorne zu kommen?

Erwina Styra: Wir sind kreativ, und wir sind flexibel. Wichtig ist, dass wir uns treu bleiben und die Situation annehmen. Sie ist da, und wir müssen das Beste aus ihr machen – nach vorne schauen, neue Wege gehen, neue Konzepte entwickeln. Gerade, weil wir so kreativ sind, wird noch viel Spannendes auf uns zukommen.

Marco Kaldenbach: Wir waren ja eigentlich auf einem guten Weg. Ich bin seit über 20 Jahren dabei und argumentiere ebenso lange: Nimm ein vernünftiges Produkt, oder lass es sein. Das ist v.a. bei den großen Kunden inzwischen angekommen. Was die konzeptionelle Einbindung von haptischer Werbung in Kampagnen angeht, gibt es noch viel Spielraum und damit noch viel ungenutztes Umsatzpotenzial für uns. In Sachen Nachhaltigkeit schließlich gibt es nach wie vor viel Verlogenheit und viel zu viele minderwertige Produkte im Markt. Vielleicht ist die Krise eine Chance, dass die Anwender auch mal bestimmte Praktiken auf den Prüfstand stellen und zukünftig anders agieren.

Uwe Thielsch: Unsere Prämisse für die nächsten Wochen und Monate lautet: Nerven behalten und weitermachen. Konzentriert sein, konzentriert arbeiten, respektvoll mit Partnern umgehen, das Beste aus der Situation machen, kreativ sein, nachhaltig denken und leben – daran werden wir arbeiten.

// Das Gespräch führten Till Barth und Dr. Mischa Delbrouck am 27. Mai 2020.

Ein Zusammenschnitt der Zoom-Konferenz findet sich unter auf unserem YouTube-Kanal.

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