Seit September 2022 sind die drei großen französischen Werbeartikelagenturen AFSO, BV l’Agence Objets Média und Lagardère als Synneo im französischen und internationalen Werbeartikelmarkt aktiv. Mit einem Umsatz von 38 Mio. Euro ist Synneo nun nach eigener Aussage die größte Werbeartikelagentur Frankreichs in ihrem Segment. Frédéric Misseri, vormals CEO von Lagardère und jetzt einer der fünf Gesellschafter, sprach mit den WA Nachrichten über die Fusion sowie die Strategie und die Zukunftspläne des neuen Unternehmens.

interviewsynneo 1 - „Wir sind eine Case Study für Wirtschaftsunis“

Frédéric Misseri

Herr Misseri, drei der größten Werbeartikelagenturen schließen sich zusammen. Im Musikbusiness würde man von einer Supergroup sprechen. Wie kann es zur Gründung Ihrer Werbeartikel-Supergroup?

Frédéric Misseri: Die ersten Pläne entstanden bereits vor etwa fünf Jahren vor dem Hintergrund einiger großer Konsolidierungen in unserer Branche: Z.B. wurde Jordenen, die damals führende französische Werbeartikelagentur, von einem Investmentfund übernommen, wenig später verschmolzen mehrere Mitglieder der Ippag-Kooperative zur Zinc Group.

Ich halte diese Konzentrationsbewegungen in unserer sehr fragmentierten Branche für einen wichtigen Zukunftstrend und denke, es ist entscheidend, frühzeitig selbst aktiv zu werden, denn dann sind die Handlungsoptionen besser. Die Geschäftsführer von AFSO, BV und ich sind seit vielen Jahren gut befreundet, und die Idee eines Zusammenschlusses von uns dreien ergab sich in diesem Zusammenhang irgendwie von selbst. Der Merger zu dritt ist zwar eine enorme Herausforderung, aber v.a. eine Bereicherung, weil alle drei Unternehmen sich perfekt ergänzen.

Es gibt drei Unternehmen, aber insgesamt fünf Inhaber. Wie haben Sie die Gesellschafter-Struktur angelegt?

Frédéric Misseri: Wir wollten von Anfang an, dass alle Partner gleichberechtigt sind, trotz unterschiedlicher Umsatzvolumina. D.h., es gibt fünf Gesellschafter, die alle das gleiche Stimmrecht haben, damit keines der drei ehemaligen Unternehmen die Kontrolle übernehmen kann. Die Fusion wurde vor rund einem Jahr rechtsgültig, und bislang war nur zweimal eine Abstimmung nötig, obwohl wir jede Woche zu einem Board Meeting zusammenkommen. Wir sind uns also in vielen Punkten sehr einig (lacht). Hinzu kommt ein Investmentfonds – IXO Private Equity –, der vor zwei Jahren eine Beteiligung an AFSO erworben hatte und sein starkes Interesse daran bestätigt hat, auch im neuen Unternehmen Kapitalgeber zu sein, der sich jedoch nur in hochgradig strategischen Fragen und Investitionen zuschaltet und uns ansonsten voll vertraut.

Sie sitzen in Paris, Nizza und Toulouse – wie werden Sie sich zukünftig organisieren, was Hauptsitz, Büros und Logistik angeht?

Frédéric Misseri: Einen Hauptsitz gibt es nur postalisch, nicht, was die Organisation angeht. Die meisten unserer Kunden sitzen in Paris, der größte Kunde sitzt in Toulouse. Der größte Teil der Buchhaltung ist ebenfalls in Paris angesiedelt, deshalb ist dort unser administratives Zentrum. Die einzelnen Teams stehen in der neuen Organisationsstruktur z.T. unter neuer Führung – z.B. sind Teile meines Sales-Teams in Nizza nun nicht mehr mir unterstellt, sondern berichten nach Paris. Wir wollten, dass es nur ein Team gibt und ein Management, das die Mitarbeiter im ganzen Land steuert.

Wie hat das bislang funktioniert?

Frédéric Misseri: Am Anfang war es herausfordernd, weil die Unternehmenskulturen z.T. sehr unterschiedlich waren. Auch war in Paris das Gehaltslevel anders als in Nizza und Toulouse, sodass wir eine Lösung finden mussten, damit sich jeder fair behandelt fühlt. Voraussetzung dafür war ein genaues Studium jeder einzelnen Stelle, um die damit verbundenen Anforderungen in der Folge möglichst genau beschreiben zu können.

Wir haben in dieser Zeit auch zu mehreren Open Bar-Diskussionen eingeladen, haben genau gefragt, was jede und jeder auf dem Herzen hat und welche Themen und Sorgen es gibt. Dabei durfte es keine Tabus geben. Das war hilfreich, und auch, wenn wir nicht alle Erwartungen zu 100% erfüllen konnten, haben wir hart daran gearbeitet, den Übergang so fair, offen und transparent wie möglich zu gestalten.

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Die Synneo-Niederlassung in Paris befindet sich in einem modernen Passivhaus.

Wie viele Mitarbeiter hat die Gruppe insgesamt?

Frédéric Misseri: Rund hundert. Erst vor einem Monat haben wir 15 neue Mitarbeiter eingestellt. Nicht zu vergessen, dass wir im Zuge des Mergers nicht eine Person entlassen haben, darauf sind wir als Inhaber wahrscheinlich am meisten stolz.

Neben den drei Teams mussten Sie Logistik und Infrastruktur zusammenbringen. War das ebenfalls herausfordernd?

Frédéric Misseri: Es ist immer noch eine Herausforderung, v.a. im IT-Bereich, denn wir hatten drei verschiedene ERPs. Wenn zwei Unternehmen fusionieren, einigen sie sich normalerweise auf eines von zwei Systemen. Wir hätten das ähnlich handhaben und das effizienteste System von dreien beibehalten können, das in Toulouse bei AFSO benutzt wurde. AFSO wollte jedoch ein zukunftsweisendes, moderneres System einführen, woraufhin wir uns für Odoo entschieden haben. Damit arbeiten wir jetzt seit einigen Monaten, und es bereitet uns immer noch Kopfschmerzen, aber gleichzeitig ist es sehr vielversprechend und war definitiv die richtige Wahl.

Wir haben zwei Logistikzentren in Paris und eines in Toulouse. In Nizza hatten wir bisher einen externen Lagerdienstleister und werden bald unsere gesamte Ware in eines oder mehrere unserer eigenen Lagerhäuser transferieren.

Welche Strategie werden Sie zukünftig verfolgen, auf welche Kundengruppen fokussieren Sie sich, und welchen Mehrwert möchten Sie bieten?

Frédéric Misseri: Eine der Motivationen und Voraussetzungen für die Fusion war, dass wir uns in Sachen Go to market-Strategie und Kundenstruktur hervorragend ergänzen. Damit sind wir eine echte Case Study für jede Wirtschaftsuni (lacht).

In Toulouse gibt es ein extrem hohes Know-how in Sachen Fulfilmentprogramme, inklusive Produktentwicklung, IT, internationalem Versand und Zollabwicklung in 92 Länder, außerdem hat man dort Erfahrung in B2C-Strategien. Die Pariser wiederum kennen sich sehr gut mit Sourcing, Produktinnovation und CSR-Themen aus. Sie haben eine unglaubliche Verkaufsdynamik, inklusive Inhouse-Veranstaltungen in ihrem tollen Unternehmensgebäude. Wir in Nizza schließlich haben umfangreiche CSR-Lösungen für unsere Kunden entwickelt, haben einige der höchsten CSR-Zertifizierungen und bringen zudem unsere Mitgliedschaft in der Ippag (International Partnership for Premiums and Gifts) sowie als Mitgründer des kommerziellen Arms der Ippag, Prominate, mit ein. Als Shareholder von Prominate, einer der sehr wenigen globalen Lösungen unserer Branche, können wir auch mit Synneo weiterhin internationale Kunden auf globaler Ebene beliefern. In den vergangenen Monaten haben wir mit Prominate drei Ausschreibungen gewonnen, eine davon hat allein in Europa ein Volumen von vier Mio. Euro. Im Laufe der nächsten Jahre könnte Prominate für zehn bis 15% unseres Umsatzes sorgen.

Was unsere zukünftige Kundenstruktur angeht, positionieren wir uns in Richtung großer, multinationaler Konzerne als Hauptzielgruppe, die das brauchen, was wir ihnen bieten können: IT-Lösungen, internationale Reichweite, CSR.

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Das Synneo-Team beim jährlichen Seminar der Gruppe.

Apropos CSR: Sie sind innerhalb des Board of Directors u.a. für dieses Thema zuständig. Wo liegt bei Ihnen der Fokus, wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen?

Frédéric Misseri: Wir investieren seit vielen Jahren in nachhaltige Prozesse und haben schon, bevor Nachhaltigkeit zum Megatrend in der Branche wurde, versucht, unser Unternehmen und unsere Produkte nachhaltiger zu gestalten. Schon vor mehr als zehn Jahren, als der Begriff CSR in Ausschreibungen noch gar nicht auftauchte, war BV eines von zehn Unternehmen im französischen Dienstleistungssektor, die ein passives Gebäude bezogen haben. Lagardère wiederum hat ein Tracking-Tool entwickelt, dass es uns nun ermöglicht, den CO2-Fußabdruck von jedem einzelnen Produkt zu ermitteln, das wir an unsere Kunden verkaufen. Darüber bieten wir ein Scoring-Tool an, mit dessen Hilfe unsere Kunden ermitteln können, wie nachhaltig die einzelnen Produkte insgesamt sind, auch im Vergleich zueinander. Dabei ist der CO2-Fußabdruck nur einer von vielen Aspekten. Beide Tools sind von Bureau Veritas zertifiziert.

Nachhaltigkeit ist für uns von entscheidender Bedeutung, nicht nur fürs Daily Business, sondern auch für die gesamte zukünftige Ausrichtung unserer Unternehmensgruppe. Nachdem Lagardère bereits über ein Platin-Rating von EcoVadis verfügte, wollen wir als nächstes Synneo als Ganzes von EcoVadis Platin-zertifizieren lassen.

Spielen digitale Verkaufskanäle eine große Rolle?

Frédéric Misseri: Wir haben eine Online Sales-Division, die wir von BV übernommen haben, und die wir behutsam weiterentwickeln werden. Unser Hauptfokus liegt jedoch nicht im Bereich des E-Commerce.

Was sind ihre kurz- und mittelfristigen Ziele?

Frédéric Misseri: Unser erstes Ziel war, uns in Ruhe zu reorganisieren, ohne dabei Marktanteile und Umsatz einzubüßen. Dennoch sind wir im ersten Jahr des Mergers um 22% gewachsen, da hat unser Team einen tollen Job gemacht. Die nächsten Jahre werden von internem und externem Wachstum geprägt sein.

Obwohl es nicht unser Ziel war, die größten im französischen Markt zu sein, sind wir das de facto in unserem Segment mit großen internationalen Key Accounts. Umsatz war und ist aber nicht das Hauptziel. Für uns ist es entscheidend, dass wir profitabel sind, um die Zukunft und die Entwicklung unserer Gruppe zu sichern. Wichtiger als der Größte zu sein, ist unser bescheidenes, aber nachdrückliches Ziel, als das Unternehmen anerkannt zu werden, das unseren Kunden den größten Mehrwert bietet.

// Mit Frédéric Misseri sprach Till Barth.

Bildquelle: Synneo

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