Im Rahmen der markeding XPO veranstaltete WA Media den insgesamt dritten WA Media-Talk, dieses Mal zum Thema „Back 2 Business“. Zusammen mit Kaspar Benz (Pandinavia), Wolfgang Bosch (Mitraco), Thomas Gottschall (Eidex), Marcus Sperber (elasto) und Alexander Ullmann (uma) sprachen Till Barth und Dr. Mischa Delbrouck über die Auswirkungen der Pandemie aufs Business, die Folgen für die Messelandschaft, ausbleibende Preiskämpfe, die Sehnsucht nach Beratung und die nun gefragten Primärtugenden.

Slider WA Xchange WN408 965x355 - „Die Branche wird es immer weitergeben“

Wir haben den Talk analog zur markeding XPO mit „Back 2 Business“ überschrieben: Herr Bosch, wieviel Business ist denn derzeit möglich?

Wolfgang Bosch: Die Umsätze in unserem Kerngeschäft sind in der Größenordnung von 30 bis 35% zurückgegangen. Im letzten Jahr konnten wir das mit der Beschaffung von Schutzartikeln wie Masken und Desinfektionsmitteln ausgleichen. Ein Teil des Rückgangs ist der Tatsache geschuldet, dass wir viele Kunden nicht erreichen können, dass Entscheidungen nicht getroffen werden und dass niemand weiß, ob und wann Veranstaltungen stattfinden werden. Generell kann man sagen, dass im ersten Quartal in diesem Jahr Dunkelheit vorherrscht, im zweiten wird es etwas heller werden, und im dritten können wir dann mit Fortschreiten der Impfungen und auch mit schönerem Wetter wieder Licht sehen.

Thomas Gottschall, Eidex

„Man muss wieder aktiv akquirieren, was manche Wettbewerber vielleicht etwas verlernt haben, da die Kunden von allein gekommen sind. Also: Rausgehen und Türklinken putzen!“

Herr Benz, die Schweiz hat, verglichen mit anderen europäischen Ländern, relativ lange eine etwas weniger strikte Politik zur Eindämmung der Corona Pandemie verfolgt, auch, um die Wirtschaft zu stärken. Hat sich das positiv bemerkbar gemacht?

Kaspar Benz: Wirtschaftlich hat sich das sicher ausbezahlt. Bei uns lag der Einbruch letztes Jahr bei etwa 20%, was wirklich moderat ist. Die Kurzarbeitsregelungen sind für Handelsfirmen natürlich super, weil die Kosten ja vor allem im Personalbereich entstehen. Die meisten Firmen – so wie wir auch – sind daher eigentlich recht gut durch die Krise gekommen. Und wir registrieren, dass die Großkunden nach wie vor ordentlich bestellen. Im Moment fehlt jedoch die Perspektive, wie und wann es weitergeht.

 

In Deutschland lässt die erhoffte Aufbruchstimmung auch noch auf sich warten. Wie ist die Lage bei Eidex, Herr Gottschall?

Thomas Gottschall: Tatsächlich hatten wir im letzten Jahr unser bestes Jahr seit Firmengründung und konnten zweistellig wachsen. Das hatte zum einen mit dem Maskengeschäft zu tun, zum anderen sind aber auch neue Fullservice-Kunden hinzugekommen. Ein Fullservice-Kunde ist leider aber auch bankrott gegangen – nämlich Wirecard –, das hat uns aber Gott sei Dank nicht so stark getroffen. Wir haben schon einige gute Geschäfte dieses Jahr abgeschlossen und gehen auch für 2021 von einem zweistelligen Wachstum aus. Ein bisschen Glück ist auch dabei.

Sie haben das Maskengeschäft angesprochen: Ist das noch ein Thema und nach wie vor geeignet, etwaige Umsatzlöcher zu stopfen, oder ist der Bedarf inzwischen gedeckt?

Thomas Gottschall: Es lief eigentlich gut bis Januar, mittlerweile ist es jedoch nicht mehr vergleichbar mit letztem April. Stoffmasken waren letztes Jahr im Herbst sehr stark gefragt, in Bayern sind jetzt eher FFP2-Masken angesagt. Und da besteht ein Überangebot auf dem Markt – im Endeffekt herrscht Preiskrieg.

Elasto hat ja eine Produktionslinie mit FFP2-Masken aufgebaut: Wie sind da die Erfahrungen?

Marcus Sperber: Wir haben schnell reagiert und letztes Jahr insgesamt vier Produktionslinien bei uns in Sulzbach-Rosenberg aufgebaut, sodass wir am Tag bis zu 200.000 FFP2-Masken hier produzieren können. Der Markt läuft auch nach wie vor relativ gut, weil es deutsche Qualität ist, nachdem Viele schlechte Erfahrungen mit Masken aus China gemacht haben, bei denen z.B. die Zertifikate nicht passten. Das Geschäft mit den FFP2-Masken hat uns ganz gut durch die Krise gebracht. Was uns derzeit etwas Sorgen macht, ist die Situation in China, genauer das Thema Transport und Frachten: Container kommen zu spät, und die Containerpreise gehen enorm nach oben.

Für einen Schreibgerätelieferanten ist es natürlich etwas schwieriger, ins Maskengeschäft einzusteigen. Wie ist uma durch die Krise gekommen?

Alexander Ullmann: Wir liegen auch im Bereich von 30 bis 35% Umsatzrückgang im vergangenen Jahr. Uns trifft, dass im Streuartikelgeschäft zurzeit kaum Bedarf herrscht, weil Messen und Events nicht stattfinden. Wir profitieren davon, dass wir über den breiten Händlerkanal an Branchen, die immer noch sehr aktiv sind, teilhaben dürfen. Aber was extrem fehlt, sind Tourismus, Eventmanagement, Gastronomie – das sind schon riesige Zahlen. Und bei den Kunden aus Industriezweigen, die im vergangenen Jahr gut gelaufen sind, müssen wir abwarten, ob sie ihre Aufträge wiederholen. Denn wenn keine Schulungen oder Messen stattfanden, wurden die georderten Kugelschreiber auch nicht abgegeben. Deswegen fürchte ich, dass es nochmal einen kleinen Einbruch geben könnte.

Kaspar Benz: Das ist tatsächlich die große Unbekannte: Was liegt bei unseren Kunden noch auf Lager und konnte bisher nicht eingesetzt werden? Das ist wirklich schwierig abzuschätzen und macht uns ein bisschen unsicher.

Wolfgang Bosch: Wir haben eine Umfrage gemacht bei unseren wichtigsten Kunden. Und es ist leider so, dass die Lager voll sind mit Artikeln, die letztes Jahr bestellt wurden. Das heißt, die Bestellungen werden dieses Jahr reduziert werden, ganz eindeutig.

Hat es eine Verschiebung gegeben bei den Einsatzbereichen haptischer Werbung – weg von Streuartikeln und Giveaways auf Messen und Events hin zu Produkten fürs Homeoffice oder auch Mailings?

Marcus Sperber: Das Weihnachtsgeschäft im vierten Quartal lief eigentlich sehr gut. Weil viele Mitarbeiter im Homeoffice waren und die Weihnachtsfeiern ausgefallen sind, hatten viele Chefs das Gefühl, ihren Mitarbeitern als Dankeschön etwas schenken zu müssen. Gottschall: Wir hatten sehr viele Versandaktionen für Kunden. Zu Weihnachten, um Mitarbeiter und Kunden zu beschenken, war das ganz stark zu beobachten, viel stärker als sonst. Das hat sich auch dieses Jahr fortgesetzt. Da geht es dann darum, Marken in den Fokus zu rücken. Diese Aktionen finden in der Masse viel häufiger statt als früher und werden immer mit entsprechenden Werbeartikeln flankiert. Das kann man aber natürlich nur leisten, wenn man auch eine entsprechende Logistik hat, die diese Mengen bewältigt.

Alexander Ullmann, uma

„Die vielen digitalen Medien, die uns umschwirren, sind nett, aber ich denke, es ist dann auch wieder gefragt, dass man Dinge auf dem Tisch liegen hat und buchstäblich in der Hand halten kann.“

Alexander Ullmann: Das Thema Mailingverstärker ist schon gewachsen, der Kugelschreiber als Beilage hat auch durch die Möglichkeiten der Personalisierung an Bedeutung gewonnen – natürlich immer im Rahmen dessen, was im Datenschutz möglich ist. Wenn alles wieder geöffnet wird, sehe ich da auch eine Chance für unser haptisches Medium. Alle sehnen sich danach, einerseits wieder miteinander zu kommunizieren, andererseits aber auch etwas zum Anfassen zu haben. Die vielen digitalen Medien, die uns umschwirren, sind nett, aber ich denke, es ist dann auch wieder gefragt, dass man Dinge auf dem Tisch liegen hat und buchstäblich in der Hand halten kann.

Kaspar Benz: Wir haben beobachtet, dass v.a. der Mitarbeiter als Adressat für Geschenke entdeckt wurde. Das hängt natürlich damit zusammen, dass viele Weihnachtsessen nicht stattfanden und die Unternehmen die Adressen der Mitarbeiter sowieso haben. Das ist bei den Kunden unserer Kunden im B2B ein Problem, da viele Empfänger im Homeoffice sitzen und das Mailing sie am Arbeitsplatz nicht oder viel zu spät erreicht.

Ist die ursprüngliche Idee von der haptischen Beigabe als Ausdruck der Wertschätzung wieder stärker in den Fokus gerückt?

Wolfgang Bosch: Ja, das ist auch daran zu erkennen, dass die Personalisierung und damit verbunden die persönliche Ansprache massiv in den Vordergrund gerückt sind. Und natürlich auch die Wertigkeit: Der Einzelpreis des ausgesuchten Artikels ist schon schön in die Höhe gegangen.

Wie steht es denn um die Budgetvergaben? Liegen die aufgrund der Unsicherheit bei vielen Kunden eher auf Eis, oder gibt es eine gewisse Zuversicht, dass wir vielleicht in drei, vier, fünf Monaten wieder eine etwas entspanntere Situation haben?

Marcus Sperber: Ich glaube, das Wichtigste ist die Perspektive: zu wissen, wann Restaurants wieder aufmachen, wann der Einzelhandel wieder aufsperren kann. Dieses Geschiebe von Monat zu Monat und von Woche zu Woche macht die Leute mürbe. Wenn wir wieder eine Perspektive haben, wenn eine größere Anzahl der Bevölkerung durchgeimpft ist, dann wird sich auch ein Nachholeffekt einstellen, und Budgets werden wieder freigegeben.

Thomas Gottschall: Ich kann das nur branchenspezifisch beantworten. Es gibt Branchen, die haben keine Ahnung, wie es weitergeht. In der Luftfahrt z.B. wissen die Ansprechpartner nicht, wann sie überhaupt wieder im Büro sind. Da sehe ich relativ schwarz. Andere Branchen machen auf hohem Niveau weiter, denen ist egal, wie es weitergeht, die planen einfach. Und dann gibt es die in der Mitte, die die Situation zum Anlass nehmen, um Budgets zu kürzen. Ich denke, wer überleben oder wachsen will als Händler, muss schauen, neue Kunden in bestimmten Sektoren wie Banken, Versicherungen oder Lebensmittel zu gewinnen. Und dort sind auch derzeit sehr viele Kunden auf der Suche nach neuen Händlern, das ist uns aufgefallen. Wir registrieren eine extrem hohe Zahl von Anfragen und Ausschreibungen.

Findet da jetzt auch gerade eine Umwälzung statt, dass immer mehr Industriekunden nach neuen, möglicherweise günstigeren Alternativen suchen?

Thomas Gottschall: Das gibt es ja immer. Ich glaube nur, dass sich das gerade etwas verstärkt, weil die Einkäufer auch mehr Zeit haben, sich um dieses eigentliche Stiefkind Werbeartikel zu kümmern, was normalerweise in der Priorisierungsliste des Einkaufs nicht ganz vorne liegt.

Kaspar Benz: Das stellen wir auch stark fest: Jetzt werden Outsourcing-Projekte, die offensichtlich schon jahrelang nicht angegangen wurden, plötzlich ausgeschrieben oder einfach umgesetzt. Deshalb sollte man als Händler viele verschiedene Branchen abdecken. Das ist sicher eine Lehre für die Zukunft.

Alexander Ullmann: Die Industriekunden haben natürlich jetzt auch Zeit, sich ums Sourcing zu kümmern. Dahinter steckt aber weniger die Sehnsucht nach besseren Preisen, sondern eher die Sehnsucht nach guter Beratung. Da wird es interessant sein, wie der Handel reagiert, da trennt sich dann auch nochmal die Spreu vom Weizen. Der Industriekunde ist vielleicht nicht nur auf der Suche nach dem richtigen Werbeartikel, sondern überhaupt erst einmal nach der richtigen Werbeform. Und wenn der Werbeartikel da gut positioniert wird und der Einkäufer sich gut beraten fühlt, wenn sich die ganze Branche mehr Richtung Beratung orientiert statt Richtung Beschaffung, dann liegt in der Krise auch eine ganz große Chance.

Beratung statt Preiskampf – spielt der Preis, anders als in Krisenzeiten zu erwarten, tatsächlich keine so dominante Rolle?

Wolfgang Bosch: Wir sehen hier schon die Schere auseinandergehen. Bei einigen Anfragen unserer Großkunden liegen wir mit den normalen Kalkulationen ziemlich daneben. Das hören wir dann auch von den Kunden, mit denen wir gut im Kontakt sind. Manche Händler fragen dann noch einmal bei den Lieferanten genauer nach, wie die Preise zustande kommen – und dann herrscht wieder Unsicherheit. Ich denke, es wird eine Kombination sein: Auf der einen Seite wollen die Kunden Sicherheit, aber auf der anderen Seite werden die Preise auch wieder zurechtgestutzt.

Kaspar Benz: Bei uns war das eigentlich gar nicht so. Ich habe damit gerechnet, dass eine Welle der Nachverhandlungen kommt, aber das ist gar nicht groß passiert. Das hat mich überrascht. Oder vielleicht kommt das noch (lacht). Im Moment registriere ich eher eine gewisse Solidarität der Kunden. Wir hatten z.B. einige Fälle, bei denen die Transportkosten aus China explodiert sind und wir mit den Kunden einen partnerschaftlichen Deal erreicht haben, dass sie sich daran beteiligt haben.

Wolfgang Bosch, Mitraco

„Es ist leider so, dass die Lager voll sind mit Artikeln, die letztes Jahr bestellt wurden. Das heißt, die Bestellungen werden dieses Jahr reduziert werden, ganz eindeutig.“

Thomas Gottschall: Der Kunde sucht ein Paket, er braucht jemanden, der für ihn diese ganze Abwicklung übernimmt – das steht derzeit mehr im Fokus. Preiskampf selbst findet nur im Zusammenhang mit größeren Ausschreibungen statt, von denen es derzeit einige auf dem Markt gibt. Da spielt der Preis natürlich immer eine Rolle.

Marcus Sperber: Verfügbarkeit spielt ebenfalls eine große Rolle. Sobald die ersten Perspektiven da sind, geht es einfach darum, wer hat viel Ware auf Lager, am besten in Deutschland, und wer kann sie veredeln. Bei Ware aus China und z.B. Veredelung in Rumänien wird es sicher noch Monate dauern, bis alles wieder normal wird. In dem Moment, wo aufgesperrt wird, werden Ware und Veredelung schwerpunktmäßig irgendwo im eigenen Land gesucht werden.

Wolfgang Bosch: Ende des letzten Jahres fiel mir auf, dass wir massiv mehr Umsätze mit europäischen Waren hatten, weil unsere Kunden nicht wussten, wie die Planbarkeit ist und die Ware daher kurzfristig abrufbar sein musste. Das wird letztendlich auch in der nahen Zukunft ein Thema sein, denn die langfristige Planungssicherheit ist halt immer noch nicht gegeben.

Wie ist denn die Erfahrung mit dem Sourcing-Geschäft in Fernost derzeit?

Wolfgang Bosch: Mit unseren langjährigen Partnern sehe ich keine Probleme in der Zusammenarbeit, sondern eher im Transport, wo es zu wochenlangen Verzögerungen kommt, weil Schiffe abgesagt oder Container nicht beladen werden, und wo wir wirklich gefordert sind, die Aufträge, die wir haben, gut abzuwickeln. Aber es trifft uns nicht alleine. Daher kann man es auch dem Kunden gut darlegen, und ich habe den Eindruck, dass die Kunden mehr Verständnis für Verspätungen aufbringen als vor der Krise.

Inwieweit hat sich das Sourcing verändert? Die Fernostmessen beispielsweise konnten ja alle nicht im Real Life stattfinden?

Kaspar Benz: Es ist natürlich schon schwieriger geworden. Wir selbst suchen nicht in Fernost nach Neuheiten, aber es ist im Moment auch bei vielen großen Anbietern so, dass nicht so viele neue Produkte angeboten werden.

Marcus Sperber: Wir haben mit unseren chinesischen Lieferanten Kontakt über diverse Videoplattformen, und auch in China galt das ganze Jahr über der Fokus den diversen Schutzartikeln wie Masken. Natürlich fehlten die Messen, und wir sind wegen der Pandemie alle nicht so in Sachen Neuheiten unterwegs, wie es sein sollte, aber ich denke, dass der ganze Markt im Sommer oder Herbst beginnt, das wieder nachzuholen.

Alexander Ullmann: Da sind wir auch wieder beim Thema „Bedarf“. Wenn kein Bedarf da ist, gibt es auch keinen, der gerade aufsteht und nach dem neuen Schreibgerät schreit. Nichtsdestrotz haben wir auch in der Krise knapp eine Million Euro in Neuentwicklungen investiert und weitere neue Materialien getestet. Und diese Neuheiten können jetzt auch geliefert werden. Jetzt geht es darum, diese Neuheiten in den Handel und auf die Straße zu bringen. Das ist gerade unser Thema: Welche Plattform können wir dafür nutzen? Ich gehe nicht davon aus, dass wir noch eine große Live-Messe für haptische Werbung in diesem Jahr haben. Deshalb werden wir schon neue Plattformen wie die markeding XPO bedienen müssen und hoffen, dass der Handel dann auch mitspielt, uns die Informationen über diese Kanäle abnimmt und dann auch weiterträgt in die Industrie.

Thomas Gottschall: Wir werden ja laufend von unseren Lieferanten über diverse Videochats zu den Neuheiten unterrichtet. Und wenn die Lieferanten in China etwas Neues erfinden und es verkaufen wollen, dann schicken die uns ja eh auch eine E-Mail, und es taucht innerhalb kürzester Zeit beim Vollsortimenter auf. Da muss man keine Angst haben, etwas zu verpassen. Wann die nächsten Messen sein werden, ist auch für uns die große Frage. Die verschobene werbemittelmesse münchen im April kann nur digital stattfinden. Was die Werbewiesn im September angeht, sind wir natürlich etwas optimistischer. Da hoffe ich, dass nach dem Sommer wieder ein Aufeinandertreffen mit unserer Kunden und den Produkten und Produktneuheiten der unterschiedlichen Aussteller möglich ist.

Wird sich die Messelandschaft der Branche nachhaltig verändern? Werden solche Online-Formate wie die markeding XPO oder hybride Formate zusätzlich zu den Live-Messen Bestand haben?

Wolfgang Bosch: Natürlich werden wir wieder gerne nach China oder nach Deutschland fliegen, wenn das möglich ist, aber ich glaube sehr wohl, dass auch die Online-Formate definitiv für die Zukunft auch ein Teil des Erfolgs der Branche sein werden. Wir hatten vor Kurzem eine von der Ippag (International Partnership for Premiums and Gifts) organisierte Online-Messe mit unseren Lieferanten, die bis ins Detail sensationell organisiert war und wirklich alle technischen Möglichkeiten ausgereizt hat. Ein Vorteil: Es geht schnell und ist kostengünstig. Bei dieser Messe hatte ich mein komplettes Vertriebsteam mit dabei, sodass die Lieferanten erstmalig mit jedem Verkäufer ins Gespräch kommen konnten. Nach China fliege ich dagegen nicht mit dem ganzen Vertriebsteam.

Thomas Gottschall: Bei Messen, die wir für unsere Kunden veranstalten, sehe ich das nicht so: Wir haben bei der letzten WerbeWiesn das von dMAS angebotene System als Online-Verlängerung der Messe ausprobiert, und die Erfahrungen waren eher mau. Es war schon enttäuschend, wie viele bzw. wie wenige unserer Kunden das genutzt haben. Da müsste man den Shop schon interaktiver machen, sodass der Kunde wirklich eine Führung durch die Messe bekommt. Das ist noch ausbaufähig. Als Ergänzung zu den bestehenden Messen könnte ich mir das schon vorstellen, aber das muss noch weiterentwickelt werden.

Kaspar Benz: Ich bin da viel skeptischer. Ich glaube nicht, dass das Bestand haben wird. Das sind jetzt so Not-Angebote, weil man nichts anderes machen kann. Die Leute sehnen sich aber nach Begegnungen. Ich würde es nicht nutzen, wenn ich eine Alternative hätte.

Thomas Gottschall: Das ist vielleicht auch eine Generationsfrage, ich würde auch lieber auf eine Messe gehen, aber unter unseren Vertriebsleuten sind viele noch sehr jung, und die finden es einfach toll, wenn sie sich alles online „rausziehen“ können.

Alexander Ullmann: Als Schulungs-Tool für unsere Händler funktionieren Online-Präsentationen hervorragend, wir konnten sehr aufmerksame Diskussionen führen. Aber auch nur dann, wenn wir unsere Schreibgerätemodelle vorab an unsere Partner schicken, damit sie die haptischen Erfahrungen schon mal gemacht haben. Das sollte man nicht vergessen: Der Kugelschreiber schreibt online relativ schlecht. Online-Formate wie die markeding XPO können sehr zielführend und auch kostensparend sein, aber ein Ersatz für Messen, auf denen wir uns begegnen und Kontakte pflegen, werden sie definitiv nicht sein. Das Geschäft, das wir betreiben, ist und bleibt ein Nasen-Geschäft.

Marcus Sperber: Ich glaube, dass sich Hybrid-Formate durchsetzen werden. Wir haben ja schon in den letzten Jahren festgestellt, dass ein 300 qm großer Messestand auf der PSI nicht mehr das bewirkt, was er früher bewirkte: nämlich, dass man Neuheiten zeigen kann. Eher geht es Richtung Netzwerk. Diese Entwicklung hat sich beschleunigt, weil keiner mehr zwölf Monate wartet, bis es dann im Januar die Neuheiten gibt. Aus unserer Sicht wird es nach wie vor eine Präsenzmesse geben, die schwerpunktmäßig dem Netzwerken dient, und dazwischen das ganze Jahr über, wenn es schnell gehen muss, wesentlich mehr Online-Präsentationen. Man wird nach wie vor auf Messen präsent sein müssen, und auch mir fehlen die Messen, und mir fehlt auch, in Hongkong ein Bier mit Branchenkollegen zu trinken. Aber es werden immer mehr Budgets vom klassischen Messebereich Richtung Social Media und Digitalisierung verschoben werden.

Wird sich auch die Hausmessenlandschaft in Deutschland mit einer riesigen Zahl an Veranstaltungen verändern?

Marcus Sperber: Hinter den Hausmessen standen ja auch früher schon Fragezeichen, und das Kosten-Nutzen-Verhältnis wird man zukünftig noch kritischer hinterfragen. Ähnlich verändert sich auch das ganze Thema Außendienst. Wir haben 15 Angestellte, die regelmäßig auf der Straße sind, die konnten jetzt ein Jahr lang so gut wie gar nicht zu den Kunden fahren, und das Geschäft lief trotzdem. Auch da wird man viel mehr digital präsentieren, als einen Außendienstler sechs Stunden im Auto sitzen zu haben, um zwei Termine am Tag zu absolvieren.

Alexander Ullmann: Was mir auffällt: Durch diese Schulungen, die wir durchführen, pro Tag etwa drei bis vier Videocalls, steigt die Beratungskompetenz des Händlers. Dadurch fühlt er sich auch wieder sicherer bei seinen Kontakten zur Industrie, egal, ob die jetzt persönlich stattfinden oder auch per Videocall. Das halte ich für eine positive Entwicklung und hat vielleicht sogar einen höheren Mehrwert als die zweite, dritte, vierte Hausmesse im Jahr.

Wolfgang Bosch: Wir veranstalten jährlich eine Hausmesse und sind dabei normalerweise recht erfolgreich: Unsere Verkäufer können im Nachgang zwischen 800 und 1.200 Angebote schreiben. Das ist schon ein wesentlicher Bestandteil des Geschäfts und ein wirklicher, messbarer Umsatzbringer für die Folgemonate.

Kaspar Benz: Wir verkaufen ja schlussendlich Sachen zum Anfassen, und es gibt im Markt einfach viele Produkte, die man schlecht erklären kann. Die muss man zeigen, und die Besucher müssen sie ausprobieren können. Für unsere Branche ist es essentiell, dass wir Kontakt mit Kunden auf Messen haben oder sie besuchen. Aber wir überlegen auch, ob es sich wirklich lohnt, so viele Vertriebsmitarbeiter zu haben, die kleine oder auch mittlere Kunden besuchen – wenn man jetzt sieht, dass diese Umsätze während der Krise alle wegfallen.

Marcus Sperber, elasto

„Alles, was der Staat an Subventionen vornimmt, wenn die Impfungen durch sind, wird Richtung Green Deal gehen wird. Die Greta ist ja auch nicht verschwunden, sie kommt wieder.“

Thomas Gottschall: Ich halte unsere Messen auch für extrem wichtig, um Anfragen und dann auch Aufträge zu generieren. Die Kunden nehmen sich ja auch extra Zeit, um über die Messe zu gehen. Dass sie eine halbe Stunde mit uns online über Kugelschreiber sprechen, kommt eigentlich nicht vor. Der klassische Messekunde ist jetzt nicht einer, der einmal im Jahr anruft, um tausend Kugelschreiber zu bestellen, sondern der, der über die Messe geht und 20, 30, 50 Anfragen stellt, um dann bei uns für 100.000 Euro im Jahr einzukaufen. Der braucht die Möglichkeit, sich ein-, zweimal im Jahr intensiv live mit den Artikeln zu beschäftigen, um dann das ganze Jahr gut aufgestellt zu sein, und er hat noch zwei, drei Kollegen dabei, die z.B. für Personalwesen oder Messen zuständig sind.

Die Digitalisierung erfährt gerade einen Schub. Ist das eine Gefahr für das Sujet haptische Werbung, oder kann man sie nutzen, um die Bedeutung der gegenständlichen Werbeform z.B. über Social Media-Kanäle noch weiter zu unterstreichen?

Alexander Ullmann: Die Frage ist ja: Wo steht der Werbeartikel gegenüber den anderen Werbeformen? Und da müssen wir uns als Branche zusammenraufen, egal, ob Handel oder Lieferant. In diesem Zusammenhang täte es auch schon gut, eine Leitmesse nicht mit Füßen zu treten, sondern sie vielleicht wieder nach oben zu holen.

Marcus Sperber: Ich hoffe auch, dass es nicht in zwei, drei Jahren 20 kleine Regionalmessen gibt. Ich halte es für wichtig, gerade gegenüber Brüssel oder auch Berlin, dass die Branche etwas repräsentiert.

Alexander Ullmann: Zusätzlich bedarf es sicherlich auch der Verbandsarbeit, und es braucht in der Beratung natürlich auch den Hinweis über die Werbeerfolge haptischer Medien im Vergleich zu Online-Medien, TV- oder Radiowerbung. Da schneidet der Werbeartikel sensationell gut ab. Das haben wir vielen Einkäufern und Marketingexperten bis heute nicht nahegelegt – insbesondere im Mittelstand, bei dem aber Geld für uns alle zu verdienen ist. Jetzt in der Krise haben wir ja viele Beispiele, die auch in den Social Media-Kanälen gezeigt werden: der Bär für die Helfer, die Tüte für die Schulstarter. Aber die Frage ist immer: Wer treibt die Kommunikation voran? Das wird nur zusammen funktionieren. Da wünsche ich mir einen starken Verband, da wünsche ich mir eine starke Medienpräsenz, wie sie WA Media verkörpert, da brauchen wir die PSI.

Kaspar Benz: Eines der Hauptprobleme im Werbeartikelmarkt ist das schlechte, von Billigartikeln geprägte Image. Wenn ich jemandem erzähle, in welcher Branche ich tätig bin, ernte ich am Anfang manchmal ein mitleidiges Lächeln: „Ach, der Arme muss Feuerzeuge und Kugelschreiber verkaufen“. Dann erzähle ich etwas darüber, was wir machen, mit welchen Kunden wir arbeiten und welche Projekte wir umsetzen, und plötzlich sind die Leute begeistert. Genau das ist das Problem: Wir verkaufen uns einfach schlecht, teilweise auch hausgemacht mit Wegwerfartikeln. Da muss man einfach von wegkommen. Und da gibt es im Moment eine große Chance, zu zeigen, was man mit haptischer Werbung eben bewirken kann, wie das cool sein kann, wie Erfolge umgesetzt werden können. Das müssen wir auf breiterer Ebene vermehrt transportieren.

Wolfgang Bosch: Die Großunternehmen, die wissen das alle, die haben eigene Abteilungen für den Einkauf und für die Planung von Werbeartikeln. Das Thema ist eher: Wie kommen wir an die mittelständischen Unternehmen? Und das wird in Zukunft vermehrt über die Ökologisierung funktionieren, neben der Beratung die wichtigste Themenstellung.

Kaspar Benz: Das unterstütze ich voll und ganz. Aber da muss man sich auch an die eigene Nase fassen: Das muss dann eben auch echte Nachhaltigkeit sein und nicht die Powerbank in der Bambusverkleidung. Dann müssen wir wirklich mit neuen, sinnvollen Materialien punkten und z.B. Kreislauf-Produkte anbieten. Wir müssen eine aktive Rolle übernehmen und nicht nur darauf reagieren, was die Kunden vielleicht nachfragen. Da besteht ein großer Nachholbedarf in der Branche.

Marcus Sperber: Alles, was der Staat an Subventionen vornimmt, wenn die Impfungen durch sind, wird Richtung Green Deal gehen. Die Greta ist ja auch nicht verschwunden, sie kommt wieder. Wir arbeiten gerade mit Hochdruck daran, dass wir genügend entsprechende Produkte auf dem Markt haben, wir arbeiten z.B. an einer wiederverwertbaren Verpackung-to-go, damit man Müll vermeiden kann, wenn man sich Essen bestellt. Auf das Thema Nachhaltigkeit müssen wir uns alle einstellen.

Alexander Ullmann: Ich finde, die Branche ist dabei auf einem guten Weg, aber ich würde auch unterstreichen, was Herr Benz angedeutet hat: Wir dürfen nicht in die Situation kommen, dass unserer Branche Greenwashing unterstellt wird. Und da sind einige Produkte im Markt, die so nicht funktionieren und die auch keine Plattform finden dürfen. Wir sollten über den Nachhaltigkeitsgrad eines Produktes diskutieren und nicht nur über das eingesetzte Material. Man kann im eigenen Betrieb schon viel umstellen, aber das muss man dann auch leben und entsprechend zertifizieren lassen, um es nach außen zu tragen. Und man muss auch mal „nein“ sagen können, wenn aus der Industrie Produkte nachgefragt werden, die nur vermeintlich nachhaltig sind. Da kommt wieder die Aufklärung und die Beratung ins Spiel. Wir sollten schon etwas mehr wissen als der Einkäufer, der auf der anderen Seite sitzt.

Kaspar Benz, Pandinavia

„Wir verkaufen uns schlecht, z.T. auch hausgemacht mit Wegwerfartikeln. Davon müssen wir wegkommen.“

Welche Kernkompetenzen braucht es denn neben Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit, um als Branche aus dem Tief wieder herauszukommen, wenn es nach dem Lockdown wieder losgeht?

Wolfgang Bosch: Süffisant gesagt: ein gefülltes Bankkonto! (lacht)

Marcus Sperber: Es war immer ein Riesenvorteil der Branche, schnell reagieren zu können. Das hat sie auch aktuell getan und Schutzartikel oder FFP2-Masken auf den Markt gebracht. Ich habe viel erlebt, und die Branche ist immer sehr flexibel. Das ist das Schöne: Es wird sie immer weitergeben, denn jeder Mensch freut sich, wenn er etwas bekommt.

Thomas Gottschall: Flexibilität ist klar, Nachhaltigkeit auch. Aber das mit dem vollen Bankkonto ist auch nicht ganz falsch. Es wird sicherlich einige geben, die jetzt irgendwann den Stecker ziehen müssen. Es gibt auch Kunden, die jetzt 60 Tage Zahlungsziel brauchen – große Kunden, die große Flugzeuge bauen, übrigens. Da spielt es eine Rolle, dass man als Händler einen gewissen Background hat, um nicht gleich selbst mit in die Krise zu rutschen. Ansonsten ist es sehr wichtig, dass der Vertrieb bereit ist, neue Kunden anzusprechen. Wir werden nicht weniger Kunden haben, mit denen wir mehr machen als vorher, sondern wir müssen das, was wir an Umsätzen bei manchen Kunden einbüßen, mit neuen Kunden ausgleichen. Das heißt, man muss wieder aktiv akquirieren, was manche Wettbewerber vielleicht etwas verlernt haben, da die Kunden von allein gekommen sind.

Also: Rausgehen und Türklinken putzen! Also nicht nur flexibel sein, sondern auch fleißig?

Thomas Gottschall: Ohne das geht es leider nicht.

Bildquelle: Screenshots WA Media

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