Corona, Brexit, Zentralisierung, zukunftsträchtige Investitionen in Nachhaltigkeit und digitalen Wandel: PF Concept blickt auf ein turbulentes Jahr zurück. CEO Ralf Oster über Change Management aus dem Homeoffice, lernfähige Kunden und kritische Kinder.

Ralf Oster - „Wir werden stärker aus der Krise herauskommen“

Ralf Oster

Herr Oster, vor etwas mehr als einem Jahr begann eine Achterbahnfahrt, die bis heute andauert. Wie hat PF Concept das Jahr 2020 erlebt?

Ralf Oster: März und April 2020 waren von einer „Überraschungs-Schockwelle“ und einem taffen Krisenmanagement geprägt. Wir haben uns schnell einen Überblick verschafft und reagiert, was Ausgabenposten, Bestellungen und Working Capital mit einem Fokus auf Liquidität angeht. Das ist uns zügig gelungen, sodass wir in enger Zusammenarbeit mit den Länderorganisationen rasch in ganz Europa Kurzarbeit oder vergleichbare Programme anmelden und Ausgaben reduzieren konnten. Was die Außenstände anging, haben die Kunden sehr gut mitgeholfen. Dort, wo es für den ein oder anderen eng wurde, waren wir auch großzügig.

Wie ging es zum Sommer hin weiter?

Ralf Oster: Mit einem guten Überblick, einer guten Liquidität und einem weiterhin motivierten Team sind wir bald vom Krisen- in den Management-Modus übergegangen. Wir haben angefangen, mit Blick auf die kommenden Monate vorsichtig weiter zu planen, und uns dabei auch gefragt: Was hat sich verändert? Sind andere Produkte gefragt? Wie können wir unsere Kunden erreichen, wenn alle im Homeoffice sind? Auf diese Weise entstanden Ideen wie z.B. digitale Präsentationen, in denen wir gezielt passende Produkte wie Schreibwaren oder Homeoffice-Artikel angeboten haben. Über unsere Produktion in England haben wir den britischen Gesundheitsdienst NHS mit Pandemieprodukten – etwa Maskenstrips aus Kunststoff – unterstützt. So entstand dann unsere Stay Safe-Kollektion, die wenig später in ganz Europa in den Vertrieb ging.

Haben Sie auch auf Masken – das Boom-Produkt 2020 – gesetzt?

Ralf Oster: Ja, wobei wir diesen gesamten Hype nicht mitgemacht haben – mit gutem Grund: Wir haben nur auf Anfrage Masken verkauft, und zwar solche, die absolut konform und zertifiziert waren. Es gab v.a. am Anfang eine regelrechte Schwemme – alle möglichen Anbieter haben Masken verkauft, was nicht zuletzt der Bundesregierung auf die Füße gefallen ist. Einige Wettbewerber haben sich massiv auf das Maskengeschäft gestürzt, das rächt sich jetzt, wo der Hype abgeflaut ist, weil die geringe Nachfrage im Basisgeschäft weiterhin eine Riesenherausforderung ist. Unser oberstes Ziel in der Krise war und ist, das Unternehmen mit Perspektive für Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre sicher durch diese Zeit zu navigieren.

Welche Veränderungen haben Sie eingeleitet, um dieser Leitlinie zu folgen?

Ralf Oster: Weil die Volumina in unseren Werken in Polen und England zunächst stark gesunken sind und in der Folge geschwankt haben, mussten wir dort flexibel sein. Wir haben die temporären Kräfte z.T. reduziert, verbunden mit dem Versprechen, dass sie zurückkehren, wenn die Auftragslage sich stabilisiert. In diesem Zusammenhang nahmen auch die nicht erst in Corona-Zeiten initiierte Automatisierung, z.B. über Roboter, und die Digitalisierung der Prozesse in den Fabriken eine Schlüsselfunktion ein. Dass wir hier seit Jahren umfassend und permanent investiert haben, hilft uns jetzt extrem. Ein zweiter Schwerpunkt unseres Change Managements in der Pandemie lag auf der Zentralisierung von PF Concept, die wir vorangetrieben haben.

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Unter dem Titel Be Safe Concept entstand 2020 eine ganze Kollektion von Produkten zur Pandemiebekämpfung.

Zentralisierung im räumlichen oder im systemischen Sinne?

Ralf Oster: Beides. Zum einen haben wir über eine Software, die alle Prozesse zentral abbildet, die Finanzen gebündelt und damit auch das Handling der unterschiedlichen Währungen und Preisberechnungen in Europa – immer schon eine Herausforderung – vereinfacht. Zum anderen haben wir unser Asien-Büro von PolyConcept International Markets in die Niederlande geholt. Unseren Unternehmensbereich WorldSource, der sich mit Sonderanfertigungen befasst, haben wir umgestaltet, mit einer Plattform und Mitarbeitern, die das WorldSource-Geschäft von Europa aus organisieren. Und last, but not least haben wir mit den Kollegen in den Länderbüros Erfahrungen gesammelt hinsichtlich Homeoffice-Arbeit, Effizienz und einer weiterhin persönlichen Kundenansprache. In vielen Ländern arbeiten wir daher nun mit hybriden Modellen, also zeitweise in Büros, aber häufig auch im Homeoffice, dort, wo es für die Mitarbeiter wünschenswert und machbar ist.

Also eine unmittelbare Folge der Pandemie und der sich verändernden Arbeitsphilosophien?

Ralf Oster: Genau. Und wir haben festgestellt – z.B. durch interne Umfragen –, dass viele Mitarbeiter das begrüßen. Weil Aktivitäten wie Marketing, Finanzen und Logistik ohnehin auf die Zentrale ausgerichtet sind, die meisten Vertriebskräfte sowieso von zuhause aus agieren und der Kundenservice hervorragend digital funktioniert, ergibt dieser Veränderungsprozess Sinn. Wir haben für ganz Europa ein Work from Home-Protokoll erstellt, in dem wir Mitarbeitern Ressourcen und Equipment zur Verfügung gestellt und sie gebeten haben, dort, wo es geht, zu Hause zu arbeiten. Darüber hinaus haben wir einen externen HR-Coach engagiert, der alle regionalen Teams trainiert und gleichzeitig herausfindet, wo die neuen Aufgabenstellungen und Herausforderungen für die jeweiligen Führungskräfte liegen. Es geht nicht ganz, ohne dass man sich sieht. Wenn es erforderlich ist, können sich die Teams jederzeit auch in einem Office treffen. Das funktioniert für alle Kollegen und auch für unsere Kunden sehr gut.

Und der Außendienst – liegt er auf Eis?

Ralf Oster: Nein. Unsere Außendienstler waren zwischenzeitlich in ganz Europa in Kurzarbeit, aber in jedem Land hatten wir eine „Task Force“, die normal gearbeitet hat, sodass trotzdem Kommunikation stattfand. Jetzt reisen die Außendienstler natürlich immer noch nicht, aber sie nutzen digitale Tools, die wir intensiv weiterentwickelt haben, wie Schulungen, Präsentationen, die PF Academy, personalisiertes E-Commerce-Marketing, den persönlichen Katalog usw. Auf diese Weise haben wir z.T. sogar mehr und v.a. insgesamt deutlich effizientere Kontakte.

Was ist mit Messen als Vertriebsplattform? PF Concept hat seine Messepräsenzen ja schon vor der Pandemie stark eingeschränkt.

Ralf Oster: Das wird auch in Zukunft sehr selektiv bleiben. Wenn ein Country Manager an regionalen Messen teilnehmen möchte, muss er das Budget, das ihm zur Verfügung steht, so effizient wie möglich einsetzen. Hier sind unsere regionalen Führungskräfte aber inzwischen sehr kritisch. Denn auf vielen Messen sind die Effizienz und die Erreichbarkeit wirklich gering, und zwar seit langem. Kunden erwarten mehr und mehr direkten und digitalen Zugang zu Produkten und Informationen. Diesem Trend folgen wir seit Jahren und haben unsere Ressourcen in die Weiterentwicklung unserer Services – und nicht in Messen – gesteckt.

Stattdessen setzen Sie intensiv auf digitale Kanäle. Welche Rolle spielt Ihr Webportal dabei?

Ralf Oster: Eine entscheidende Rolle, deshalb haben wir das Portal auch 2020 mit Hochgeschwindigkeit als funktionales Tool weiter ausgebaut. Es ist ja nicht bloß ein Webshop, sondern so viel mehr – es gibt massenweise Informationen, Videos und Produktschulungen, darüber hinaus sind alle Zertifizierungen hinterlegt, die verfügbar sind. Hinzu kommen Tools für Visualisierungen und Anfragen, Livechat-Module und digitale Kataloge. PF Concept hat viele Kunden, die nur geringe Umsätze im Jahr machen und unregelmäßig, aber immer wieder kaufen und deshalb einen wichtigen Bestandteil des Geschäfts bilden. Auf alle Fragen, die sie haben, finden sie im Store Antworten. So wird alles wesentlich schneller und effizienter. Dass wir kaum noch mit Kunden telefonieren müssen, um ihre Wünsche zu erfüllen, spart zudem Zeit und half uns insbesondere, als der Vertrieb in Kurzarbeit war.

Steht denn am Ende der Customer Journey dann auch tatsächlich der Geschäftsabschluss?

Ralf Oster: Nach wie vor sind ja viele Webshops in der Werbeartikelbranche eher Schaufenster als Absatzbringer. Inzwischen laufen zwischen 65 und 80% der Auftragseingänge in den Hauptmärkten über unser Portal. Ziel war immer ein B2B-Shop mit einer B2C-Shopping Experience, die es möglichst einfach macht, einen Auftrag zu platzieren und außerdem dem Anspruch „you get what you see“ genügt: Unser Visualisierungstool zeigt nicht nur das tatsächliche, veredelte Produkt, sondern sagt auch gleichzeitig, ob die Farben stimmen und ob das Logo so, wie es ist, für die jeweilige Individualisierungstechnik geeignet ist. Dem Benutzer wird konkret visualisiert, an welchen Stellen im Logo es bei bestimmten Produkten und Veredelungstechniken zu unbefriedigenden Ergebnissen kommen kann. So etwas hat bislang niemand außer uns. Weil auf diese Weise physische Freigabemuster in fast allen Fällen überflüssig werden, verkürzen sich die Lieferzeiten natürlich weiterhin, und die Zuverlässigkeit erhöht sich auch bei Folgeaufträgen massiv. Selbstverständlich kann der Kunde aber auch immer entscheiden, einen Korrekturabzug anzufordern.

Sie bieten Werbeartikelhändlern die Möglichkeit, sich auf Ihr System „aufzuschalten“ – mit welchen Vorteilen?

Ralf Oster: Wir bieten einen schlüsselfertigen Webshop, der nach dem „Plug & Play“-Prinzip funktioniert. Werbeartikelhändler können damit sofort unser gesamtes Portfolio anbieten. Alles, was sie tun müssen, ist eine Marge addieren und – natürlich – verkaufen. Darauf können sie sich voll und ganz konzentrieren, während wir uns um den Rest kümmern. So kommt alles zusammen: Wenn der Kunde spürt, dass eine Verbesserung und Wertschätzung da ist und dass er nicht dauernd Telefonate führen muss, um zu einem überzeugenden Abschluss zu kommen, dann sagt er: „Wow!“ Zu diesem Punkt möchten wir immer mehr Kunden begleiten.

Nun haben verschiedene Kunden einen unterschiedlichen Lernstand, was diese Digitalisierung des Kundenservice angeht. Hat Corona den Lernprozess beschleunigt?

Ralf Oster: Ja, das kann ich an unseren Zahlen eindeutig ablesen. Die digitale Adoption Rate ist innerhalb weniger Monate signifikant gestiegen, und wir investieren weiter. Das ist ja ein Evolutionsprozess, der nie zu Ende geht, und warum? Weil das ganze Geschäft digitaler wird. Gott sei Dank gibt es noch Menschen, die in diesem Business arbeiten, aber diese können sich dank Digitalisierung auf wesentliche Dinge konzentrieren.

Ihre jüngste, bedeutende digitale Investition war die Übernahme des britischen Print on Demand-Spezialisten T-Shirt & Sons im März 2021. Warum sind Sie trotz der schwierigen Zeiten diesen Schritt gegangen?

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Mit der 2020 eingeführten Elevate NXT-Kollektion bietet PF Concept nicht nur nach GOTS (Global Organic Textile Standard) und GRS (Global Recycled Standard) zertifizierte Bekleidung an, sondern auch eine zertifizierte Veredelung.

Ralf Oster: Weil wir glauben, dass Print-on-Demand ganz stark im Kommen ist. Der Markt wächst zweistellig, und das seit Jahren. Auch T-Shirt & Sons wächst permanent jeden Tag. Schon lange überlegen wir, wie es möglich wäre, auf eine Mindestordermenge von einem Stück herunterzugehen und dennoch profitabel zu bleiben. Um kurzfristig in diesen dynamischen Markt einsteigen zu können, als – für unsere Branche – First Mover und mit hohem Qualitätsanspruch, war die logische Konsequenz, dieses Knowhow zu- und sich damit direkt in den Markt einzukaufen. Die Akquisition erhöht zwar einerseits die Komplexität, andererseits aber auch die Chance für uns als Unternehmen, ein größeres Portfolio abzubilden und Risiken zu diversifizieren – und zwar nicht nur in Europa, sondern auch in Amerika. Wir können unsere Produkte dem Sortiment von T-Shirt & Sons hinzufügen und dabei unsere Printing- und IT-Kompetenz einbringen, ohne dass unsere Plattformen miteinander konkurrieren. Ganz im Gegenteil, das Angebot von T-Shirt & Sons richtet sich vor allem an e-commerce-Plattformen. Aktuell prüfen wir, wie wir unseren Händlern die Infrastruktur des neuen Tochterunternehmens ebenfalls anbieten können, damit sie an ihre Kunden im B2B-Bereich verkaufen können. Zu diesem Zusatzangebot haben wir bereits sehr positives Feedback von großen Händlerkunden erhalten. Dann spielen auch preisaggressive Strategien, wie sie unser Wettbewerb z.T. fährt, keine Rolle mehr, sondern Zuverlässigkeit, Auswahl und Qualität.

T-Shirt & Sons ist insbesondere im britischen Markt ein bedeutender Player. Durch die Akquisition bauen Sie Ihre Präsenz in Großbritannien weiter aus, nachdem Sie bereits 2017 SPS – heute PF Concept UK – übernommen haben. Wie bewerten Sie diese Schritte mit Blick auf den Brexit?

Ralf Oster: Unsere Investitionsstrategie geht auf. Hätten wir 2017 nicht begonnen, eine britische Niederlassung aufzubauen, würden wir deutlich Marktanteile im Vereinigten Königreich verlieren. So sind wir vor Ort, und zwar als einer der größten Anbieter. Wir produzieren „made in UK“, unterhalten ein eigenes Lager und eine eigene Druckerei und setzen in Polen wie in Großbritannien die gleiche Automatisierung um. Wir fühlen uns gut aufgestellt, konnten Leadtimes optimieren und spüren auch schon wieder eine etwas positivere Stimmung in Großbritannien, da die Unternehmen wieder vorwärtsgerichtet aktiv sein können und wollen.

Nichtsdestotrotz müssen es ja einerseits Importware nach Großbritannien und andererseits Produkte, die Sie dort produzieren, aufs Festland schaffen. Haben Sie angesichts der neuen Zollgrenze mit logistischen Problemen zu kämpfen?

Ralf Oster: Der Weg nach England ist weniger ein Problem als der Weg von England aufs Festland. Im Januar war es besonders schwierig, weil die britische Regierung die Zollabwicklungen noch nicht auf die Beine gestellt hatte. Mittlerweile sprechen wir zwar noch nicht von normalen Lieferzeiten, und einige Spediteure sind noch nicht zu 100% auf die neue Situation eingestellt, aber das Zusammenspiel zwischen den Logistikpartnern und dem Logistiksystem bei PF Concept UK ist schon erheblich besser geworden. Bald sollte sich alles soweit eingespielt haben, dass Produkte, die aus England kommen, nur ein bis zwei Tage länger brauchen als Ware, die wir innerhalb der EU ausliefern.

Welche Entwicklungen prognostizieren Sie für den britischen Markt?

Ralf Oster: Ich bin überzeugt, dass Großbritannien dieses Jahr ein größeres Wachstum generieren kann als der Rest von Europa. Ein Großteil der Menschen ist bereits geimpft, und die Bank of England hat ihre Wachstumsprognosen verbessert. Bei allen Bedenken gegenüber der britischen Politik und dem Brexit: Der Corona-Fahrplan scheint zu funktionieren. Weil viele britische Unternehmen bereits jetzt wieder mehr investieren wollen, herrscht bei unseren britischen Vertrieblern eine größere Aufbruchsstimmung als im Rest von Europa.

Was glauben Sie, wie es für den gesamteuropäischen Werbeartikelsektor weitergeht?

Ralf Oster: Ende 2020 haben wir unseren Shareholdern einen Erholungsplan präsentiert, der davon ausgeht, dass es mindestens zwei bis drei Jahre dauert, bis unsere Branche wieder über das 2019er-Niveau wächst. Ich glaube, dass wir in diesem Jahr noch vor dem Sommer leichte positive Veränderungen sehen und ab Ende des Sommers hoffentlich wieder in einen Wachstums-Modus wechseln werden. Die Psychologie, eine bessere Stimmung, das Fortschreiten der Impfungen und Events, die wieder stattfinden dürfen, spielen dabei eine große Rolle.

Wird das Promotiongeschäft mit preisgünstigen Streuartikeln – einst ein Riesen-Markt – in absehbarer Zeit zu alter Größe zurückkehren können?

Ralf Oster: Nein, das wird dauern, weil einige Märkte nachhaltig geschädigt wurden. Wir sehen schon seit Beginn der Pandemie eine Verschiebung in den Produktkategorien: weg von Lanyards, preiswerten Kugelschreibern und Co., hin zu Geschenkartikeln, Stationary, Homeoffice, Home & Living. Das wird auch so bleiben. Die Themen Gesundheitsvorsorge, Hygiene und Prävention werden ebenfalls weiterhin Bestand haben. Bis Absatzmärkte wie Messen und Events oder der Tourismus zurückkehren, wird es lange dauern, dort fängt man ja wirklich von ganz unten an. Wir können nur von Glück sagen, dass wir in verschiedenen Märkten verschiedene Risikodiversifizierungen haben und das „große Piano“ spielen, anstatt in einem einzelnen Segment der Spezialist zu sein. Im Bereich Apparel konnten wir z.B. in den letzten Monaten wieder leichtes Wachstum verzeichnen. Wir haben zudem unsere Produktentwicklung und unser Portfolio angepasst und in Richtung funktionalerer Produkte umgestaltet, die einen echten Nutzen für den Empfänger haben und dementsprechend lange in Gebrauch sind.

Die Frage nach der Sinnhaftigkeit und dem langfristigen Nutzen von Produkten bringt uns zu einem weiteren Bereich: Nachhaltigkeit. Ist dieses Thema durch Corona in den Hintergrund geraten?

Ralf Oster: Nein, im Gegenteil, es hat in der Corona-Krise sogar noch deutlich an Relevanz gewonnen. Verbraucher überlegen sich inzwischen sehr genau, wie sie konsumieren, und dem müssen wir auch im B2B Rechnung tragen. Unsere Branche steht bekanntermaßen in der Kritik. Jetzt ist die Chance da, in Sachen Nachhaltigkeit nicht nur zu reden, sondern auch umzusetzen und Messbarkeit zu liefern.

Haben Sie Beispiele?

PF HOI 06 stayinghome - „Wir werden stärker aus der Krise herauskommen“

Verschiebung in den Produktkategorien: weg von Lanyards und Co., hin zu Geschenkartikeln, Stationary, Homeoffice, Home & Living.

Ralf Oster: Ja, z.B. die vollständig – d.h. inklusive Veredelung – GOTS-zertifizierte Textilkollektion, die wir im Oktober 2020 präsentiert haben. Das GOTS-Siegel (Global Organic Textile Standard) gilt ja gemeinhin als höchster Standard im Textilbereich. Indem wir die Veredelung ebenfalls zertifizieren, gehen wir einen Schritt weiter in Richtung Glaubwürdigkeit. Ähnliche Bestrebungen, die gesamte Supply Chain nachhaltiger aufzustellen, haben wir in allen Produktbereichen. Unsere Recycling-Artikel sind jetzt nach dem Global Recycled Standard (GRS) zertifiziert, aktuell arbeiten wir an einer FSC-Zertifizierung für Papierprodukte. In den Fabriken in England testen wir in einem Pilotprojekt gerade zirkuläre Prozesse mit eigenproduzierten Drinkware-Produkten. Mit unserer Roadmap für Nachhaltigkeit haben wir bestimmt, was wir können und was (noch) nicht. Ausgehend von aktuell 20 bis 25% sollen in den nächsten drei bis fünf Jahren bis zu 100% unserer Neuentwicklungen nachhaltig sein. „Historische“ Produkte, die diesem Anspruch nicht genügen, sollen nach und nach ausgetauscht werden. Wir haben nun klar definierte Ziele, was Produktauswahl, Lieferanten, Zertifizierungen, Compliance und Packaging angeht. Und wir haben den Anspruch, Best in Class zu sein, denn: Was wir hier in Europa bei PF Concept tun, ist eine Blaupause für unsere Muttergesellschaft Polyconcept in den USA. Denn das Thema wird auch in Amerika noch gewaltig an Bedeutung zunehmen.

Wo sehen Sie PF Concept aktuell im Nachhaltigkeits-Benchmark mit dem Wettbewerb?

Ralf Oster: Ich teste das gern an meinen Kindern, die schon erwachsen und in Sachen Nachhaltigkeit sehr kritisch sind, und frage sie, ob sie uns oder unsere Produkte glaubwürdig finden. Sie sagen mir dann, wo wir noch nacharbeiten sollten und wo wir schon ganz gut sind. Ich denke, was Zertifizierungen angeht, haben wir den höchsten Standard in der Branche. Es gibt bei uns keine Kategorie mehr ohne nachhaltigen Fokus. Denn mit der Nachhaltigkeit ist es so wie bei unseren anderen Großprojekten auch: Was wir ankündigen, das machen wir, und zwar gründlich.

Nun ist es in Zeiten wie diesen so eine Sache mit Plänen und Vorsätzen: Unternehmen sind gezwungen, immer wieder umzudenken und die Stellschrauben neu zu justieren. Wie lautet Ihr Resümee der zurückliegenden Monate aus Management-Sicht?

Ralf Oster: Wir haben es gemeinsam mit den Mitarbeitern an einen Punkt geschafft, von dem aus wir weiter gut agieren können. Ich bin deshalb sehr zufrieden und stolz auf unsere Leute, denn es ist ja nicht einfach, eine Firma von Homeoffices aus zu führen. Wir reden sehr viel miteinander, ich habe gefühlt um ein Vielfaches mehr Meetings, als ich je in meinem Leben hatte, und würde mich freuen, wenn mal der Strom ausfiele (lacht). Ich bin außerdem froh, dass wir gleichzeitig auch noch so viel Neues, Disruptives auf die Beine gestellt haben, dass wir die Chance hatten, weiter zu investieren. Wenn wir nicht so stringent und fokussiert wären – und nicht so ein gutes Team hätten –, wären wir nicht so weit.

Manch einer würde jetzt vielleicht einwerfen: So etwas sagt sich leicht mit einem Background, wie ihn PF Concept hat …

Ralf Oster: Es stimmt, wir sind Private Equity-getrieben und zahlenorientiert, aber wir sind gleichzeitig auch sehr serviceorientiert und unterstützen massiv unsere Kunden – unsere wichtigsten Stakeholder –, nicht nur im aktuellen Überlebenskampf. Viele Unternehmen unterschiedlichster Ausrichtung – groß, klein, Familienunternehmen oder nicht – sind in unserer Branche heftig ins Straucheln geraten. Unsere Stärke in diesem Zusammenhang ist eine hohe Anpassungsgeschwindigkeit sowie eine Konzentration und konsequente Umsetzung notwendiger Veränderungsprozesse, um uns agil, resilient und damit fit für die Zukunft aufzustellen. Ich bin daher überzeugt, dass wir stärker aus der Krise herauskommen werden als vorher.

// Mit Ralf Oster sprach Till Barth.

Bildquelle: PF Concept

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