markedingSchweiz10 - „Wir verkaufen Emotionen“

Interview mit Michael Mätzener, marke|ding| Schweiz

Herr Mätzener, der Schweiz erzielte in verschiedenen Studien im Ländervergleich sehr gute Werte beim Kampf gegen die COVID-19-Pandemie. Wie ist die Situation zurzeit?

Michael Mätzener: Wir verzeichnen seit mehreren Wochen deutlich unter 50 Neuinfektionen pro Tag, befinden uns also mittlerweile, was die Ausbreitung der Krankheit angeht, in einem sehr grünen Bereich. Wirtschaftlich gesehen hat uns und insbesondere auch die Werbeartikelbranche die Krise schon arg getroffen. Das BIP ist um 3% gesunken, die Arbeitslosenquote von 2,4 auf 3,4% gestiegen, ein Viertel der arbeitenden Bevölkerung befindet sich in Kurzarbeit – das sind historische Tiefstände. Im Vergleich mit anderen Ländern jedoch ist unsere Situation noch komfortabel, weil viele Unternehmen über finanzielle Ressourcen verfügen und auch beim Konsumenten eine gewisse Kaufkraft nach wie vor vorhanden ist. Deswegen gibt es nun auch schon erste Zeichen einer Erholung der Wirtschaft – und das ohne die in der Schweiz eher verpönten Konjunkturpakete. Außerdem hilft es, dass die Regierung einen klaren Fahrplan aufgestellt hat. Die Daten, an denen neue Verordnungen veröffentlicht werden, stehen schon weit im Vorhinein fest. Man weiß, wo man dran ist, und wie es weitergeht – das gibt Planungssicherheit. Anders als im föderalistischen Deutschland sind die Regelungen zudem in allen Teilen der Schweiz dieselben. Jetzt geht es darum, soziale, wirtschaftliche und gesundheitliche Faktoren unter einen Hut zu bringen. Das Virus wird nicht verschwinden, wir müssen lernen, mit ihm umzugehen, ohne die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft lahmzulegen.

Hat dieser Lernprozess schon eingesetzt?

Michael Mätzener: Man spürt schon ein paar Veränderungen. Die Bereitschaft z.B., zuhause zu bleiben, wenn man sich nicht gut fühlt, ist sicher größer geworden. Außerdem ist Homeoffice – in der Schweiz schon immer weit verbreitet – nun endgültig salonfähig geworden. Mittlerweile macht sich auch eine gewisse Aufbruchstimmung bemerkbar. Die Leute haben das Bedürfnis, wieder rauszugehen, wieder in die Restaurants zu gehen und zu konsumieren.

markeding Schweiz - „Wir verkaufen Emotionen“Nach der Verschiebung des vom Schweizer Verband Promoswiss ausgerichteten Doppelevents PSF Forum/Touch ist die marke|ding| Schweiz die einzige Branchenmesse dieses Jahr in der Schweiz. Ursprünglich für den 11. März geplant, findet sie nun am 19. August in der Samsung Hall in Zürich statt. Eine Sondershow „green marke|ding|“ und das Vortragsprogramm Point of Haptic flankieren die Produktvorstellungen. Die Besucher aus Marketing und Einkauf werden über teilnehmende Werbeartikelagenturen eingeladen. Verantwortlich zeichnet die promoFACTS GmbH von Michael Mätzener.

www.markeding-schweiz.ch

Und auch auf Messen zu gehen?

Michael Mätzener: Die MICE-Landschaft liegt schon am Boden. Viele große Publikumsmessen, wie die Olma, mussten abgesagt werden, dazu die Kunstmesse Basel, die Uhren- & Schmuckmesse oder – als eine der ersten Veranstaltungen überhaupt – der Autosalon in Genf. Die Frage wird auch sein, wie die Veranstalter das nächste Jahr überstehen werden. Aber man spürt nun ein Bedürfnis, wieder an Messen teilzunehmen. Viele Kunden wollen raus und dürfen auch wieder raus. Besucher aus Konzernen, die im März abgesagt hatten, da ihre Unternehmen die Teilnahme an Veranstaltungen verboten hatten, haben uns nun zurückgemeldet, dass sie doch kommen dürfen. Natürlich gibt es auch manche, die eher angstgesteuert sind. Diese gilt es, abzuholen mit Konzepten, die verdeutlichen, dass wir als Messeveranstalter alles machen, damit sich die Besucher gut bewegen können und dabei stets geschützt fühlen.

Was sind die konkreten Maßnahmen auf der marke|ding| Schweiz?

Michael Mätzener: In den nächsten Tagen erwarten wir neue behördliche Vorgaben zur Durchführung von Messen. Die Politik in der Schweiz steht stark unter Druck, deswegen sind alle Aussagen derzeit nur unter Vorbehalt zu treffen. Möglich ist z.B. auch, dass die Einhaltung des Mindestabstands von bislang 2 m modifiziert wird und weitere Lockerungen vorgesehen werden, die die Durchführung eines Events vereinfachen. Dessen ungeachtet erarbeite ich bereits jetzt zusammen mit der Samsung Hall ein Schutzkonzept: Dazu gehören u.a. die Ausstattung der Halle mit Desinfektionsspender, Hinweise zum Einhalten der Abstandsregeln, das regelmäßige Durchlüften der Halle und auch das Briefing an Aussteller und Besucher, sich an die 15-Minuten-Regel zu halten, also die Verkaufsgespräche auf eine Viertelstunde zu begrenzen. Wichtiger Bestandteil des Konzepts ist zudem das Kontakt-Tracing. Wir werden die Besucher sowohl beim Ein- als auch beim Auslass scannen und können so ganz genau ermitteln, wer in welchem Zeitfenster da war – das ist elementar, wenn beim Auftreten eines Corona-Falles die Kontaktpersonen ermittelt werden. Aussteller, die das wünschen, erhalten zudem ein transparentes Schutzvisier. In der Schweiz gibt es keine Maskenpflicht, die Maske ist auch im öffentlichen Raum nicht sehr verbreitet – Untersuchungen haben ergeben, dass im ÖPNV gerade einmal 10% der Passanten Masken nutzen. Gerade auf einer Face-to-Face-Veranstaltung ist es elementar, dass man das ganze Gesicht sehen kann und dass unsere Aussteller den Besuchern ein Lächeln schenken können. Wir verkaufen schließlich auch Emotionen.

Bis Ende August sind Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Besuchern in der Schweiz untersagt, der Erfolg einer Veranstaltung wird jedoch häufig an den Besucherzahlen gemessen – ein Problem?

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Michael Mätzener

Michael Mätzener: Zunächst einmal bezieht sich die 1.000 Personen-Regel in der Schweiz tatsächlich nur auf die Besucher – die Aussteller werden also nicht mitgezählt – und gilt pro Raum. Indem wir in der Samsung Hall mehrere Räume bespielen, haben wir schon einmal mehr Möglichkeiten. Aber es muss jedem bewusst sein, dass die „neue Normalität“ im Bereich Messen und Events eine komplett andere geworden ist als vor einem Jahr. Galt früher eine No-Show-Quote von 30 bis 40% als normal, rechne ich dieses Mal mit einer No-Show-Quote von deutlich über 50%. Wir dürfen uns nicht über die Anzahl der Besucher profilieren, sondern über die Qualität der Gespräche. Wenn am Ende 500 bis 600 Besucher kämen, wäre das doch ein Zeichen, dass eine Messe funktioniert.

Ein Zeichen, das wahrscheinlich auch vom Werbeartikelmarkt gut aufgenommen würde?

Michael Mätzener: Wir müssen positiv denken, uns der Herausforderung stellen und unsere Erfahrungen machen, deswegen ist es wichtig, dass Werbeartikelmessen im Frühherbst wieder stattfinden. Unsere Branche muss das Risiko auf sich nehmen und zeigen, dass Werbung wichtig ist – gerade jetzt ist sie wichtiger denn je. Und gerade haptische Werbung – eine Werbeform, bei der die Emotion eine herausragende Rolle spielt. Wenn wir nicht nach draußen kommunizieren, wer soll es dann machen? Eine Messe durchzuführen wie die unsere, mit einem Konzept, bei dem sich alle sicher fühlen, bei dem der Respekt vor dem anderen im Vordergrund steht, hat auch eine gewisse Symbolkraft, dass sich die Branche nicht unterkriegen lässt.

Warum sind Messen so wichtig für die Außenwirkung des Mediums haptische Werbung?

Michael Mätzener: In unserer Werbeform geht es immer darum, den Mensch auf emotionaler Ebene zu erreichen, und dazu gehört nun einmal der direkte menschliche Kontakt. Messen präsentieren zudem einen Querschnitt durch das ganze Angebot. Wir wollen zeigen, wie man mit der ganzen Palette gegenständlicher Werbeträger Aufmerksamkeit für sein Unternehmen generieren kann. Wir dürfen diesen Branchenleitfaden nicht aus den Augen verlieren und müssen die ganze Innovationskraft der Branche abbilden, nicht nur die Schutzprodukte, die viele jetzt ins Programm aufgenommen haben, um eine gerade aufflammende Nachfrage bedienen zu können. Wir werden die Aussteller auch entsprechend bitten, am Stand keineswegs nur Masken zu zeigen.

Die marke|ding| Schweiz wird als erste Branchenveranstaltung, am 19. August ihre Tore öffnen. Warum dieser frühe Termin?

Michael Mätzener: Aus verschiedenen organisatorischen Gründen war eine Verlegung vom März in den September nicht möglich, der Oktober wäre zu spät gewesen, daher haben wir uns für den August entschieden – eine Woche nach den Schulferien in der Schweiz. In der Vergangenheit fand Mitte/Ende August über viele Jahre sehr erfolgreich die SuisseEmex statt – das Marketingpublikum ist diesen Termin also gewohnt. Auf die Besucherzahl dürfte dieser Termin in der Schweiz daher keinen negativen Einfluss haben.

 

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