Um einen Sachverhalt klar zu konturieren, ist der Blick aus der Distanz hilfreich: Der obenstehende Kommentar von Peter van Gestel, Chefredakteur des niederländischen Branchenmagazins Promz Vak, benennt einen Missstand, der schon des Öfteren von Marktteilnehmern und Mitgliedern des GWW bemängelt wurde, ohne dass das bislang irgendwelche Konsequenzen gezeitigt oder auch nur zu einem Umdenken der Verantwortlichen geführt hätte.

Der GWW ist kein Marktteilnehmer wie seine Mitglieder, sondern hat als Verband die Aufgabe, die Interessen seiner Mitglieder zu vertreten. Es entsteht eine sehr bedenkliche Situation, wenn der GWW die Macht- und Finanzmittel, die er als Branchenverband erhält, einsetzt, um zum Gegenspieler anderer Verbandsmitglieder zu werden.

Mit seiner Gründung Mitte der 2010er Jahre hat der Gesamtverband auch die Messeaktivitäten der in ihm zusammengeschlossenen Einzelverbände BWL (Newsweek) und bwg (Trend) „geerbt“. Dies wurde u.a. damit begründet, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten der Verbandsarbeit eine bessere finanzielle Ausstattung ermöglichen würden, um letztlich durch eigene Impulse die Branche fördern zu können.

Die Entwicklung nahm jedoch eine andere Richtung. Von positiven Impulsen für die Branche im Sinne der politischen Lobbyarbeit und der Imageförderung der Marketingdisziplin haptische Werbung ist wenig bis nichts zu spüren. Die Ausrichtung von Messen hingegen scheint zum Selbstzweck zu werden.

Mit dem Beharren auf der Durchführung der Frühjahrs-Trend und der angekündigten Ausweitung und Vorverlegung der Newsweek-Termine verstärkt der GWW seine aggressive Messestrategie, die schon im letzten Jahr für Kritik und Unruhe sorgte, für 2025 noch einmal. Entgegen der deutlichen Forderung nach einer Entzerrung der Messetermine verschärft der GWW diese Problematik. Das schadet nicht nur all denjenigen, die z.T. schon seit vielen Jahren erfolgreiche und viel geschätzte Messeformate in der Branche anbieten – neben Messeveranstaltern auch z.B. Werbeartikelhändler mit etablierten „Hausmessen“ in ganz Deutschland –, sondern überfordert auch die Marktteilnehmer, insbesondere die Personalressourcen und Budgets der Lieferanten. Anstatt die Branche zu fördern, setzt der GWW sie unter Druck.

20240605 101345 - Offener Brief von WA Media an Vorstand, Geschäftsführung, Beirat und Mitglieder des GWW

Der GWW intensiviert sein Engagement in puncto Messen: Die GWW-Trend Frühjahr und ein Newsweek-Termin finden 2025 parallel zur Expo 4.0 in Stuttgart statt. Weitere Newsweek-Termine wurden in die besonders messeintensiven Monate Februar und März vorgezogen.

Und die Rechtfertigung für solche Entscheidungen ist dürftig bis fragwürdig. Mal gab es Umfragen, die schon durch die Art der Fragestellung und die Terminvorschläge das Ergebnis einschränkten, oder, um es deutlicher zu sagen, beeinflussten. Oder es wird auf Umfragen verwiesen, an denen weniger als die Hälfte der Mitglieder teilnahmen. Dass bei Umfragen die E-Mail-Verteiler nicht immer alle Mitglieder zuverlässig beliefern, sorgt in diesem Zusammenhang für zusätzliche Irritationen. Ist die Verbandsführung nicht fähig oder nicht willens, Umfragen zu organisieren, deren Ergebnisse echte Mehrheiten ermitteln?

Die Behauptung, der GWW habe sich bei der Planung der Messetermine mit den anderen Messeveranstaltern abgestimmt, ist übrigens schlichtweg falsch. Der GWW hat offenkundig kein Interesse an einer Koordinierung der Messen, sondern setzt auf Konfrontation. Auch viele Lieferanten und Händler wurden von der Entscheidung, die Newsweek und Trend an die Expo 4.0 in Stuttgart anzudocken und weitere Newsweek-Termine vorzuverlegen, überrumpelt.

Mit der Veranstaltung von Messen treffen die Mitglieder des Vorstands und der Geschäftsführer unternehmerische Entscheidungen, ohne selbst unternehmerische Risiken einzugehen. Unter dem Deckmantel der Verbandsarbeit werden Vorstand und Geschäftsführer zu Akteuren im Markt. Das berechtigt zu der Frage, ob solche partikularen und polarisierenden Zielsetzungen noch mit der Aufgabe des Verbands, die Interessen der Branche insgesamt zu vertreten, vereinbar sind.

Die Mitarbeiter von WA Media sind nicht die einzigen, die das bezweifeln. Wir gehören zwar als ein Unternehmen, das der gegenwärtige Vorstand und der Geschäftsführer des GWW besonders scharf angreift, zu den unmittelbar Betroffenen, aber das Problem ist durchaus ein grundsätzliches. Differenzen bis hin zu Intrigen gab es in unserer Branche schon immer, und das Gegeneinander verschiedener Gruppen hat oft genug ihre professionelle Weiterentwicklung behindert. Die Gründung des GWW sollte solchen selbstzerstörerischen Tendenzen entgegenwirken. Dass der GWW sich unter seiner derzeitigen Führung als einigende Kraft bewährt, lässt sich jedoch schwerlich behaupten.

Und wie steht es mit der Lobbyarbeit, die das vorrangige Anliegen des Verbands sein sollte? Vorstand und Geschäftsführer verweisen gern auf das Netzwerk, das bereits geknüpft sei, können aber bei näherer Betrachtung kaum konkrete Ergebnisse benennen. Ansprechpartner außerhalb der Branche zeigen sich aktuell keineswegs immer von der Öffentlichkeitsarbeit des GWW beeindruckt.

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Michael Scherer, geschäftsführender Gesellschafter der WA Media GmbH

Hinzu kommen die gravierenden Defizite in der brancheninternen Kommunikation. Das betrifft viele, aber WA Media als Informationsdienstleister der Branche besonders. Unsere Anfragen an die Geschäftsstelle werden – zuletzt sogar noch häufiger als früher – gar nicht, verspätet (nach Deadlines wie Redaktionsschluss oder Drucklegung) oder unvollständig beantwortet. Erst recht nicht hinnehmbar ist der Versuch, die daraus resultierenden Lücken in unserer Berichterstattung über den GWW uns in einer dreisten Umkehrung der Tatsachen als Absicht zu unterstellen, als einen Mangel an Objektivität, Fairness und Ausgewogenheit.

Dass es dringend einer intensiveren Imageprofilierung des Werbeartikels – sowohl bei den Entscheidungsträgern in Berlin und Brüssel als auch bei denen aus Marketing und Einkauf der werbetreibenden Industrie – bedarf, ist allgemeiner Konsens und wird eindringlich durch einen Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 11. Juni 2024 als jüngstem Beispiel einer faktenverzerrenden und negativen Darstellung der Werbeartikelbranche bestätigt. Die Autorin kommt u.a. zu dem Schluss, es sei besser für die Umwelt, auf Werbeartikel ganz zu verzichten. (Dieser Artikel ist in einer veränderten Fassung auch online abrufbar, https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nachhaltigkeit-messe-werbung-lux.N1T9RUNTB4jca6MnAMeLaa).

Wäre es daher nicht eher im Interesse der Branche – und damit Aufgabe des GWW – die Energie, Zeit und finanziellen Mittel, die dem Verband zur Verfügung stehen, vorrangig in die Ausweitung des Gattungsmarketings und der Lobbyarbeit zu investieren?

Mit freundlichen Grüßen

WA Media GmbH

Michael Scherer
Geschäftsführender Gesellschafter