Die Hände immer hygienisch rein zu halten – das ist besonders seit dem Frühjahr 2020 Gebot der Stunde. Mit den AHA-Regeln zur Bekämpfung der Corona-Pandemie hielt auch das regelmäßige Händedesinfizieren Einzug in den gesellschaftlichen Alltag. Dass sich alkoholhaltige Handreinigungsgele jedoch nicht zwingend zur hygienischen Desinfektion eignen und die WHO-Rezeptur zum einfachen Anmischen von Desinfektionsmitteln keine Dauerlösung darstellt, das ist nur Wenigen klar.

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Wie wichtig eine ordentliche Handhygiene ist, hat die Corona-Krise deutlich vor Augen geführt. Händedesinfektion ist zu einem Alltagsthema geworden, dem sich alle stellen müssen. Gemeinsame Berührungspunkte – von Türklinken und Touchpads bis hin zum Einkaufskorb – lassen sich nun mal nicht vermeiden. Jede Menge Mittel versprechen Abhilfe, doch es lohnt sich, genauer hinzuschauen. Nicht alle verfügen über dieselbe Wirkkraft, nicht alle über denselben Sicherheitsstandard. Z.B. das klassische Handreinigungsgel, das genau genommen gar kein Desinfektionsmittel ist: Es zählt zu den Produkten, die unterwegs ein sauberes Handgefühl herstellen sollen, für die aber keine desinfizierende Wirkung nachgewiesen werden muss. Sie sind weder geprüft antibakteriell noch töten sie sicher behüllte Viren wie das SARS-CoV-2-Virus ab. Die bereits lange vor der Corona-Pandemie z.B. auf Reisen oder Messen beliebten Handreiniger sind rein kosmetische Mittel, haben also die Aufgabe, die Haut zu reinigen, zu pflegen und zu schützen. Als solche müssen sie den Anforderungen der EU-Kosmetikverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1223/2009) entsprechen, die seit 2009 europaweit gilt und kosmetische Mittel definiert als „Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers … in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen“ (Art. 2, Abs. 1a). Das Beseitigen von potenziell schädlichen Mikroorganismen wie Bakterien, Pilzen oder Viren dagegen gehört nicht zum Funktionsbereich von Kosmetika.

Anders verhält es sich mit Hygieneprodukten für die Händedesinfektion, die als „antibakteriell“, „antiviral“ oder „wirksam gegen das Coronavirus“ ausgezeichnet sind. Diese Gele und Flüssigkeiten (Sprays) enthalten üblicherweise desinfizierende Stoffe wie Ethanol oder Isopropanol, die ab einer bestimmten Konzentration und Anwendungsdauer auf der Haut Bakterien, Pilze oder Viren abtöten. Für Desinfektionsprodukte gelten noch strengere Vorgaben als für Kosmetika: Sie zählen ebenso wie z.B. chemische Insektenfallen oder Rattengift zu den Bioziden und fallen folgerichtig unter die Biozidverordnung (Verordnung (EU) Nr. 528/2012), die regeln soll, „ … dass die Herstellung und Bereitstellung auf dem Markt von Wirkstoffen und Biozidprodukten keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben“. Aufgrund der potenziell gefährlichen Inhaltsstoffe müssen die korrekte Anwendung sowie die sichere Entsorgung genau definiert sein.

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Neben Warnhinweisen wie den CLP-Piktogrammen oder dem „Tactile Warning“ müssen Desinfektionsmittel u.a. mit den entsprechenden Zertifizierungen nach DIN EN 1500 sowie der BAuA-Registrierungsnummer versehen sein.

Für den hygienischen Alltag in Pandemiezeiten ist entscheidend, dass die Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln entsprechend der Biozidverordnung nachgewiesen werden muss. Zu diesem Zweck führen unabhängige Prüfinstitute Tests zum Nachweis der bakteriziden Wirkung nach der DIN EN 1500 an Proband:innen durch. Zudem ermitteln Labore die viruzide (DIN EN 14476), bakterizide (DIN EN 13727) und fungizide (DIN EN 13624) Wirkung mittels quantitativen Suspensionstests. D.h. im Reagenzglas werden die entsprechenden Mikroorganismen dem Desinfektionsmittel ausgesetzt und sollten nach einer bestimmten Einwirkzeit, die in der Regel 30 Sekunden beträgt, inaktiviert sein. Die Prüfmethode wird bei Mikroorganismen angewendet, die z.B. im Test an Personen zu gefährlich wären, wie Tuberkulosebakterien oder bestimmte Viren.

Nach erfolgreichen Tests gilt es, das Desinfektionsmittel bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zu registrieren – die Registrierungsnummer muss auf der Verpackung aufgeführt werden. Die Nummer allein hat allerdings keine Aussagekraft darüber, ob das Produkt biozidrechtlich zugelassen und verkehrsfähig ist. Die Kennzeichnung ist ein weiterer Sicherheitsfaktor bei Händedesinfektionsmitteln und wird ebenfalls in der Biozid- sowie der CLP-Verordnung (Classification, Labelling and Packaging) geregelt. So müssen Produkte neben der BAuA-Nummer über eine Gefahrenkennzeichnung gemäß CLP verfügen. Neben den CLP-Piktogrammen „Gesundheitsgefahr“ und „Entzündbar“ gehört dazu ein „Tactile Warning“-Zeichen, das fühlbar vor den potenziell gefährlichen Inhaltsstoffen warnt. „Verpackungen, die nicht taktil gekennzeichnet sind, können von blinden und sehbehinderten Menschen nicht erkannt bzw. verwechselt werden. Insbesondere wenn im Produkt Gefahrstoffe enthalten sind, besteht bei Nichtkennzeichnung demnach eine akute Gesundheitsgefährdung“, gibt Jana Mattert vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband zu bedenken.

Der Zweck heiligt die (Desinfektions-)Mittel

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Die Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln z.B. gegen Viren wird u.a. im Labor durch quantitative Suspensionstests ermittelt.

Das kleine, aber entscheidende taktile Warnzeichen ist eines von zahlreichen Details, die es bei der Inverkehrbringung eines Desinfektionsprodukts zu beachten gibt. Von der Herstellung über die Prüfung und Zertifizierung bis hin zur entsprechenden Kennzeichnung kann ein Jahr vergehen – Zeit und Ressourcen, die es zu Beginn der COVID-19-Pandemie nicht gab. Da die ausreichende Versorgung mit Desinfektionsmitteln im März 2020 ein großes Problem darstellte, beschloss die Weltgesundheitsorganisation WHO in einem Notfallerlass, die Zulassungsbestimmungen für Desinfektionsmittel kurzfristig zu lockern, und veröffentlichte sechs Formeln für die einfache Zubereitung von begrenzt viruziden Desinfektionsmitteln. Diese Gemische aus Ethanol, 1- oder 2-Propanol mit Wasser lassen sich unter Krisenbedingungen, insbesondere in Entwicklungsländern, leicht herstellen.

In der Werbeartikelbranche wurde der Erlass dankbar aufgegriffen: Viele Unternehmen bewiesen Flexibilität und Tatendrang und führten fortan auch Desinfektionsprodukte für ihre Kund:innen. Doch wer zukünftig hygienische Werbebotschafter anbieten möchte, muss die geänderte Rechtslage beachten. „Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde die Pflicht zum Nachweis der sicheren Verwendung und Wirksamkeit ausgesetzt, um eine möglichst große Menge an Desinfektionsmitteln zur Verfügung stellen zu können – weitläufig bekannt als WHO-Rezeptur. Diese Durchführungsverordnung ist allerdings seit dem Frühjahr 2021 ausgelaufen, ungeprüfte Desinfektionsmittel dürfen nicht mehr weiter verwendet werden“, so Dr. Michael Wilz, Chairman des ASD Consortium Alcohol, ein Zusammenschluss aus Alkoholherstellern und Verarbeitern. „Bei den heutigen Produkten sollte man auf eine gültige BAuA-Meldenummer und den Nachweis der Wirksamkeit achten, z.B. EN 1500 und EN 14476“, gibt Wilz zu bedenken. Aktuelle Informationen zum Thema liefert u.a. der Verbund für angewandte Hygiene, der zudem mit der VAH-Liste ein Verzeichnis geprüfter Desinfektionsmittel und Verfahren führt. Für die VAH-Listung muss ein Hersteller u.a. zwei Prüfberichte inkl. zweier Gutachten von zwei unabhängigen, akkreditierten Prüfinstituten vorweisen. Nach erfolgreicher Aufnahme bleibt die VAH-Listung drei Jahre gültig.

// Claudia Pfeifer

Bildquelle: iStock.com/Phynart Studio (1); Sanders (3)

„Regulatorisch eine Herausforderung“

Stefan Fleischmann, Geschäftsführer von Sanders Imagetools, zur Handhabung von Händedesinfektionsprodukten in der Werbeartikelbranche

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Stefan Fleischmann

Herr Fleischmann, Sie führen beides, Handreinigungsgele und Händedesinfektionsmittel, im Sortiment. Sind Desinfektionsmittel mit einem höheren Aufwand verbunden?

Stefan Fleischmann: Definitiv. Für Handreinigungsgele gilt wie für alle unsere kosmetischen Produkte die EU-Kosmetikverordnung. Das bedeutet sehr viel Arbeit bezüglich der Dokumentation, da jeder einzelne Inhaltsstoff in der Produktinformationsdatei (PID) gelistet und jedes einzelne Kundenmotiv in der europäischen CPNP-Datenbank (Cosmetic Products Notification Portal) verzeichnet sein muss. Die Dokumentation umfasst für jede Creme und jeden Handreiniger einige Aktenordner. Aber im Bereich Kosmetik gilt die Eigenverantwortung der Hersteller. Desinfektionsprodukte wiederum fallen unter die Biozidverordnung und erfordern deutlich mehr Aufwand, auch in puncto Zertifizierung. Hier sagt der Gesetzgeber: Dieser Stoff ist giftig! Es muss strikt geregelt sein, wie und in welcher Menge das Produkt anzuwenden und wie es zu entsorgen ist. Es gilt, die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zu beachten, dazu gehören z.B. Wasserschutzgutachten etc. Daraus ergibt sich eine massiv erweiterte Kennzeichnungspflicht, auch zum Schutz vulnerabler Gruppen, die in der Biozid- sowie der CLP-Verordnung festgelegt ist. Zudem hat das Produkt in einer bestimmten Dauer eine bestimmte Wirkung zu erzielen, daher muss ein Wirknachweis erbracht werden. Die entsprechenden Tests z.B. nach der DIN EN 1500, 13727 und 14476 sind unheimlich aufwendig – und nicht zuletzt sehr teuer –, aber unerlässlich.

Von welchen Kosten sprechen wir für Tests und Zertifikate?

Stefan Fleischmann: Die Prüfverfahren dauern ca. ein Jahr, und die Kosten liegen im mittleren fünfstelligen, sogar im sechsstelligen Bereich. Doch der Rechtsrahmen ist klar: Ohne Prüfung, entsprechende Zertifizierung und Kennzeichnung ist das Inverkehrbringen verboten. Ein großes Problem für den Werbeartikelhandel ist, dass viele Hersteller die Unterschiede nicht ernst nehmen und z.B. Biozide als Kosmetik handhaben, insbesondere bei Importen aus Osteuropa oder Asien. Die Produkte sind dementsprechend nicht ausreichend geprüft oder gekennzeichnet. So gibt es für die Artikel z.B. keinen Wirknachweis, ein nennenswerter Teil der Desinfektionsprodukte am Werbeartikelmarkt verfügt zudem nicht über das notwendige „Tactile Warning“-Zeichen. Oft wird die Registrierung bei der BAuA als Nachweis für die Produktsicherheit zitiert. Die Registrierung ist zwar notwendig, aber bei weitem nicht ausreichend für die deutsche Marktzulassung. Jeder Mitgliedsstaat hat darüber hinaus seine eigene nationale BAuA-artige Behörde, deshalb ist eine EU-weite Zulassung nicht möglich. Als Hersteller muss man sich hier Land für Land regulatorisch neu erschließen.

Wie viele andere Lieferanten in der Branche haben auch Sie Händedesinfektionsmittel nach WHO-Rezeptur angeboten, inzwischen aber nicht mehr. Warum?

Stefan Fleischmann: Weil seit Frühjahr 2021 wieder die üblichen Regelungen der Biozidverordnung gelten. Nach wie vor werden Restbestände der WHO-Rezeptur angeboten – nicht nur in der Branche, sondern auch im klassischen Handel, sogar bei Apotheken. Jedes Mal, wenn ich das mitbekomme, denke ich mir, die trauen sich was! So laufen in unserer Branche Händler und deren Kunden ins offene Messer, Konsumenten im Handel werden in die Irre geführt.

Welche Konsequenzen drohen werbenden Unternehmen, die auf das falsche Desinfektionsmittel setzen?

Stefan Fleischmann: Inverkehrbringer, die gegen die Biozidverordnung verstoßen, riskieren Bußgelder und einen kompletten Rückruf des Produkts – inklusive des teils erheblichen finanziellen Schadens. Das ist auch strafrechtlich relevant, nicht bloß eine Ordnungswidrigkeit. Vom Ruf, den man dann weg hat, ganz zu schweigen. Man stelle sich vor, ein großes Unternehmen wirbt mit einem Produkt, das gesetzwidrig ist, wo z.B. der notwendige taktile Warnhinweis für Sehbehinderte fehlt – da ist der Shitstorm doch schon vorprogrammiert. Genau hinzuschauen gilt es auch bei Direktimporten, denen für die Zulassung hierzulande oft die Prüfungen und Registrierungen fehlen. Holt man das nach, ist der Preis auch nicht mehr günstiger als bei Desinfektionsmitteln „made in Germany“.

Wie können werbende Unternehmen auf Nummer sicher gehen?

Stefan Fleischmann:  Neben den Warnhinweisen, der BAuA-Registrierungsnummer und der Wirksamkeitsprüfung nach DIN EN 1500 und 14476 können sich werbende Unternehmen an den Verbund angewandte Hygiene wenden und die VAH-Liste nach rechtskonformen Desinfektionsprodukten durchsuchen. Gerade für Einkaufsabteilungen großer Konzerne ist die Liste das Qualitätskriterium für sichere Werbebotschafter. Wer Händedesinfektionsprodukte rechtssicher anbieten möchte, muss sich professionell aufstellen.

// Mit Stefan Fleischmann sprach Claudia Pfeifer.

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