Seit der Wahl zum neuen Vorstandsvorsitzenden am 26. September d.J. ist Steven Baumgaertner, CEO von cyber-Wear, das neue Gesicht und der neue Hoffnungsträger des GWW (Gesamtverband der Werbeartikel-Wirtschaft e.V.). Im Gespräch mit den WA Nachrichten blickt er auf die Chronologie der letzten Wochen zurück, skizziert die wichtigsten Aufgaben und wagt einen Ausblick auf die nächsten zwei Jahre. Ob es um die Themen Strukturreform oder Steuergerechtigkeit geht, um Gattungsmarketing oder Digitalisierung – stets drängt er voller Elan auf Teamarbeit und Dialog. Sein Ziel: den Verband fit machen für die Zukunft.

Steven Baumgaertner - „Wir können diese Branche nur gemeinsam nach vorne bringen“

Steven Baumgaertner

Herr Baumgaertner, bis vor wenigen Wochen war cyber-Wear noch gar kein GWW-Mitglied. Was hat Sie nun bewogen, für den Vorstandsvorsitz des GWW zu kandidieren?

Steven Baumgaertner: Als cyber-Wear sind wir schon immer – seit 28 Jahren – unseren eigenen Weg gegangen, was gut funktioniert hat. In dem alten Set-up des GWW hatten wir keinen Mehrwert für uns gesehen. Aber ich war immer schon ein Netzwerker und bin der Meinung, dass wir die Branche, die wir alle so faszinierend und – bisweilen vielleicht – erschreckend finden in all ihren Facetten, nur gemeinsam nach vorne bringen können. In vielen Gesprächen mit Lieferanten, aber auch geschätzten Kollegen aus dem Handel waren wir uns einig, dass man den Verband neu aufsetzen, neu denken müsste. Das hat sich vor wenigen Wochen verstärkt, als ich mitten in der Nacht eine WhatsApp-Nachricht bekam, ob ich mir vorstellen könnte, als Vorsitzender des Vorstands zu kandidieren. Ich habe mir das sehr intensiv durch den Kopf gehen lassen, mich v.a. auch gefragt, ob ich das von meinen Kapazitäten her leisten kann – ich habe schließlich genug Arbeit und Familie –, aber grundsätzlich liebe ich Herausforderungen und sehe in allem immer auch eine Chance. Ich habe dann mit vielen Kollegen, Lieferanten, Freunden aus der Branche gesprochen, und am Ende waren es etwa 120 bis 130 Personen, die mir ganz konkret Unterstützung zugesagt haben, die sich in den Beirat wählen lassen würden, die mir Informationsfluss zugesichert haben, die als Sparringspartner zur Verfügung stehen würden oder die finanzielle Hilfe versprochen haben. Darauf zähle ich auch, darauf kann ich vertrauen.

Das war so ein erster Schulterschluss, dass es hieß: Lass uns das machen. Das uns ist dabei ein ganz wichtiger Aspekt. Ich habe dann unter zwei Voraussetzungen zugesagt: Erstens: Es gibt einen vernünftigen Übergang mit dem alten Vorstand – das haben wir offensichtlich hingekriegt. Eine Kampfkandidatur hätte es mit mir nicht gegeben, weil das nur noch mehr Unruhe in die Branche bringt. Und zweitens: Alle, die laut gerufen haben, ich solle kandidieren, müssen sich einbringen. Es wird in Zukunft nur gemeinsam funktionieren.

Wie haben Sie die Jahreshauptversammlung empfunden?

Steven Baumgaertner: Durchaus als ein bisschen unstrukturiert, was mir auch sehr leidtut. Das wird bei künftigen Versammlungen so nicht mehr passieren, das muss ordentlicher und professioneller ablaufen. Die Vorträge, v.a. den von Oliver Spitzer, fand ich sehr gut. Es tut der Branche und dem Produkt Werbeartikel gut, dass es eine Studie gibt, die die besondere emotionale Wirkung von Werbeartikeln aufzeigt. Ich halte auch die Kampagne für gelungen. Natürlich kann man auch die wieder zerpflücken – da ist die Branche ja auch gut darin, etwas vortrefflich besser zu wissen –, aber es ist ein gutes Zeichen, dass wir uns in die Öffentlichkeit bewegen. Was meine Person angeht: Ich denke, 82% sind ein sehr eindeutiges Wahlergebnis.

Sie sind Unternehmer, die Verbandsarbeit ist relativ neu für Sie. Kann man Erkenntnisse aus dem Daily Business als Manager in die Verbandsarbeit einfließen lassen?

Steven Baumgaertner: Ich hätte nicht das Unternehmen, das ich heute habe, wenn ich als Einzelkämpfer unterwegs gewesen wäre, sondern ich sehe mich als Teamplayer. So will ich auch den Verband führen. Wir verstehen den Vorstand zusammen mit der Geschäftsstelle als ein Team, das Themen gemeinschaftlich bespricht, beschließt und angeht. Das ist, denke ich, ein großer Unterschied zur Vergangenheit, als die verschiedenen Aufgabenbereiche sehr stark reglementiert waren. Ich will auch, dass die Geschäftsstelle im Daily Doing mehr Gewicht bekommt und operativ stärker wird. Wenn wir in den Verbandsstrukturen bleiben, in Hierarchien denken und in den Gremien verharren, sind wir zu starr und statisch, um Erfolg zu haben. Das ist unsere erste große Aufgabe: mehr Agilität, mehr Dynamik, mehr Schnelligkeit reinzubekommen, ohne dabei schlechter zu werden.

Ist denn angedacht, die Geschäftsstelle personell zu verstärken?

Steven Baumgaertner: Das muss passieren, ein bis zwei Mitarbeiter sollen definitiv hinzukommen. Mit dem aktuellen Personalschlüssel in der Geschäftsstelle können wir keine Zukunft gestalten. Es gibt viele Themenbereiche, die wir ganz aktiv angehen müssen, das ist momentan mit Ralf Samuel und Ira Kunert alleine nicht umsetzbar. Wir sehen uns da aber auch als Vorstände mehr in der Pflicht, der Geschäftsstelle operativ zuzuarbeiten und sie zu unterstützen.

Im Vorfeld der Jahreshauptversammlung war zu hören, dass auch eine Satzungsänderung angestrebt wird, in der die Vorstandszusammensetzung neu definiert werden soll. Ist das noch aktuell?

Steven Baumgaertner: Definitiv. Das Thema Satzung steht bei uns ganz oben auf der Agenda. Die Satzung hat zuletzt bei der Vollversammlung ihre Schwächen gnadenlos aufgezeigt bekommen. Sie ist sehr schwammig formuliert, was einer Satzung absolut nicht guttut. Eine Satzung muss klar sein: Es ist, wie es ist. Mit Kai Koschorreck (den GWW beratender Rechtsanwalt, Anm. d. Red.) gehen wir die Satzung jetzt juristisch noch einmal durch, auch mit dem Ziel, selbstkritisch die Struktur des Vorstands zu überdenken.

Wir leben in neuen Zeiten: Alles wird schlanker, alles wird schneller, das sollte die Satzung widerspiegeln, ohne dass das jetzt konkret heißt, dass wir aus aktuell fünf bzw. sechs nur noch drei Vorstandsposten machen werden. Da muss man dann auch die Balance wahren, nichts an Performance einzubüßen. Aber wir sollten darüber diskutieren, ob es diese Aufteilung in Sektionen in dieser Form noch braucht. Für mich ist die Branche ein Großes und Ganzes. Händler, Importeure, Servicepartner haben alle das gleiche Ziel: diese Branche zu professionalisieren und gemeinsam Erfolg zu haben. Da tun diese Sektionen nicht gut, in denen man immer wieder auf seine Themen zurückkommt, sich immer wieder im selben Kreis bewegt. Wir können alle voneinander lernen, die Großen von den Kleinen, die Importeure von den Händlern, und umgekehrt. Es gibt ein unfassbares Lernpotenzial, das wir heben können, sofern wir offen und fair miteinander reden.

PSI-Direktorin Petra Lassahn hatte sich um einen Posten im Vorstand beworben, wurde von den Mitgliedern aber nicht mit einer Mehrheit bedacht. Wie bewerten Sie diesen Vorgang?

Steven Baumgaertner: Die Satzung besagt, dass das PSI einen Sitz im Vorstand beanspruchen kann, das resultiert aus dem Einigungsprozess der damaligen Verbände für den Gesamtverband GWW. Die Person Petra Lassahn ist jedoch von den Mitgliedern nicht gewählt worden. Dies darf laut Satzung aus wichtigem Grund gegen die Person auch so geschehen. Genau aus diesem Grund hätte ich mir persönlich im Nachhinein eine offene Aussprache gewünscht. Dann hätte man Für oder Wider gesehen und demokratisch entscheiden können. Das ist leider nicht geschehen. Es gab im Wahlvorgang außerdem ein paar Unregelmäßigkeiten, oder sagen wir Unzulänglichkeiten, was nicht nur von PSI-Seite moniert wurde und wird. Mit juristischem Rat prüfen wir derzeit mit dem PSI gemeinsam, auf welcher Grundlage genau wir Entscheidungen treffen können.

Aber auch dazu nochmal ein wichtiger Aspekt: Dem PSI geht es meiner Einschätzung nach nicht darum, alte Besitzansprüche geltend zu machen, sondern Petra Lassahn möchte persönlich konstruktiv für die PSI-Mitglieder gemeinsam an all den Themen, die wir in der Branche haben – übrigens auch am Thema Satzung – mitarbeiten. Und ein Argument spricht sehr für das PSI: Wenn wir politische Reichweite, das heißt Aufmerksamkeit, erreichen möchten, dann tun wir uns sehr viel leichter mit dem PSI und seinen ca. 2.500 Mitgliedern. Gemeinsam legen wir dann Interessen von rund 3.000 Unternehmen auf den Tisch der gewählten Abgeordneten – das wirkt eher.

Eine wesentliche Aufgabe des Verbands ist die politische Lobbyarbeit, nicht zuletzt bezüglich der Aufzeichnungspflicht und steuerlichen Ungleichbehandlung von Werbeartikeln gegenüber anderen Werbeformen. Wo setzt da der neue GWW an?

Steven Baumgaertner: Es ist klar vereinbart, dass Frank Dangmann mich bis zum 30. Juni nächsten Jahres begleiten wird, um mich in die wichtigen politischen Themen einzuarbeiten und bei unseren Gesprächspartnern in Berlin und in den Verbänden, in denen er aktiv ist, als seinen Nachfolger vorzustellen. Wir müssen definitiv politisch aktiver werden. Wir brauchen eine bessere Wahrnehmung innerhalb der Parteienlandschaft in Berlin. Aber auch da müssen wir jetzt erst einmal verifizieren, wo wir stehen. Auf viele Studien und Arbeiten der letzten Jahre kann man sicher aufbauen.

Eines der Themen, mit dem sich jeder Unternehmer, aber auch die Branche an sich auseinandersetzen muss, ist das Thema Digitalisierung. Inwiefern ist das auch eine Verbandsaufgabe?

Steven Baumgaertner: Es war in der Tat eine Überlegung bei der Wahl eines neuen Vorstands, den Vorstand zu verjüngen, um mehr Input und Elan in das Projekt Digitalisierung zu bekommen. In den letzten Jahren wurde viel initiiert, dann wurden einzelne Projekte wieder eingestellt, weil Marktbegleiter parallel etwas entwickelt haben. Digitalisierung hört sich immer so lapidar an, aber sie braucht Ressourcen, und sie braucht Know-how. Daher bin ich eher dafür, dass wir uns auf Lösungen, die es in der Branche gibt, konzentrieren. Es gibt viele kluge Köpfe im Werbeartikelmarkt, die Digitalisierungsstrategien erfolgreich umgesetzt haben. Lasst uns diese doch an einen Tisch holen und gemeinsam überlegen, welches digitale Projekt für die Branche überhaupt von Nutzen ist. Auch da gilt es ja erst einmal einen Konsens zu finden.

gww jhv22 1 - „Wir können diese Branche nur gemeinsam nach vorne bringen“

Zahlreiche Mitglieder des Verbands nahmen an der Jahreshauptversammlung im Wiesbadener RheinMain CongressCenter teil.

gww jhv22 v 300x200 - „Wir können diese Branche nur gemeinsam nach vorne bringen“

Der neue GWW-Vorstand (v.l.): Ralf Samuel (Geschäftsführer), Gunther Langenberg, Ingo Malinowski, Steven Baumgaertner (Vorsitzender), Ronald Eckert und Frank Jansen.

Von der GWW-Jahreshauptversammlung mussten Sie am selben Abend zum Global Executive Meeting nach Barcelona. Ist diese Zusammenarbeit mit anderen internationalen Branchenplayern auch stilbildend für den Verband? Wie wichtig ist es, das internationale Netzwerk zu stärken?

Steven Baumgaertner: Extremst wichtig. Mal visionär gedacht – alle Verbände kämpfen mit den gleichen Problemen: Digitalisierung, Mitgliedergewinnung, Politische Arbeit, Next Generation … Warum schließen wir uns nicht zusammen, teilen Kosten und Know-how, um dann vielleicht auf europäischer oder gar globaler Ebene Lösungen zu suchen? Zwei Beispiele: Die Niederlande haben ihre eigene Academy. Warum sollen wir die nicht „copy paste“ übernehmen? Wir haben die Emotionsstudie. Warum soll nicht der Rest von Europa daran partizipieren? Wir haben z.B. von cyber-Wear jetzt alle Dokumente der Studie übersetzen lassen, damit wir auch einen internationaleren Scope bekommen, und stellen die Übersetzungen auch anderen Verbänden zur Verfügung, falls gewünscht.

Für Dezember wird es in Maastricht ein erstes Meeting mit den Verbänden aus den Niederlanden und Belgien geben, zukünftig würde ich mir wünschen, dass wir uns mindestens einmal im Jahr mit den großen Verbänden auf europäischer Ebene zusammensetzen, um konstruktiv über Themen zu diskutieren.

Sie haben sich Transparenz auf die Fahnen geschrieben. Wie soll die Kommunikation zu den Mitgliedern demnächst laufen?

Steven Baumgaertner: Mein Wunsch ist, dass wir mindestens einmal im Monat einen ausführlichen Info-Letter an die Mitglieder versenden, in dem wir über die Arbeit und die Ergebnisse innerhalb der einzelnen Vorstandsbereiche und innerhalb der Geschäftsstelle Bericht erstatten, in dem wir aber auch aktiv Feedback einfordern und die Mitglieder bitten, ihre Aufgabenstellungen an uns zu formulieren. Wir können nicht alles sehen, was draußen am Markt passiert. Je früher wir als Verband Themen aufgreifen, desto schneller kann uns allen geholfen werden.

Sie sind für zwei Jahre gewählt worden. Wo steht der GWW im Herbst 2024?

Steven Baumgaertner: Ich würde mir wünschen, dass wir deutlich mehr Ruhe in die Branche bekommen und ein stärkeres Miteinander pflegen. Ein weiteres Ziel ist es, mehr Mitglieder an den Verband anzuschließen – da haben wir noch viel zu tun. Zudem sollten wir eine starke europäische Basis schaffen und tatsächlich die politische Arbeit auf ein sichtbar höheres Niveau hieven. Wir als Branche brauchen generell ein besseres Standing in der Industrie. Ich glaube, das haben wir uns verdient. Wir machen alle einen sehr guten Job. Jeden Tag.

// Mit Steven Baumgaertner sprach Dr. Mischa Delbrouck.

Fotos: Till Barth, © WA Media

printfriendly pdf email button md - „Wir können diese Branche nur gemeinsam nach vorne bringen“