Im Rahmen der Online-Messe markeding XPO veranstaltete WA Media einen Talk zum Thema Digitalisierung. Die beiden Redakteure Till Barth und Mischa Delbrouck sprachen mit den Experten Tobias Gottwald (Promostore, Mister Bags), Daniel Jeschonowski (Kahla, Senator), Roland Malli (Wertpräsent), Pascal Ritter (Flyeralarm) und Peter Stelter (PF Concept) über Digitalisierungs-Schübe in der Pandemie sowie aufzubessernde Schulnoten, über maschinelle Abwicklung, Schnittstellen und Algorithmen, über neue Medien und alte Ängste.

Slider WA Xchange WN409 965x355 - „Digitalisierung kann auch Spaß machen“

Dank Videokonferenzen, digitaler Messen oder Zoom-Talks bewältigen wir den Pandemiealltag. Kann man sagen, dass die Corona-Krise das Bewusstsein für die Möglichkeiten und die Notwendigkeit der Digitalisierung auch in der Werbeartikelbranche massiv geschärft hat?

Peter Stelter: Das kann man definitiv sagen. Die Pandemie hat die Digitalisierung noch einmal richtig vorangetrieben. Vor zwei Jahren, selbst vor einem Jahr wäre eine Videokonferenz mit Microsoft Teams oder Zoom noch undenkbar gewesen, da die Bereitschaft der Kunden für solche Kommunikationsformen noch nicht vorhanden war. Insofern ist das stark beschleunigt worden. Wir arbeiten schon seit Jahren an der Digitalisierung von Unternehmensabläufen, angefangen von den Stellprozessen bis zu den Produktionsprozessen, und haben das während der Pandemie intensiviert.

Tobias Gottwald, Mister Bags/Promostore

„Den einen Großen wird es nicht geben. Es gibt immer auch den Spezialitätenladen. Und die sollen uns noch lange erhalten bleiben.“

Roland Malli: Neue Medien wie Skype oder MS Teams und dergleichen werden sowohl im Zusammenspiel mit den Kunden als auch mit den Lieferanten mehr genutzt, als das jemals zuvor angedacht oder vermutet worden wäre. In diesem Bereich haben wir einen gewaltigen Push erlebt. In dem Bereich EDI-Anbindungen – also elektronische Schnittstellen, um Rechnungen, Lieferbestände etc. in die Warenwirtschaftssysteme einzupflegen – haben wir im letzten Jahr gewaltige Investments für die Multi-Customer-Shops unserer Kunden getätigt.

Wo stehen wir denn gerade, was die Digitalisierung angeht? Wenn Sie der Digitalisierung der Werbeartikelbranche eine Schulnote geben müssten, welche wäre das?

Tobias Gottwald: Das wäre eine Vier minus. Mit Tendenz zur Besserung. Gerade passiert ja schon sehr viel, man merkt das bei den Lieferanten, aber auch bei den Unternehmen, die in der Vergangenheit nicht so digital aufgestellt waren. In den vergangenen Jahren haben wir viel geredet, und einige haben auch etwas gemacht, aber viele haben das Thema Digitalisierung dennoch eher stiefmütterlich behandelt.

Daniel Jeschonowski: Vier minus ist zumindest nicht versetzungsgefährdet, wenn ich mich an meine Schulzeit erinnere. Ich kann die Tendenz zur Besserung unterstreichen. Oft heißt es ja: „EDV, IT, Prozesse – das ist alles nur was für die Fachleute. Und kostet sowieso alles viel mehr und dauert viel länger, als man plant.“ Wir stellen jedoch gerade fest: Wenn man versucht, das ein bisschen in Scheiben zu schneiden, fängt es in einigen Bereichen an, Spaß zu machen. Wir haben bei Senator gar nicht so sehr den Fokus auf die Digitalisierungs- Elefantenprojekte, wie ich sie nenne, gelegt – also z.B. den komplett elektronischen Austausch von Rechnungen. Sondern wir haben z.B. 20.000 Euro, die gerade vom Bund als ganz konkretes Förderprogramm für Digitalisierung angeboten werden, genutzt, um unsere ganze Qualitätskontrolle komplett zu digitalisieren. Das heißt, dass der einzelne Mitarbeiter, der den jeweiligen Auftrag prüft, das alles bei sich auf dem Tablet oder auf dem Touchscreen quittiert. Das war total faszinierend, weil das alles per Drag und Drop in einem App- Baukasten funktioniert. Insofern: Es muss gar nicht so dröge sein. Branchenweit ist es sehr breit gespreizt: In Hamburg, wo ich lebe, gibt es ja das Modell Gesamtschule. Wahrscheinlich ist die Werbeartikelbranche auch ein bisschen so eine Gesamtschule. Es gibt einige, die machen Attacke, und andere, die sich sagen: „Ach, ich komme schon irgendwie durch bis zur zehnten, zwölften, dreizehnten Klasse.“


Pascal Ritter:
Ich sehe noch ein Stück Nachholbedarf – Drei bis Vier minus trifft es ganz gut. Aber man kann viel schaffen und gemeinsam etwas entwickeln – mit den Erfahrungen, die wir haben, die aber auch andere Teilnehmer haben. Ich glaube, dass alle Marktteilnehmer in dieser Hinsicht noch mehr machen müssen, um auch wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Digitalisierung wird am Ende des Tages auch den Ausschlag geben, wer noch profitabel sein kann.

Wo sind denn die größten Defizite? Was müsste man machen, um mal von der Vier minus auf eine Zwei zu kommen?

Pascal Ritter: Es gibt mehrere Aspekte, das fängt schon mit dem Proof-Sheet an. Unsere Aufträge z.B. gehen vollautomatisiert durch. Wenn der Kunde online bestellt, fasst kein Mitarbeiter mehr diese Aufträge an, die gehen direkt auf die Maschinen. Dadurch können wir auch schneller liefern. Und dadurch haben wir natürlich auch Preisvorteile, die wir dann an die Kunden weitergeben. So etwas muss generell weiter ausgebaut werden. Da setze ich auch stark auf Lieferanten wie PF Concept, die das weiter vorantreiben. Der ganze Bestellprozess in der Branche ist noch nicht ausgereift.

Peter Stelter: Wir bieten z.B. mit unserem neuen Logotool die Möglichkeit eines sogenannten Artwork-Checks. Der Kunde kann das Branding dann selbst hochladen, noch bearbeiten, bis es ihm gefällt, und hat dann die Möglichkeit, dementsprechend selbst auch direkt freizugeben. Dadurch spart er wertvolle Zeit. Aber zugegeben: Ich habe auch den Eindruck, dass der Kunde sich manchmal mit diesen Möglichkeiten schwer tut. Deswegen ist die Vier minus, die genannt worden ist, schon zutreffend, weil es in der Branche noch Berührungsängste gibt. Wir müssen den Kunden abholen, z.B. durch digitale Schulungen, auf denen man den Bildschirm teilen und zeigen kann, wie einfach alles geht.

Wie ist es denn aus Händlersicht, so mit dem Lieferanten zusammenzuarbeiten?

Roland Malli: Höchst unterschiedlich, Fluch und Segen zugleich. Wir reden natürlich auch von einer großen Aufgabe, von sehr vielen SKUs, von zigtausenden Artikeln, multipliziert mit den verschiedenen Veredlungsmöglichkeiten. In manchen Bereichen funktioniert das mittlerweile schon ganz gut, insbesondere in Richtung unserer Kunden. Um mal ein paar Zahlen zu nennen: Ca. 60% unserer Aufträge in Richtung Kunden laufen vollautomatisch durch das System. In Richtung Lieferant – und das verdeutlicht den bestehenden Nachholbedarf – sind es nur etwa 5 bis 7% der Aufträge. Es gibt große Möglichkeiten, die zu einer extremen Beschleunigung führen würden und entsprechende Ressourcen heben könnten. Daher gilt es einfach, die Dinge voranzutreiben, bezogen auf die Sortimente und die Vereinheitlichung von Artikeltexten und Warengruppen.

Herr Jeschonowski, Sie sind innerhalb des GWW im „Arbeitskreis Digitalisierung“ mit den Themen einheitliche Datenstandards und Schnittstellen beschäftigt. Wie ist da der Stand der Dinge?

Daniel Jeschonowski: Letztendlich stehen zwei große Themen auf der Agenda. Das eine ist die Standardisierung des Austauschs von Bewegungsdaten wie Rechnungen oder Angebotsinformationen. Und das zweite die Standardisierung der Stammdaten, sprich, ob es möglich ist, eine Übersetzungs-Engine zu erstellen, mit der insbesondere die Lieferanten mit einer qualitativ dann deutlich hochwertigeren Datenstruktur die Händler versorgen können. Die Händler leiden ja darunter, dass sie es hier mit Äpfeln, Birnen und Kängurus – einem wahren Zoo – zu tun haben. Jeder Hersteller, jeder Importeur liefert in der Struktur, wie er möchte. Bei dem einen heißt es SKU, beim nächsten dann Artikelnummer, beim nächsten ID – alles ist durcheinander, Zahlenformate, Inhalte usw. Wir arbeiten daran, einen Minimalstandard vorzuschlagen und dann eine Übersetzungs-Engine zu erstellen, damit die Lieferanten eine Vielzahl von Händlern vernünftig beliefern können. Dabei besteht weniger das Problem, dass diese Übersetzung an sich nicht klappt, sondern eher, dass die Datenqualität, die die Hersteller und Importeure liefern, nicht dem Standard entspricht, den sich die Händler eigentlich wünschen – es entstehen zu viele Flüchtigkeitsfehler, weil eben nicht so viel automatisiert ist.

Daniel Jeschonowski, Kahla/Senator

„Wichtig ist, dass nicht der Billigste alles gewinnt, sondern Themen wie Beratung, Präsentation, Auswahl und Qualität weiterhin eine Rolle spielen.“

Tobias Gottwald: Ich will da mal einhaken, wenn ich darf. Ich bin in diesem Arbeitskreis Digitalisierung seit mehreren Jahren, doch was ist in diesen Jahren bis jetzt passiert? Nichts! Ich verstehe gar nicht, warum sich nicht ein paar Lieferanten zusammentun, Geld in den Topf schmeißen, eine Schnittstelle bauen, und dann hat sich das Thema erledigt. Dafür braucht man vielleicht drei Monate. Wir reden seit Jahren über eine Schnittstelle für die komplette Branche, und keiner kriegt’s hin, weil jeder sein eigenes Süppchen kocht. Wenn ich jetzt höre, wie da der Stand ist, dann muss ich wirklich darüber schmunzeln. Für uns ist das ja weniger eine Herausforderung als für die Lieferanten. Wenn es einen einheitlichen Datensatz gäbe, wäre es insbesondere für die Lieferanten viel einfacher. Im Augenblick hat jeder Onlineshop seine eigene Schnittstelle, d. h. die Lieferanten müssen die Datensätze immer wieder für die Händler umbauen. Schwer ist das alles im Grunde nicht. Es muss nur einer mal anpacken, und dann ist das Ding eigentlich schnell durch.

Pascal Ritter: Wir haben selber einen Standard erschaffen, mit dem jeder Lieferant super arbeiten kann, aber wir haben auch fast drei Jahre dafür gebraucht. Vielleicht setzt sich dieser Standard auch mal durch. Wenn man sich zusammensetzt, können wir da zusammen noch einiges bewegen und entwickeln. Es bleibt aber die Frage, wie die Daten dann online dargestellt werden. Bei einheitlichen Texten z.B. haben wir als ECommerce-Unternehmen mit SEO-Strukturen immer ein Problem. Darum schreiben wir die Texte auch selber, wir shooten alle Bilder selber automatisiert mit Fotomaschinen. Ein Stück weit individuell muss jeder Händler auch noch sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Was im Background dann abläuft, ist eine andere Geschichte. Dort brauchen wir eine einheitliche Systematik.

Wird denn über Shops tatsächlich auch verkauft oder sind sie eher eine Art Schaufenster? Oder hängt das vom Bedarf der Einkäufer ab?

Roland Malli: Es gibt unterschiedliche Zielgruppen. Einige, bei denen Zeit und Effizienz im Vordergrund stehen und die eine schnelle Entscheidung suchen, nehmen die Online-Shop-Lösungen unheimlich positiv an – Tendenz steigend, nicht zuletzt aufgrund der Pandemie und weil die Produkte inhaltlich besser dargestellt werden als in der Vergangenheit. Wir haben uns bei Wertpräsent jedoch insbesondere so aufgestellt, auch die andere Gruppe zu bedienen: beratungsintensivere Kunden, die tatsächlich nur das Ziel skizzieren, das sie mit haptischer Werbung erreichen wollen, und uns dann den Ball zuwerfen. Für diese Kundengruppe sehe ich jetzt nicht, dass die Beratung zukünftig durch digitale Formen ersetzt werden könnte.

Tobias Gottwald: Der Trend geht in die Richtung, dass die Online-Käufe steigen und die Bereitschaft, den Kauf über den Warenkorb direkt abzuschließen, steigt. Als ich vor etwa zehn Jahren angefangen habe, lag die Bereitschaft dazu vielleicht bei 10% der Kunden, mittlerweile werden wir wahrscheinlich so bei der Hälfte liegen. Und der Einkäufer von früher, der weiterhin stationär einkauft oder per E-Mail, ist vermutlich auch schon über fünfzig oder geht bald in Rente. Für die jungen, die nachrücken, ist der Onlinekauf kein großer Akt mehr. Die bestellen auch bei Amazon oder Zalando, von daher ist die Angst oder die Unsicherheit, etwas online zu kaufen, gar nicht mehr so groß.

Peter Stelter: Das ist schon eine Frage der Generationen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es im selben Unternehmen zum einen Ansprechpartner gibt, die die digitale Kommunikation ablehnen und lieber das persönliche Gespräch wollen, wofür wir auch da sind. Zum anderen aber auch eine jüngere Generation, die alles oder sehr viel digital abwickelt. Natürlich darf bei all den digitalen Prozessen auch die Haptik nicht zu kurz kommen. Daher versenden wir auch noch Muster oder schnüren Sample Kits. Das muss einhergehen. Das eine ersetzt nicht das andere.

Daniel Jeschonowski: Als Schreibgerätelieferant sehen wir das zweigeteilt: Die Bandbreite reicht von zehn hochwertigen Metallkugelschreibern, die sicher in zwei oder drei Jahren komplett online bestellt werden, bis hin zu großen Jobs mit bis zu zwei Millionen Schreibgeräten, bei denen Wert auf eine ganz starke Reproduzierbarkeit gelegt wird. Letzteres sehe ich nicht in der Digitalisierung, weil der Prozess ein anderer ist. Der Kunde möchte verschiedene Echtmuster vorgestellt bekommen, möchte seine CI-Farbe in Kunststoff gespritzt haben, möchte auswählen können. Wir reden da über fünf-, sechsstellige Beträge pro Jahr – da fehlt mir die Vorstellungskraft, dass ein Eisenbahnunternehmen oder eine Fluglinie sagt: „Herzlichen Glückwunsch, das bestelle ich komplett online.“ Andersherum stellen wir fest, dass, wenn die Eingangshürde, diese initiale Barriere durchbrochen ist, wenn der Kunde also bei seiner Online-Bestellung merkt, dass alles geklappt hat, dass pünktlich geliefert wird, dass Farben und Modell stimmen, dann kommt oft im Nachgang noch mehr. Insofern: Ja, es ist ein Generationsthema, aber es ist auch ein Inhaltsthema. Immer dann, wenn es um Wiederholung geht, wenn es um große Jobs geht, wenn es darum geht, dass viel Geld im Spiel ist, dann ist natürlich die Hürde, das digital abzuwickeln, noch höher.

Pascal Ritter: Wir haben genau diese Tendenz in den letzten zwei Jahren beobachtet: Viele Kunden bestellen erstmal eine kleine Menge, aber dann werden die Bestellmengen in den Warenkörben immer größer und dieselben Kunden trauen sich zu, auch mal 5.000 Kugelschreiber oder 5.000 Tassen oder 20.000 USB-Sticks direkt online zu bestellen. Das hat etwas mit Vertrauen zu tun, mit der Erfahrung, dass es funktioniert hat. Wenn wir das in der Branche weiter ausbauen können, bin ich der festen Überzeugung, dass auch diese größeren Aufträge komplett digitalisiert werden können. Unsere Plattform ist kein Schaufenster, sie ist eine reine Abwicklungsplattform. D.h, 99,9% unserer Werbeartikelkunden kaufen komplett online. Die verbleibenden 0,1% der Kunden sind dann eher Projektgeschäfte, die wir mittlerweile auch machen. Und wir sehen an den Kundendaten, dass es dieselben Kunden sind, die zuvor kleine Stückzahlen online gekauft haben, die dann bei größeren Projekten wie z.B. Sonderanfertigungen wiederkommen.

Kann man denn Sonderanfertigungen mittlerweile auch komplett online abwickeln?

Pascal Ritter: Das gerät an seine Grenzen. Sonderproduktionen sind online schwer darstellbar, aber das heißt nicht, dass das in Zukunft nicht gehen wird. Ich glaube, in ein oder zwei Jahren wird man das mit Algorithmen oder mit neuesten Technologien auch darstellen können. Aber soweit ist unsere Branche noch nicht, dafür sind die Produkte z.T. auch zu komplex. Bei USB-Sticks in Sonderformen etwa wird es schwierig, die Druckdaten so online zu erhalten, dass wir direkt produzieren können. Generell denke ich aber, dass wir in der gesamten Branche 90% aller Werbeartikelaufträge online abwickeln können, 10% sind dann das zweite Geschäftsmodell, bei dem es wirklich um Beratung geht.

Robert Malli, Wertpräsent

„Ich sehe nicht, dass die Beratung bei Großprojekten durch digitale Formen ersetzt werden kann.“

Roland Malli: Das sehe ich nicht ganz so. Und ich hoffe auch, ehrlich gesagt, dass es so nicht kommt. Natürlich ist schon erkennbar, dass die Kundengruppe zunimmt, die bereits ein klares Bild vom Werbeartikel hat, den sie kaufen will. Aber die Beratung nimmt schon noch einen größeren Anteil ein. Bei den großen Bestellungen – auf die Volumina bezogen – sind wir schon bei ca. 70% Beratung.

Wird es denn mittelfristig auch möglich sein, Beratung in Form von Produktauswahl für eine bestimmte Kampagne mit einem bestimmten Ziel über einen Algorithmus abzudecken?

Pascal Ritter: Ja, das wird nicht mehr allzu lange dauern.

Peter Stelter: Seit Anfang des Jahres kann man Sonderanfertigungen für einige Produktgruppen wie Kappen, USB-Sticks oder Lanyards auch auf unserer Online-Plattform konfigurieren – also Ware, die eigens für den Auftrag in Fernost hergestellt wird, keine Lagerware. Bislang war das ein händischer Prozess, jetzt haben wir das auch digitalisiert.

Ein Vorteil, der sich durch die Digitalisierung ergibt, ist ja, dass die ganzen Prozesse schneller werden. Wird der Druck auf die Lieferanten steigen, immer noch schnellere Lieferzeiten anbieten zu können?

Peter Stelter: Das Vorbild ist Amazon Prime. Viele Deutsche sind den Service gewohnt, dass die bestellte Ware am nächsten Tag da ist. Das ist auch ein ganz wichtiger Bestandteil unserer Strategie. Wir bieten für unser komplettes Avenue- und Bullet-Sortiment Liefer- bzw. Produktionszeiten von 48 Stunden. Der Kunde verlangt auch schnellere Produktions- und Lieferzeiten, und was vor wenigen Jahren noch als Express galt, ist heutzutage der Standard.

Daniel Jeschonowski: Die Herausforderung wird darin liegen, den verwöhnten Großstädter, der inzwischen bei Amazon ja tatsächlich für wahrscheinlich eine fünfstellige Anzahl von Artikeln Same-Day-Lieferungen erhält, beim Thema Individualisierung abzuholen. Irgendwann ist ja dann tatsächlich mal die Grenze erreicht, da unsere Produkte auch noch physisch bedruckt, gelasert oder geprägt werden müssen. In meinen Augen ist die magische Grenze für die Brot- und Butter-Jobs alles, was im Bereich von drei bis fünf Tagen liegt. Darüber wird es dann lang, anders herum erntet man auch noch eine gewisse Begeisterung, wenn die Ware dann nach zwei Tagen schon da ist. Die Notwendigkeit, am selben Tag ausliefern zu können, sehe ich nicht. Es muss halt alles auch bezahlt werden. Mal in Richtung der Händler gesprochen: Was mir momentan fehlt in den Shops, ist eine klarere – auch preisliche – Differenzierung zwischen „express“ und „normal“. Wenn der Händler eine Next Day-Lieferung auch mit 30, 40, 50 Euro Zuschlag bei einem Warenkorb von 150 Euro einpreist und der Kunde bereit ist, diese zu zahlen, wäre der Hersteller auch wieder mehr dazu bereit, in Prozesse zu investieren. Momentan gehen wir in eine Richtung: Schneller, schneller, schneller, aber die Preise bleiben gleich.

Tobias Gottwald: In anderen Ländern gibt es das tatsächlich schon. Die Frage ist, wie die Bereitschaft in Deutschland ist, für Services mehr zu bezahlen. Ich glaube, dass wir ein sehr preisgetriebenes Land sind, das sieht man auch daran, welche Druckpreise wir in Deutschland erzielen, die sind in anderen Ländern viel höher. Uns fehlt da etwas das Gefühl für diesen Service. Wir leben immer noch in dieser „Geiz-ist-geil“-Blase, die sich aber gerade etwas auflöst. Ich glaube, es könnte ein gangbarer Weg sein, auch für die Lieferanten noch einmal die Motivation zu erhöhen, insgesamt schneller zu werden. Am Ende muss der Kunde entscheiden, ob er das wahrnimmt. Wenn es eine Option ist – why not? Ich kann mir das durchaus vorstellen.

Daniel Jeschonowski: Als ich vor fünf Jahren bei Senator angefangen habe, hatte die damalige Geschäftsführung das Programm 5.000 + 5 aufgelegt, was bedeutete, 5.000 Kugelschreiber in fünf Tagen bis zu fünffarbig bedruckt für alle unsere Produkte zu liefern – ohne Mehrpreis. Das ist halt schwierig: Man stellt sich prozessual auf den Kopf – und vor fünf Jahren war das noch so bei einer solchen Durchlaufzeit –, signalisiert aber nicht, dass ein Mehrwert dahinter steht. Es gibt bei uns die Möglichkeit, dass die Ware, die bis 16 Uhr bestellt wird, auch am selben Tag noch raus geht. Das ist aber dann mit einem Preisschild behaftet. Die Chance dabei ist natürlich, dass wir den Kunden auch tatsächlich in die Digitalisierungsecke bekommen. Als Hersteller oder Veredler geht die meiste Zeit momentan nicht in der Produktion verloren, nicht, nachdem die Standskizze freigegeben wurde, sondern dadurch, dass man sich ewig hin und zurück austauscht, während im Hintergrund in der Projektgruppe beim Industriekunden die Uhr schon längst tickt. Wenn wir vier Wochen über eine Standskizze diskutieren, hat der Projektleiter des Industriekunden das Gefühl, die Produktion hätte sechs Wochen gedauert. Wenn wir also rein auf die digitale Schiene kämen, könnte das insgesamt schon helfen.

Kommen wir zu Marketing, Kommunikation und Vertrieb. Wird die Digitalisierung auch hier einiges verändern? Ist der gute alte Außendienst z.B. noch zeitgemäß?

Peter Stelter: Ich denke, das Profil des Außendienstlers wird sich verändern oder hat sich bereits verändert. Statt vier Tage unterwegs zu sein oder Termine vor Ort zu machen, werden mehr digitale Meetings stattfinden. Wir müssen da einen guten Mix finden, eine gute Balance, zwischen digitalen Schulungen und Terminen vor Ort, bei denen auch das Thema der Haptik eine Rolle spielt und Produkte vorgestellt werden.

Wie sieht es bei Messen aus? Werden digitale Veranstaltungen physische Formate ablösen oder ergänzen?

Peter Stelter:  Das eine schließt das andere nicht aus. In der aktuellen Situationen bin ich dankbar für die digitalen Messen, die uns die Möglichkeit geben, Produkte, Neuheiten und Services vorzustellen. Wir haben dafür auch sehr viel Content in Form von z.B. Produktvideos erstellt. Aber sobald Messen wieder stattfinden können, werden wir auch vor Ort sein. Nach wie vor gilt: Das Geschäft wird zwischen Menschen gemacht. Deswegen wird es Messen, auf denen man sich trifft, oder Termine vor Ort auch weiterhin geben. Aber das wird ergänzt werden um Möglichkeiten, sich digital zu informieren, und das nicht nur an den ein, zwei, drei Messetagen, sondern das komplette Jahr über.

Pascal Ritter: Ich würde mir auch wünschen, dass wir in Zukunft ein hybrides Modell haben. Obwohl wir bei Flyeralarm digitalisieren, wo wir nur können, bin ich in dieser Hinsicht eher altmodisch. Ich treffe meine Lieferanten lieber persönlich und probiere die Produkte aus – das ist auch wichtig für die gesamte Branche. Trotzdem glaube ich, dass das hybride Modell ein Zukunftsmodell ist. Es gibt mittlerweile so viele schöne Messen in Deutschland, Österreich oder der Schweiz, dass der Terminkalender gar nicht mehr zulässt, sie alle zu besuchen. Bei hybriden Konzepten hätte man die Möglichkeit, einige Messen digital zu absolvieren.

Tobias Gottwald: Ich bin auch ein Freund hybrider Formate. Es gibt sehr viele Messen im Januar und Februar, wenn der Kick-Off des Jahres ist. Dieses Jahr war es etwas entspannter, sonst hatte man um die Zeit schon einige Hotelnächte hinter sich, war auf diversen Veranstaltungen in Europa unterwegs gewesen. Es geht aber auch hybrid, man kann viele Dinge auch online besprechen und sich viele Dinge auch digital anschauen.

Pascal Ritter, Flyeralarm

„Wenn der Kunde das Vertrauen gewinnt, dass die Abwicklung funktioniert, werden auch die größeren Aufträge komplett digitalisiert werden können.“

Hat die Pandemie dazu geführt, dass man experimentierfreudiger wird und vielleicht auch mal neue Marketing- und Kommunikationskanäle ausprobiert?

Tobias Gottwald: Absolut. Ich glaube, dass Marketing zu großen Teilen Sales ersetzt. Wir brauchen z.B. definitiv weniger Außendienst, weniger „Produktflohmarkttermine“, wie ich sie nenne, bei denen man Artikel auf den Tisch stellt, sondern die Kunden kommen auf unsere Seite und suchen sich aus, was ihrem Bedarf entspricht. Es gibt so viele Möglichkeiten, die uns vorgestellt werden, die wir nutzen können. Ich habe z.B. Anfang des Jahres einen Clubhouse-Talk, u.a. mit Peter Stelter, ins Leben gerufen. Das ist Networking, Austausch, Information, Interaktion. Das ist Input für jeden, genauso wie eine Zeitschrift wie die WA Nachrichten, die jetzt auch digital zum Leser kommt. Lasst uns doch all diese Möglichkeiten nutzen und lasst den Anwender selber entscheiden, ob er sich bei Facebook eine neue Trinkflasche anschauen oder ob er dazu einen Außendienstler bei sich haben möchte! Ich bin allen neuen Dingen gegenüber immer sehr aufgeschlossen. Die ganze Welt ist ja im Wandel. Man muss die Dinge halt annehmen und sich wieder neu darauf einstellen, sich auch darauf einlassen wollen.

Das bezieht sich ja v.a. auf Themen innerhalb der Branche. Ist denn auch der Anwender bereit, z.B. in sozialen Netzwerken zu kommunizieren?

Roland Malli: Doch, schon. „Experimentierfreudig“ – das trifft den Nagel ganz gut auf den Kopf. Wir sind gerne bereit, neue Wege zu gehen und sind für jeden Input auch zu haben. Natürlich wird die Konversation, das gemeinsame Treffen in der haptischen Werbung immer einen großen Stellenwert haben, vor allem dann, wenn es nicht um einen einzelnen Artikel geht, sondern um Fullservice etc. Das ist dann schon auch beratungsintensiv. Aber zweifelsohne ist der elektronische Weg viel breiter geworden.

Wenn die Marketingwelt immer digitaler wird: Welchen Platz hat denn da die analoge haptische Werbung? Steigt in einer virtuellen Gegenwart evtl. sogar das Bedürfnis nach haptischen Erlebnissen?

Roland Malli: Davon bin ich mehr als überzeugt. Wir dürfen den digitalen Weg und diesen Trend nicht als Feind sehen, sondern eher als Chance, die haptische Werbung durch die digitalen Möglichkeiten, die da sind, zu unterstützen. Ich denke, die Dinge vereinen sich ganz gut. Und die eine Welt kann die andere beschleunigen.

Tobias Gottwald: Wer wird denn schon nicht gerne beschenkt? Das wird immer so bleiben, und das gilt um so mehr, je digitaler alles wird. Das hat ja schon die Weihnachtszeit gezeigt, in der sich viele Unternehmen unheimlich viel haben einfallen lassen, um ihren Mitarbeitern mit einem Geschenk oder einer Geschenkbox danke zu sagen.

Peter Stelter: 98% aller Deutschen besitzen einen Werbeartikel laut GWW-Studie, 90% nutzen ihn auch. Werbeartikel rangieren auf Platz 2 hinter der TV-Werbung. Eine gute digitale Aktion muss auch immer unterstützt werden durch einen guten alten haptischen Werbeartikel.

Pascal Ritter: Je professioneller wir uns als Branche im Bereich der Digitalisierung aufstellen, desto mehr werden wir auch von den Marketingabteilungen und der klassischen Werbung ernstgenommen und können davon mittelfristig profitieren.

Wird die Digitalisierung den Markt dahingehend verändern, dass diejenigen, die nicht mitkommen (wollen), vielleicht Schwierigkeiten bekommen, überhaupt zu überleben? Wird es zu einer Konzentration kommen, wird sich am Ende sogar ein „Werbeartikel-Amazon“ durchsetzen?

Daniel Jeschonowski: Werbeartikel sind immer Spezialartikel. Und man findet Spezialisten heutzutage nicht, wenn sie nicht im Internet vernünftig präsent sind. Das wird schon die Herausforderung für manchen Marktteilnehmer sein: Ohne eine Online-Präsenz, die auch eine vernünftige Abwicklung erlaubt, wird es sehr schwierig werden. Das ist einfach so. Den einen großen, der übrig bleibt – das sehe ich eher nicht auf uns zukommen. Das stimmt auch nicht für andere Bereiche, wenn man mal genauer hinschaut. Es gibt nicht nur Amazon, der verkauft. Ich will jetzt nicht gegen Flyeralarm stänkern oder gegen Promostore: Aber die Weltherrschaft ist noch weit entfernt.

Tobias Gottwald: Ganz weit (lacht).

Pascal Ritter: Das stimmt (lacht).

Tobias Gottwald: Ich glaube auch nicht, dass es einen Großen geben wird, der sich durchsetzt. Neben Real, Kaufland oder Metro gibt es ja auch immer noch den Spezialitätenladen, bei dem man sich den Käse kauft und sein Weinchen, und im Nachbarladen gibt’s Obst und Gemüse. Die muss es auch geben, und die sollen uns noch lange erhalten bleiben. Alles hat seine Daseinsberechtigung. Der Große ist vielleicht darauf ausgelegt, in Masse viele Dinge preissensibel zu wuppen, und im Feinkostladen wird dafür dann nochmal ein Extraschleifchen drumherum gebunden, das dann auch bezahlt werden muss. Das alles hat seine Daseinsberechtigung. Es ist auch nichts richtig oder falsch.

Pascal Ritter: Ich muss ein wenig widersprechen. Richtig ist: Es wird immer Spezialisten geben, und das ist auch gut so. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass es in einigen Jahren einen Großen oder vielleicht zwei Große gibt, einen Marktprimus, der Möglichkeiten hat, die andere nicht haben. Darunter gibt es dann eine breite Streuung mit vielen Spezialisten, auch vielen Onlinern. Aber keine Sorge: Die Weltherrschaft wollen wir nicht in Angriff nehmen, wir sind da schon sehr bodenständig. Wir haben natürlich ambitionierte Ziele, die wir umsetzen wollen, und werden uns im Werbeartikelbereich noch breiter aufstellen, aber es werden für andere noch viele Möglichkeiten bestehen. Ich glaube auch, dass es jeder Branche gut tut, wenn man einen Platzhirsch hat, der vorangeht, um die Branche mitreißen zu können.

Peter Stelter, PF Concept

„Das Vorbild ist Amazon Prime. Der Kunde verlangt schnellere Produktions- und Lieferzeiten, und was vor wenigen Jahren noch als Express galt, ist heutzutage der Standard.“

Daniel Jeschonowski: Wir alle sind daran interessiert und haben in der Werbeartikelbranche tatsächlich ja den guten Zustand, dass auch online vernünftige Preise erzielbar sind. Das ist ganz wichtig, dass im Online-Markt nicht der Ansatz herrscht, dass der Billigste alles gewinnt, sondern dass die ganzen Themen wie Beratung, Präsentation, Auswahl, Qualität eine Rolle spielen. Wenn wir das beibehalten und uns weiter professionalisieren, wird’s auch cool werden.

Bildquelle: Screenshots WA Media

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