An kaum einer Stelle tritt das globale Plastikmüll-Problem derart drastisch zutage wie in den Weltmeeren. Dutzende Organisationen kümmern sich inzwischen um das Sammeln und Recycling marinen Plastikabfalls. Sogenanntes „Ocean Plastic“ ist längst auch in der Werbeartikelbranche angekommen. Was in der Theorie gut klingt und zudem traumhaften Stoff für nachhaltiges Storytelling bietet, entpuppt sich – wie so häufig, wenn es um Nachhaltigkeit geht – bei näherem Hinsehen als kompliziert.

ozeanplastik slider - Ozeanplastik: Fishing for compliments?

Fast 400 Mio. t Kunststoff werden inzwischen weltweit jedes Jahr produziert, und eine Riesenmenge davon landet irgendwann in den Meeren und Ozeanen. Schätzungen zufolge beläuft sich die Masse des Meeresmülls inzwischen auf mehr als 150 Mio. t, jedes Jahr kommen rund 11 Mio. hinzu. Das ist, als würde jede Minute eine Lastwagenladung Plastik ins Meer gekippt, rechnet die britische Ellen MacArthur Foundation vor, und ergänzt: Wenn wir so weitermachen, gibt es bis 2050 in den Weltmeeren mehr Plastik als Fische.

Man geht davon aus, dass ein großer Teil des marinen Plastikmülls über Flüsse ins Meer gelangt, und zwar hauptsächlich aus Ländern, in denen es ein rasantes Wirtschaftswachstum, aber keine adäquate Müllbeseitigung gibt. Wobei der Müll, der aus dem Jangtsekiang, dem Indus, dem Mekong, dem Niger oder dem Nil ins Meer geschwemmt wird, nicht selten zuvor aus westlichen Ländern dorthin exportiert wurde, aus jenen Ländern also, die sich gleichzeitig als „Recycling-Vorreiter“ gerieren.

Ein weiterer führender Müllverursacher ist die Fischerei: Der WMF schätzt, dass 40 bis 50% des Plastikmülls in den Ozeanen aus verloren gegangenen Netzen, Leinen, Körben usw. stammen. Allein in der Ostsee gehen, so rechnet der WWF in Polen vor, jedes Jahr bis zu 10.000 Netze oder Netzteile verloren. Einer Analyse der Umweltinitiative The Ocean Cleanup zufolge stammen zwischen 75 und 86% des Kunststoffs im Great Pacific Garbage Patch aus der Hochseefischerei. Der 1997 entdeckte, riesige Müllstrudel zwischen Kalifornien und Hawaii ist übrigens nicht der einzige seiner Art, sondern hat, wie inzwischen bekannt ist, vier „Verwandte“ in Pazifik, Atlantik und Indischem Ozean.

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Zusammen mit Brands Fashion hat MBRC ein Produktportfolio aufgelegt, das als Co-Branding oder White Label angeboten wird. 15% der Erlöse gehen an die Organisation.

In der seit Jahren mit wachsender Vehemenz geführten Debatte rund um Fluch und Segen von Kunststoffen nimmt die Verschmutzung der Weltmeere – zu Recht – einen riesigen Raum ein. Wer die drastischen Bilder von qualvoll verendeten Meerestieren, völlig verdreckten Traumstränden oder Kindern sieht, die zwischen Müllbergen baden, fühlt sich nicht selten ohnmächtig und wünscht sich, etwas tun zu können.

Wie gerufen kommen in dieser Situation Initiativen, die sich dem Kampf gegen das Plastik verschrieben haben, indem sie es aus den Meeren fischen und zu neuem Rohstoff verarbeiten. Eine kurze Google-Suche fördert zutage: Es gibt inzwischen Dutzende von Organisationen, manche privat, andere NGOs, manche mehr, andere weniger seriös. Produkte aus „Ozeanplastik“ sind ein veritabler Markt geworden. Ob Taschen, T-Shirts, Trinkflaschen oder Sonnenbrillen, ob Handtücher, Skateboards oder Möbelstücke – zahlreiche Hersteller bieten Produkte aus aufbereitetem Kunststoff an und verkünden, auf diese Weise das Müllproblem im Meer angehen zu wollen.

Schreibgeräte, Frisbees und Mini-Shirts

Auch in der haptischen Werbung ist Ocean Plastic angekommen – kein Wunder, eröffnet es doch den Lieferanten, Wiederverkäufern und v.a. den werbetreibenden Unternehmen die Möglichkeit, nachhaltigere Produkte zu realisieren und gleichzeitig ihr Engagement in Sachen Umweltschutz buchstäblich greifbar zu machen.

Der Schreibgeräteproduzent uma z.B. bietet seinen Recycled Pet Pen seit kurzem als Pro Ocean-Variante an: „Wir haben mit Schreibgeräten aus rPET sehr gute Erfahrungen gemacht“, so Geschäftsführer Alexander Ullmann. „Man muss bei der Verarbeitung, der Farbwahl nach PMS und der Bedruckbarkeit keinerlei Abstriche gegenüber herkömmlichen Kunststoffen machen. Das Material ist sortenrein und lässt sich selbst voll recyceln. Da in den letzten Jahren immer mehr Produkte aus rPET gefertigt werden, ist die Nachfrage im Weltmarkt massiv gestiegen und der Bezug aus geschlossenen Kreisläufen wird langsam knapp. Wir haben uns daher nach weiteren Quellen umgesehen und sind dabei auf das Thema Ocean Plastic bzw. Social Plastic gestoßen.“

Das für die Produktion des Recycled Pet Pen Pro Ocean nötige Rezyklat bezieht uma von Plastic Bank. Das im kanadischen Vancouver ansässige Social Enterprise unterhält in Ländern mit unterentwickelten Entsorgungssystemen Recyclingzentren, für die Menschen gegen Entlohnung Kunststoffmüll sammeln können. Dabei fokussiert sich Plastic Bank auf sogenanntes „Ocean Bound Plastic“, also Plastikmüll, der an Stränden angeschwemmt wurde oder sich in Meeresnähe befindet und über kurz oder lang im Ozean landen würde. „Plastic Bank baut ethische Recycling-Infrastrukturen im Umkreis von 50 km von Küsten und Wasserstraßen auf“, erklärt der Gründer und Vorsitzende David Katz. „Unsere Communitys sammeln Kunststoffmüll und bringen ihn in lokale Recyclingzentren, was ihnen ein zusätzliches Einkommen und Benefits zur Verbesserung ihrer Lebensumstände ermöglicht, wie z.B. Kranken-, Arbeits- und Lebensversicherung, digitale Anbindung und Finanzdienstleistungen. Der gesammelte Kunststoff wird über die PlasticBank®-App erfasst, die eine Rückverfolgbarkeit ermöglicht, Einnahmen sichert und das Reporting verifiziert. Das gesammelte Material wird zu Social Plastic®-Rohstoff zur Wiederverwendung in Produkten und Verpackungen verarbeitet. Wir haben im Mai das zehnjährige Jubiläum von Plastic Bank gefeiert und hatten zu diesem Zeitpunkt rund 80 Mio. kg Ocean Bound Plastic – das entspricht 4 Mrd. Flaschen – gestoppt, über 30.000 Mitgliedern der Sammelgemeinschaft zusätzliche Einnahmen und eine Verbesserung ihrer Lebenssituation ermöglicht und das durchschnittliche Monatseinkommen der Plastic Bank-Mitglieder um 33% erhöht.“

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Das Müllproblem zeigt sich besonders eklatant an den Küstenregionen von Ländern ohne gut funktionierende Abfallentsorgung.

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Manche Plastikteile haben einen langen Weg hinter sich: Diese Flasche mit asiatischem Etikett wurde in der Karibik gefunden.

Auch das niederländische Importunternehmen Clipper Interall kooperiert mit Plastic Bank und bietet z.B. Frisbees, Eiskratzer, Schreibgeräte, Christbaumkugeln oder Champagnerkühler an, die zu 100% aus Ocean Bound Plastic gefertigt wurden. „Plastic Bank gehört zu den professionellsten Unternehmen in seinem Bereich“, so Brand Lead Ruben van ‘t Loo. „Die Menschen, die das Plastik sammeln, erhalten dafür Geld, das sie u.a. für die Schulgebühren ihrer Kinder verwenden. Der von Plastic Bank vermarktete Rohstoff ist zu 100% recycled und enthält keine Beimischungen.“

Das norddeutsche Unternehmen mbw hingegen arbeitet seit 2021 mit der Seaqual Initiative zusammen und verwendet für die vollflächig bedruckbaren Minishirts und Dreiecktücher, mit denen sich seine Plüschtiere CI-gemäß einkleiden lassen, das aus Ocean Bound Plastic gefertigte Seaqual® Yarn. Die im spanischen Girona ansässige Seaqual Initiative arbeitet mit verschiedenen Cleanup-Programmen an Land und auf dem Wasser zusammen und verarbeitet Plastikmüll, der in Europa, dem Mittelmeer und an der Küste Westafrikas geborgen wurde, zu Rezyklat. Das von der Initiative vermarktete Seaqual® Yarn enthält nach eigenen Angaben 10% Meeresplastik, die restlichen 90% sind PET aus Post-Consumer-Recyclingströmen.

„Auf der Suche nach Möglichkeiten, weitere nachhaltige Produkte anzubieten, sind wir auf die Seaqual Initiative gestoßen, die sich zum Ziel gesetzt hat, unsere Ozeane zu reinigen und das Bewusstsein der Menschen für nachhaltige Produkte zu schärfen“, so mbw-Geschäftsführer Jan Breuer. „Wir hoffen, dass wir mit unserem Beitrag auch andere Unternehmen dazu inspirieren können, nachhaltigere Artikel anzubieten.“ Bei den Kunden, so Breuer, kommen die Seaqual-Produkte jedenfalls gut an: „Es ist eine erfreuliche Tatsache, dass das Feedback zu unseren Produkten durchweg positiv ausfällt. Immer mehr Kunden haben ein gesteigertes Bewusstsein für Nachhaltigkeit, deshalb ist es eine leichte Aufgabe, Kunden die Vorteile von Recyclingmaterialien zu erläutern.“

Auch den Organisationen selbst, die sich dem Kampf gegen den Meeresmüll verschrieben haben, bieten haptische Werbeträger die Möglichkeit, auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen und gleichzeitig Fundraising zu betreiben. Die Initiative MBRC the Ocean organisiert über ein Netzwerk von 30 eigenen „Cleaning Hubs“ und über 4.000 Freiwilligen weltweit Säuberungsaktionen an Küsten und in Strandregionen, führt die gesammelten Abfälle dem Recycling zu und investiert gleichzeitig in Weiterbildungsmaßnahmen und Podiumsdiskussionen vor Ort. Gemeinsam mit dem Workwear- und Werbeartikelunternehmen Brands Fashion hat MBRC the Ocean ein Produktportfolio entwickelt, das über die eigene Plattform als Co-Branding oder White Label angeboten wird. Sven Jacobi, Gründer der Initiative, erklärt: „Wir spenden auf alle B2B-Verkäufe 15% der Erlöse an die non-profit Stiftung von MBRC. Produkte sind somit auch Mittel zum Zweck. Das Feedback ist sensationell: Wir haben außergewöhnlich wenig Rückläufer, vertreiben auch ohne Werbung profitabel über das Plattformgeschäft und sehen den Trend zur Nachhaltigkeit mit unserer Story im Rücken als Haupttreiber dieses Erfolgs.“

Ullmann bescheinigt seinen Ocean Plastic-Produkten ebenfalls eine durchschlagende Wirkung: „Wir haben eine brutale Nachfrage und derzeit zwischen 10 und 15% mehr Anfragen, als wir produzieren können. Für viele Großunternehmen, die Nachhaltigkeitsberichte schreiben müssen, bieten solch klimaneutral produzierte Giveaways mit dem entsprechenden Background einen schönen Anlass fürs Storytelling.“

Seemannsgarn

Doch so geradezu märchenhaft einfach, wie die Geschichte zuweilen erzählt wird, ist sie leider nicht. Sie hat vielmehr eine Menge Fußnoten, die so manche Marke gerne einmal unterschlägt. So warb z.B. der Konzern Procter & Gamble Anfang 2018 für eine Sonderedition seiner Shampoomarke Head and Shoulders mit den Worten: „Diese Flasche war einmal Plastikabfall am Strand“. Eine Werbung, die das Landgericht Frankfurt später untersagte, denn tatsächlich bestand die Verpackung nur zu 20% aus Kunststoffabfällen vom Strand, die Verschlusskappe nicht mitgerechnet.

Und erst Ende 2022 blamierte sich Sportartikel-Hersteller Adidas, dessen DFB-Trikot für die Weltmeisterschaft in Katar angeblich zu 50% aus Ozeanplastik bestand. Dieses stammte laut Adidas vom langjährigen Partner Parley for the Oceans. Wie die Zeit und das Online-Magazin Flip herausfanden, war der Anteil an recyceltem Kunststoff in dem WM-Trikot allerdings bedeutend geringer – und stammte gar nicht von Parley.

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Ein Fischer mit Plastikmüll, das im Naturschutzgebiet von Koh Surin gesammelt wurde.

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Mitarbeiter sortieren den Plastikmüll zur weiteren Verarbeitung: Das schafft Arbeitsplätze.

Das sind nur zwei Beispiele klassischen Greenwashings, die sich so oder so ähnlich jedoch vielfach abspielen. Die Delinquenten sind dabei nicht nur aufseiten der Unternehmen zu finden, die angebliches Meeresplastik in ihren Produkten verwenden, auch Recyclern wird vorgeworfen, dass sie unter PET-Flaschen, die angeblich aus dem Meer geborgen wurden, neue Flaschen mischen, um das Volumen des Stoffes zu erhöhen, den sie als Rezyklat verkaufen können. Manche Fachleute gehen gar soweit, das Konzept „Meeresplastik“ generell als „Unsinn“ zu bezeichnen.

Die Wahrheit lässt sich nicht in wenigen Schlagworten abbilden. Wie immer, wenn es um Nachhaltigkeit geht, gilt: Es ist kompliziert – und beginnt in diesem Falle bei der Frage, woher denn der Ausgangsstoff für das recycelte Material stammt.

Rund um die Küste

Fest steht, und das bestreiten auch die meisten Unternehmen nicht, die Rezyklate vermarkten: „Echtes“ Meeresplastik, das Monate, vielleicht Jahre lang Salzwasser, mechanischer Belastung, Wärme und UV-Strahlung ausgesetzt war und durch Muscheln, Algen und Schlick verschmutzt ist, lässt sich kaum mehr recyceln.

Es gibt durchaus sinnvolle Versuche, Netze und Fischereiausrüstung zu bergen – immerhin erfüllen diese Materialien, die häufig aus Polyamid oder ähnlichen Verbindungen gefertigt werden, in vielen Fällen die für das Recycling zwingend erforderliche Sortenreinheit. Ein aktuelles Beispiel ist die Aktion „Fishing for Litter“, die seit gut einem Jahrzehnt an Nord- und Ostsee läuft: Die Fischer erhalten große Sammelsäcke, in denen sie nicht nur den Müll, der sich in den Netzen verfängt, sammeln und in den Hafen transportieren können, wo Container für die Entsorgung bereitstehen. Auch ausgediente Netze aus der Fischerei werden zurückgenommen. Der Müll wird dann aufwändig sortiert und dokumentiert, um wichtige Informationen zur Zusammensetzung und Herkunft der Abfälle zu sammeln und ein stoffliches Recycling zu begünstigen.

Der Großteil der Organisationen und Unternehmen fokussiert sich jedoch aus gutem Grund auf Ocean Bound Plastic. Katz: „Plastic Bank arbeitet nach dem globalen Standard, der in einer Studie von Dr. Jenna Jambeck et al. aus dem Jahr 2015 definiert wurde. Ozeangebundenes Plastik ist definiert als Plastik, das noch nicht im Meer gelandet ist, aber als ‚schlecht verwalteter Abfall‘ eingestuft wird, der wahrscheinlich im Meer landet, und in einem Umkreis von 50 km von einer größeren Wasserstraße oder einem Küstengebiet gefunden wird. Eine weitere Studie von Science Advances aus dem Jahr 2021 zeigt, dass Länder mit kleinen Landflächen, langen Küstenlinien, starken Niederschlägen und unzureichender Infrastruktur für die Abfallbewirtschaftung ein höheres Risiko haben, dass ihr Plastikmüll im Meer landet. Der Studie zufolge gehören Indonesien, Brasilien und die Philippinen zu den zehn größten Verursachern von Plastik im Meer.“

Ohnehin verschwimmen buchstäblich die Grenzen zwischen Ocean Bound Plastic und Ocean Plastic, wie Marc Krebs, Mitgründer von Tide Ocean, erklärt: „Ehrlich gesagt, kann man, wenn man an einem Strand steht, nicht sagen, welche Flaschen schon im Meer waren und welche nicht. Höchstens anhand der Etiketten – in Mexiko z.B. haben wir an einem Strand Flaschen mit Etiketten aus Jamaika, Haiti oder sogar Honduras gefunden.“

Nun liegen die Regionen, auf die sich die meisten Organisationen aus guten Gründen mit ihren Sammelaktivitäten fokussieren, meist weit von den Orten entfernt, an denen das Rezyklat weiterverarbeitet wird. Die daraus resultierenden langen Transportwege und Emissionen sind ein häufig geäußerter Kritikpunkt. Viele der Cleanup-Organisationen versuchen daher, ihre Logistik derart zu optimieren, dass sie z.B. Rezyklate, die in Asien verarbeitet werden, direkt zu den dortigen Produktionsstätten schicken oder Kunden aus den verschiedenen Kontinenten jeweils von der nächstgelegenen Sammelstelle aus beliefern. Jacobi erklärt: „MBRC passt sich mit seinem Konzept dem jeweiligen Land an. In Afrika verwenden wir unser Rezyklat nicht, um es weiterzuverkaufen, sondern um Social Housing durch den Einsatz von Kunststoffziegeln zu unterstützen. In Island und Japan, wo die Müllmengen nicht ganz so groß sind, leiten wir den Müll an die örtliche Recyclinganlage weiter. In Indonesien, wo das Plastikaufkommen in den Küstengebieten besonders hoch ist, wird der recyclingfähige Plastikabfall im Auftrag von MBRC zu einem eigenen MBRC-Rezyklat weiterverarbeitet und vertrieben. 100% der Erlöse aus dem Verkauf des Rezyklats gehen an die MBRC-Stiftung.“

Für Van ‘t loo überwiegt ohnehin der Aspekt der Müllentsorgung: „Ja, das Plastik kommt aus Südostasien, was weit weg ist, aber genau dort beginnt das Plastikproblem im Meer. Der Transport ist ein kleiner Nachteil im Vergleich zum großen Vorteil, der darin besteht, die Verschmutzung der Meere zu bekämpfen.“

ozeanplastik sektkuebel - Ozeanplastik: Fishing for compliments?

Clipper hat eine große Range an Ozeanplastik-Produkten, darunter u.a. Sektkühler.

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Mbw kleidet seine Plüschwaren in vollflächig bedruckbare Mini-Shirts aus Seaqual® Yarn.

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Handtücher gehören zu den Artikeln aus Ozeanplastik, die die Agentur Pandinavia anbietet.

Transparenz zählt

Woher das Rezyklat stammt, spielt jedoch mit Blick auf die Transparenz des Sammel- und Recyclingprozesses eine entscheidende Rolle. Die Schweizer Werbeartikelagentur Pandinavia hat eine ganze Reihe von Artikeln im Portfolio, die Ozeanplastik enthalten, und geht bei der Auswahl der Lieferanten auf Nummer sicher, wie Anja Zanoni, Senior Consultant & Marketing, erklärt: „Momentan bieten viele Anbieter sogenannte Artikel aus ‚Meeresplastik‘ an, wobei die Definition des Worts teilweise sehr breit gefasst ist. Wir arbeiten deshalb vorwiegend mit Lieferanten, die über eine Marke oder eine Zertifizierung verfügen, zusammen.“

„MBRC trackt seinen gesamten gesammelten Müll“, erklärt Jacobi. „So können wir nachvollziehen, wo das Plastik eingesammelt wurde und von welchem Cleaning Hub. Transparenz ist elementar – nur so kann der Kunde auch wirklich sicher sein, dass er nicht die Katze im Sack kauft.“ Plastic Bank dokumentiert die Herkunft und Lieferkette seiner Rohstoffe mithilfe einer App: „Mit unserer Blockchain-gesicherten Plattform, die im Zentrum unserer Geschäftstätigkeit steht, können wir unseren Partnern Rückverfolgbarkeit bieten“, so Katz. „Ermöglicht wird dies durch zertifizierte PlasticBank®-App-fähige Standorte in unserer gesamten Lieferkette, vom Input bis zum Output. Die App dient dazu, an jedem Punkt der Lieferkette Daten aufzuzeichnen – bis hin zum Verarbeiter, der die Materialien zur Herstellung versendet. Wenn die Filiale den gesammelten Kunststoff an den Verarbeitungspartner liefert, validiert das Plastic Bank-Team das erhaltene Material anhand der App-Aufzeichnungen, um die Bonuszahlungen in der gesamten Sammelkette freizuschalten.“ Die Blockchain-Technologie, die dabei zum Einsatz kommt, ermöglicht auf diese Weise ein lückenloses Tracking vom Strand bis zum Endprodukt, wie Katz weiter erläutert: „Unsere Plattform verfügt über ein System zur Vermeidung von Doppelzählungen, das jeder Transaktion auf der Grundlage des endgültigen Bestimmungsortes für das Material eine eindeutige Claim ID-Nummer zuweist.“

Die Kunden haben im Anschluss die Möglichkeit, diese Transparenz an ihre Kunden weiterzugeben – bis hin zum Empfänger des Werbeartikels. Bei uma geschieht das folgendermaßen: „Standardmäßig verfügt jeder Recycled PET Pen Pro Ocean über den Aufdruck ‚made from ocean-bound plastic‘ und das Label ‚klimaneutral‘. Über eine Umverpackung aus FSC-zertifiziertem Papier oder einen QR-Code lassen sich weitere Informationen übermitteln“, so Ullmann. „Schließlich ist Transparenz im Umgang mit Nachhaltigkeit enorm wichtig – das muss alles Hand und Fuß haben und entsprechend nachvollziehbar sein.“

Aus Abfall wird Wertstoff

Bis ein Kunde sein fertiges Produkt in der Hand hält, das die DNA von aus dem Meer geborgenem Kunststoff enthält, muss dieser erst einmal aufbereitet werden – eine Herausforderung, wie Jacobi erläutert: „Nicht alle aus dem Ozean ‚geborgenen‘ oder an Stränden gesammelten Kunststoffe eignen sich für das Recycling. In der Regel werden nur Kunststoffe recycelt, die aus sortenreinen Materialien bestehen und eine hohe Qualität aufweisen. Plastik, das bereits stark beschädigt oder verunreinigt ist, kann oft nicht recycelt werden. Je nach Art des Kunststoffs kann es auch Einschränkungen bei der Produktion geben. Zudem kann es zu Farbabweichungen kommen. Es ist uns daher wichtig, dass die Kunststoffe sauber und sortenrein sortiert werden, um die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Recyclingverarbeitung zu erhöhen. PET-Flaschen sind aufgrund ihrer hohen Reinheit beispielsweise gut für das Recycling geeignet.“

Krebs ergänzt: „Es kann nicht alles recycelt werden. Wir haben z.B. mal Flip-Flops angeschaut und festgestellt, dass in zehn Paaren zehn verschiedene Arten von Kunststoff verarbeitet waren.“ „Das gesammelte Material ist häufig kontaminiert und kann nicht als qualitativ hochwertiges Endprodukt verwendet werden. Spezielle Verfahren und Reinigungsprozesse sind also von größter Bedeutung“, so Breuer. „Bei der Produktion oder Veredelung von Seaqual® Yarn können materialbedingte Einschränkungen auftreten, die durch seine besondere Beschaffenheit verursacht werden. Es ist möglich, dass es brüchiger und schwieriger zu verarbeiten ist als herkömmliche Stoffe.“

Kunden müssen sich also auf gewisse Einschränkungen einstellen. Ullmann: „Social Plastic weist stärkere Verschmutzungen auf als klassisches rPET, daher sind wir in der Farbwahl etwas eingeschränkt und haben uns erst einmal dafür entschieden, den Recycled PET Pen Pro Ocean in sechs Standardfarben anzubieten, u.a. Hellblau, Hellgrün und Sand. Das sind nicht unbedingt die klassischen Werbefarben, sondern sie spiegeln eher die klassischen Sommer- und Ozeanfarben wider. Aber die Kunden aus der werbetreibenden Industrie von Banken bis zu Automarken verzichten zugunsten der Story auf eine CI-gerechte Darstellung.“

Und sie sollten bereit sein, einen höheren Preis in Kauf zu nehmen, den das Sourcing und die Weiterverarbeitung von Ozeanplastik zwangsläufig mit sich bringen, und der sich laut Jacobi aus mehreren Faktoren ermittelt: „Die Gewinnung des Rohstoffs ist deutlich aufwendiger als bei konventionellem Kunststoff. Zudem ist der logistische Aufwand aufgrund der meist nicht vorhandenen Infrastruktur ein Preistreiber sowie nicht zuletzt auch die Masse an nicht mehr weiter verwertbaren Kunststoffen, die mit eingesammelt werden, und die bei bis zu 50% liegt. Dies führt dazu, dass manche aus den Küstengebieten geborgene und recycelte Kunststoffe bis zu dreimal so viel kosten wie konventionelle Rezyklate.“

Der Schwerpunkt bei der Vermarktung von Ozean-Rezyklaten liegt deshalb auf Unternehmen, die sich bewusst sind, dass das Plastikproblem auch ein soziales Problem ist und dass sie nicht nur einen Rohstoff bezahlen – Katz: „Unser Ziel ist es, mit globalen Herstellern zusammenzuarbeiten, die verstehen, dass die Eindämmung von Plastik in den Ozeanen einen sozialen Ansatz erfordert, da Plastikmüll und Armut eng miteinander verknüpft sind.“

Wohin geht die Reise?

Wird der Rohstoff aus dem Meer also in der haptischen Werbung weiter Schule machen? Zanoni ist ein wenig skeptisch: „Das Feedback ist sehr gut, jedoch scheitern viele Projekte an hohen Mindestmengen, zu hohen Preisen – Ozeanplastik ist je nach Lieferant und Produkt zwischen 10 und 100% teurer – oder Einschränkungen bei der Umsetzung. Je mehr Anbieter und Produkte es gibt, desto mehr wird möglich sein, denn momentan ist die Produktpalette noch sehr klein. Mittel- und langfristig aber sehen wir in wirklich nachhaltigen Materialien oder dem Cradle-to-Cradle-Verfahren viel mehr Potenzial für unsere Branche.“

Zudem stellt Zanoni die Frage, wie sinnvoll es überhaupt wäre, wenn Hersteller und Wiederverkäufer ihre Produkte massenhaft auf Ozeanplastik umstellen würden: „Produkte aus Meeresplastik schonen Ressourcen und generieren ein Einkommen für Bewohner in den ärmeren Weltgegenden, was sicher ein guter Ansatz ist. Meeresplastik entsteht jedoch hauptsächlich, weil in vielen Entwicklungsländern keine funktionierende Entsorgung besteht. Wenn nun Meeresplastik eingesammelt wird, werden Symptome bekämpft, nicht die Ursachen.“

ozeanplastik uma - Ozeanplastik: Fishing for compliments?

Der Schreibgerätespezialist uma bietet sehr erfolgreich eine Pro Ocean-Variante des Recycled Pet Pen. Da es bei Ozeanplastik zu Farbeinschränkungen kommt, hat das Unternehmen eine Range aus sechs maritimen Standardfarben aufgelegt.

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Alta Seta hat eine ganze Linie mit Ocean Towel-Produkten auf den Markt gebracht. Mit der Hängematte aus Ozeanplastik gewann das Unternehmen 2022 einen Promotional Gift Award.

Das globale Plastikproblem muss deshalb am Anfang, nicht am Ende gelöst werden, denn es ist vor allem ein Entsorgungsproblem. Bessere Mehrwegsysteme, ein funktionierendes Recycling, smartere Produkte, die sich am Ende ihres Zyklus sortenrein zerlegen lassen, sowie v.a. die Schaffung einer Entsorgungs-Infrastruktur, auch dort, wo es sie bislang nicht gibt, gehören zu den wichtigsten Punkten, an denen es anzusetzen gilt. „Plastik wird nicht verschwinden, es wird niemals eine Welt ohne Kunststoff geben. Wenn die Menschheit auch in 500 Jahren noch existiert, dann u.a. auch dank dieses Materials“, so Katz. „Plastik selbst ist auch nicht das Problem – es ist die Art und Weise, wie wir damit umgehen. Es ist der unsachgemäß entsorgte Plastikmüll, der seinen Weg in unsere Wasserstraßen und schließlich in die Ozeane findet. Wir müssen eine Renaissance herbeiführen, bei der wir altem Plastik neues Leben einhauchen, anstatt neues zu produzieren.“

Deshalb müssen sich Marken auch fragen, wo sie mit ihrem Storytelling ansetzen. Global Player, die mit ihren Produktions- und Distributionsmethoden wesentlich zur Meeresverschmutzung beitragen, sollten vielleicht lieber darüber nachdenken, Verpackungen zu reduzieren oder Produkte so zu gestalten, dass sie sich einfach sortenrein recyceln lassen, als mit einer – dann auch noch zweifelhaft umgesetzten – „Ozean-Plastik-Sonderedition“ PR-Arbeit in eigener Sache zu betreiben.

Wer wiederum Werbeartikel herstellt, importiert oder für seine Kampagne einsetzt, kann mit dem Einsatz transparent nachzuverfolgendem Ocean Plastic besondere Akzente in der Kommunikation setzen, sollte aber zuallererst immer nach dem Nutzen und der Sinnhaftigkeit eines Produktes fragen. Sonst hat man, Ocean Plastic hin oder her, am Ende nur eines produziert: neuen Müll. Müll, der dazu beiträgt, dass die riesige Menge an Plastik in den Ozeanen wächst – und zwar um ein Vielfaches schneller, als wir sie herausfischen können.

// Till Barth

Bildquelle: Alta Seta (1); Clipper Interall (1); Brands Fashion/MBRC the Ocean (2); mbw (1); Pandinavia (1); Tide Ocean (4); uma (1)

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