Für die europäische Werbeartikelbranche geht ein weiteres höchst anspruchsvolles Jahr zu Ende: Kaum entspannte sich mit den Sommermonaten und der Impfkampagne das Infektionsgeschehen und ermöglichte ein Erstarken der Konjunktur, sorgten die Flutkatastrophe in Teilen Westdeutschlands und eine beispiellose Krise in den internationalen Lieferketten für neues Chaos. Nun rollt die vierte Pandemiewelle über viele Regionen Europas, hinzu kommen die Folgen des Brexit und zahlreiche strategische Herausforderungen. Dass die Werbeartikelbranche dennoch bei allen Herausforderungen positiv in die Zukunft blicken kann, verdankt sie auch ihrer enormen Flexibilität und Widerstandsfähigkeit. Ein Rückblick auf 2021.

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Selten in der jüngeren (Branchen-)Vergangenheit startete ein Jahr so düster und zugleich so hoffnungsvoll wie das zurückliegende. Zum Jahresbeginn 2021 befanden sich weite Teile Europas mitten in der dritten Corona-Welle und im Lockdown. Der deutsche Werbeartikelmarkt blickte auf ein Jahr mit drastischen Umsatzrückgängen von rund 30% zurück: Nur noch 2,90 Mrd. Euro Umsatz erwirtschaftete die Branche im zurückliegenden Jahr und erzielte somit ein schlechteres Ergebnis als nach der Finanzkrise 2008/2009 (2,97 Mrd. Euro). Auf ein immerhin einigermaßen respektables Weihnachtsgeschäft Ende 2020 folgten erneut Monate mit starken Umsatzrückgängen.

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Viele Branchenplayer trotzten der Krise mit bedeutenden Initiativen und Investitionen. So startete elasto ein großes Bauprojekt zur Erweiterung seines Standorts.

Die traditionellen Messen zum Jahresbeginn, auf denen sich die Branche trifft und Neuheiten präsentiert, wo man ein Stimmungsbild einfängt und sich aufs neue Jahr einkalibriert, fielen allesamt den Kontaktbeschränkungen zum Opfer. Weder PSI noch RemaDays, weder CTCO noch pte, Promogift oder Merchandise World, weder HAPTICA® live noch GWW-Newsweek oder markeding konnten wie geplant stattfinden – bis weit ins Frühjahr hinein tat sich auf Veranstaltungsseite nichts.

Für Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich stand das neue Jahr zudem im Zeichen der Zollgrenze zwischen Großbritannien und der EU, die mit dem Ende der Brexit-Übergangsphase am 1. Januar 2021 Realität geworden war. Die Folgen waren unmittelbar spürbar: Lange LKW-Staus an den Grenzübergängen zum Jahresbeginn, massive Lieferverzögerungen und ein enormer bürokratischer Aufwand. Laut Eurostat sanken die EU-Exporte nach Großbritannien im Januar um 27,4% im Vergleich zum Vorjahresmonat, die britischen Ausfuhren nach Europa sogar um 59,5%. Berge von Papierkram durch Zollformalitäten, komplizierte Steuersätze, neue Normen und Regularien, Ärger mit Logistikunternehmen, die ihrerseits komplett überfordert waren, und in der Folge unvermeidliche Preiserhöhungen – da verging so manchem die Lust am grenzübergreifenden Handel zwischen EU und UK, und zwar auf beiden Seiten des Ärmelkanals. Zwar haben viele britische Unternehmen inzwischen gegengesteuert, indem sie ihr EU-Business über neu gegründete oder bestehende Niederlassungen oder Logistik-Hubs innerhalb der Union abwickeln. Doch sind die Anfangsschwierigkeiten längst nicht überwunden, die Langzeitfolgen des Austritts Großbritanniens aus der EU noch lange nicht absehbar. Empfindlich geschadet hat der Brexit dem paneuropäischen Werbeartikelgeschäft schon jetzt.

Immerhin: Dank einer gut voranschreitenden Impfkampagne kam man im Vereinigten Königreich vergleichsweise früh aus dem Lockdown heraus. Weitere Regionen Europas folgten, denn mit der Zulassung der COVID 19-Impfstoffe nahm die Impfkampagne zum Sommer hin endlich an Fahrt auf. Wie bereits im Sommer 2020 atmete man auf, das Leben kehrte zurück, Läden, Lokale und Hotels öffneten wieder; Konzerte und Festivals konnten wieder stattfinden. Die Tourismusbranche freute sich über die Scharen von Menschen, die nach langen Monaten wieder begeistert in den Urlaub fuhren.

Turbulenzen im Messebusiness

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Diversity war eines der großen gesellschaftlichen Themen des Jahres, und viele Marken zeigten Haltung – auch mit haptischen Botschaftern.

Dass auch Messen und Events zum Sommer hin wieder stattfinden durften, brachte der Werbeartikelbranche nicht nur – wenn auch in bescheidenem Maße – Teile eines bedeutenden Marktes und Umsatzträgers zurück, sondern auch eines ihrer wichtigsten Vertriebs- und Marketingtools. Entsprechend euphorisch fiel der Restart des Messebusiness aus – auf den zahlreichen Veranstaltungen, die zwischen August und Oktober 2021 in ganz Europa über die Bühne gingen, waren der Optimismus und die Freude am Wiedersehen deutlich spürbar. Wie bereits 2020 war der Terminkalender in der Herbstmessesaison dabei noch dichter gefüllt als vor Corona – denn es wurden nicht nur zahlreiche Events nachgeholt oder mit kleineren Varianten substituiert, es drängten auch neue Formate auf den Markt. So fanden im August in Gießen erstmals die deutschen Lieferantentage statt, ein Spin-off der niederländischen Leveranciersdagen. Der Vorstoß des niederländischen Veranstalters Het Portaal hatte im Vorfeld ebenso viel Aufsehen erregt wie die Absicht von 656 Editions, den Machern der CTCO in Lyon, im Januar 2022 – zeitgleich zur PSI-Messe in Düsseldorf – in Essen die CTCO Deutschland zu lancieren. Zwar wurde letztere kürzlich mangels ausreichender Planungssicherheit von ihren Initiatoren für 2022 abgesagt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es turbulent bleibt im Messebusiness, denn der Markt ist angesichts knapper Budgets und gesunkener Besucher- und Ausstellerzahlen – bedingt durch die Pandemie – hart umkämpft.

Corona hat den Veranstaltern Schäden zugefügt – allen voran großen, internationalen Plattformen wie der PSI-Messe, die 2021 nur in digitaler Form stattfinden konnte. Hinzu kam ein Führungswechsel beim PSI-Eigner Reed Exhibitions – der langjährige PSI-Chef Michael Freter wurde im Mai 2021 nach einer Übergangsphase verabschiedet. Es bleibt abzuwarten, wie es mit der selbstbetitelten „Leitmesse der Werbeartikelwirtschaft“ weitergeht und welche anderen Player und Veranstaltungen sich halten oder neu etablieren werden.

Digitalisierung und Nachhaltigkeit

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Die Transparenz von Lieferketten steht weiterhin im Fokus – u.a. getrieben durch Vorgaben wie das am 11. Juni 2021 beschlossene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

Ungeachtet aller Umwälzungen und Schwierigkeiten im Messesektor scheint unbestritten, dass eine Branche wie die haptische Werbung auf physische Messen als buchstäbliche Touchpoints keineswegs verzichten kann und will. Die zahlreichen digitalen Messen, die 2021 neu entwickelt und mal mehr, mal weniger professionell umgesetzt wurden, können und werden das, was Live-Kommunikation bietet, nicht ersetzen. Viele Elemente digitaler Plattformen allerdings wird man auch zukünftig weiter nutzen und ausbauen, und zwar dort, wo sie bestehende Marketingkanäle und Live-Events sinnvoll ergänzen. Ein Beispiel ist die neue digitale Plattform für haptische Werbung HAPTICA®// ONLINE, die Anfang November 2021 von md Xchange, einem Joint Venture von dMAS, markeding und WA Media, ins Leben gerufen wurde und die zukünftig u.a. Elemente der markeding XPO aufgreift. Die digitale Version der Werbeartikelmesse marke[ding] hatte Anfang 2021 erstmals stattgefunden und geht nun nach zwei weiteren Ausgaben in HAPTICA®//ONLINE auf. In diesem Sinne waren die zahlreichen digitalen Experimente und Projekte, die 2021 gestartet wurden, alles andere als Eintagsfliegen, sondern vielmehr Belege dafür, dass die Digitalisierung der Branche im Zuge der Corona-Krise nochmal einen bedeutenden Schub erhalten hat.

Nicht nur im Digitalen ist die Werbeartikelindustrie 2021 weiter große Schritte nach vorn gegangen: Viele Branchenplayer investierten in Bauprojekte und neue Initiativen – nicht zuletzt mit dem Ziel, das eigene Unternehmen und die Lieferketten nachhaltiger zu gestalten. Eines der Nachhaltigkeitsthemen des Jahres war Klimaneutralität. Dutzende Unternehmen meldeten neue Kooperationen mit Plattformen für den Emissionsausgleich oder lancierten Tools für das CO2-Tracking ihrer Produkte – wie die Initiative „Ippag on Track“ der Ippag (International Partnership for Premiums and Gifts), um nur ein Beispiel zu nennen.

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Trotz anhaltender Krise haben viele Unternehmen ihre Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit vorangetrieben, z.B. mit alternativen Materialien oder Schritten in Richtung Klimaneutralität.

Der Megatrend Nachhaltigkeit, der zu Beginn der Corona-Krise, so schien es, kurzzeitig aus den Schlagzeilen verdrängt worden war, steht wieder im Vordergrund – auch bei den werbetreibenden Unternehmen. Wer als Anbieter haptischer Werbung nicht ausreichend nachhaltig agiert, wird auf Dauer nicht Bestand haben, daran hat die Krise bislang nichts geändert. Dazu beigetragen hat sicherlich auch die Flutkatastrophe im Juli 2021, die den Optimismus des Sommers überschattete und die Folgen des Klimawandels auf erschütternde Weise sichtbar machte. Von den Überschwemmungen waren z.T. auch Unternehmen aus der Werbeartikelbranche betroffen, denen das Hochwasser Firmen- oder auch Privatgebäude wegriss. Wieder einmal demonstrierten viele Branchenplayer Solidarität und organisierten Hilfs- und Spendenaktionen. Weniger solidarisch und weniger vom Bemühen um mehr Nachhaltigkeit als von Wettbewerbsdenken getragen war hingegen die Abmahnwelle der Hamburger Werbeartikelagentur Giffits, die Anfang 2021 für Aufruhr in der Branche sorgte. Mehr als 50 Werbeartikelhändler mit Online- Shop hatten Ende 2020 ein anwaltliches Schreiben erhalten, weil sie gegen die EG-Öko-Verordnung 834/2007 verstoßen haben sollen, da sie Bio-Produkte Dritter zum Verkauf angeboten hatten, ohne selbst Bio-zertifiziert zu sein. Mittlerweile hat die Osnabrücker Werbeartikelagentur Crimex gegen die Abmahnung geklagt und vor dem Oberlandesgericht Oldenburg in zweiter Instanz Recht bekommen.

Lieferketten im Chaos

Dass man im Markt zur Jahresmitte hin wieder verstärkt über Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung und weniger über Corona sprach, war ein Zeichen dafür, dass die Konjunktur sich positiv entwickelte. Tatsächlich war der Aufschwung in der Wirtschaft auch in der Branche deutlich spürbar, und viele Lieferanten und Händler berichteten über eine positive Umsatzentwicklung. Ereignisse wie der Wahlkampf brachten außerdem willkommene Zusatzgewinne, nicht wenige Werbeartikler profitierten von der Nachfrage nach parteispezifischen Giveaways. Die heiße Phase vor den Bundestagswahlen ging nahtlos ins – aktuell besonders wichtige – Weihnachtsgeschäft über. Auch hier berichteten viele Unternehmen über einen guten Start.

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Helfer fürs Homeoffice oder die Entspannung danach, Mailingartikel, Produkte, die Wertschätzung demonstrieren: Der (Arbeits-)Alltag ist remote, die Branche zieht mit.

Das Anfahren der Wirtschaft nach dem Corona-Winterschlaf allerdings war einer der Gründe, die zur zweiten Jahreshälfte hin zu neuen Problemen führten: Durch die plötzlich rasant ansteigende Nachfrage und gleichzeitigen Rohstoff-, Energie- und Arbeitskräftemangel kamen die häufig noch von der Pandemie angekratzten internationalen Lieferketten ins Stocken. Ergebnis: dramatische Lieferverzögerungen in fast allen Industriezweigen und Märkten sowie Preisanstiege z.T. ungekannten Ausmaßes. Viele Importeure rechnen damit, dass sich die Lage erst spät im kommenden Jahr entspannen wird.

Als wäre das nicht genug, bremst die vierte Corona-Welle nun zusätzlich den Aufschwung aus. Während Länder wie Spanien, Italien und Portugal, die von der Pandemie besonders hart getroffen wurden, die Zahlen inzwischen gut im Griff haben und vorbildliche Impfquoten aufweisen, verhängte Österreich kürzlich einen neuen Lockdown und machte die Corona-Impfung per Gesetz obligatorisch. In den Niederlanden gab es gewalttätige Ausschreitungen gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung, und die USA warnen inzwischen vor Reisen nach Deutschland, wo der Gesetzgeber angesichts explodierender Inzidenzen ebenfalls laut über eine Impfpflicht nachdenkt. Für viele kommen die aktuellen Maßnahmen viel zu spät – nach zwanzig Monaten Pandemie haben Bürger wie Unternehmer keine Lust mehr, ständig an die eigene Resilienz erinnert zu werden, während die politischen Entscheidungsträger in vielen europäischen Staaten offensichtlich von Unentschlossenheit und Planlosigkeit getragen sind. In Resignation zu verfallen hilft jedoch keinem.

Das vorangegangene Krisenjahr hat gezeigt: Bedarf an haptischer Werbung besteht weiterhin, und es lohnt sich, weiter in Services, die eigene Kreativität und Zukunftsprojekte zu investieren. Eine Erkenntnis aus anderthalb Jahren Pandemie-Geschehen, die zumindest ein wenig Orientierung gibt in einem Jahreswechsel, der erneut von großer Unsicherheit getragen ist.

// Till Barth

Fotos: © WA Media

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