Eine Initiative von inzwischen 32 Werbeartikellieferanten wendet sich im Rahmen einer Medienkampagne an die Branche und den Gesamtverband der Werbeartikel-Wirtschaft e.V. (GWW). Ihr Anliegen: Angesichts zahlreicher Herausforderungen im Markt solle der Verband weniger als Messeveranstalter agieren, sondern mit allen verfügbaren Mitteln originäre Verbandsarbeit leisten. Die ganze Aktion ist in nur zwei Werktagen entstanden. In der kurzen Zeit konnten natürlich nicht alle Lieferanten erreicht und gefragt werden, ob sie mitmachen. Die Initiatoren gehen davon aus, dass die große Mehrheit der Lieferanten die Aktion unterstützt. Unter den Unterzeichnenden sind Importeure und Hersteller, Vollsortimenter und Spezialisten. Jan Breuer (mbw), Marcus Sperber (elasto) und Alexander Ullmann (uma) sprachen mit den Werbeartikel Nachrichten über die Motivation und Hintergründe der Initiative.

gww lieferantenini interview breuer - „Der GWW ist kein Messeveranstalter“

Jan Breuer

gww lieferantenini interview sperber - „Der GWW ist kein Messeveranstalter“

Marcus Sperber

gww lieferantenini interview ullmann - „Der GWW ist kein Messeveranstalter“

Alexander Ullmann

Jan Breuer, wie kam es zu dem Aufruf?

Jan Breuer: Bereits 2022 hatten wir als JCK-Gruppe gemeinsam mit einigen weiteren Unterzeichnern an den damaligen GWW-Vorstand geschrieben und für die PSI als Leitmesse in Europa geworben. Wir brauchen eine Verbandsarbeit, die sich um Politik kümmert und nicht um Messen, und wir brauchen eine zentrale Messe in Europa, auf der wir uns in einer professionellen Art und Weise präsentieren können. Während die PSI Anfang 2023 einen starken Restart hingelegt hat, gab es im GWW Turbulenzen, und der neue Vorstand rund um Steven Baumgärtner, mit dem wir eigentlich gut aufgestellt waren, hat sich zerrissen. Deshalb sahen wir akuten Handlungsbedarf, haben ein weiteres Schreiben aufgesetzt und eine ganze Anzahl neuer Unterstützer gewonnen, die genauso denken wie wir.

Bislang sind nur Lieferanten aus der DACH-Region darunter. Ist es gewünscht, dass sich dieser Kreis um internationale Firmen und Händler erweitert?

Breuer: Ja, natürlich. Bei allem, was wir tun, sollte es ausschließlich um die Zukunft unserer Branche gehen. Dieses Denken Lieferant vs. Händler gilt es, aufzulösen.

Marcus Sperber: Die Zeiten, da man zwischen Händlern, Agenturen und Industriekunden klare Grenzen ziehen konnte, sind leider vorbei. Der Wandel findet in einem gigantischen Tempo statt. Es gibt in unserer Kundenstruktur ganz neue Kundengruppen wie Onlinemarketplaces und -druckereien, die Riesenumsätze machen.

Jan Breuer: Es war uns wichtig, dieses Schreiben vor den anstehenden außerordentlichen Vorstandswahlen herauszubringen, um nochmal ganz klar für einen zukunftsorientierten Vorstand zu werben.

Wo sehen Sie die Aufgaben des GWW, und wie müsste er sich verändern, um diese Aufgaben erfüllen zu können?

Marcus Sperber: Das wichtigste ist die Lobbyarbeit in Berlin. Wir haben eine Regierung, die vom Mittelstand wenig hält, und ich habe die Befürchtung, dass das Thema Werbeartikel und Abzugsfähigkeit früher oder später auf den Plan kommt, wenn es darum geht, Subventionen zu streichen. Da brauchen wir dringend wieder ein Sprachrohr. Wir haben ein paar gute Kontakte in Berlin, die müssen wir weiter pflegen und ausbauen.

Alexander Ullmann: Wir müssen zudem die Mitgliederzahl deutlich erhöhen, wir brauchen die Kooperation mit anderen europäischen Verbänden und wir brauchen eine gute Kommunikation nach außen. Es bekommt ja niemand mit, wie groß die Branche ist und was hier passiert.

Jan Breuer: Wenn sich Vorstand und Geschäftsstelle ein Dreivierteljahr lang nur um Messen kümmern, wie soll dann noch Zeit für politische Arbeit oder die Unterstützung der Mitglieder bleiben? Der GWW ist kein Messeveranstalter.

Der große Stein des Anstoßes ist die Frühjahrs-Trend. Ist die Initiative denn auch ein klares Plädoyer dafür, dass man diese sein lässt?

Marcus Sperber: Ja. Es ist einfach zu viel, die PSI und noch zig andere Veranstaltungen zu bespielen. Man kommt nicht hinterher, alles abzuarbeiten.

Jan Breuer: Die aktuelle Situation ist ein Wahnsinn. Die Frühjahrstrend, auf der wir die gleichen Besucher treffen, die wenige Wochen zuvor auf der PSI waren, ergibt keinen Sinn, wir werden dort auch nicht mehr ausstellen. Die Newsweek, auf die ja auch Industriekunden kommen, und die Herbst-Trend als Branchen-Get-together vor dem Weihnachtsgeschäft haben ihre Daseinsberechtigung. Aber jetzt, da die PSI wieder funktioniert, muss man sich von der Frühjahrs-Trend verabschieden.

Letztere ist allerdings u.a. deshalb erst entstanden, weil sich einige Händler nicht mehr von der PSI abgeholt gefühlt haben.

Jan Breuer: Diese Diskussion um die PSI führen wir seit über zwei Jahrzehnten, obwohl der gesamte Markt sich schon mehrmals gedreht hat – das ist traurig. Wenn sich jetzt möglicherweise Leute in den GWW-Vorstand wählen lassen wollen, die immer noch an alten Denkstrukturen festhalten, bringt uns das nicht weiter. Wie kleinkariert unsere Branche manchmal tickt, sieht man auch daran, wie einzelne Gruppierungen verhindert haben, dass das PSI einen Platz im Vorstand erhält – wo wir doch mit ihm die Chance hätten, unser Netzwerk bedeutend zu erweitern, denn das PSI hat eine Vielzahl von Kontakten auch im europäischen Ausland.

Marcus Sperber: Wir haben inzwischen viel Kontakt zu amerikanischen Werbeartikelunternehmen, nicht zuletzt aufgrund der internationalen Blockbildung. Wenn diese mich fragen, wo sie denn unseren Markt mal anschauen können, ist für mich in Europa die PSI die einzige Plattform. Eine europäische Leitmesse, zu der auch internationale bzw. amerikanische Firmen kommen, ist wichtig.

Alexander Ullmann: Wir müssen zudem gemeinsam unsere Produkte bei der Industrie positionieren und nach vorne bringen. Wir stehen im Wettbewerb zu Print, Online, TV usw., und die PSI ist eine Möglichkeit, uns auf internationaler Ebene adäquat als Werbeform zu präsentieren. Es wäre doch blöd, das in ein anderes Land abzugeben. Ich verstehe nicht, warum man das mit Gewalt kaputtredet, oder warum man Direktgeschäfte befürchtet. Wer das möchte, braucht die PSI nicht.

Aber die Zielgruppe der Entscheider ist doch auf der PSI eher unterrepräsentiert?

Alexander Ullmann: Ich bin für eine Öffnung der PSI, aber nicht wahllos, sondern kontrolliert als erweiterte Plattform – mit einem Tag, an dem wir die Chance haben, Industriekunden und Politik zu zeigen, wer alles hinter dieser Branche steht. Zu diesem Zweck müsste das PSI ein Modell aufbauen, das vom Handel akzeptiert wird. Auf der Newsweek mit einem 2 x 2 m-Stand präsentiert man sich weder hochwertig noch interessant. Da kann ich verstehen, wenn mich der Mercedes-Einkäufer fragt, weshalb er für einen Kugelschreiber fünf Euro zahlen soll.

Wo steht die HAPTICA® live in dieser ganzen Gemengelage? Dort gibt es ja seit jeher ein offenes Konzept und Gattungsmarketing für die haptische Werbung.

Jan Breuer: Wir haben in diesem Jahr wieder eine sehr gute HAPTICA® live erlebt und werden auch 2024 dort ausstellen. Dass man gemeinsam mit Händlern und Industriekunden Gespräche führt, funktioniert in Bonn gut. Für mich ist die HAPTICA® live nicht in dem Gesamtkontext rund um PSI und Trend zu sehen, sondern steht für sich.

Marcus Sperber: Man sollte die Messen den Messeveranstaltern überlassen – wenn die ihre Plattformen attraktiv gestalten, dann werden sie weiterhin Bestand haben. Ein Verband muss da aber nicht noch zusätzlich mitmischen.

Ein Verband braucht eine gewisse Gemeinsamkeit, die scheint momentan nicht gegeben. Wie kann man diejenigen, die eher alten Denkmustern verhaftet sind, überzeugen?

Jan Breuer: Es braucht natürlich eine gehörige Portion Offenheit. Wir werben immer damit, wie flexibel wir sind – nicht zuletzt während Corona –, und diese Flexibilität brauchen wir auch, wenn es um Verbandsangelegenheiten geht. Es darf in unserer Branche nicht Usus werden, dass man die Vergangenheit konserviert, anstatt die Zukunft zu gestalten.

Alexander Ullmann: Der Markt ist extrem schnelllebig, da bringt es nichts, an seinem Stuhl festzuhalten. Jeder muss bereit sein – auch als Händler –, etwas zu geben und nicht immer zu denken, alles sei umsonst. Ich finde es beschämend, von einem Gesamtverband zu reden, der Messen organisiert, von denen bei zweien der Kostendruck allein auf Lieferantenseite liegt. Das hat nichts mit Gemeinsamkeit zu tun.

Aber auch nicht alle Lieferanten sind konsequent: Manche kritisieren die Frühjahrs-Trend, stellen aber trotzdem dort aus.

Jan Breuer: Diese Lieferanten sollten natürlich ebenfalls Farbe bekennen. Auch das PSI muss sich Gedanken machen, wie es diejenigen Aussteller, die jetzt nur auf der Frühjahrstrend ausstellen, vernünftig und adäquat unterbringt.

Alexander Ullmann: Ich kann jedoch auch verstehen, wenn Lieferanten die Ansicht vertreten, dass sie die Fahne als Verbandsmitglied hochhalten müssen. Wir betonen in unserer Initiative ja auch die Gemeinsamkeit innerhalb des Verbands. Es wäre ein Segen, wenn wir einen Vorstand bekämen, dessen Mitglieder wirklich zusammenarbeiten wollen. Aber sie müssen auch lernen, dass man einen Verband nicht wie ein Unternehmen führen kann, weil viele Menschen mitreden.

// Mit Jan Breuer, Marcus Sperber und Alexander Ullmann sprachen Till Barth und Dr. Mischa Delbrouck.

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