Hinter der Werbeartikelbranche liegt ein Jahr, das viele gern vergessen würden, aber niemand wohl jemals vergessen wird. Corona hat den Markt kalt erwischt und eine florierende Branche aus der Bahn geworfen. Nach dem Schock im Frühjahr folgten Monate der Anpassung an ein „New Normal“. Wo steht die Branche am Ende des Corona-Jahres, inmitten der zweiten Welle?

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Wenn Medien am Ende eines Jahres eine Retrospektive planen, stehen sie vor der Aufgabe, besonders prägnante Ereignisse zu finden, die die zurückliegenden zwölf Monate charakterisiert haben. Nicht immer gelingt es, ein Jahr auf Schlagworte zu reduzieren – und nur selten steht ein Wort so unzweifelhaft über allem wie 2020, das als Corona-Jahr in die Geschichte eingehen wird. Das Coronavirus hat die internationale Werbeartikelbranche mit ungekannter Wucht getroffen und in eine bislang beispiellose Ausnahmesituation gestürzt. Dabei hatte 2020 vielversprechend begonnen – die Branchenevents Anfang des Jahres waren von Optimismus geprägt, viele Unternehmen berichteten von einem guten Jahresstart und erwarteten für die kommenden Monate eine stabile bis vielversprechende Geschäftsentwicklung. „Wir waren, wie man so schön sagt, komplett im Flow“ (Jörg Herzog, Zogi). Laut dem im Auftrag des Gesamtverbands der Werbeartikel- Wirtschaft e.V. (GWW) durchgeführten Werbeartikel-Monitor 2020 hatte die deutsche Werbeartikelbranche 2019 mit 3,65 Mrd. Euro Umsatz erneut ein Rekordergebnis erzielt und erstmals die 3,6 Mrd. Euro-Grenze überschritten.

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Die Welle der Solidarität mit den Helden der Pandemie erreichte auch die Werbeartikelbranche, und es entstanden zahlreiche Ideen, um „Danke“ zu sagen.

Den Ausbruch von Sars-CoV-2 hielten viele für ein asiatisches Problem und sorgten sich allenfalls ums Importgeschäft – um dann binnen weniger Wochen eines Besseren belehrt zu werden: Bereits Anfang April sprachen dieselben Akteure von den schwierigsten Zeiten, die sie je erlebt haben, von einer Krise, die 2008/2009 weit in den Schatten stellt. „Plötzlich schien die Wirtschaft keine Zukunftsvision mehr zu haben“ (Luca Bortoletto, Maikii). „Wir hatten Anfang März auf der Newsweek in Dortmund noch mit Kunden Witze gemacht und ihnen anschließend Corona-Bier geschickt. Dann mussten wir plötzlich auf Homeoffice und Kurzarbeit umstellen“ (Ulrike Halboth, Call a Gift).

Mit den ersten Lockdowns in mehreren Ländern ging die Wirtschaft im Rekordtempo in die Knie, die Folgen für die Werbeartikelbranche waren in ganz Europa unmittelbar und drastisch spürbar: „Die Pandemie hatte eine unmittelbare und massive Auswirkung auf uns und viele andere in der Werbeartikelbranche. 80% unserer Umsätze sind von heute auf morgen verschwunden“ (Duncan Gilmour, Screenworks). „Wir sind von einem Umsatzplus von 50% im ersten Quartal auf minus 70% im zweiten Quartal geschlittert“ (Andre Noordwijk, BeGlobal). „Während des ersten Lockdowns im März und April 2020 ging unser allgemeines Business um 90% zurück“ (Miles Lovegrove, Fluid Branding). „Aktuell ist die Rede von Umsatzrückgängen zwischen 50 und 60%. In manchen Unternehmen haben sich echte persönliche Dramen abgespielt“ (Cristina González, Clipy). Laut einer Umfrage des GWW zur aktuellen Lage in der Corona-Krise lag der durchschnittliche Umsatzrückgang im März 2020 bei allen Akteuren des Werbeartikelmarktes bei 53% – diese Zahl ist umso aussagekräftiger, als die Folgen der Pandemie erst Mitte des Monats voll durchschlugen. Für das zweite Quartal gaben die Befragten einer Folgestudie einen durchschnittlichen Rückgang von 56% an. 55% hatten zu diesem Zeitpunkt Kurzarbeit beantragt, 56% Soforthilfen des Bundes und der Länder und 10% KfW-Schnellkredite zur Liquiditätssicherung in Anspruch genommen.

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Nachdem die HAPTICA® live zweimal verschoben werden musste, konnte die „Erlebniswelt Haptische Werbung“ im September – dank eines stringenten Hygiene- und Sicherheitskonzepts – endlich stattfinden und zu etwas Belebung im Business beitragen.

Masken en Masse

Nach dem ersten Schock und einer Phase der Reorganisation – Arbeitsabläufe mussten neu gedacht, Infektionsschutzmaßnahmen getroffen, Teams aufgeteilt, digitale Strukturen für Homeoffice und Remote-Working geschaffen werden – reagierte die Branche wie so häufig schnell, flexibel und kreativ. Mit Infektionsschutzprodukten entstand ein ganz neuer Geschäftszweig, und etliche Branchenplayer stiegen in die Beschaffung von Masken, Visieren, Desinfektionsprodukten oder sonstigen Hygieneartikeln ein. „Die Werbeartikelbranche hat einmal mehr ihre Agilität unter Beweis gestellt – so schnell, wie einige Anbieter angesichts der plötzlich notwendigen Sicherheitskonzepte entsprechende Produkte entwickelt haben“ (Ralf Oster, PF Concept). Es fand eine Verschiebung statt – weg von traditionellen Werbeartikeln, deren Nachfrage massiv eingebrochen war, hin zu persönlicher medizinischer Schutzausrüstung. „Ein ganzes Sammelsurium von neuen Produkten für unsere Branche ist entstanden, von denen wir vor einem Jahr nicht geglaubt hätten, dass wir sie verkaufen würden“ (Klaus Ritzer, Verticas). Laut einer Studie des britischen Branchendienstleisters Sourcing City ist die Zahl der über das Sourcing-Portal angebotenen Schutz- und Hygieneprodukte seit März 2020 um 252% gestiegen, gleichzeitig generierten diese Produkte 16% der Anfragen in den vergangenen sieben Monaten, während die Nachfrage nach „normalen“ Produkten bislang nur 35% des Vorjahresniveaus erreichte.

Im Zuge der zweiten Welle rangieren Corona-Produkte weiterhin unter den Bestsellern. „Seit dem neuen Lockdown steigt die Nachfrage massiv an, insbesondere da die Kunden dazugelernt haben und auf vollzertifizierte Produkte zurückgreifen möchten“ (Joachim Schäfer, Schäfer Unternehmensgruppe). Nicht jeder hatte bei der Beschaffung der neuen Produktgruppen ein glückliches Händchen, manche verhoben sich, indem sie mangelhafte, falsch deklarierte Masken importierten. „Es gab wahre Horrorgeschichten von Produkten, die aufgrund von schlechter Qualität oder fehlender Konformität am Zoll abgelehnt oder einbehalten, die an andere Kunden weitergeleitet oder die sogar gestohlen wurden“ (Miles Lovegrove, Fluid Branding). Auch Kennzeichnungspflicht und Verkehrsfähigkeit wurden nicht immer ernst genommen. „Bis heute gibt es zahlreiche, teils enorm unseriöse Angebote im Markt – teilweise auch von etablierten Playern“ (Stefan Fleischmann, Sanders Imagetools). Andere schätzten die Nachfrage nach Einmalmasken oder Viruziden falsch ein, orderten in der Hoffnung aufs große Geschäft viel zu große Mengen zu überhöhten Preisen und machten im Zuge sich stabilisierender Lieferketten ein dickes Minusgeschäft.

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Erst kam die Pflicht, dann die Kür: Der individualisierte Mund-Nasen-Schutz ist das Produkt des Jahres.
Kreativ gegen die Krise

Als nachhaltiger – auch im ökologischen Sinne – erwiesen sich die Bestrebungen, Schutzprodukte selbst herzustellen oder sie in individualisierbarer Form anzubieten und mithin den Kreis in Richtung haptischer Werbung zu schließen. „Diese Produkte helfen uns definitiv durch die Krise und darüber hinaus, denn antivirale Artikel werden auch nach Abklingen der Pandemie ein Thema bleiben“ (Duncan Gilmour, Screenworks). Auf diese Weise brachte das Jahr 2020 eine Vielzahl neuer Trendprodukte hervor: Gebrandete Masken in ungezählten Ausführungen sind ohne Zweifel das Produkt des Jahres, dicht gefolgt von Artikeln wie Desinfektionsspendern und -sprays, Trennscheiben, Produkten mit antibakterieller Oberfläche, Türöffnern, Maskenhaltern oder Seife. Im Fahrwasser der Pandemie fuhren außerdem smarte Homeoffice-Kits oder Ideen für Motivation und Teambuilding bei der Telearbeit. „Seinen Mitarbeitern Wertschätzung auszudrücken, um so langfristig für Verbundenheit zu sorgen, ist bedeutender denn je“ (Nils Fior, Vonmählen). Außerdem hoch im Kurs: Tools für Videokonferenzen oder mailingfähige Artikel, ebenso wie DIY-Produkte, Sportaccessoires oder gesunde Lebensmittel zum Fitbleiben im Lockdown sowie Campingartikel für den reisebeschränkten Corona-Sommer.

Mit den neuen Produktideen einher gingen kreative Kampagnen, in deren Zentrum haptische Werbung stand – als Versuch, in Zeiten weitreichender Kontaktbeschränkungen und Kommunikationsschwierigkeiten sichtbar zu bleiben und Touchpoints herzustellen. „Gerade in einer Zeit des Social Distancing erleben wir die Sehnsucht nach physischem Kontakt, nach haptischem Erleben“ (Kathrin Haupt-Schneider, VÖW, The Five Elements). Auch die Welle der Solidarität mit den Helden der Corona-Krise, die im Gesundheitswesen und bei der Grundversorgung an vorderster Front standen, erreichte die Werbeartikelbranche, und viele Unternehmen entwickelten nicht nur passende Produkte und Konzepte, um „Danke“ zu sagen, sondern initiierten auch selbst aktiv Awareness- und Hilfsaktionen.

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Zahlreiche Kampagnen mit haptischer Werbung sorgten 2020 für Awareness rund um die Themen, die die Corona-Krise aufwarf – und verhalfen den Beteiligten gleichzeitig
zu mehr Sichtbarkeit im Lockdown.

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Während Fluggesellschaften und Tourismusunternehmen schwer unter der Krise zu leiden hatten, erlebte die Camping- und Outdoorbranche angesichts weitreichender Reisebeschränkungen einen Boom.

Eklatantes Umsatzminus

Mit solchen Strategien und Ideen gelang es, gewisse Umsatzeinbrüche aus dem Frühjahr abzufedern. Nach dem ersten Schock zog der Markt im Sommer wieder leicht an, die Entspannung der Pandemiesituation brachte auch wieder Bewegung ins Geschäft. „Seit Juli war ein stetiger Aufwärtstrend zu spüren“ (Ralf Richter, Klio-Eterna). „Im Oktober kam dann der bereits erwartete Boom mit extrem gutem Auftragseingang” (Thomas Derhaschnig, Nowak Werbeartikel). Zudem kamen einige wenige Länder – wie z.B. Schweden, wo kein Lockdown verhängt wurde – wirtschaftlich bislang besser durch die Krise. „Ich denke, dass dies eine kluge Entscheidung war, die dazu beigetragen hat, dass die Wirtschaft sich erholen und schneller zur Normalität zurückkehren konnte“ (Thomas Davidsson, Wackes).

Insgesamt jedoch verzeichnen viele europäische Werbeartikelunternehmen am Ende des Jahres ein eklatantes Umsatzminus. Verbände und einzelne Unternehmen aus ganz Europa vermelden Rückgänge im mittleren zweistelligen Bereich. „Ich rechne damit, dass unser Umsatz in diesem Jahr um 40 bis 50% im Vergleich zum Vorjahr sinken wird “ (Marcin Pawłowski, badge4u). Im Rahmen der dritten vom GWW durchgeführten Umfrage zur Corona-Situation gaben 40% der Mitwirkenden an, den Umfang der Kurzarbeit unverändert fortführen zu wollen, für 37% war noch nicht abzusehen, wann sie die Kurzarbeit beenden. Adäquat dazu lag der Umsatzrückgang im dritten Quartal 2020 bei 36%. „Das klassische Werbeartikelgeschäft dürfte in der gesamten Branche stark unter Druck stehen, deutlich zweistellige Umsatzrückgänge sind an der Tagesordnung“ (Daniel Jeschonowski, Senator).

 

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Artikel mit antibakterieller Beschichtung, Türöffner, Desinfektion per Viruzid oder Infrarot: Um die Pandemiebekämpfung herum entstand ein ganz neuer Markt.

Der Export, der für viele Werbeartikler einen großen Prozentsatz des Umsatzes generiert, kam teilweise quasi zum Erliegen – weil Beschränkungen zwischenzeitlich den Warenverkehr erschwerten, aber v.a., weil die Nachfrage in vielen Exportmärkten stark einbrach. „Für viele Länder gilt, dass der Export momentan so gut wie tot ist” (Jeschonowski). Sektoren wie die Reise-, Luftfahrt- und Gastronomiebranche – alles traditionell große Abnehmer gegenständlicher Werbung – stehen nach wie vor knietief in der Rezession. Besonders hart und langfristig hat die Krise aufgrund andauernder Verbote und Beschränkungen den Eventsektor erwischt. „Corona trifft ohne Zweifel die Eventbranche am härtesten und damit auch die entsprechenden Anwendungsbereiche für Werbeartikel“ (Thibaut Fontaine, mcs Kick&Rush). „All unsere Kunden haben Events, Messen und Veranstaltungen sowie den direkten Kundenkontakt auf ein Minimum heruntergefahren – und damit letztendlich auch den Einsatz haptischer Werbung in diesem Bereich“ (Stephen Baumgärtner, cyber-Wear).

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Auch über Hygiene und Prävention hinaus brachte Corona eine Vielzahl passender Produkte hervor – etwa Gadgets für mehr Komfort oder Kinderbeschäftigung im Homeoffice.

Kontaktarmut

Die massenhafte Absage von großen Publikumsevents auf der einen und Branchenmessen auf der anderen Seite traf die Branche doppelt, verlor sie doch von hier auf jetzt einen ihrer wichtigsten Absatzmärkte und gleichzeitig ein elementares Vertriebs- und Marketingtool. „Unsere Auftragseingänge sind deutlich zurückgegangen, insbesondere infolge der Absage von Messen und Veranstaltungen“ (Oster). „Persönliche Begegnungen und Veranstaltungen sind für die Branche von existenzieller Bedeutung. Der Mensch ist und bleibt trotz Corona ein haptisches und emotionales Wesen“ (Michael Mätzener, diewerbeartikel gmbh). Als Hoffnungsschimmer erwies sich da, dass im Spätsommer und Frühherbst dank gesetzlicher Lockerungen und stringenter Hygienemaßnahmen in mehreren europäischen Ländern doch noch Branchenmessen stattfinden konnten. Veranstaltungen wie die Premium Sourcing in Frankreich, die Leveranciersdagen in den Niederlanden, die HAPTICA® live, die GWW-Trend und die WerbeWiesn in Deutschland oder die marke|ding| in der Schweiz und Österreich brachten Belebung ins Business und lieferten dringend benötigte Impulse.

Auch mehrere einzelne Werbeartikelagenturen traten mit Hausmessen unter Corona-Bedingungen den Beweis an, dass Live-Events auch mit Abstand und Maske funktionieren. „Unsere Werbeartikelmesse war ein voller Erfolg – mit unserem Konzept lagen wir goldrichtig“ (Dieter Probst, dk promotion). „Es war uns sehr wichtig, an unserer eigenen Hausmesse Anfang September 2020 festzuhalten und unseren Kunden neben tollen Produkten auch zu zeigen, dass Messen in Zeiten von Corona möglich sind und einen Mehrwert haben“ (Mirco Häßlich, WER). Unter den Besuchern und Ausstellern war die Freude am Wiedersehen spürbar – aber nur von kurzer Dauer: Mit der zweiten Corona-Welle und den damit verbundenen Einschränkungen ist die Messesaison im Frühjahr 2021 erneut von Unsicherheit und Chaos geprägt. PSI-Messe und Merchandise World verschoben, CTCO abgesagt, zahlreiche weitere Veranstaltungen auf dem Prüfstand – nichts ist mehr planbar, für die Messeveranstalter selbst, aber auch für ihre Zielgruppen: Der Zyklus aus Neuheitenpräsentation und Orderfenster ist empfindlich gestört, die Budgetplanung durcheinandergeworfen. Marketeers leiden unter Innovationsmangel, Lieferanten und Händler haptischer Werbung sind gezwungen, altbewährte Wege zu verlassen.

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Ob für Krankenhäuser, Hilfsorganisationen oder die ortsansässige Tafel: Zahlreiche Verbände oder Einzelunternehmen zeigten im Zuge der Pandemie Haltung und Solidarität und spendeten dringend benötigte Hilfsgüter.

„Viele, viele Zoom-Meetings“

Kommunikation, Vertrieb und Marketing werden in dieser aktuellen Situation ins Digitale verlagert. Anstelle von Messen und Außendienstbesuchen, für die Hunderte von Kilometern zurückgelegt werden, treten Newsletter, Webinare oder Zoom-Calls, bequem vom heimischen Schreibtisch aus. „Das mobile Arbeiten ist für uns und die allermeisten unserer Kunden Normalität geworden“ (Peter Beichel, ipm-Gruppe). „Der Lockdown hat für viele Händler den Blick auf das Thema Digitalisierung gewandelt“ (Fior). Internationale Sales-Meetings, Konferenzen, Jurierungen und Preisverleihungen fanden online statt, ebenso wie die ersten Messen und Events – von den großen Sourcing-Shows in Hong Kong bis hin zur Welcome Home Tour im Dezember. All das führt in einer Situation, in der ohnehin der gesamte Arbeitsalltag auf dem Bildschirm stattfindet („Viele, viele Zoom-Meetings“ – Gilmour), bei vielen zu beträchtlichen Abnutzungserscheinungen, aber auch zu Lerneffekten: So mancher wird nach Corona die ein oder andere Reise überdenken und die Zeit, die er im Stau stehen oder an Flughäfen warten würde, anderweitig investieren.

Viele Branchenkenner gehen davon aus, dass die Krise die Digitalisierung in der Werbeartikelbranche beschleunigen wird. Unternehmen, die digital bereits gut aufgestellt sind, haben dabei natürlich einen Vorteil. So verzeichnen Werbeartikelanbieter, die sich auf E-Commerce spezialisiert haben, eine ähnlich positive Corona-Bilanz wie viele B2C-Shopping-Portale. „Wir verwalten mehr als 90 Webshops im Kundenauftrag, und die Zahl der Bestellungen steigt von Monat zu Monat. Dieser Preisverleihung per Post Teil des Business boomt derzeit“ (Thibaut Fontaine, mcs Kick&Rush). Gleichzeitig wurde in den vergangenen Monaten an vielen Stellen schmerzhaft deutlich, dass die Branche in Sachen Digitalisierung noch hinterherhinkt. Doch wer meint, der Weg in eine möglichst erfolgreiche Zukunft nach Corona liege ausschließlich im Ausbau der eigenen digitalen Wettbewerbsfähigkeit, der irrt, denn die Herausforderungen und zentralen Themen des Marktes, die vor COVID-19 relevant waren, bleiben bestehen. So gilt es weiterhin, sich nicht als reiner Anbieter und Dienstleister, sondern auch als kompetenter Berater zu positionieren. „Die Krise hat gezeigt, dass die Beraterkompetenz eine entscheidende Rolle spielt. Viele Industriekunden haben ihren Händler als ersten Ansprechpartner gewählt, anstatt in für sie unbekannten Portalen nach Produkten zu suchen” (Jeschonowski).

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Feierstimmung zum Jahresauftakt: Sowohl Senator als auch meterex feierten ihr 100-jähriges Bestehen.

„Nachhaltigkeit wird bleiben”

Kunststoff, in den letzten Jahren geradezu verschrien, war plötzlich wieder en vogue – als hygienisches (Verpackungs)material und als keimarme Oberfläche, auch für haptische Werbeträger. Letzteres ist nicht per se ein Rückschritt, sondern trägt im Gegenteil vielleicht sogar zu einer differenzierteren Diskussion bei. Ohnehin gehen Gesundheit und Nachhaltigkeit eigentlich Hand in Hand, und viele Werbeartikelhändler stellen tatsächlich fest, dass ihre Kunden sich im Jahr 2020 und seinen großen Umbrüchen intensiv Gedanken um die Sinnhaftigkeit der von ihnen eingesetzten Produkte gemacht haben. „Werbeartikel mit nachhaltigem Werbewert – also außergewöhnliche Alltagsbegleiter in guter Qualität, mit herausragendem Design, aus umweltfreundlichem Material und in Europa hergestellt – werden zunehmend nachgefragt” (Haupt-Schneider). „Werbende Unternehmen werden in den kommenden Jahren noch genauer prüfen, wie und über welche Kanäle – und vor allem mit wie viel Budgets – sie ihre Kunden erreichen können“ (Mätzener). Eine Entwicklung, die sowohl Gefahren als auch große Chancen birgt – je nachdem, was die Branche auf die Sinnfrage antwortet, die der Markt ihr stellt.

Weiter Resilienz beweisen

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Nachhaltigkeit und entsprechende haptische Werbeträger bleiben trotz Corona ein Megatrend.

Leider fragen sich viele Werbeartikler selbst aktuell eher, ob und wie sie die kommenden Monate überstehen werden. Zwar brachten die Lockerungen im Sommer und das Weihnachtsgeschäft vielerorts eine gewisse Linderung. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die abschließende Schadensbilanz erst dann möglich ist, wenn Hilfsgelder und Kreditlinien auslaufen. „Momentan wird das wirtschaftliche Gesamtbild durch die Hilfsmaßnahmen der Regierung noch verfälscht“ (Andre Noordwijk, BeGlobal). Es wird dauern, bis der Markt für haptische Werbung auch nur annähernd wieder in die Nähe des Vorkrisenniveaus kommen wird – darüber besteht kein Zweifel. „Ich rechne frühestens in zwei Jahren mit einer vollständigen Erholung des Geschäfts“ (Oster). „Ich hoffe, dass wir die Situation im Herbst 2021 überstanden haben werden, aber womöglich ist da auch der Wunsch der Vater des Gedankens“ (Langenberg).

Und so empfinden viele das Jahresende 2020 nicht als Abschluss, sondern vielmehr als Auftakt für eine weitere Periode voller Herausforderungen. In dieser Situation ist es motivierend, dass die Branche viele Hürden der vergangenen Monate mit Kreativität, Improvisationstalent und Resilienz genommen hat – man denke nur an das enorme Tempo, in dem viele ihre Produktportfolios angepasst haben, aber auch die vielen tollen Beispiele für kreative Kampagnen, für Solidaritäts-, Hilfs- und Spendenaktionen, für den Zusammenhalt untereinander. Nicht zu vergessen die guten Nachrichten, die es auch 2020 gab, und die den Blick in Richtung 2021 deutlich aufhellen – allen voran der Regierungswechsel in den USA und die Durchbrüche bei der Suche nach Impfstoffen. Es wäre naiv, angesichts dieser Nachrichten grenzenlosen Optimismus zur Schau zu tragen. Doch zumindest, das bleibt zu hoffen, wird 2021 wieder ein wenig planbarer.

// Till Barth

Fotos: Archiv WA Media

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