Immer mehr Anbieter werben auch im Werbeartikelmarkt mit dem Begriff „Klimaneutralität“ und gleichen entstandene Treibhausgas-Emissionen an anderer Stelle durch die Finanzierung von Klimaschutzprojekten aus – ein probates Mittel im dringlichen Kampf gegen die Erderwärmung, auch wenn die allzu werbliche Ausschlachtung bisweilen für Irritationen sorgt. Was „klimaneutral“ nicht heißt, warum Produkte (bislang noch) seltener zertifiziert werden als Unternehmen und wie Hangtags für Transparenz sorgen.

klima slider - Prima fürs Klima?

Ob saubere Kochöfen in Ghana, Windenergie in Marokko oder Wasserkraft im Virunga-Nationalpark, der weltweit letzten Heimat der Berggorillas – ClimatePartner unterstützt Klimaschutzprojekte bewusst im globalen Süden, um Doppelzählungen und -förderungen zu vermeiden. Die Projekte verstehen sich auch zugleich als Entwicklungsprojekte für die dort lebenden Menschen.Die Wettbewerbszentrale, laut Eigenbeschreibung die größte und einflussreichste bundesweit tätige Selbstkontrollinstitution zur Durchsetzung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb, beschäftigt sich naturgemäß mit einer breiten Palette an Themen. Da geht es z.B. darum, ob Lebensmittelhersteller pflanzliche Skyr-Alternativen als „Skyr-Style“ bezeichnen, Mieter Kabel-TV-Anschlüsse kündigen oder Zahnärzte ihre Räumlichkeiten als „Praxisklinik“ titulieren dürfen. Wenige ihrer Aktivitäten haben jedoch für ein so breites mediales Echo gesorgt wie die Ankündigung im Mai 2021, u.a. gegen Aldi Süd Gerichtsverfahren wegen der irreführenden Verwendung des Begriffs „klimaneutral“ anstrengen zu wollen – der Discounter wirbt u.a. damit, der „erste klimaneutrale Lebensmitteleinzelhändler“ zu sein.

Eine Klage gegen Aldi, dazu noch wegen der Verwendung des momentanen Buzzwords aus dem Themenkreis Nachhaltigkeit – das fand Eingang in die Berichterstattung nahezu aller Tageszeitungen und überregionalen Medien und entzündete zudem eine breite Debatte darüber, wie Klimaneutralität einerseits zu bewerten und andererseits zu bewerben sei. Im Kern ging es den Hütern des Wettbewerbsrechts darum, zu klären, was „klimaneutral“ wirklich heißt und was der Verbraucher darunter letztlich versteht. Zum Ausdruck kam in der Begründung jedoch auch eine gewisse Skepsis gegenüber dem Verfahren an sich, sei die Klimaneutralität doch „lediglich ein rechnerisches Ergebnis“, das „durch den Kauf von CO2-Ausgleichszertifikaten erreicht“ würde – z.T. auch ohne, dass die Produktionsweisen klimafreundlicher gemacht würden.

Diese Argumentation bringt Menschen wie Estelle Herlyn auf die Palme. Die Professorin am KompetenzCentrum für nachhaltige Entwicklung der FOM Hochschule für Ökonomie und Management hat mit einem in mehreren Medien veröffentlichten Gastbeitrag unmittelbar auf das Vorgehen der Wettbewerbszentrale reagiert. Die Welt brauche viel mehr Unternehmen wie Aldi Süd, meint die Nachhaltigkeitsexpertin und steht damit keineswegs allein da. Klimaneutralität sei ein in der politischen Debatte fest verankerter Begriff, der stets von einer bilanziellen Betrachtung ausgehe. Die Bundesregierung, die EU, die Staaten im Pariser Klimaschutzabkommen – sie alle hätten sich zu Klimaneutralität verpflichtet, wohl wissend, „dass es praktisch unmöglich ist, eine lebenswerte Zivilisation für Milliarden Menschen emissionsfrei zu verwirklichen.“ Zusätzliches unternehmerisches Engagement sei dringend von Nöten, da die politischen Maßnahmen bei Weitem nicht ausreichten, das Ziel von maximal 2 °C, besser 1,5 °C Erderwärmung zu erreichen, so Herlyn weiter. Und alle von Aldi unterstützten Projekte in Brasilien, Ghana, Indien und auf den Philippinen würden ihren Teil dazu beitragen, dem Klimawandel entgegenzuwirken.

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Klimaneutralität wird im Bereich der haptischen Werbung immer wichtiger und selbstverständlich. Eines der jüngsten Beispiele: Gemeinsam mit der Schweizer Outdoor-Marke Rewind hat der Prämienanbieter Boost eine Loyalty-Kampagne für Coop Schweiz entwickelt, bei der klimaneutral gestellte Produkte die angesprochene Liebe zum Naturerlebnis unterstreichen.

Die Diskussion, die nicht nur in Fachkreisen intensiv geführt wurde und wird, offenbart ein Dilemma: Viele Unternehmen wollen etwas tun im Kampf gegen den Klimawandel, doch viele sind verunsichert, was das Richtige ist. „Klimaneutralität“ ist dabei ein Schlüsselbegriff, um den sich vieles dreht, doch angesichts seiner inflationären Verwendung verschwimmt seine Bedeutung im Meer der Unbestimmtheit. Wenn die Sneakers vom Aldi ebenso klimaneutral sind wie die Veggie-Linie von Kaufland, das Hähnchenfleisch vom Rewe oder der id4-SUV von VW, ist das dann ein gutes Zeichen, weil die Marken endlich verstanden haben, dass sie etwas ändern müssen? Oder erspart es ihnen nur, intensiver über die eigenen Prozesse nachzudenken? Hilft das dem Klima, hilft das uns allen, hilft das den Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern? Oder ist das alles nur ein großer Bluff, Greenwashing in Reinkultur?

Ähnliche Fragen stellen sich fürs Marketing: Zahlt Klimaneutralität auch auf die eigene Nachhaltigkeitsstrategie der beworbenen Marke ein? Bringt das alles was? Oder anders herum: Geht es überhaupt noch ohne?

Standards satt Werbesprech

Wer sich mit Klimaneutralität im Markt der haptischen Werbung beschäftigt, merkt schnell: Der Begriff ist dort ähnlich omnipräsent wie im Retail-Markt. „In der Werbeartikelbranche wird Klimaneutralität zum All-in-Tool“, hat z.B. Manfred Janek beobachtet. Janek ist seit vielen Jahren Nachhaltigkeitsbeauftragter der schweiz-österreichischen Werbeartikelagentur KW Open und hat zudem mit Ecobrands ein Unternehmen gegründet, das sich dem Verkauf von dezidiert nachhaltigen Produkten – wie Naturdünger aus Pferdeäpfeln, Sprout-Bleistiften zum Einpflanzen oder den dänischen Glastrinkflaschen von Retap – widmet. Er stört sich an der werblichen Ausschlachtung als „klimaneutral“ gebrandeter Produkte. „Es entsteht bisweilen der Eindruck, dass wir damit aller Sorgen ledig sind. Grundsätzlich ist Klimaneutralität nichts Schlechtes. Zertifizierungsfirmen organisieren gegen relativ günstiges Entgelt für die Umwelt positive Projekte. Sie sind eine gute Sache, um entstandenen Schaden zumindest ansatzweise auszugleichen.“ Aber dies dürfe nicht die einzige Umweltaktivität im Markt haptischer Werbung bleiben, so Janek: „Wir können nicht einfach so weitermachen und die Umwelt mit Wegwerfartikeln aus unklaren Quellen und schlechten Materialien, die oft noch unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen hergestellt werden, verschmutzen. Dann nutzt es auch nichts, nachher Bäume in Afrika zu pflanzen oder sich mit einer anderen kostengünstigen Pseudoaktivität freizukaufen. Damit lässt sich auch für Marken kein Staat machen.“

In der Sache stimmt ihm Rolf Janka, Geschäftsführer und CSR-Beauftragter der im Raum München angesiedelten Werbeartikelagentur Hagemann, zu: „Klimaneutralität ist kein USP mehr. Mit dem Label Klimaneutralität wird allenthalben geworben, da verwischen in der Wahrnehmung die Unterschiede, unsere Kunden blicken da teilweise nicht durch.“ Oftmals sei der Transport oder die Verpackung klimaneutral gestellt, manchmal das Unternehmen, nur selten die Produkte selbst. „Dabei ist klimaneutraler Versand nun wirklich nichts Besonderes mehr. Auch die Standards, nach denen die CO2-Emissionen bemessen und ausgeglichen werden, sind unterschiedliche, ebenso wie die Preise. Man muss daher genau hinschauen, um zu sehen, welche Lieferanten sich wirklich bemühen, die Prozesse entlang der Lieferkette klimafreundlicher zu gestalten.“

Einer, der sich tagtäglich intensiv mit dem Thema Klimaneutralität auseinandersetzt und von Berufs wegen genau weiß, was mit den einzelnen Begrifflichkeiten gemeint ist, ist Peider Bach, Head of Customer Success Germany bei ClimatePartner. ClimatePartner, vor 15 Jahren gegründet, hat sich ähnlich wie z.B. NatureOffice oder die gemeinnützige Organisation myClimate darauf spezialisiert, Unternehmen beim Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen und gilt mit weltweit mehr als 5.000 Kunden als Marktführer unter den Zertifizierungsbetrieben. Fünf Schwerpunkte umfasst die Tätigkeit: den Carbon Footprint von Unternehmen bzw. deren Produkten zu ermitteln, Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen abzuleiten, restliche Emissionen durch die Unterstützung von Klimaschutzprojekten auszugleichen und bei der Kommunikation über die Projekte und Erfolge zu unterstützen.

klima halfar - Prima fürs Klima?

Der Taschenspezialist Halfar hat sämtliche seiner Werbetaschen klimaneutral gestellt. Ein Hangtag weist darauf hin und gibt über einen ID-Tracking-Link Aufschluss darüber, wieviel CO2 kompensiert wird und welche Projekte gefördert werden.

„Manche Formulierungen stehen zu Recht in der Kritik“, findet auch Bach, „weil sie in der Hauptsache werblich wirken wollen, im Kern aber eigentlich Übertreibungen sind.“ Ähnlich wie bei der Schwangerschaft, in der es auch keine Abstufungen gibt, ist z.B. ein Produkt oder ein Unternehmen entweder klimaneutral oder eben nicht – die Aussage, man sei zu „100% klimaneutral“ weckt jedoch die Annahme, dass es auch weniger gute Klassifizierungen gibt. „Faktisch falsch ist es auch, seine Produkte als Carbon-free oder CO2-frei zu kennzeichnen, denn das würde ja bedeuten, dass beim Produktionsprozess kein CO2 verursacht wird, was derzeit unrealistisch ist“, so Bach weiter, dem es sehr darauf ankommt, dass ClimatePartner-Kunden in der Kommunikation klar und unmissverständlich auftreten. „Behauptungen müssen stimmen. Transparenz ist enorm wichtig.“ Das Unternehmen beschäftigt daher mittlerweile eine eigene recht große Marketingabteilung, deren Hauptzweck es ist, Kunden dabei zu unterstützen, ihre Klimaaktivitäten zwar mit Nachdruck, aber immer sachlich korrekt nach außen zu kommunizieren. Schließlich nähren gerade die vielen Fälle von übertriebener oder falscher Verwendung des Begriffs „Klimaneutralität“ die Zweifel an dem Konzept an sich. Auch die Wettbewerbszentrale fühlte sich nach eigenem Bekunden durch die vielen Nachfragen irritierter Bürger auf den Plan gerufen, zu klagen.

Egal wo

Um Transparenz erzielen zu können, ist zunächst einmal eine Begriffsklärung nötig. Ein Grundproblem liegt dabei im Terminus technicus selbst. „Klimaneutralität“ bedeutet in der Tat nicht – wie es möglicherweise vielfach falsch verstanden wird –, dass Unternehmen a priori besonders umwelt- bzw. klimafreundliche Produkte auf den Markt bringen. Vielmehr bedeutet Klimaneutralität, dass unvermeidbare Emissionen von Treibhausgasen an anderer Stelle wieder ausgeglichen werden, und zwar, indem Klimaschutzprojekte rund um den Globus finanziell unterstützt werden. Insofern läuft etwa die Kritik der Organisation foodwatch, die dem als klimaneutral ausgezeichneten Hähnchenfleisch der Rewe-Marke Wilhelm Brandenburger den Negativpreis „Windbeutel des Jahres 2021“ verlieh, ins Leere: „Ausgerechnet Fleisch als Klimaschützer zu bewerben“ sei dreist, fanden die Verbraucherschützer. Doch über die Klimafreundlichkeit von Hähnchenfleisch an sich – z.B. im Vergleich zu veganen Alternativen auf Erbsenbasis – sagt das Label „klimaneutral“ rein gar nichts aus. Viel wichtiger erscheint es, was foodwatch im vorliegenden Fall auch gemacht hat, die Prozesse hinter den jeweiligen Labels zu hinterfragen. Seriöse Zertifizierungsbetriebe arbeiten durchgängig mit überprüfbaren Standards. Bei ClimatePartner z.B. ist man sehr darum bemüht, alles zu standardisieren, sowohl auf der Ebene der Berechnung von Emissionen als auch auf der Ebene der Ausgleichsprojekte.

Ein Climate-Partner-Kunde aus dem Werbeartikelbereich ist der Bielefelder Taschenspezialist Halfar, der sein komplettes Lieferprogramm an Werbetaschen klimaneutral gestellt hat. Die Taschen werden mit Hangtags versehen, die via QR-Code und ID-Tracking übermitteln, wieviel CO2 emittiert und ausgeglichen wurde und welche Projekte unterstützt werden. Halfar z.B. supportet zwei Langzeitprojekte in den Ländern, in denen Taschen gefertigt werden: die Aufforstung einer Wüste westlich von Peking und den Bau eines Solarparks in Indien.

Oft wird hinterfragt, warum die Klimaschutzprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern durchgeführt werden und nicht vor Ort in den Regionen, wo die Unternehmen, die sich zertifizieren lassen, zuhause sind. Dafür gibt es eine einfache Erklärung. Da sich im Pariser Abkommen alle Staaten dazu verpflichtet haben, Projekte für den Klimaschutz in ihren Ländern durch die nationalen Haushalte zu finanzieren, konzentrieren sich die Zertifizierungsunternehmen wie ClimatePartner schwerpunktmäßig auf Projekte im ärmeren globalen Süden, um keine Maßnahmen zu unterstützen, die ohnehin schon gefördert werden. Rein physikalisch betrachtet ist es ohnehin egal, wo auf dieser Erde CO2 eingespart wird.

Auch die Unterstellung, Unternehmen würden bewusst die Klimaschutzprojekte dort unterstützen, wo sie billiger sind, lässt sich leicht entkräften. Für das gleiche Geld lässt sich mit Projekten in Entwicklungsländern deutlich mehr fürs Klima tun als im industriellen Norden – und letztlich kommt es ja darauf an, möglichst viel zu erreichen. Im Übrigen führt die Praxis dazu, dass klimaneutrale Produkte nicht sehr viel teurer sind als solche, bei denen die Emissionen nicht ausgeglichen werden, was die Akzeptanz auf Einkaufsseite deutlich erhöht.

Vermeiden oder ausgleichen

Aber es bleibt natürlich die Frage, ob man den Klimawandel nicht noch effektiver bekämpfen könnte, wenn man mehr in die Veränderung der Produktionsprozesse investieren und so von vornherein die Emissionen reduzieren könnte. „Besser als Produkte nachträglich klimaneutral zu stellen, wäre es, schon bei der Produktentwicklung die Kette bis zur Entsorgung mitzudenken, z.B. in der Gestalt, dass man Produkte nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip fertigt oder versucht, die Produktion zu modernisieren, um weniger CO2 auszustoßen“, regt Janek an. „Wir brauchen das Label ‚Klimaneutralität‘, um unsere Klimaziele zu erreichen, aber das alleine reicht eben nicht aus.“ Er verweist in seiner Argumentation auf die Berechnungen diverser Experten: Um 1.000 Mrd. t müsste der CO2-Ausstoß gesenkt werden im Vergleich zu einer ungebremsten Entwicklung, wenn es den Vertrag von Paris nicht gegeben hätte, damit das Ziel von maximal 2 °C-Erderwärmung erreicht werden kann. Rund 500 Mrd. t werden durch politische Maßnahmen eingespart, rund 250 Mrd. t durch Negativ-Emissionen (also Kompensationen in Klimaschutzprojekte). Bleibt eine Lücke von 250 Mrd. t, die nur durch den Verzicht auf CO2-emittierende Prozesse und Produkte gestopft werden könnte. Und die Sanduhr läuft unerbittlich weiter.

Gerade deswegen hält ClimatePartner-Mitarbeiter Bach Klimaneutralität für einen „wichtigen Schritt im ganzheitlichen Klimaschutz, denn wenn wir die Paris-Ziele erreichen wollen, haben wir nur noch acht, neun Jahre Zeit. Daher können wir nicht auf eine technologische Lösung warten, die ohnehin noch nicht skalierbar oder einsetzbar ist. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als entstandene Emissionen an anderer Stelle wieder auszugleichen.“

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Wichtig ist, dass Produkte klimaneutral gestellt werden, nicht nur das Unternehmen. Immer mehr Anbieter im Markt der haptischen Werbung lassen zumindest Teile ihrer Sortimente klimaneutral zertifizieren, so auch z.B. der Schreibgerätespezialist uma (l) und der Süßwarenanbieter CD Lux.

„Natürlich wäre es schöner, wenn wir so fabrizieren könnten, dass – überspitzt gesagt – aus den Schornsteinen Sauerstoff statt Treibhausgase geblasen werden“, ergänzt Halfar-Geschäftsführer und -Gründer Armin Halfar. „Aber das ist noch nicht umsetzbar. Insofern sind Kompensationen, um Klimaneutralität zu erreichen, ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Und die Projekte, die wir unterstützen, sind direkte Maßnahmen im Kampf gegen die Erderwärmung. Wenn in Indien einmal eines Tages ein Kohlekraftwerk abgeschaltet werden kann, weil entsprechende Photovoltaikanlagen gebaut worden sind, hat das durchaus einen positiven Impact auf das Klima. Aber klar – wenn man lediglich Emissionen ausgleicht, um sich klimaneutral stellen und damit werben zu können, aber ansonsten nichts an seinen Prozessen ändert und weiter so arbeitet wie vor 25 Jahren, ist das natürlich ‚Käse‘. Dann ist wenig gewonnen.“

Klimaneutralität ist also nicht alles, aber ohne Klimaneutralität geht es auch nicht, zumal sie einen niedrigschwelligen Einstieg in eine umfassendere Auseinandersetzung mit einer Nachhaltigkeitsstrategie bedeutet. Aus der eigenen Erfahrung weiß Bach: „Die meisten unserer Kunden fangen mit einer Unternehmensbilanzierung an. Dann beginnt ein Prozess der Auseinandersetzung mit der ganzen Thematik, der oft dazu führt, dass im zweiten oder dritten Jahr weitere Maßnahmen wie die Bilanzierung von Produkten, Produktgruppen oder Sortimenten gestartet werden.“

Produkte, Produkte, Produkte

Ein Produkt klimaneutral zertifizieren zu lassen ist dabei viel aufwendiger als ein Unternehmen. Während bei letzteren der Verbrauch fossiler Brennstoffe anhand von Parametern wie z.B. dem Energiebedarf bei der Produktion, dem weiteren Stromverbrauch, dem Fuhrpark, der Mitarbeiteranfahrt, der Geschäftsreisetätigkeit, dem Wasserverbrauch oder der Abfallmenge ermittelt wird, fließen beim Produkt sämtliche Rohmaterialien, Vorprozesse sowie die Logistik in der Vorkette mit ein.

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Mit Werbebotschaften rund ums Thema Klimaneutralität hat der Discounter Aldi für Gesprächsstoff gesorgt und die Wettbewerbszentrale auf den Plan gerufen. Zu den als klimaneutral beworbenen Produkten zählten auch diese Sneaker.

Taschenspezialist Halfar hat sich davon nicht schrecken lassen und sein komplettes Lieferprogramm an Werbetaschen klimaneutral gestellt. „In drei bis vier Jahren wird das ohnehin Standard sein“, vermutet Armin Halfar. „Wir wollen diese Entwicklung vorantreiben und uns als einer der Pioniere positionieren, schließlich waren unsere Standorte und unsere Transporte schon länger klimaneutral.“ Bei Halfar ist die Klimaneutralität daher auch keine hinzubuchbare Option, sondern obligatorisch. Schließlich sollen auch nicht diejenigen Kunden preislich belohnt werden, die sich gegen das umweltfreundlichere Modell entscheiden, also auf die Kompensation von klimaschädlichen Treibhausgasen verzichten wollen.

Auch Jankas Arbeitgeber, die Werbemittelagentur Hagemann, hat sich selbst klimaneutral zertifizieren lassen. „Für Händler ist das kein großer Faktor“, meint Janka. Viel entscheidender als die eigene Zertifizierung als klimaneutrales Unternehmen sei jedoch, „dass die Produkte klimaneutral sind.“ Das ist nicht nur das aufwendigere Verfahren, sondern es bietet werbenden Unternehmen auch die Chance, das überreichte Präsent direkt als klimaneutral zu labeln, was eine viel unmittelbarere Wirkung erzielt als der Umweg über die Nennung eines im Beschaffungsprozess beteiligten klimaneutralen Unternehmens. Hagemann hat mit der Website nachhaltige-werbegeschenke.de eine Online-Anlaufstelle für dezidiert umweltfreundliche Werbeartikel geschaffen, die nach verschiedenen Nachhaltigkeitskriterien klassifiziert werden. In der Rubrik „klimaneutrale Produkte“ sind derzeit knapp 150 Artikel eingestellt, von der Lunchbox aus Glas über eine Induktionsladestelle aus recyceltem ABS bis hin zum Metall-Grafitstift oder der FairTrade-Schokolade.

Die Nachfrage nach solchen Artikeln wird steigen, da ist sich Janka sicher. „Der Druck auf die Unternehmen, etwas machen zu müssen, wird größer, insbesondere die großen Marken haben auch Angst vor Shitstorms, stehen unter der Beobachtung von NGOs. Selbst wenn es die Leute nicht selbst interessiert, zwingt sie der Wettbewerbsdruck doch dazu, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.“ „In den kommenden Jahren wird es sich zu einem Wettbewerbsnachteil entwickeln, nicht im Klimaschutz aktiv zu sein“, bestätigt Bach. Und Halfar ergänzt: „Die Einkaufsprofis großer Markenunternehmen fragen dezidiert nach den Nachhaltigkeitskriterien eines Produkts, wissen, was sie wollen, und sind bezüglich der Thematik absolut auf Zack. Es ist wichtig, dass der Werbeartikelhandel sich ebenso umfassend informiert, um präzise beraten zu können.“

All das, prognostiziert Janka, wird dazu führen, dass es in wenigen Jahren nur noch klimaneutrale Werbeartikel geben wird“, zumal es im Prinzip ganz einfach sei, Klimaneutralität zu erlangen. „Es wird spannend sein, ob und wie dann anhand von weiteren Kriterien weiter differenziert und z.B. der CO2-Ausstoß auf den Lebenszyklus umgerechnet wird.“ Denn noch einmal: Klimaneutralität ist nicht das einzig entscheidende Merkmal im Kampf die Erderwärmung, sondern nur eine von vielen wichtigen Maßnahmen. Und so wichtig es ist, beim Einkauf haptischer Werbeträger auf die Klimabilanz zu achten – das reicht natürlich nicht aus: „Es kommt immer auf eine ganzheitliche Klimaschutzstrategie an. Es hilft nichts, dass Unternehmen klimaneutral hergestellte Werbekugelschreiber verteilen, wenn sie das Ziel nicht selbst auch verfolgen. Das wirkt dann unglaubwürdig“, so Bach, dessen Unternehmen zusammen mit den Agenturen Mediaplus und Serviceplan eine Initiative gestartet hat, Kommunikationsmaßnahmen in Gänze auf ihre Klimaauswirkungen zu untersuchen. Mithilfe einer Software-Lösung können die Emissionen einzelner Gattungen – vom TV-Spot bis zum Werbeplakat – ermittelt und dann auch ausgeglichen werden. ARD Media etwa hat jüngst sämtliche Radio- und TV-Spots über die Green-GRP-Initiative klimaneutral gestellt.

Doch einen Vorteil hat haptische Werbung gegenüber allen anderen Werbemaßnahmen: Sie behauptet Klimafreundlichkeit nicht nur, sondern tritt im besten Fall den Beweis dafür unmittelbar an. „Werbeartikel haben für die großen Marken nicht unbedingt die höchste Wesentlichkeit“, weiß Janka. „Aber sie bieten ihnen die Möglichkeit, ihre Nachhaltigkeitsstrategie haptisch zu unterstreichen, zu zeigen, wie sie sich z.B. in den Bereichen Klimaneutralität oder Recycling aufstellen wollen. Ein Artikel muss zur Nachhaltigkeitsstrategie passen.“ Tut er das, hat er beste Chancen, nachhaltig Eindruck zu hinterlassen und etwaige Irritationen gar nicht erst aufkommen zu lassen.

// Mischa Delbrouck

Bildquelle: Aldi-Süd, CD Lux, ClimatePartner, climatepartner.com/1017, climatepartner.com/1072 (2), climatepartner.com/1073, Halfar, uma

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