Anfang Januar endete die Brexit-Übergangsperiode. Wie ist derzeit die Stimmung unter den BPMA-Mitgliedern, und wie haben Sie selbst die letzten vier Monate erlebt?

eppi140 bmpa 1 - Interview mit Carey Trevill, CEO des BPMA

Carey Trevill:

Carey Trevill: Mit dem Jahresbeginn standen britische Händler und Lieferanten vor unmittelbaren und komplexen Herausforderungen. Das Freihandelsabkommen wurde sehr spät abgeschlossen, und obwohl wir z.T. wussten, was kommen würde, war die Vorbereitungszeit viel zu knapp, zumal Großbritannien immer noch mit Corona zu kämpfen hat.Wir gewöhnen uns langsam an die neuen Regeln, aber während Kosten steigen und Lieferzeiten sich verlängern, sind die Erwartungen der Kunden nicht gesunken. Engpässe und Durcheinander bei den Logistikern und Spediteuren haben viele Probleme noch verschärft, vielleicht erinnern Sie sich an das Chaos, das rund um die Weihnachtszeit in den Häfen herrschte. Die Abläufe haben sich inzwischen etwas eingespielt, aber es bleibt enorm zeitaufwendig, Deklarationen zu erstellen und sicherzugehen, dass die richtigen Gebühren und Steuern angewendet werden.

Der BPMA steht im engen Kontakt mit britischen Regierungsvertretern, um das Bewusstsein für die Belange kleiner und mittelständischer Unternehmen in der Werbeartikelbranche zu schärfen. Wo liegen derzeit die größten Herausforderungen?

Carey Trevill: Es gibt zahlreiche Belastungen, die Lieferanten und Händler tragen müssen, und einige EU-Mitgliedstaaten haben britischen Unternehmen den Handel zusätzlich erschwert. In einem Treffen am 28. April hat der BPMA den britischen Exportminister um Unterstützung gebeten und ihm dabei die spezifischen Belange unserer Industrie aufgezeigt. Stellvertretend für unsere Mitglieder und die gesamte britische Branche haben wir verschiedene Lösungsansätze für Mehrwertsteuerprobleme präsentiert, denen Unternehmen, die in der EU handeln, ausgesetzt sind.

Haben Sie denn das Gefühl, dass die Belange der Branche in der Politik Gehör finden?

Carey Trevill: Das Meeting war sehr erfolgreich. Unsere Vorsitzende Angela Wagstaff (Gründerin von Allwag Promotions) und Vorstandsmitglied Andrew Langley (Gründer von Juniper Products) haben dem Exportminister – jeweils aus Händler- und Lieferantensicht – die Herausforderungen geschildert, mit denen sich eine Branche wie unsere konfrontiert sieht. Zudem haben wir die umfangreiche Aufklärungsarbeit hervorgehoben, die der BPMA für seine Mitglieder leistet, um ihnen bei der Anwendung der neuen Regularien zu helfen – wie die Bereitstellung von Informationen und die Organisation von Schulungen und Meetings. Wir führen weiterhin Gespräche mit verschiedenen Regierungsabteilungen, um Lösungen zu finden, die unserer Branche und anderen Sektoren in einer ähnlichen Situation helfen.

Gibt es Zahlen, die belegen, inwieweit die Exporte in der britischen Werbeartikelbranche seit Januar zurückgegangen sind?

Carey Trevill: Es ist schwer, die verheerenden Schäden, die jede Volkswirtschaft während der Pandemie erlitten hat, und die Auswirkungen – und Chancen – des Brexit auseinanderzuhalten. Insgesamt verzeichnet die Branche einen Geschäftsrückgang um bis zu 60% im Vergleich zu einem „normalen“ Vorjahreszeitraum. In einer kürzlich vom BPMA durchgeführten Umfrage gaben 56% der Befragten an, erhebliche Probleme mit dem Zoll und Verzögerungen an den Grenzen zu haben 41% meldeten im Januar einen unmittelbaren Geschäftsverlust. Die Situation hat sich seit Jahresbeginn verbessert, und wir rechnen damit, dass unsere nächsten Umfrageergebnisse ein positiveres Bild zeichnen. Es bleibt abzuwarten, wie hoch der tatsächliche Schaden sein wird. Zumal einige Mitglieder auch angegeben haben, dass sie vermehrt Chancen für Ihr Business sehen.

Gibt es denn Marktplayer, die ihre Exportaktivitäten infolge des Brexit komplett einstellen?

Carey Trevill: Leider ja. Für Unternehmen, die seltener exportieren und entsprechend weniger in den Export investiert haben, sind die neuen Prozesse besonders schwierig und kostspielig, weil z.B. einige EU-Mitgliedstaaten Anträge auf EU-Mehrwertsteuernummern verzögern oder ablehnen. Gleichzeitig stellt die Gesamtkostenbelastung selbst erfahrene Exporteure vor große Herausforderungen. Zwar geht man davon aus, dass sich die Lage entspannen wird, wenn mit Blick auf die Logistik und die korrekte Gebührenanwendung mehr Routine eingekehrt ist. Trotzdem: Wer Business in der EU machen will, muss jetzt viele zusätzliche Arbeitsstunden investieren.

Wie lautet Ihre Prognose für die britische Wirtschaft in den kommenden Monaten?

Carey Trevill: Vor Kurzem haben die Advertising Association (bei der der BPMA Mitglied ist) und das Marktforschungsinstitut Warc einen Report über die britischen Werbeausgaben veröffentlicht. Es wird geschätzt, dass die gesamten Werbeausgaben in Großbritannien in diesem Jahr um 15,2% auf insgesamt 27 Mrd. Britische Pfund (ca. 31 Mrd. Euro) steigen werden. Damit wäre der 2020 erlittene Rückgang von 1,8 Mrd. Pfund wieder aufgeholt, zudem wird für 2022 ein Anstieg von 7,2% auf einen Rekordwert von 29 Mrd. Britische Pfund (ca. 33 Mrd. Euro) prognostiziert. Großbritannien ist auf dem besten Weg, in diesem Jahr die stärkste Erholung der Werbeausgaben aller großen globalen Märkte zu erleben, und die britische Wirtschaft wird sich höchstwahrscheinlich nach der Pandemie stark erholen. Mit dem Ende des letzten Lockdowns erreichen die Branche wieder vermehrt Anfragen, und so haben wir Grund, vorsichtig optimistisch zu sein, wenngleich wir uns des schwierigen Weges bewusst sind, der vor uns liegt.

Viele britische Werbeartikelplayer unterhielten bislang einen sehr aktiven Handel mit der EU. Wie wird sich der Brexit langfristig auf die Beziehungen zwischen UKund EU-Unternehmen auswirken?

Carey Trevill: Ich bin zuversichtlich, dass unsere EU-Beziehungen weiterhin Bestand haben werden. Viele britische Firmen haben bereits Tochtergesellschaften in der EU gegründet oder planen dies, um den Warenaustausch zu erleichtern, und wir stellen fest, dass viele internationale Geschäftspartner weiterhin daran arbeiten, ihren Kunden hervorragende Ergebnisse zu liefern. Aufgrund der neuen Regularien können sich jedoch einige Beziehungen ändern. Das vollständige Ausmaß der Veränderungen wird möglicherweise erst später in diesem Jahr zutage treten, wenn die Welt wieder online geht.

// Mit Carey Trevill sprach Till Barth.

Bildquelle: BPMA

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