Knackig, cremig und, je nach Kakaogehalt, mit einer zartbitteren Note: Seit Jahrzehnten ist Schokolade des Deutschen liebstes Naschwerk. Besonders bitter wird es allerdings, wenn man den Weg der Kakaobohnen in der Tafel nachverfolgt, denn oft genug stößt man dabei auf Sklaverei und Kinderarbeit. Organisationen und Hersteller, die sich dem fairen Handel verschrieben haben, versuchen die Missstände mit Initiativen wie Fairtrade oder der Tony’s Open Chain zu bekämpfen – dank vielfältigem Angebot im B2B-Bereich mit wachsender Unterstützung werbender Unternehmen.

faire schokolade v - Faire Schokolade: Stück für Stück

Ein scheinbar willkürliches Wirrwarr an Linien durchbricht die Oberfläche und teilt die Tafel in größere und kleinere Dreiecke und Rauten. Anstelle gleicher Stücke lassen sich die Schokoladentafeln von Tony’s Chocolonely in etwa 20 unterschiedliche geometrische Gebilde teilen – eindrucksvoller lässt sich Ungleichheit haptisch nicht vermitteln. Genau das hatte der niederländische Journalist Teun van de Keuken im Sinn, als er die Marke 2005 gründete: die ungleiche Verteilung von Ressourcen in der Schokoladenherstellung buchstäblich begreifbar zu machen und gleichzeitig zu bekämpfen. Bei genauerem Hinsehen ergeben die Stücke am unteren Rand der 180 g schweren Tony’s Chocolonely-Tafeln eine Küstenlinie: den Golf von Guinea an den u.a. die Elfenbeinküste und Ghana grenzen – zwei Länder in Westafrika, die mit einem gemeinsamen Anteil von über 60% an der weitweiten Kakaoernte Hauptanbauländer sind. Und in denen Menschen auch heutzutage noch unter gefährlichen Bedingungen Zwangsarbeit leisten.

„Kakaobauern und -bäuerinnen sind das schwächste Glied der Kette: Über 2,5 Mio. Menschen arbeiten in Westafrika im Anbau, die Bohnen gehen dann an Zwischenhändler und weiter zum Großhandel. Hier sind zu viele Hände im Spiel, und die Bauern und Bäuerinnen sind nicht ausreichend organisiert“, gibt Mario Siebig, Geschäftsführer von Magna Sweets, zu bedenken. Der Süßwarenlieferant aus dem süddeutschen Moorenweis bietet Tony’s Chocolonely u.a. als Teil des Triple Heroes-Sets an, das drei Aspekte der Nachhaltigkeit bedient: CO2-Kompensation mit den Baumpflanzaktionen von Plant for the Planet über die Gute Schokolade, die Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung mit der Schokolade aus geretteten Zutaten von Rettergut – und den fairen Anbau bzw. die gerechte Bezahlung der Kakaobauern und -bäuerinnen über Tony’s Chocolonely.

Tony’s will mit dem Fünf-Punkte-Plan der Tony’s Open Chain angreifen: Transparenz im Anbau, ein höherer Kakaopreis, Partnerschaften mit Erzeuger:innen über fünf Jahre und mehr für planbare Erlöse, langfristige Investitionen in Bauerngenossenschaften und Weiterbildung und, zu guter Letzt, das Einbeziehen anderer Hersteller in diese transparente Lieferkette – daher Open Chain.

original beans - Faire Schokolade: Stück für Stück

„Taste the rare“ heißt es bei Original Beans: Feinste Craft-Schokolade aus traditionellen Herkunftsländern oder kleinen Kooperativen, hergestellt zu den besten Bedingungen in der Branche.

Bitter-süßes Geschäft

Damit stellen sich die Niederländer einer nahezu unlösbaren Aufgabe: Wissenschaftler:innen der Universität von Chicago, die umfassend zu ausbeuterischer Kinderarbeit nach Definition der ILO forschen, kommen in ihrem aktuellen Bericht zu dem Ergebnis, dass in Ghana und der Elfenbeinküste insgesamt ca. 1,56 Mio. Kinder im Kakaoanbau arbeiten, von denen 90% gefährliche Tätigkeiten verrichten (NORC Final Report von 2020). Dazu gehört der Einsatz von Macheten, die Verwendung schädlicher Chemikalien oder das Tragen schwerer Lasten. Durch die Ernte der Bohnen mit Machete gehören z.B. Schnittwunden zu den häufigsten Verletzungen der Kinder. Ein untragbarer Missstand, der seit Jahren von Initiativen und NGOs wie Fairtrade International, Inkota, Solidaridad oder dem Südwind Institut angeprangert wird. Südwind veröffentlicht alle zwei Jahre einen Überblick über die Branche, das Kakao-Barometer, das für 2022 die Zahlen des NORC-Berichts zitiert und eine klare Ursache für die Zwangs- und Kinderarbeit benennt: Armut.

Dabei ist Kakao ein Luxusprodukt, das besonders in Europa und Nordamerika stark nachgefragt ist und sich seit Jahrzehnten ungebrochener Beliebtheit erfreut: Nach der Schweiz mit 9,56 kg gehört Deutschland mit 9,21 verzehrten Kilogramm Schokolade pro Kopf und Jahr (Statista, 2022) zu den Spitzenreitern im weltweiten Konsum. Zum Vergleich: EU-weit wurden nur ca. 4 kg pro Kopf verzehrt. Knapp 10 Mio. Deutsche gaben an, mehrmals pro Woche Tafelschokolade zu futtern. Dazu liegt Deutschland auf Platz vier der weltweit größten Importländer für Kakaobohnen und ist mit über 1,2 Mio. t hergestellten Schokoladenwaren jährlich – mehr als dreimal so viel wie in anderen europäischen Ländern – deutlich auf dem ersten Platz. So wurde zuletzt ein Produktionswert von über 4 Mrd. Euro pro Jahr erzielt (Statista, 2022). Nicht umsonst gilt Tafelschokolade im Einzelhandel als sogenanntes Ankerprodukt, das Leute in die Läden lockt – und Großhändlern, Verarbeitern, Marken und dem Einzelhandel riesige Gewinne einbringt. Diese Gewinne kommen aber nicht bei den Bäuerinnen und Bauern an.

Must-haves fürs Gewissen

Hier kommen Marken wie Tony’s Chocolonely ins Spiel. Unter dem Motto „crazy about chocolate, serious about people” haben die Niederländer mit der Tony’s Open Chain eine Initiative gegen moderne Sklaverei und Kinderarbeit geschaffen, der sich Unternehmen, die Schokolade anbieten oder verarbeiten, anschließen können – dazu gehören u.a. etablierte Marken wie Ben & Jerry’s ebenso wie Neuzugänge am Markt wie die deutsche Jokolade.

chocolonely - Faire Schokolade: Stück für Stück

Erhältlich u.a. im Triple Heroes-Set von Magna Sweets sorgt ein Riegel Tony’s Chocolonely für eine Extraportion Fairness. Die niederländische Marke weist mit unterschiedlich großen Stücken auf die Ungleichheit im Kakaoanbau hin.

Mit ihren knallig-bunten Tafeln verbinden Tony’s und Jokolade darüber hinaus faire Arbeitsbedingungen mit einem modernen Look für den bewussten Lifestyle – und bringen faire Schokolade raus aus der Ökoecke im Reformhaus rein in die Einkaufstaschen der jungen urbanen Zielgruppe. Sorten mit Karamell und Meersalz, mit Cheesecake- und Erdbeerstücken, Haselnuss-Crunch, Coffee-Bisquits oder gepufftem Quinoa punkten verstärkt im Einzelhandel, finden aber auch im B2B-Bereich immer mehr Abnehmer. So bietet Kaldenbach die erst 2020 gegründete Marke Jokolade am Werbeartikelmarkt an, die mit stylishem Design, ausgefallenen Sorten und dem Starrummel rund um TV-Größe und Gründer Joko Winterscheidt lockt. „Jokolade ist ein ‚Haben-wollen-Produkt‘ mit Starfaktor und hippem Image – ein spannender Artikel für uns“, bekräftigt Geschäftsführer Marco Kaldenbach. Die Hersbrucker setzen mit den Marken camarc® und FamousFood® seit langem auf eine nachhaltige Präsenz in der Branche. „Wir bieten seit ca. zehn Jahren Fairtrade-Zertifiziertes an, etwa die Hälfte der Kollektion von FamousFood besteht bereits aus Fairtrade-Artikeln“, so Kaldenbach.

Bisher ist Jokolade am B2B-Markt aber ein Nischenprodukt, wie Kaldenbach bestätigt: „Den Bedarf an Werbesüßigkeiten mit Fairness-Faktor decken wir seit zehn Jahren größtenteils mit Fairtrade-zertifizierter Schokolade von Riegelein ab.“ Fairtrade steht als etabliertes Gütesiegel bereits seit über 30 Jahren für fairen Handel und setzt sich mit diversen Initiativen in Erzeugerländern aktiv gegen Ausbeutung ein – in den letzten Jahren immer stärker unterstützt von werbenden Unternehmen. Laut Kaldenbach nicht nur gut fürs Gewissen, sondern auch fürs Geschäft: „In der Werbeartikelbranche ist das Bewusstsein für Fairtrade-Artikel klar gestiegen – in puncto faire Arbeitsbedingungen herrscht ein Nachhaltigkeitsboom.“

Fair gewinnt

Dass Fairtrade in kürzester Zeit zum neuen Standard in der Branche geworden ist, kann Sandro Fiorilli, seit 2018 Geschäftsführer von Vogel’s Süsse-Werbe-Ideen, nur bestätigen: „Besonders von größeren Unternehmen und Konzernen wird Fairtrade-zertifizierte Schokolade als Werbeartikel im Rahmen der Compliance-Richtlinien gezielt angefragt.“ Konzerne müssen für ihre CSR-Berichte nachweisen, dass ihre Werbemaßnahmen mit den Nachhaltigkeitsregelungen des Unternehmens konform gehen.

Das Unternehmen aus Endingen am Kaiserstuhl hat mit dem Eintritt Fiorillis in die Geschäftsführung den Betrieb nachhaltig aufgestellt – bis hin zur fairen Schokolade: „Unsere hauseigene Chocolaterie ist unser USP, in drei klassischen Sorten in hoher Qualität treffen wir den Geschmack der breiten Masse – im B2B-Bereich entscheidend. Seit Ende 2018 haben wir die Herstellung zudem komplett auf Fairtrade-Schokolade umgestellt – der nächste konsequente Schritt im Zuge unserer Nachhaltigkeitsstrategie neben kunststofffreien, FSC-zertifizierten Verpackungen.“ Jenseits der Motivation, nachhaltige Produkte anbieten zu können, zahle sich Fairtrade für Vogel’s einfach aus: „Unser Umsatz mit Schokoladenartikeln ist trotz Corona seit der Umstellung Ende 2018 jährlich im deutlich zweistelligen Bereich gestiegen. Wir sehen hier ganz klar den positiven Effekt des Fairtrade-Zertifikats. Gerade am deutschen Markt ist Fairtrade das bekannteste Siegel für fairen Anbau und steht für glaubwürdiges Engagement, dem Verbraucher:innen Vertrauen schenken“, so Fiorilli.

vogels - Faire Schokolade: Stück für Stück

Bei Vogel’s Süsse-Werbe-Ideen sorgt Fairtrade-zertifizierte Schokolade aus der hauseigenen Chocolaterie für eine faire Note im Werbemix.

jokolade - Faire Schokolade: Stück für Stück

Mit Jokolade präsentiert Kaldenbach nachhaltige Schokolade mit Starfaktor: Die Marke wurde 2020 von TV-Star Joko Winterscheidt gegründet.

Damit bedient Vogel’s den klaren Trend hin zu mehr Fairtrade-zertifiziertem Schokoladengenuss in Deutschland – von nur knapp 500 t im Jahr 2005 hin zu ca. 4.000 t im Jahr 2022 (Statista 2022). Eine Trendwende, die sich zum einen mit der gestiegenen Nachfrage und zum anderen mit erweiterten Optionen in der Zertifizierung erklären lässt. Seit 1995 ist es möglich, Schokoladenerzeugnisse mit Fairtrade-Siegel anzubieten. „Mit dem klassischen Produktsiegel sind wir jedoch an Grenzen gestoßen. Der Marktanteil lag viele Jahre im niedrigen einstelligen Bereich”, wie Jan Zuther, Head of Key Account Management Confectionery bei Fairtrade Deutschland, erläutert. 2014 wurde deshalb das Rohstoffmodell eingeführt: „Es ermöglicht Unternehmen, ausschließlich den Kakao unter Fairtrade-Bedingungen zu sourcen, ohne das gesamte Produkt auf Fairtrade umzustellen. Das vereinfacht den Einkauf für Unternehmen.“ Seither haben sich die Fairtrade-Kakaoabsätze deutlich gesteigert: „Inzwischen liegt der Marktanteil in Deutschland bei rund 16%“, so Zuther.

Insbesondere für Anbieter von (Werbe-)Schokolade, die bereits über langfristige Partnerschaften und Einkaufsstrukturen für ihre Rohstoffe verfügen, aber trotzdem auf das Fairtrade-Zertifikat setzen möchten, lohnt sich das Rohstoffmodell. Denn während das klassische Fairtrade-Siegel verlangt, dass alle Zutaten soweit möglich fair gehandelt sind, kann das Rohstoff-Siegel auf Schokoladentafeln verwendet werden, bei denen nur der Kakao Fairtrade-zertifiziert ist.

„Nachhaltiges Handeln bedeutet auch, bei Rohstoffen auf Regionalität zu setzen, wie eben beim Rübenzucker, den wir seit Jahren vom gleichen deutschen Erzeuger beziehen. Hier würde es keinen Sinn ergeben, auf einmal Rohrzucker aus der Karibik zu importieren, nur damit alle Zutaten aus zertifiziertem Anbau kommen“, konstatiert Fiorilli. Fairtrade Deutschland betont hier die Bedeutung für Bäuerinnen und Bauern, für die das Rohstoffmodell weitere Absatzmärkte öffnet. Zuther: „Das ist enorm wichtig, denn für ihre Fairtrade-Verkäufe erhalten sie den stabilen Mindestpreis und einen zusätzlichen finanziellen Aufschlag für Gemeinschaftsprojekte, die Fairtrade-Prämie.“

fairtrade schule - Faire Schokolade: Stück für Stück

Bildung als Maßnahme gegen ausbeuterische Kinderarbeit: Dank der Unterstützung durch Fairtrade-Programme können Kinder in Kakaokooperativen Schulen besuchen.

fairtrade tree - Faire Schokolade: Stück für Stück

Mit der Initiative „One Bar: One Tree” hat Original Beans seit 2010 über 3 Mio. Bäume gepflanzt und unterstützt gleichzeitig Kakaobauern und -bäuerinnen.

Back to the roots

Engagement und finanzielle Unterstützung, die Philipp Kauffmann noch nicht weit genug gehen. „In den Verhältnissen, die wir in der Schokoladenindustrie zu unseren Bauern und Bäuerinnen haben, ist nichts fair. Bei Original Beans können wir versuchen, die Ungleichheit zu verbessern, aber zufrieden können wir mit diesem Zustand nicht sein.“ Der studierte Ökonom, Gründer und Geschäftsführer von Original Beans verschreibt sich seit 2008 der Herstellung feinster Craft-Schokolade aus ursprünglichen Kakaosorten, angebaut in regenerativ bewirtschafteten Ursprungsgebieten Lateinamerikas sowie kleinen umweltbewusst arbeitenden Kollektiven im Kongo und Tansania. Mit dem Schokoladengenuss von Original Beans soll das Begegnen mit Bauern und Bäuerinnen auf Augenhöhe und das Bewahren der Natur vor Ort einhergehen – Bedingungen, die Kauffmann in der Kakaoindustrie als nicht erfüllt sieht, auch nicht im Anbau nach Fairtrade-Standard.

Mit der industriellen Verarbeitung ab Mitte des 19. Jahrhunderts sei Kakao von einem beinahe mystischen Produkt in den mittelamerikanischen Kulturen zu einer billigen Massenware verkommen, die zur Entwaldung und Ausbeutung beitrage. „Ein wichtiger Faktor ist, dass der Kakao von seinem Ursprungsgebiet in Lateinamerika in das entkolonialisierte Westafrika gewandert ist – weg vom traditionellen Anbau und den Menschen, die ihn seit Jahrtausenden kennen, hin in Regionen, die vom Sklavenhandel geprägt waren und wo das entsprechende Know-how zum nachhaltigen Kakaoanbau gar nicht vorhanden war“, so Kauffmann.

„Kakao gilt zudem als ‚poor man’s crop‘ – Ackerpflanze der armen Leute –, angebaut in Subsistenzwirtschaft, was am großen Preisverfall in den letzten 50 Jahren liegt, u.a. zurückzuführen auf einen großen Produktionsüberschuss“, so Kauffmann weiter. „In den letzten 20 Jahren lag der Kakaopreis daher bei ca. 2.500 USD pro t. Wir zahlen den Menschen im Anbau aber fast den doppelten Preis.“

Das Ergebnis ist Schokolade aus 100% sortenreinen Bio-Bohnen, angebaut nach Craft Cacao-Standard, der den Bäuerinnen und Bauern zu 100% ein existenzsicherndes Einkommen bringt – und das aus regenerativer Agroforstwirtschaft für den Erhalt der Regenwälder. Nach dem Motto „Taste the rare“ können Genießer aus Sorten mit bis zu 100% Kakaogehalt wählen wie bei Cusco, die Namen weisen dabei auf den Herkunftsort hin. Belohnt wird das Engagement von Original Beans mit einem treuen Kundenstamm u.a. in der Hotellerie und Gastronomie – sowie mit dem Spitzenplatz in der Chocolate Scorecard 2023. Das jährlich veröffentlichte Nachhaltigkeitsranking der Schokoladenindustrie wird von der australischen Organisation gegen Zwangsarbeit Be Slavery Free koordiniert und fasst die Ergebnisse unabhängiger Universitäten und zivilgesellschaftlicher Gruppen zusammen, die sich für die Umgestaltung der Industrie einsetzen. Bewertet werden die Kriterien Transparenz der Lieferketten, Zahlung des Living Income, Einsatz gegen Kinder- und Zwangsarbeit, Vermeidung von Waldrodung, Agroforstwirtschaft und Einsatz von Agrochemikalien wie Pestiziden. Hier stehen Original Beans, die sich selbst als nachhaltigsten Anbieter am Markt bezeichnen, auf Platz eins, gefolgt von Tony’s Chocolonely.

rittersport - Faire Schokolade: Stück für Stück

Nicht nur quadratisch, praktisch, gut und in vielen Sorten auch für den B2B-Bereich erhältlich, sondern auch mit Kakao aus fairem Anbau – u.a. von der eigenen durch Rainforest Alliance zertifizierten Plantage in Nicaragua: Ritter Sport.

Quadratisch, praktisch, selbst angebaut

Während große Konzerne wie Mars Wrigley und Mondelez wegen fehlender Transparenz oder verweigerter Teilnahme am Benchmarking erwartbar die hinteren Plätze belegen, landet eine klassische Marke aus dem Einzelhandel mit einem guten sechsten Platz auf der Chocolate Scorecard deutlich vor der Konzernkonkurrenz: Ritter Sport.

Seit gut 100 Jahren stellt die Alfred Ritter GmbH im schwäbischen Waldenbuch Schokolade her, seit 1932 als „Sportschokolade“ im markentypischen Quadrat. Ebenso wie mit der Abkehr vom klassisch länglichen Tafelformat beschreitet das Traditionsunternehmen in puncto faire Arbeitsbedingungen einen eigenen Weg. Ein kleiner Teil des Kakaos, u.a. für die Marke Amicelli, ist Fairtrade-zertifiziert, ein Großteil verfügt über das Rainforest Alliance-Zertifikat. Erste Mengen bezieht das Unternehmen von der eigenen Kakaoplantage in Nicaragua: Die klangvoll El Cacao benannte Plantage befindet sich auf Land, das seit 2012 im Firmenbesitz ist, und wird nach den Prinzipien der integrierten Landwirtschaft als Mischkultur nachhaltig betrieben. Auf der Gesamtfläche von 2.500 ha sind 1.200 ha in einer Agroforstwirtschaft bepflanzt. Zu diesem Zweck wurden über 1 Mio. Kakao- und Forstbäume in Baumschulen gezogen und ausgepflanzt. Für Petra Fix eine konsequente Fortführung des nachhaltigen Ansatzes, den das familiengeführte Unternehmen bereits seit gut 30 Jahren verfolge. Die Verantwortliche für Globale Nachhaltigkeitskommunikation bei Alfred Ritter war selbst bereits mehrfach in Nicaragua, um aus erster Hand über die Bestrebungen vor Ort berichten zu können.

El Cacao dient laut Fix nicht dazu, den Kakaobezug durch die eigene Plantage zu sichern, sondern den Anbau neu zu denken und weiterzuentwickeln – „eine Modellplantage, die mit ca. 2.500 ha im Vergleich zu den üblichen Parzellen von Kleinbauern und -bäuerinnen mit nur 1 bis 5 ha zwar sehr groß ist, uns aber trotzdem die Möglichkeit gibt, den Kakaoanbau genauer zu untersuchen und neue Methoden z.B. für die Herstellung von eigenem Dünger o.Ä. zu finden, die sich für kleinbäuerliche Betriebe nutzen lassen.“

So ließen sich Effizienz und Arbeitssicherheit steigern und gleichzeitig mehr Biodiversität fördern, um resilienter gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels zu werden. Wichtige Schritte, um die stark von schwerer Handarbeit geprägte Bewirtschaftung umzudenken. Der Kakaoanbau vor Ort laufe dabei unter maximaler Kontrolle ab. Noch ist die Plantage nicht im Vollertrag – wenn dieser erreicht ist, ließen sich 20 bis 25% der benötigten Kakaomasse dort produzieren. Fix ergänzt: „Wir wollen gar nicht unseren gesamten Kakao auf dieser Plantage anbauen, sondern weiterhin kleinbäuerliche Partnerschaften nutzen, um hier etwas zum Positiven zu verändern und uns mit unserer gewonnenen Erfahrung im Anbau einbringen.“

Sicherheit durch Siegel?

elcacao - Faire Schokolade: Stück für Stück

Die Plantage in Nicaragua soll im Vollertrag 20 bis 25% der Kakaomasse von Ritter Sport liefern.

Nachweisbaren Einsatz auf einen Blick liefern bei Ritter Sport zudem die bekannten Siegel für fairen Handel: Seit 2018 bezieht Ritter Sport 100% zertifizierten Kakao und kann den Kakao komplett bis zur Erzeugerorganisation zurückverfolgen. Bis 2025 soll die Zurückverfolgung für die maximale Transparenz bis zum Farmer umgesetzt sein. Neben einer kleineren Menge an Fairtrade-Kakao ist der Hauptanteil Rainforest Alliance zertifiziert. Beide Standards böten gewisse Vor- und Nachteile und setzten unterschiedliche Schwerpunkte. Dazu Fix: „Für Rainforest Alliance haben wir uns entschieden, da wir nicht nur in Deutschland verkaufen: In Asien z.B. ist das Fairtrade-Siegel nahezu unbekannt. So mussten wir ein Zertifikat wählen, das weltweit bekannter ist. Neben dem Kakao, den wir weiterhin über die Kooperativen beziehen, ist unsere Plantage Rainforest Alliance-zertifiziert. Fairtrade ließe sich hier gar nicht umsetzen, da das Siegel nur kleinbäuerliche Betriebe umfasst.“

Diese Betriebe stehen bei Fairtrade klar im Vordergrund. Um seine zertifizierten Kooperativen zu unterstützen, bietet Fairtrade Deutschland u.a. seit 2011 die Möglichkeit, Rohstoffe wie Kakao oder Zucker als Mischprodukt mit Mengenausgleich mit einem Mindestanteil von 20% anzubieten, wie Zuther konstatiert: „Würden wir die physisch getrennte Verarbeitung von fairem Kakao verlangen, würde das gerade die schwächsten Produzentenorganisationen ausschließen, die geringe Mengen und keine Verarbeitungskapazitäten haben. Deshalb gibt es den Mengenausgleich, d.h. Fairtrade-Kakao darf mit konventionellem verarbeitet werden. Nur die Produktmenge, für die äquivalent Fairtrade-Kakao eingekauft wurde, erhält am Ende das Siegel – die Mengen werden genau geprüft.“

Die vorherrschenden Strukturen mit Millionen beteiligten Kleinbauern und -bäuerinnen erschweren jedoch seit Jahren die Rückverfolgung der Rohstoffe vor Ort. Neben den Maßnahmen der Zertifizierer und Prüfungsinstitute wie Flocert (für das Fairtrade-Siegel), soll hier das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz Lieferkettengesetz, Abhilfe schaffen. Das Gesetz ist seit Januar 2023 in Kraft und regelt die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in den globalen Lieferketten. „Die Umsetzung der Richtlinien ist mit bürokratischem Aufwand verbunden. Alles muss dokumentiert und in Datenbanken eingepflegt werden. Immerhin hat sich durch die nahtlose Dokumentation gezeigt, dass wir unsere Lieferanten weise gewählt haben. Was die Dokumentation langfristig bringt, wird sich zeigen“, konstatiert Fiorilli für Vogel’s Süsse-Werbe-Ideen.

Petra Fix ist sich sicher, dass sich viele strukturelle Aspekte im Kakaoanbau nur schwer ändern lassen. Für die Abschaffung von illegaler Kinderarbeit sei viel Aufklärungsarbeit nötig. „Zertifikate sind gut und richtig, sie schaffen Vergleichbarkeit. Aber um einen wirklichen Impact im Kakaoanbau zu schaffen, arbeiten wir mit unseren Partnern in Kakao-Programmen. So unterstützen wir die Kakaobäuerinnen und -bauern individuell, um Resilienzen aufzubauen und die Bedingungen zu verbessern.“

Price price baby

Jenseits der Initiativen ist für Sandro Fiorilli eine Preiserhöhung im Kakaoanbau entscheidend, um tatsächliche Veränderungen in den Lebensbedingungen der Kakaobauern und -bäuerinnen zu erreichen. „Ich halte eine konsolidierte Erhöhung außerdem für möglich. Schließlich wurden in Corona-Zeiten oder in Folge der Energiekrise höhere Preise von unseren Kunden akzeptiert – ebenso wie bei der Umstellung auf Fairtrade.“ Hier waren Preissteigerungen notwendig, da fairer Kakao teurer ist und mit Prüfung der Unternehmensprozesse, neuen Protokollen in der Produktion bis hin zu Änderungen aller Artikeldeklarationen einiges an Aufwand zu bewältigen ist. „Aber Fairtrade Deutschland hat uns als Mittelständler dabei tadellos unterstützt. Und mit der entsprechenden Kommunikation ist die Profitabilität für uns gleich geblieben, da das Siegel eine hohe Akzeptanz in der Branche genießt.“

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Vor dem Transport müssen die Kakaobohnen fermentiert, getrocknet und dabei regelmäßig gewendet werden – ebenso wie die Ernte in aufwendiger Handarbeit.

kakaobohne - Faire Schokolade: Stück für Stück

Bis zu 50 Bohnen enthält eine Kakaoschote. Sie werden per Hand geerntet und vorsichtig aufgebrochen, um die Bohnen für die Fermentierung zu entnehmen.

Von der Kommunikation als entscheidendem Faktor für die Branche ist auch Mario Siebig überzeugt: „Wir als Lieferanten sind in der Pflicht, uns jenseits der Siegel als einfaches Verkaufsargument umfassend über den Kakaoanbau und die -herstellung zu informieren und nachzuvollziehen, was faire Arbeitsbedingungen bedeuten. Wir müssen die Experten sein, die Infos an den Handel weitergeben, um dem Werbeartikelhandel Verkaufsargumente an die Hand zu geben und so die Nachfrage nach fairen Alternativen zu stärken.“ Sollte der Preis rundum nachhaltiger Marken wie Tony’s Chocolonely ein Problem darstellen, bietet Magna Sweets günstigere gegossene Fairtrade-Schokolade z.B. im Adventskalender in der kunststofffreien, FSC-zertifizierten Kartonage. „Und Tony’s ist zwar teurer, aber stark im Kommen“, stellt Siebig fest. Preissensibilität in der Branche kennt man auch bei Kaldenbach, kommt jedoch ebenfalls zum Schluss, „dass im Namen der Nachhaltigkeit inzwischen häufig tiefer in die Taschen gegriffen wird. Wir sehen auf jeden Fall eine zunehmende Bereitschaft, in neuere, nachhaltige Marken zu investieren.“

Ob der Kakaopreis, eine größere Transparenz und bessere Infrastruktur vor Ort, Initiativen zur Bildungsförderung oder ein Zusammenspiel aller Faktoren – für die Unterstützung der Menschen im Kakaoanbau steht werbenden Unternehmen inzwischen eine breite Produktpalette zur Verfügung: von der klassischen Vollmilch als Tafel oder im Saisongewand als Osterhase und Befüllung im Adventskalender über ausgefallenere Sorten neuer Marken – vegan, mit Fruchtstücken und karamellisierten Nüssen gefüllt – bis hin zur Craft-Schokolade mit besonders hohem Kakaoanteil und raffinierten Geschmacksnuancen. So trägt die Branche Stück für Stück zur Veränderung bei.

// Claudia Pfeifer

Bildquelle: Alfred Ritter GmbH & Co. KG (2); Fairtrade Deutschland, Kristina Eggers (1), Ilkay Karakurt (1), Nabil Zorkot (1); Kaldenbach (1); Magna Sweets (1); Original Beans (5); Vogel’s Süsse-Werbe-Ideen (1)

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