Seit Jahrzehnten bereits organisiert sich die Werbeartikelbranche in Form gewählter Interessenvertretungen. Und genauso lange sind diese ein vieldiskutiertes Thema. Welche Aufgaben sollte ein Branchenverband einnehmen, welche nicht? Und wie kann es gelingen, die europäischen Einzelvertretungen stärker zu vernetzen, um auf pan-europäischer Ebene mehr Durchschlagskraft zu bekommen? eppi magazine, das internationale Pendant zu den WA Nachrichten, und das niederländische Branchenmagazin PromZ Vak haben im Rahmen einer Recherchekooperation mit Vertretern von Werbeartikelverbänden aus ganz Europa gesprochen.

eppi153 Titelstory BG - Die vielen Gesichter der Repräsentanz

Mehr als 11 Mrd. Euro Umsatz werden in Europa laut einer Schätzung des ASI (Advertising Specialty Institute) jährlich mit haptischer Werbung erwirtschaftet. Eine Schätzung, wohlgemerkt. Dass der europäische Werbeartikelmarkt, obgleich ein respektabler Wirtschaftsfaktor, nicht über belastbare Marktdaten verfügt, ist symptomatisch – denn verglichen mit anderen Branchen steht der Werbeartikelsektor noch recht weit am Anfang, was seine Profilierung angeht. Dementsprechend spielen die Belange der Branche dort, wo politische Entscheidungen getroffen werden, nach wie vor kaum eine Rolle.

Es wäre jedoch faktisch nicht korrekt, diese Missstände zu konstatieren, ohne gleichzeitig die Organisationen zu würdigen, die daran arbeiten, das Standing der Branche zu verbessern – und das seit langer Zeit. Denn schon vor Jahrzehnten haben sich im Werbeartikelmarkt engagierte Unternehmer und Vordenker zu Branchenvertretungen zusammengeschlossen.

Blickt der bereits 1904 gegründete amerikanische Werbeartikelverband PPAI (Promotional Products Association International) auf mehr als ein Jahrhundert des Bestehens zurück, dauerte es in Europa bis in die Nachkriegszeit, bis die ersten Branchenvertretungen aus der Taufe gehoben wurden. So riefen britische Branchenpioniere 1948 den Bagda (Business Advertising Gift Distributor Association) ins Leben, der später in Promota umbenannt wurde und heute nicht mehr existiert, 1953 folgte in Spanien der Fyvar (Asociación de Fabricantes y Vendedores de Artículos Promocionales y Publicitarios), 1965 ebenfalls im Vereinigten Königreich der BPMA (British Promotional Merchandise Association). Die meisten anderen europäischen Verbände wurden deutlich später gegründet, heute jedoch gibt es in ganz Europa nationale Werbeartikelverbände (eine Übersicht findet sich auf S. 50).

Imagearbeit und Weiterbildung

So unterschiedlich die Vereinigungen sind, was Größe, Aufbau und Arbeitsweise angeht – sie alle eint der Wunsch, ihrer Branche eine Struktur zu geben, die einzelnen Akteure eines z.T. unscharf abgegrenzten Marktes zusammenbringen und gemeinsame Interessen zu verfolgen. Damit tragen Verbände entscheidend zur Identitätsstiftung bei, nach innen wie nach außen.

„Es gibt viele Aufgaben, auf die sich unser Verband konzentriert, aber die wichtigste ist die positive Förderung der Branche bei allen Beteiligten, insbesondere bei den Anwendern”, meint Joop van Veelen, Vorsitzender des niederländischen Verbands PPP (Promotional Products Professionals). „Werbeartikel und die dazugehörigen Dienstleistungen sollten als Marketinginstrument ernst genommen werden. Und mit Werbeartikeln meine ich auch Firmengeschenke, Jahresendgeschenke, Weihnachtskörbe, Promowear und Berufskleidung – kurz gesagt: unsere gesamte Branche.”

Für eine solche Außendarstellung des Werbeartikelsektors ist es unerlässlich, dass dieser kontinuierlich und konsequent an seiner Professionalisierung arbeitet. Dabei sind Verbände ein wichtiges Bindeglied, wie Phil Goodman, Geschäftsführer des BPMA, betont: „Unsere Aufgabe ist es, höchste Standards zu setzen und aufrechtzuerhalten. Wir haben z.B. ein solides Weiterbildungsprogramm etabliert, und unsere Awards rücken die besten Leistungen unserer Branche in den Fokus. Darüber hinaus sind wir Wegweiser und Mentor für unsere Mitglieder, damit sie allen Herausforderungen und Chancen immer einen Schritt voraus sind.“ Zu letzteren gehört für Goodman dabei ganz zentral Nachhaltigkeit: „Die Gefahr liegt darin, dass unsere Branche und ihre Produkte möglicherweise negativ wahrgenommen werden, aber eine große Chance liegt in der Innovation. Unsere Mitglieder leisten phänomenale Arbeit, um den Herausforderungen rund um Nachhaltigkeit immer einen Schritt voraus zu sein. Unsere Verantwortung als Verband besteht darin, diese Leistungen sichtbar zu machen, um einem negativen Image entgegenzuwirken.”

Für Antony Villéger, Vorsitzender des französischen Verbands 2fpco (Fédération Francaise des Professionels de la Communication par l’Objet) gibt es ähnliche Prioritäten: „Zu den wesentlichen Aktivitäten des 2fpco gehören Schulungen und Zertifizierungen, die es den Mitgliedern ermöglichen, an der Spitze der Marktentwicklungen zu bleiben und die wachsenden Anforderungen zu erfüllen. Jährliche Veranstaltungen wie unsere Sommer- und Frühjahrsuniversitäten bieten einzigartige Möglichkeiten zum Wissensaustausch und zur beruflichen Weiterentwicklung. Darüber hinaus sind Lobbying und Interessensvertretung von entscheidender Bedeutung, um der Stimme unseres Sektors Gehör zu verschaffen und seine Interessen gegenüber politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern zu verteidigen.“

Wissensaustausch

„Weiterbildung ist sehr wichtig, deshalb legen wir einen starken Schwerpunkt darauf“, so van Veelen. „Aus diesem Gedanken heraus wurde auch die Initiative der ‚Young Professionals‘ geboren. Wir veröffentlichen zudem unser ‚Fachbuch‘, das für alle, die anfangen in unserer Branche zu arbeiten, ein Muss auf dem Schreibtisch ist. Eine weitere wichtige Aktivität ist unser Akkreditierungssystem. Jedes Mitglied muss eine bestimmte Anzahl von Punkten erreichen, um von uns akkreditiert zu werden. Das System hat sich zu einem echten Qualitätsmerkmal entwickelt, das von immer mehr Kunden berücksichtigt wird. Bei großen Ausschreibungen ist die Akkreditierung durch uns oft eine Voraussetzung.“

All das hat, so van Veelen, dazu geführt dass „wir unsere Branche zu 100% repräsentieren. Es gibt immer Luft nach oben, was die Mitgliederzahl oder eine breitere Repräsentanz unseres Berufsstandes angeht, aber wir werden ernst genommen, sogar in der Politik, wo wir durch ONL (Ondernemend Nederland) vertreten werden.“ Die niederländische Unternehmerorganisation ONL hat sich zum Ziel gesetzt, Unternehmen Gehör zu verschaffen und sie in Den Haag und Brüssel zu repräsentieren.

Gesetze und Regularien

In Deutschland, dem größten Einzelmarkt innerhalb Europas – mehr als 3,3 Mrd. Euro werden hier jährlich in haptische Werbung investiert – repräsentiert der GWW (Gesamtverband der Werbeartikel-Wirtschaft e.V.) die Werbeartikelbranche. 450 Mitglieder sind dem Verband angeschlossen, dessen Hauptaufgaben der Vorsitzende Frank Jansen wie folgt zusammenfasst: „Als Interessenvertretung der Werbeartikelbranche obliegt es dem Gesamtverband, für verbesserte Rahmenbedingungen und höhere Akzeptanzwerte unserer Werbeform zu sorgen.

Alle Unternehmensgrößen und -arten sind im Verband vertreten, so dass wir ein gutes Bild über die Bedürfnisse und Anforderungen der Markteilnehmer haben. Der Verband bündelt diese Kräfte, um die wirtschaftlichen, wirtschaftspolitischen und (steuer-)rechtlichen Voraussetzungen für die Branche in Deutschland und in Europa positiv zu beeinflussen. Desweiteren ist der GWW Dienstleister für seine Mitglieder, bietet u.a. rechtliche Erstberatung, Webinare zu verschiedenen Themen, macht auf sich verändernde Rechtsnormen aufmerksam.“

Belgien, ein im Vergleich zu Deutschland kleiner Markt, verfügt dennoch mit dem 2000 gegründeten BAPP (Belgian Association of Promotional Products) über einen umtriebigen und engagierten Verband mit reichlich Erfahrung, was die Vertretung von Brancheninteressen in Regierungskreisen angeht. „Eine der wichtigsten Aktivitäten des BAPP ist die Unterstützung der Mitglieder bei der Navigation durch das komplexe regulatorische Umfeld“, so die beiden Vorsitzenden Bert Anthonissen and Olivier Claeys. „Wir versuchen sicherzustellen, dass die Interessen der Werbeartikelbranche bei legislativen und regulatorischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Dieses Engagement ist besonders wichtig, weil es die Mitglieder vor potenziellen rechtlichen Fallstricken schützt und sicherstellt, dass ihre Stimme bei den politischen Entscheidungsfindungen gehört wird.“

Verfügt der BAPP über zwei Vorsitzende, die das flämischsprachige Flandern und die frankophone Wallonie vertreten, gibt es auf der Iberischen Halbinsel die Besonderheit, dass dort zwei Verbände koexistieren: Der aimfap, unter dessen Dach Lieferanten aus Spanien und Portugal organisiert sind, und der ebenfalls spanisch-portugiesische FYVAR, der außerdem Händler und Druckdienstleister zu seinen Mitglieder zählt. Für den aimfap-Vorsitzenden Estellés-Zanón ist das kein Nachteil: „Wir arbeiten seit etwa acht Jahren intensiv mit dem Fyvar zusammen. Ihr Präsident, Gabriel Moëse, hat immer wieder seine Fähigkeit bewiesen, sich mit dem aimfap abzustimmen. Beide Verbände sind bestrebt, sich gegenseitig zu verstehen und sich wahrscheinlich in Zukunft in irgendeiner Form zusammenzuschließen. Wir arbeiten bei unseren Roadshows und bei der Strategie rund um die Messe PMG Promogift zusammen, auch, was die Kooperation mit der C!print angeht, die 2025 zeitgleich und am selben Ort stattfinden wird.”

Die Kunst des Kompromisses

Ob Kooperation mit anderen Branchenvertretungen oder die Zusammenarbeit innerhalb der Mitgliedschaft: Immer gilt es, viele Interessen unterschiedlicher Marktplayer zu berücksichtigen, Beschlüsse und Kompromisse zu finden. „In unserem Verband koexistieren große Unternehmen mit kleinen Betrieben, die unterschiedliche Interessen haben“, so Estellés-Zanón. „Eine der wichtigsten Aufgaben ist es, Entscheidungen zu treffen, die den großen Unternehmen dienen und gleichzeitig den kleinen nicht schaden.“

Es versteht sich von selbst, dass das nicht immer ohne Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten vonstattengeht. Villéger: „Divergenzen können sich vor allem bei Fragen der Preisgestaltung und der Gewinnspanne ergeben – wenn Lieferanten und Händler unterschiedliche Ansichten über Preisstrukturen haben – oder bei Nachhaltigkeitsstandards: Auch, wenn sich alle über den Stellenwert von CSR einig sind, können die Ansätze zur Erreichung dieser Ziele unterschiedlich sein. Ein weiterer Grund für Diskussionen ist die Digitalisierung: Einige Mitglieder sind technologisch weiter fortgeschritten als andere und können neue Technologien schneller adaptieren.“

„Auch die unterschiedliche Auslegung von Vorschriften und Compliance-Anforderungen kann zu Konflikten führen“, ergänzen Anthonissen und Claeys, „vor allem, wenn einige Mitglieder das Gefühl haben, dass andere sich nicht an die gleichen Standards halten. Darüber hinaus kann es zu Streitigkeiten über Marktzugang und Wettbewerb kommen, vor allem, wenn der Eindruck entsteht, dass größere Mitglieder gegenüber kleineren Unternehmen im Vorteil sind. Nicht zuletzt können Entscheidungen über die Ressourcenverteilung zu Meinungsverschiedenheiten führen, wie z. B. die Finanzierung von Initiativen oder Events. Hier haben die Mitglieder z.T. unterschiedliche Ansichten, was die Prioritäten angeht.“

Wer soll das bezahlen?

Denn ein Großteil der Mittel, die den Verbänden zur Verfügung stehen, kommt aus den Taschen ihrer Mitglieder, die ihre Vereinigungen durch die Zahlung jährlicher Mitgliedsbeiträge handlungsfähig halten. Dabei sind die Finanzierungsmodelle im europäischen Vergleich höchst unterschiedlich: So zahlen z.B. alle GWW-Mitglieder den gleichen jährlichen Beitrag von 1.000 Euro, während der aimfap seinen Mitgliedern 360 Euro in Rechnung stellt. Andere Verbände, darunter BAPP, BPMA, 2fpco und PPP, staffeln ihre Beiträge nach der Größe des Mitgliedsunternehmens. „Unser Beitrag bemisst sich je nach Größe und Umsatz auf 600 bis 2.500 Euro pro Jahr”, rechnet van Veelen vor.

In jedem Fall gilt: Viele Verbandsaktivitäten, insbesondere Lobbyarbeit, kosten viel Geld, weitere Einkommensquellen über die Mitgliedsbeiträge hinaus sind deshalb hochwillkommen.

Come together

Ein probates Tool zur Finanzierung sind dabei Messen. Tatsächlich haben Events bei fast allen Organisationen einen wichtigen Stellenwert im Verbandsleben. Beim aimfap z.B. ist die in Kooperation mit dem Fyvar und der Ifema Madrid veranstaltete PMG Promogift zentral, wie Estellés-Zanón erläutert: „Nach dem Aus der Expo Reclam sahen wir die Notwendigkeit, mit einem neuen Messeprojekt fortzufahren. Unser Sektor ist sehr speziell, und es ist nicht einfach, die Rolle des Lieferanten, des Händlers und des Anwenders zu verstehen. Unsere Aufgabe bestand also darin, sicherzustellen, dass die teilnehmenden Besucher ausschließlich Händler sind, und gleichzeitig dabei zu helfen, ein Messemodell zu definieren, das auf Dauer tragfähig ist und allen Unternehmen unabhängig von ihrer Größe zugute kommt.“

„Werbeartikel sind zum Anfassen gemacht“, meint Goodman, dessen Verband zweimal jährlich in Kooperation mit Sourcing City die Merchandise World ausrichtet. „Es muss deshalb für unsere Branche unbedingt eine Möglichkeit geben, zusammenzukommen und mit den Produkten zu interagieren. Außerdem sind wir eine sehr persönliche und freundliche Branche, daher ist es sehr wichtig, eine Möglichkeit zu haben, sich zu treffen, zu vernetzen und miteinander in Kontakt zu treten.“ Für Goodman ist die Tatsache, dass der BPMA an der Messe beteiligt ist, ein entscheidender Faktor, denn auf diese Weise entstehe eine „Flagship-Messe mit Glaubwürdigkeit – im Gegensatz zu einer Veranstaltung, die ein Drittanbieter organisieren würde, und bei der die Motivation wahrscheinlich rein kommerziell wäre.“

Der BAPP organisiert seit über 20 Jahren in Eigenregie eine eigene Messe, die heute Networking Gift Show heißt und Lieferanten aus Belgien und Europa mit dem belgischen Werbeartikelhandel zusammenbringt. Die einmal jährlich im Spätsommer stattfindende Eintagesveranstaltung erfüllt für den Verband eine ganze Reihe von Funktionen, spült jedoch auch Geld in die Verbandskasse: „Die Messe erhöht die Sichtbarkeit und das Ansehen des BAPP innerhalb der Branche. Darüber hinaus stärken wir, indem wir eine eigene Messe veranstalten, das Gemeinschaftsgefühl unter unseren Mitgliedern. Zudem können wir direktes Feedback sammeln und wertvolle Einblicke in die Bedürfnisse und Trends des Marktes gewinnen. Durch die Festlegung von Standards für die Teilnahme und Präsentation fördern wir zudem Best Practices in der Branche. Natürlich dient die Messe auch als Einnahmequelle: Die erwirtschafteten Gelder können in Dienstleistungen für Mitglieder, Bildungsprogramme und Interessenvertretung reinvestiert werden, was den Wert des Verbandes für seine Mitglieder weiter steigert.”

Verband oder Veranstalter?

Beim GWW sind es gleich drei Messen, die der deutsche Verband komplett eigenständig abwickelt und finanziert: Die zweimal jährlich – einmal im Herbst und einmal im Frühjahr – stattfindende Trend sowie die als Roadshow konzipierte Newsweek, die über mehrere Monate in der ersten Jahreshälfte verteilt an diversen Standorten in Deutschland abgehalten wird. Während der Besuch der Trend ausschließlich Werbeartikelhändlern vorbehalten ist, richtet sich die Newsweek an Anwender, die von den teilnehmenden Werbeartikelhändlern eingeladen werden.

Dass der GWW alle Messen in Eigenregie organisiert, ist, so Jansen, „historisch gewachsen. Die Konstanz in der Geschäftsstelle hat zu einem umfassenden Know-how geführt, welches die Neuauflagen Jahr für Jahr gut strukturiert und mit großer Routine abwickeln lässt. Wir stehen in engem Austausch mit unseren Mitgliedern, kennen deren Wünsche und Belange, so dass wir gemeinsam sehr effizient agieren können.“

Als Gesamtverband, der 2015 die drei deutschen Einzelverbände AKW, bwg und BWL vereinte, hat der GWW Trend und Newsweek vom Händler- bzw. Lieferantenverband „geerbt“. Allerdings wurden die Formate seitdem deutlich ausgeweitet: So wurde die Frühjahrsausgabe der Trend erst 2020 etabliert – nicht wenige sahen darin einen Angriff auf die PSI-Messe.

Auch die Newsweek wurde im Laufe der Jahre ausgeweitet und wird zudem 2025 beträchtlich nach vorne verlegt, womit sie sehr nahe an etablierte Veranstaltungen wie die PSI, die HAPTICA® live sowie viele Hausmessen großer Händler rückt. Dass der GWW mit dieser geplanten Terminierung in den messereichen Monaten Februar und März anderen Veranstaltungen in die Quere kommt und für zusätzlichen Druck im Terminkalender der Aussteller sorgt, führt in der deutschen Branche zu Diskussionen.

Kritisiert wird zudem, dass der GWW die ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzt, um zum Wettbewerber einiger Mitglieder zu werden. Vor allem aber stellen sich Mitglieder die Frage, ob es Aufgabe eines Verbands ist, sich vorrangig als Messeveranstalter zu betätigen, anstatt seine Kapazitäten konzentriert für originäre Verbandsaufgaben wie Lobbyarbeit und Gattungsmarketing einzusetzen.

Schuster, bleib‘ bei deinen Leisten

Schaut man sich in der europäischen Branche um, lässt sich konstatieren, dass die meisten großen Verbände bei ihren Messen auf einen Partner setzen, an den sie deren Organisation outsourcen. „Ein Business wie unseres profitiert von einer guten Messe. Da ist es nur logisch, wenn sich ein Verband daran beteiligt. Aber man muss sie nicht selbst organisieren“, meint Van Veelen. „Das Gleiche gilt für Branchenawards. Wir wollen involviert sein, aber wir wollen auch jeden Interessenkonflikt vermeiden. Meiner Meinung nach haben wir das in den Niederlanden gut geregelt.“

Seit vielen Jahren nämlich kooperiert der PPP mit dem Medienhaus und Eventveranstalter Het Portaal, wie van Veelen weiter ausführt: „Wir haben schnell gemerkt, dass es besser ist, die Messeorganisation outzusourcen, damit wir uns auf unsere Kernaktivitäten und wichtigere Aufgaben konzentrieren können, die besser zu einem Verband passen. Wir arbeiten jedoch weiterhin eng mit Het Portaal zusammen und nehmen nach wie vor jedes Jahr mit großer Freude an Messen wie den Supplier Days teil.“

Der BPMA wiederum veranstaltet die zweimal jährlich stattfindende Merchandise World in Kooperation mit dem Branchendienstleister Sourcing City: „Wir sind ein sehr kleines Team. Wir haben nicht die Kapazitäten, um alles selbst zu organisieren, und Sourcing City hat sich hier als ein bewährter und geschätzter Partner erwiesen“, so Goodman. „Wir arbeiten sehr gut zusammen, und aus der Partnerschaft heraus entsteht ein wirklich erstklassiges Erlebnis.“

Auch Estellés-Zanón lobt die Zusammenarbeit mit der Madrider Messegesellschaft Ifema, die „immer ausgesprochen gut gewesen ist. Wir arbeiten sehr eng mit der Messedirektorin Julia Gonzáles und ihrem Team zusammen und tauschen uns eng rund um die Entwicklung der Promogift und ihre Ausweitung auf neue, verwandte Sektoren aus.”

Europaweite Kooperation

Findet die Organisation von Branchenmessen v.a. auf nationaler Ebene statt, gibt es viele Themen und Herausforderungen, denen sich die Werbeartikelbranche in ganz Europa stellen muss. In einem Markt, der durch internationale Handels- und Geschäftsbeziehungen derart vernetzt ist wie der Markt der haptischen Werbung, liegt es auf der Hand, dass auch die Einzelverbände dort, wo es geht, zusammenarbeiten.

„Die europäischen Verbände können viel voneinander lernen, z.B. durch den Erfahrungsaustausch in den Bereichen Gesetzgebung, Ausbildung und Nachhaltigkeit, durch gemeinsame Projekte zur Interessensvertretung auf europäischer Ebene und durch den Austausch von Daten und Marktstudien, um einen umfassenderen und genaueren Überblick über den Werbeartikelmarkt auf dem gesamten Kontinent zu bekommen“, meint Villéger. Van Veelen ergänzt: „Manchmal versuchen wir jeder für uns, das Rad neu zu erfinden. Das ist sehr ineffizient. Wenn wir mehr zusammenarbeiten und Erfahrungen austauschen, profitieren wir alle davon.“

Solche Gedanken waren der Anstoß dafür, dass im vergangenen Jahr ein gutes Dutzend Vertreter europäischer Verbände die Gründung einer neuen, pan-europäischen Branchenvertretung initiierte: Die EAC (European Associations Cooperation) hat sich zum Ziel gesetzt, die Zusammenarbeit in ganz Europa zu fördern, die Bemühungen der einzelnen Verbände besser zu koordinieren und auf diese Weise auch zu mehr Schlagkraft zu gelangen, etwa, was die Lobbyarbeit in Brüssel angeht.

Zu den bisher in der EAC vertretenen europäischen Ländern gehören Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Spanien und das Vereinigte Königreich. Kooperationspartner der EAC sind das PSI sowie der PPAI, die keine ordentlichen Verbandsmitglieder sind, aber die Organisation mit Ressourcen und Know-how unterstützen.

Die EAC wird ihren Hauptsitz in Brüssel haben und soll die Rechtsform einer AISBL (Association Internationale Sans But Lucratif/Internationale Non Profit Organisation) annehmen. Die offizielle Gründung soll in Kürze erfolgen. Ulrik Heidbuchel, Managing Director von Premium Partners und BAPP-Vorstandsmitglied, erläutert: „Eine AISBL lässt den Mitgliedern den größtmöglichen Spielraum und berücksichtigt die komplexen Strukturen der Einzelverbände.“

Die EAC soll einen Vorstand, ein operatives Team und einen Aufsichtsrat bekommen. Das Amt des Vorsitzenden übernimmt Steven Baumgaertner, Geschäftsführer von cyber-Wear. „Die EAC wird als europäischer Dachverband mit Sitz in Brüssel rechtlich legitimiert“, erläutert Baumgaertner. „Hierzu haben sich alle beteiligten Länder bzw. Verbände einstimmig und schriftlich verpflichtet. Über einzelne Taskforces, bei denen jeweils ein Mitgliedsland im Lead ist, wollen wir es schaffen, die Kernthemen unserer Zusammenarbeit voranzutreiben. Indem wir fokussiert vorgehen und nicht alle an allen wichtigen Kernthemen arbeiten, erhoffen wir uns eine entsprechende Schlagzahl.“

Taskforces

Zu den Themen, denen sich die Taskforces widmen werden, gehört die internationale Lobbyarbeit, für die der BAPP den Lead übernommen hat. „Belgien ist hier sehr aktiv, und Lobbyarbeit wird nun mal in Brüssel gemacht, deshalb lag es auf der Hand, dass wir die Taskforce Lobbyarbeit übernehmen“, so Heidbuchel. „Dabei werden wir eng mit dem PSI zusammenarbeiten. Es hat keinen Sinn, separat zu agieren.“

Weitere Handlungsfelder sind z.B. Nachhaltigkeit, Ausbildung und Digitalisierung, wie Baumgaertner ausführt: „Im Bereich Nachhaltigkeit haben wir mit Kjell Harbom einen ‚alten Hasen‘ und echten Experten im Lead. Im Bereich Compliance wollen wir eng mit dem PSI kooperieren und gemeinsam Synergien heben, auch zu einer Zusammenarbeit rund um die PSI Sustainability Awards gibt es Pläne. Über die Förderung des Nachwuchses wollen wir die Branche zukunftsfähig halten und jungen Menschen die Branche näherbringen. Im Bereich Digitalisierung arbeiten wir intensiv daran, für die EAC-Mitglieder eine gemeinsame Plattform zu entwickeln, auf der wir alle relevanten Infos zentral steuern und verwalten können.“

Aufseiten der an der Gründung beteiligten Verbände gibt man sich zuversichtlich und engagiert. „Die Möglichkeit, Erfahrungen mit unseren europäischen Partnern auszutauschen und aus erster Hand zu erfahren, welche Herausforderungen die einzelnen Länder haben und wie sie diese bewältigen, ist äußerst wertvoll“, so Goodman, und Van Veelen stimmt zu: „Wir sind starke Befürworter der EAC und gehören, um es bescheiden anzumerken, zu den Pionieren der Idee. Indem wir auf europäischer Ebene Lobbyarbeit betreiben und wichtige Themen gemeinsam angehen, können wir Ressourcen sparen und der Branche international zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Die Herausforderung besteht jetzt darin, durchzuhalten und sicherzustellen, dass alle an einem Strang ziehen. Das wird aber funktionieren, wenn wir uns auf das gemeinsame Ziel konzentrieren, den Sektor voranzubringen – davon bin ich fest überzeugt.“

Dezentrale Struktur

In ihrer dezentralen Struktur unterscheidet sich die EAC in einem entscheidenden Punkt von ihrem Vorgänger: Mit dem eppa (european promotional products association) gab es viele Jahre lang einen europäischen Dachverband, der jedoch schließlich nicht mehr handlungsfähig war. „Zuletzt saßen nicht nur Verbände, sondern auch einzelne Lieferanten – das sogenannte Steering Committee – beim eppa am Tisch, was zu einem Interessenskonflikt geführt hat“, so Heidbuchel. „Jetzt hingegen sind nur die Repräsentanten von Verbänden an Bord, die alle auf einer Linie sind. Darüber hinaus soll die EAC über die nationalen Verbände finanziert werden, und was ebenfalls sehr wichtig ist, die Taskforces wurden innerhalb der Einzelverbände gebildet, dort wird die eigentliche Arbeit gemacht. Anders als zu Zeiten des eppa, als viel Geld an den Dachverband geflossen ist, der dann alle Projekte in Eigenregie durchführte, gibt es nun ein dezentrales Modell, in dem der EAC selbst eine koordinierende und unterstützende Rolle einnimmt.“

„Der EAC ist ein reiner Dachverband der Verbände und wird nicht von wirtschaftlichen Einzelinteressen beeinflusst, wie es beim eppa der Fall war und schlussendlich zur Auflösung desselben führte“, ergänzt Jansen, für den gleichermaßen feststeht: „Die europäische Werbemittelindustrie braucht einen europäischen Dachverband, um die regulatorischen Eingriffe der EU in das Wirtschaftsleben frühzeitig zu erkennen und nach Möglichkeit auch noch zu beeinflussen. Unsere Industrie ist bei vielen Themen zwar selten gemeint, aber häufig betroffen!“

Engagement und Integrität

Natürlich wird auch der EAC vor der Aufgabe stehen, viele unterschiedliche Auffassungen und Erwartungshaltungen zu vereinen. „Es wird eine große Herausforderung sein, die unterschiedlichen Interessen der Mitglieder aus verschiedenen Ländern und Geschäftsmodellen in Einklang zu bringen. Außerdem kann es schwierig sein, sich in den komplexen und unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen der europäischen Länder zurechtzufinden“, so Anthonissen und Claeys. „Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass der EAC über die notwendigen Ressourcen verfügt, um seine Mitglieder wirksam zu unterstützen und ihre Interessen zu vertreten.“

Ein endgültiges Modell, wie der EAC und die Aktivitäten der einzelnen Taskforces finanziert werden sollen, steht laut Baumgaertner noch aus: „Im ersten Schritt zahlt jedes Mitgliedsland eine geringe monatliche Fee i.H.v. 200 Euro, um die Kosten für Gründung etc. abzudecken. Sobald wir herausgefiltert haben, welche tatsächlichen Kosten für eine gute solide Lobbyarbeit anfallen, werden wir eruieren, wie wir diese Kosten entsprechend covern können.“

Eine solide Finanzierung wird entscheidend für den Erfolg der EAC sein. Mindestens genauso wichtig jedoch ist das Engagement seiner Mitglieder – und zwar auf Vorstands- wie auf Mitgliedsebene. Darin unterscheidet sich die europäische Kooperation in keiner Weise von ihren Mitgliedsverbänden. „Die Herausforderung für alle Verbände“, wie Goodman anmerkt, „besteht darin, eine Relevanz zu erlangen und auch aufrechtzuerhalten, damit die Mitglieder einen Wert in ihrer Mitgliedschaft sehen.“ Dabei spielt auch die Integrität der Vorstände und Geschäftsführer eine wichtige Rolle. In letzter Instanz sind jedoch die Mitglieder aufgerufen, aktiv mitzuwirken – und sich nicht etwa desinteressiert abzuwenden, wenn sie von ihrem Verband enttäuscht sind. Denn eine solche Gleichgültigkeit ist für die Branche geradezu gefährlich.

// Till Barth/Peter van Gestel