Mit der Erfindung der Exklusivformen für Brauereien gelang Rastal die ideale optische und haptische Umsetzung von Marken in Glas. Eine von vielen Innovationen, die dem Unternehmen aus dem Westerwald zu Weltruf verhalfen. Vor genau 100 Jahren wurde Rastal gegründet – ein willkommener Anlass, den Experten für Glasveredelung über die Schulter zu schauen.
Smartprint® nennt sich der neueste Clou aus Höhr-Grenzhausen, dem Firmensitz von Rastal. Mithilfe der ausgeklügelten Drucktechnik ist es erstmals möglich, ein Trinkglas mit NFC-Technologie zu verbinden – und das abgestimmt auf die hohen Gebrauchs- und Reinigungsanforderungen in der Gastronomie. Wie der Name schon sagt, erlaubt NFC – Near Field Communication – Datenaustausch auf kurze Distanz. So schafft das smarte Glas eine Vernetzung von Konsument, Gastronomie und Getränkeindustrie und eröffnet unzählige (werbliche) Kommunikationsmöglichkeiten – von Gewinnspiel-, Sammel- und Spendenaktionen über kontrollierte Selbstbedienungs- und bargeldlose Bezahllösungen bis hin zur digitalen Pfandführung für Mehrwegsysteme sind der Anwendung keine Grenzen gesetzt. „Smartprint® hebt exklusive Markengläser auf das technologische Niveau der Zukunft“, so das Urteil der Fachjury, die das Verfahren mit einem Promotional Gift Award 2019 auszeichnete – einen von 200 Designpreisen, die Rastal in seiner 100-jährigen Firmengeschichte erringen konnte.
Die Anfänge
Bereits im Jahr 1919 bewies Eugen Sahm Weitsicht, als er den Betrieb für die Veredelung von Gläsern und Krügen mit Zinnmontur, die Sahm-Merkelbach GmbH, in Höhr-Grenzhausen gründete. Das kleine Städtchen im Westerwald liegt im Südwesten des Kannenbäckerlands – eine Region mit den größten Tonvorkommen Europas, in der seit der frühen Neuzeit Westerwälder Steinzeug hergestellt wird. Noch heute sind diverse Institute für Forschung und Lehre in den Werkstoffbereichen Keramik und Glas in Höhr-Grenzhausen angesiedelt, darunter die Fachhochschule Keramik Höhr-Grenzhausen, der WesterWaldCampus der Hochschule Koblenz sowie ein in Zusammenarbeit mehrerer Zentren für keramische Technologien entstandenes Bildungs- und Forschungszentrum Keramik (BFZK). So konnten Eugen Sahm und spätere Generationen des Familienunternehmens bei der Verarbeitung von Biergläsern, Bechern und Krügen auf das gesammelte Fachwissen aus Jahrhunderten zurückgreifen.
„Gläser machen Bier“
Zum jahrhundertealten Know-how über die Herstellung und Weiterverarbeitung von Keramik gesellt sich bei Rastal die jahrzehntelange Erfahrung im Bereich Glasveredelung und die Zusammenarbeit mit Brauereien und Gastronomiebetrieben. So wusste der Spezialist schon Anfang der 1960er Jahre genau, was Biermarken, Gastronomiebranche und Co. wollen – und wie man es am besten umsetzt. Das beweist nicht zuletzt ein Meilenstein der Firmengeschichte, der die Geschicke der Höhr-Grenzhausener nachhaltig beeinflusst: die Erfindung des Exklusivglases. Unter dem Motto „Kleider machen Leute. Gläser machen Bier“ entstand 1964 das erste markenexklusive Glas – der Bitburger-Pokal. Seine konische Form mit facettiertem, sechskantigem Stiel ist unverwechselbar und verkörpert Bitburger Pilsener bis heute. Andere große Biermarken wie Warsteiner, Veltins, Erdinger und Krombacher zogen nach, um zusätzlich zum Geschmack auch in der Form auf einen hohen Wiedererkennungswert setzen zu können und sich so von der Konkurrenz abzuheben. Auf die Brauereien folgten Brennereien, Mineralwassermarken und Anbieter von Softdrinks. „Heute gelten wir im Bereich Exklusivglas als Marktführer“, so Raymond Sahm-Rastal. Der Sohn von Günter Sahm ist geschäftsführender Gesellschafter und leitet das Unternehmen in der dritten Generation seit 1992. „Allein in den letzten zehn Jahren haben wir mehr als 100 Konzepte für Getränkemarken weltweit umgesetzt.“
Eine Auswahl der ikonischen Designs ist im Keramikmuseum in Höhr-Grenzhausen versammelt, das zum 100-jährigen Firmenjubiläum mit einer Sonderausstellung aufwartet. Besucher können Exponate aus der Unternehmensgeschichte bestaunen: von Brauereireklame der Sahm-Merkelbach GmbH über Jubiläumskrüge und Designklassiker aus Glas und Keramik der 1960er und 1970er Jahre bis hin zu fantasievollen Kreationen aus den 1990er Jahren wie einer gläsernen Rakete zum Jahreswechsel 1999. Ein Zeitstrahl zeigt zudem die Highlights der Familien- und Firmengeschichte. Auf einer langen Tafel sind darüber hinaus unterschiedliche Exklusivgläser angeordnet. Ob der kleine Kelch mit langgezogenem Stiel von Linie Aquavit, das grünlich schimmernde Bacardi-Glas mit eingeprägtem Fledermauslogo oder das Modell von Lipton Ice Tea mit angedeuteten Eiswürfeln im Fuß – auch ohne umgesetzten Markennamen ließen sich die Gläser auf einen Blick zuordnen.
An einer langen Wand finden sich zudem alle seit 1978 von Rastal realisierten Oktoberfest-Sammelkrüge. Die jährlich von der Stadt München offiziell präsentierten Krüge sind längst zum Kultobjekt avanciert; die Herstellung erfolgt heute noch genauso wie vor 40 Jahren: Der Krug-Rohling wird per Hand mit einem Henkel, einem jährlich neu designten Dekor, einem farblich passenden Dekorband sowie einem individuellen Zinndeckel versehen. An den nebeneinander ausgestellten Exklusivgläsern und Sammelkrügen lässt sich ablesen, dass Rastal moderne maschinelle und traditionelle manuelle Produktionsschritte unter einem Dach vereint – und dabei eine unheimliche Vielfalt in der Formensprache berücksichtigt.
Gewusst wie
„Allein bei der Schablonenherstellung ist erkennbar, wie unterschiedlich die Vorlagen in der Veredelung sind. Um z.B. ein Glas mit Henkel zu bedrucken, benötigt der Rahmen eine Aussparung. Bei bauchigen Gläsern wiederum, die rundum randlos individualisiert werden sollen, muss der Rahmen flexibel sein“, gibt Rastal-Produktionsleiter Nedim Asan zu bedenken. Vom ausgefallenen Craft Beer-Glas über filigrane Sektkelche bis hin zum trendigen Thermobecher findet sich jedes erdenkliche Trinkgefäß in den Produktionshallen von Rastal. Bis zu 2,5 Mio. Gläser fasst allein das Produktionslager für die maschinelle Fertigung. Hier wird an diversen Stationen die Veredelung im Siebdruckverfahren vorgenommen – üblicherweise unter Verwendung keramischer Farben, die anschließend in einem der vier 30 m langen Öfen bei einer Temperatur von ca. 600 °C in das Glas eingebrannt werden.
Zu den insgesamt acht maschinellen Druckstationen gesellt sich die manuelle Fertigung für Kleinmengen per Siebdruck sowie traditionelle Veredelungstechniken wie die individuelle Gestaltung von Bierkrügen mittels Abziehbild oder das Rändern der Gläser mit Goldfarbe. Auch gefrostete Effekte werden per Hand mithilfe einer Airbrushtechnik erzielt. Bis zu 250.000 aufwendig automatisch oder in Handarbeit individuell gestaltete Gläser verlassen täglich das Stammwerk. Das jährliche Produktionsvolumen der internationalen Firmengruppe, die neben Höhr-Grenzhausen und Chur im italienischen Castell San Giovanni, dem polnischen Gleiwitz und dem rumänischen Sibiu vertreten ist, liegt bei ca. 120 Mio. Gläsern. Global ist das Unternehmen mit 36 Kooperationspartnern vernetzt und arbeitet mit 30 Glashütten zusammen. Rund 350 Mitarbeiter sind bei Rastal beschäftigt.
Glas der Zukunft
Trotz der internationalen Aufstellung mit einem Exportgeschäft in über 90 Länder stammen die Designs der gläsernen und keramischen Markenbotschafter nach wie vor aus Höhr-Grenzhausen. Im markanten Firmengebäude ist das Know-how zu Hause; hier entstehen in Zusammenarbeit mit werbenden Unternehmen exklusive Formen, individuelle Motive und neue Konzepte. So manche Technik, die inzwischen in Glas gebannt buchstäblich an aller Munde ist, hat hier ihren Ursprung – darunter z.B. die Reliefprägung von Logos und Schriftzügen. Mithilfe ausgeklügelter Veredelungen auf Gläsern und Tassen macht Rastal Marken so seit Jahrzehnten greifbar und ermöglicht die dauerhafte Präsenz im Alltag der Zielgruppe. Dabei beweist der Spezialist ein Gespür für Trends und zukunftsgerichtete Technologien.
„Frei nach dem Motto ‚Form follows function‘ haben wir u.a. mit den Modellen Teku und Craft Master One Gläser entworfen, die perfekt auf die Verkostung von Craft Beer abgestimmt sind. Was früher nur für Wein und Spirituosen galt, charakterisiert heute auch den modernen Biergenuss – das Glas muss die sensorische Vielfalt des Getränks optimal widergeben“, weiß Sabine Sahm-Rastal. Damit die gewünschte Sensorik erreicht wird, stehen bei der Entwicklung Experten wie der Aromenhersteller Döhler mit Rat und Tat zur Seite. „Bei unserer neuesten Errungenschaft, Smartprint®, haben wir uns u.a. an den RFID- und NFC-Experten smart-TEC gewendet. Für das Thema Datensicherheit ist die Telekom zuständig, für werbliche Inhalte die Agentur Saatchi & Saatchi. So sind wir auf allen Ebenen gut aufgestellt“, betont Raymond Sahm-Rastal.
Wie vielfältig die Anwendungsmöglichkeiten der modernen NFC-Technologie sind, zeigt z.B. die in Kooperation mit der Hochschule Karlsruhe entstandene IoT-Cocktailmaschine (IoT = Internet of Things), die zusammen mit dem smarten Glas vollautomatisch in wenigen Sekunden einen Drink mischt. Die Maschine liest den im Glas integrierten NFC-Chip inklusive der Informationen zum gewünschten Cocktail aus und bereitet das Getränk zu – ein echter Hingucker in Clubs, auf Festivals oder beim Firmenevent. Wird das per Smartprint® veredelte Glas wiederum mit einem smarten Untersetzer kombiniert, lässt sich u.a. mithilfe der integrierten Waage direkt übermitteln, wenn der Drink zur Neige geht, und es kann umgehend nachgeschenkt werden. „Für die Gastronomie und Getränkehersteller ergeben sich unzählige Vorteile – logistisch und in der Marktforschung. Im Lebensmitteleinzelhandel gibt es bereits Tools, um verlässliche Verbraucherdaten zu sammeln, unser Smartglass® bietet das gleiche für Brauereien, Barbesitzer und Veranstalter“, merkt Raymond Sahm-Rastal an.
So verbindet das im Jahr 2016 als „Marke des Jahrhunderts“ ausgezeichnete Unternehmen unter dem hexagonalen Dach seines Firmengebäudes traditionelles Handwerk mit Kommunikationstechniken der Zukunft – ein gelungenes Zusammenspiel, das Rastal auch für die kommenden 100 Jahre gut positioniert.
// Claudia Pfeifer
Fotos: Sabine Klüser (1), Claudia Pfeifer (3), © WA Media GmbH; Rastal (4)
Meilensteine aus 100 Jahre Firmengeschichte
• 1919 gründet Eugen Sahm in Höhr-Grenzhausen die Sahm-Merkelbach GmbH. | • 1971 wird das Tochterunternehmen Rastal Sahm & Co. im schweizerischen Chur gegründet. | • 1995 erfolgt der Einstieg in das Werbeartikelgeschäft mit der Gründung von Rastal Werbeartikelservices. |
• 1930 beginnt die Glasveredelung im Höhr-Grenzausener Betrieb. | • 1973 wird das neue, hexagonale Firmengebäude eingeweiht. | • 2003 wird die Produktionslinie neu strukturiert. |
• 1951 entsteht das erste große, moderne Werksgebäude. | • 1984 kommen erstmals vollautomatische Mehrfarb-Dekorationen zum Einsatz. | • 2009 kommt der erste siebenfarbige UV-Vollautomat zum Einsatz. |
• 1952 verstirbt Eugen Sahm; seine Söhne Günter und Werner Sahm übernehmen den Betrieb | • 1991 ermöglicht das „Deko Center 2000“ die vollautomatische, computergesteuerte Fertigung. | • 2015 Raymond und sein Sohn Maximilian Sahm-Rastal werden alleinige Inhaber. |
• 1959 werden erste Druckautomaten eingesetzt. Aus Rastertechnik und Kristall wird das Kunstwort Rastal geschaffen – ab jetzt der neue Firmenname. | • 1992 übernimmt mit Raymond und Stefan Sahm-Rastal die dritte Generation die Unternehmensführung. | • 2016 Rastal wird als Marke des Jahrhunderts ausgezeichnet. |
• 1964 kreiert Rastal das erste Markenexklusivglas – den Bitburger-Pokal. | • 1994 wird Rastal erstmals nach der Qualitätsmanagementnorm ISO 9001 zertifiziert. | • 2019 Rastal erhält den 200. Designpreis in 100 Jahren Firmengeschichte. |