Fachkräftemangel, Employer Branding und Recruiting sind Themen, die längst nicht nur, aber auch die Werbeartikelbranche beschäftigen. Christiane Englert ist People and Culture Managerin bei cyber-Wear. Im Gespräch mit den Werbeartikel Nachrichten erklärt sie, wie sich Unternehmen an die Schwierigkeiten auf dem Personalmarkt anpassen können, wie wichtig eine moderne Unternehmenskultur ist und warum gerade die Werbeartikelbranche im Bereich Employer Branding im Vorteil ist.

englert interview - Strategisch in die Zukunft

Christiane Englert

Frau Englert, Sie sind People and Culture Managerin bei cyber-Wear. Was genau ist Ihr Job?

Christiane Englert: Im traditionellen Sinne bin ich Personalerin, modern ausgedrückt Head of Human Resources (HR). In der Stellenausschreibung, auf die ich mich beworben habe, hat cyber-Wear sich bewusst entschieden, die Stelle für People and Culture Management auszuschreiben, da die beiden Komponenten Mensch und Kultur betont werden sollten. Denn genau diese beiden Punkte, also Mitarbeiter und Unternehmenskultur, betreuen Personalleiter.

Ergeben sich durch die Ergänzung der Verantwortlichkeit für Unternehmenskultur Unterschiede zu einer herkömmlichen Personalleitung?

Christiane Englert: In meinen Augen verändert sich HR insgesamt. Früher gab es nahezu ausschließlich administrative Aufgaben wie das Schreiben von Arbeitsverträgen, das Genehmigen von Urlauben, die Erfassung von Krankentagen etc. Die Position war also lange Zeit sehr inaktiv. Heute wird HR von den Unternehmen immer mehr als interner, strategischer Partner gesehen. Neben den administrativen Aufgaben, die ich natürlich auch habe, stehe ich der Geschäftsleitung in beratender Form zur Seite, wenn es darum geht, die Unternehmenskultur aktiv zu gestalten – beispielsweise, wie wir neue Mitarbeiter gewinnen oder Mitarbeitende halten können.

Nach Corona haben sich abermals die Themen in HR verändert. Flexible Arbeitszeiten und Remote Work haben unsere Welt verändert. So sind seitens der Mitarbeiter neue Ansprüche aufgekommen, und die Unternehmenskultur hat sich geändert, denn nur wenige sind noch jeden Tag im Büro. Auch das Miteinander ist durch diese Neuerungen beeinflusst. Wir müssen also versuchen, dass die Tage, an denen alle Mitarbeitenden vor Ort sind, einen Mehrwert haben. Genauso darf aber das Arbeiten remote genossen werden.

Sie vermitteln also zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

Christiane Englert: HR ist oft eine Position zwischen den Stühlen. Aber im positiven Sinne. So haben wir beispielsweise bei cyber-Wear ein Lager, wo Remote Work natürlich nicht möglich ist. Den Zahlen zufolge sind die Fehlzeiten der Lagerarbeiter oft höher. Das liegt aber nicht daran, dass sie schwächer oder anfälliger sind. Sie haben lediglich nicht die Möglichkeit zu sagen, dass sie sich den Arbeitsweg sparen und das Nötigste von zuhause aus erledigen. So kommen höhere Fehlzeiten zusammen, dafür muss oft noch das Verständnis geschärft werden, das ist dann eine Aufgabe fürs People and Culture Management.

Welche Themen beschäftigen Sie im Alltag?

Christiane Englert: Ganz wichtig ist Teamwork. Wir überlegen ständig, wie wir unsere Teams agiler gestalten können. Cyber-Wear gibt es jetzt seit 30 Jahren. In dieser Zeit hat sich vieles geändert und veraltete Strukturen bremsen uns ansonsten aus. Früher gab es Standards, dass ein Team für einen Kunden zuständig war, so etwas würde uns heute ausbremsen. Wir arbeiten stets daran, unsere Teams neu zu modellieren und noch kompetenzbasierter arbeiten zu lassen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Wertschätzung. Wir wollen nicht nur ein moderner Arbeitgeber sein, sondern auch spannend für die Mitarbeitenden bleiben. Wir befinden uns aktuell in einem Arbeitnehmermarkt, die Leute müssen sich nicht bewerben, sondern werden von Recruitern abgeworben.

Jedes Unternehmen muss also stets nachjustieren und immer wieder Feedback einholen, um am Menschen dranzubleiben. Dabei ist mir wichtig, dass jeder Mitarbeiter die Benefits gleich nutzen kann. Anstatt einer Mitgliedschaft in einem bestimmten Fitnessstudio zu unterstützen, haben wir daher eine Spendit Card als geldwerten Vorteil. Diese wird von uns als Firma monatlich für jeden Mitarbeiter mit demselben Betrag aufgeladen. Die Karte kann in verschiedenen Läden, Restaurants oder an Tankstellen eingesetzt werden, sodass jeder sie individuell nutzen kann. Mit Benefits wie kostenlosen Getränken oder einem Obstkorb alleine bleibt man einfach nicht zukunftsfähig.

Ist dieses Corporate Marketing besonders für Unternehmen aus der Werbeartikelbranche wichtig, da diese weniger bekannt sind?

Christiane Englert: Das kann sein. Auch bei uns ist es oft so, dass unsere Kunden und eventuell noch Lieferanten bekannt sind. Welche Rolle wir spielen, wissen dabei viele Bewerber nicht. Sicher geht es in der Werbeartikelbranche vielen so. Ich, die auch branchenfremd war, muss da oft schmunzeln, denn gerade unsere Branche müsste das viel besser machen. Denn genau das machen wir tagtäglich für andere.

Wir bei cyber-Wear versuchen daher, das C als unser Logo zu nutzen. Mit T-Shirts, Caps, Flaschen u.Ä. wollen wir so das sogenannte cyber-Gen unterstützen und nach innen und außen zeigen. Durch Werbeartikel soll auch unser Logo als Brand bekannt werden. Das bekommen neue Mitarbeiter dann im Welcome-Paket, genau wie unsere Kunden das auch machen. Die Firma bewirbt sich schließlich auch beim Kandidaten, was oft vergessen wird.

Neben fairen Gehältern und Benefits wird es also immer wichtiger, die Unternehmenskultur herauszustellen und Menschen aus der Firma sprechen zu lassen. Wir planen daher, mit den Mitarbeitern für deren Team wir eine Stelle ausschreiben, Videos zu drehen. So wollen wir fördern, dass wir Bewerbungen von Leuten bekommen, die das Team und die Unternehmenskultur gut finden, unseren Umgang mit Azubis oder die Begleitung im Bewerbungsprozess und nicht nur das Unternehmen. Erste Bewerbungsgespräche heißen bei mir daher auch ganz bewusst Kennenlerngespräche. Denn mir ist wichtig, den Menschen fachlich und persönlich kennenzulernen. Und auch der Bewerber will wissen, wie es im Unternehmen läuft und welche Person Frau Englert ist.

Wie wichtig ist ein gelungenes Onboarding für die Mitarbeiterbindung?

Christiane Englert: Ich glaube, für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Natürlich kann man Eindrücke korrigieren, trotzdem ist der erste Tag im neuen Job entscheidend. Ich habe auch im Recruiting gearbeitet und mit vielen Menschen über ihre Wechselmotivationen gesprochen. Die wenigsten gehen dabei wegen der Kolleginnen und Kollegen oder der Arbeit als solcher, sondern wegen der Führungspersonen, des Workloads oder der Unternehmenskultur. Gerade daher ist es wichtig, eine Standardisierung zu haben, an der man sich entlangarbeiten kann. So wird auf beiden Seiten Sicherheit vermittelt. Da spielt auch Teamwork wieder eine große Rolle, denn Onboarding ist nicht nur ein HR-Thema. Ich kann den Rahmen setzen, unterstützen und begleiten, aber ich bin nicht die direkte Kollegin oder der Teamlead. Die sind aber dafür verantwortlich, ob sich die neuen Kollegen wohlfühlen und bleiben wollen.

Auch Benefits spielen im Recruiting und bei der Mitarbeiterbindung eine immer größere Rolle. Welche Benefits halten Sie heute für unverzichtbar?

Christiane Englert: In meinen Augen wird das Thema Entwicklung und Lernen immer wichtiger, gerade für die neue Generation. Kaum jemand macht noch eine Ausbildung mit dem Ziel, diesen Job ein Leben lang auszuüben. Die Tendenz wird sein, in ein Unternehmen zu gehen und sich dort zu entwickeln. Wir haben beispielsweise jetzt zwei Mitarbeiterinnen, die im Vertriebsinnendienst angefangen haben, mittlerweile Key Account Managerinnen und Teamleads sind. Beide sind mittlerweile über zehn Jahre dabei. Auch, weil sie in die Rolle hineinwachsen und ihre Expertise ausbauen konnten.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Unternehmenskultur. Freut man sich auf die Arbeit und das Team? Wie ist es, wenn man sonntags an Montag denkt? Mit den Kollegen verbringt man im Alltag extrem viel Zeit, und daher müssen die Teamkonstellation stimmen und die Führung auf Veränderungen sensibel und empathisch reagieren.

Sie sind seit 2023 mentale Ersthelferin. Was ist das, und warum haben Sie diese Fortbildung gemacht?

Christiane Englert: Diese Zertifizierung hat mich sehr gereizt. Das Thema mentale Gesundheit rückt immer weiter in den Fokus. Mitarbeitende melden sich, den Zahlen zufolge, auch immer häufiger aufgrund psychischer Komponenten krank. Tatsächlich hatte ich selbst auch immer wieder Gespräche, in denen ich gemerkt habe, dass Problematiken nicht rein physisch sind. Ich wollte mehr Hintergrundwissen und Anleitung bekommen, wie ich unterstützen und sensibilisieren kann. Wir wollen in der Unternehmenskultur Aufklärungsarbeit leisten und die Offenheit zeigen, dass mentale Gesundheit Priorität hat und es eine Ansprechpartnerin gibt.

Was fasziniert Sie an Ihrem Job am meisten?

Christiane Englert: Dass jeder einzelne Mensch so spannend und unterschiedlich ist. Es ist für mich eine extreme Bereicherung mit so vielen Menschen zu tun zu haben, und ich finde es jeden Tag aufs Neue spannend, dass Leute Dinge ganz anders sehen als ich und mich so überraschen. Mir macht es Spaß, weil es nicht nur ein blöder Spruch ist, sondern jedes Unternehmen nur so stark ist wie der einzelne Mitarbeiter. Es ist mir ein Herzensthema, denn egal wie standardisiert wir arbeiten, wie toll die KI wird und egal, wie automatisiert Maschinen sind – ohne uns Menschen, die alles in irgendeiner Form bearbeiten, würde es nicht funktionieren. Die Mitarbeitenden prägen das, was später als Unternehmenserfolg dasteht, und daran mitzugestalten macht mir unglaublich viel Spaß.

// Mit Christiane Englert sprach Sophia Arnold.

Bildquelle: cyber-Wear

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